Verwaltungsrecht

Überwiegend unbegründete Klage auf Löschung personenbezogener Daten aus dem Kriminalaktennachweis, Aufbürdung der Verfahrenskosten nach § 155 Abs. 1 S. 3 VwGO bei Obsiegen mit 2 von 28 Datensätzen

Aktenzeichen  AN 15 K 18.01958

Datum:
24.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 25541
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
PAG Art. 4, 54 Abs. 2, 62
VwGO § 155 Abs. 1 S. 3

 

Leitsatz

Tenor

1. Unter entsprechender Aufhebung des Bescheids des Bayerischen … vom 6. September 2018 wird der Beklagte verpflichtet, die Datensätze zur Person des Klägers im Kriminalaktennachweis zum Verdacht des Vorenthaltens/Veruntreuens von Arbeitsentgelt (Tattag gemäß Bescheid: 01.01.2007) sowie zum Verdacht der gefährlichen Körperverletzung (Tattag gemäß Bescheid: 21.12.2003) zu löschen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Das Gericht konnte eine Entscheidung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung treffen, da beide Parteien ihr Einverständnis hierzu schriftlich erklärt haben, § 101 Abs. 2 VwGO.
Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 6. September 2018 erweist sich im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. VG Ansbach, U.v. 10.12.2019 – 15 K 18.982 – BeckRS 2019, 34337 Rn. 16) überwiegend als rechtmäßig und verletzt den Kläger insoweit nicht in dessen subjektiven Rechten; ihm steht ein Anspruch auf Löschung der in den polizeilichen Datenbanksystemen des Beklagten gespeicherten personenbezogenen Daten nur im Umfang des Tenors dieses Urteils zu (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Die als Versagungsgegenklage statthafte Verpflichtungsklage gegen die Ablehnung des Löschungsantrages des Klägers vom 14. März 2018 (vgl. BayVGH, U.v. 21.1.2009 – 10 B 07.1382 – BeckRS 2009, 42891) ist form- und fristgerecht erhoben worden und insgesamt zulässig.
Die anwaltlich verfasste Klageschrift vom 8. Oktober 2018 bedarf jedoch der Auslegung im Hinblick auf den Umfang des Klagebegehrens.
Nach § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO muss die Klage den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Sie soll einen bestimmten Antrag enthalten (§ 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sollen angegeben, die angefochtene Verfügung und der (Widerspruchs) Bescheid sollen in Abschrift beigefügt werden (§ 82 Abs. 1 Satz 3 VwGO). Grundsätzlich ist es daher Sache des Klägers, sein Begehren zu konkretisieren. Aus der Tatsache der Klageerhebung, aus Angaben über den angegriffenen Verwaltungsakt und etwaigen sonstigen während der Klagefrist abgegebenen Erklärungen oder diesen beigefügten Unterlagen muss es für das Gericht möglich sein, festzustellen, um was es dem Kläger geht, in welcher Angelegenheit die Klage erhoben wird und auf welchen konkreten Fall sich die Rechtshängigkeit bezieht. Für das Verständnis der Klageanträge ist allerdings nicht deren Wortlaut, sondern das ihnen zugrundeliegende Klagebegehren maßgeblich (§ 88 VwGO). Es ist deshalb das wirkliche Rechtsschutzziel des Klägers durch Auslegung zu ermitteln. Dies geschieht nach den für die Auslegung von Willenserklärungen nach §§ 133, 157 BGB geltenden Grundsätzen. Dabei ist neben dem Klageantrag und der Klagebegründung auch die Interessenlage des Klägers zu berücksichtigen, soweit sie sich aus dem Klägervortrag und sonstigen für das Gericht und den Beklagten als Adressat des Klageantrags erkennbaren Umständen ergibt. Der gestellte Antrag ist danach so auszulegen bzw. umzudeuten, dass er den zu erkennenden Interessen des rechtsschutzsuchenden Bürgers bestmöglich Rechnung trägt (stRspr, BVerwG, U.v. 1.9.2016 – 4 C 4.15 – BVerwGE 156, 94 Rn. 9; U.v. 15.7.2016 – 9 A 16.15 – NVwZ 2017, 56 Rn. 13). Ist der Kläger bei der Fassung des Klageantrags anwaltlich vertreten worden, kommt der Antragsformulierung allerdings gesteigerte Bedeutung für die Ermittlung des tatsächlich Gewollten zu. Selbst dann darf die Auslegung jedoch vom Antragswortlaut abweichen, wenn die Klagebegründung, die beigefügten Bescheide oder sonstige Umstände eindeutig erkennen lassen, dass das wirkliche Klageziel von der Antragsfassung abweicht (BVerwG, B.v. 21.1.2015 – 4 B 42.14 – BeckRS 2015, 41972; B.v. 13.1.2012 – 9 B 56.11 – NVwZ 2012, 375 Rn. 8; Rennert in: Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 88 Rn. 9). § 88 VwGO legitimiert das Gericht allerdings nicht, den Wesensgehalt der Auslegung zu überschreiten und an die Stelle dessen, was die Partei erklärtermaßen will, das zu setzen, was sie nach Meinung des Gerichts zur Verwirklichung ihres Bestrebens wollen sollte (vgl. etwa: BayVGH, B.v. 10.12.2018 – 11 CS 18.2480 – BeckRS 2018, 32452).
Dies zugrunde gelegt ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger mit seiner durch seinen Bevollmächtigten verfassten Klageschrift nur diejenigen zu seiner Person im polizeilichen Datenbanksystem KAN gespeicherten Datensätze gelöscht wissen will. Dem gegenüber ist aus dem Klagevorbringen und den der Klageschrift beigefügten Anlagen nicht hinreichend deutlich, dass der Kläger daneben auch alle oder bestimmte Datensätze im IGVP gelöscht wissen will.
Ausgehend vom Wortlaut sowohl des Löschungsantrages im anwaltlichen Schreiben vom 14. März 2018 an das Polizeipräsidium Mittelfranken als auch des Klageantrages und der Klagebegründung im Schriftsatz vom 8. Oktober 2018 will der Kläger eine Löschung „sämtlicher in INPOL über den Kläger gespeicherter Daten“ erreichen. Streng genommen umschreibt der Begriff „INPOL“ dabei das polizeiliche Informationssystem als das gemeinsame, arbeitsteilige, elektronische Informationssystem der Polizeien des Bundes und der Länder zur Unterstützung vollzugspolizeilicher Aufgaben, in welchem informationstechnische Einrichtungen des Bundes und der Länder in einem Verbund zusammenwirken. Dieses System wird im Rahmen der Bundesaufgabe des Bundeskriminalamtes nach § 2 Abs. 3 BKAG geführt. Das Bundeskriminalamt ist gemäß § 29 Abs. 1 BKAG Zentralstelle für den polizeilichen Informationsverbund und stellt ein einheitliches Verbundsystem zur Verfügung. Die Daten für dieses Verbundsystem stellen die daran teilnehmenden Behörden zur Verfügung (§ 29 Abs. 2 Satz 2 BKAG; BT-Drs. 18/11163 S. 109; vgl. auch: BayVGH, U.v. 20.7.2020 – 10 B 20.459 – BeckRS 2020, 20623). Auch wenn INPOL beim Bundeskriminalamt eingerichtet ist und von dort den Landespolizeien und der Bundespolizei zur Verfügung gestellt wird, bleibt der Datenbesitz und die Datenverantwortlichkeit im Verbundsystem weiter bei den jeweiligen Polizeien des Bundes und der Länder (BT-Drs. 18/11163 S. 85). Dies folgt aus § 29 Abs. 5 Satz 1 und § 31 Abs. 2 BKAG, wonach im Rahmen des polizeilichen Informationsverbundes die datenschutzrechtliche Verantwortung für die bei der Zentralstelle gespeicherten Daten den Stellen obliegt, die die Daten unmittelbar eingeben, und zur Löschung nur diejenige Stelle befugt ist, die die Daten eingegeben hat (vgl. auch Saarl. OVG, U.v. 30.1.2018 – 2 A 269/16 – juris Rn. 32; Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, BKAG, § 29 Rn. 28).
In seinem schriftlichen Löschungsantrag an das Polizeipräsidium Mittelfranken beschreibt der Klägerbevollmächtigte, dass in einem Personalbogen der Polizei … dort laut INPOL der Vermerk „gewalttätig“ zum Kläger ersichtlich und Anlass für das klägerische Auskunfts- und Löschungsbegehren an den Beklagten gewesen sei. Im streitgegenständlichen Bescheid des … wurde auch tatsächlich ein solcher personenbezogener Hinweis als Teil des Kriminalaktennachweises der Polizei des Freistaates Bayern offenbart, jedoch in Folge des Löschungsantrages gelöscht. Der Kriminalaktennachweis ist dabei Bestandteil von INPOL (vgl. Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz, https://www.datenschutz-bayern.de/faq/FAQ-DatenspeicherungPolizei.html).
Der streitgegenständliche Bescheid wiederum gibt Auskunft zu sämtlichen über den Kläger in den beiden Datenbanksystemen KAN und IGVP gespeicherten Datensätzen. Dabei dient das IGVP-System jedoch lediglich als interne Vorgangsverwaltung beim jeweiligen Polizeiverband. Die Datensätze im IGVP sind selbst nicht (automatisch) Bestandteil von INPOL, denn es ist nicht als Verbundsystem konzipiert, sondern dient der Verwaltung des Datenbestandes des jeweiligen Polizeipräsidiums (vgl. Der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz, 25. Tätigkeitsbericht 2012, Abschnitt „3. Polizei“, Punkt 3.5.3, abrufbar unter www.datenschutz-bayern.de).
Dem Wortlaut des Klageschriftsatzes – unter Berücksichtigung auch der Fassung des Löschungsantrages vom 14. März 2018 – nach begehrt der anwaltlich vertretene Kläger demnach nur die Löschung derjenigen Datensätze, die Bestandteil des Verbundsystems INPOL geworden sind, folglich die Datensätze im KAN.
Für eine darüberhinausgehende Einbeziehung auch der IGVP-Datensätze in Auslegung des klägerischen Begehrens über den Wortlaut der gestellten Anträge hinaus finden sich keine Anhaltspunkte. Zwar will der Kläger den streitgegenständlichen Bescheid insgesamt aufgehoben wissen. Im streitgegenständlichen Bescheid hat der Beklagte jedoch in den Gründen eine Trennung vorgenommen, einmal bezogen auf Auskunftserteilung zu KAN-Datensätzen (unter Ziffer 1), im Weiteren bezogen auf Auskunftserteilung zu IGVP-Datensätzen (unter Ziffer 2) und schließlich bezogen auf die Regelung des Löschungsantrages (unter Ziffer 3). Die Bescheidsgründe unter Ziffer 3) sind inhaltlich vollständig auf Datensätze im KAN beschränkt, während in den Bescheidsgründen unter Ziffer 2) ausgeführt wird, dass sich ein Berichtigungs- oder Löschungsanspruch zu IGVP-Datensätzen aus Art. 62 Abs. 1 PAG ergeben könne, es dazu aber eines entsprechenden Antrages mit Begründung bedürfe. Dem objektiven Betrachter vermittelt sich daher bereits aus dem streitgegenständlichen Bescheid selbst, dass der Beklagte es aufgrund der Fassung des Löschungsantrages des Klägerbevollmächtigten vom 14. März 2018 nicht für geboten erachtet hatte, auch einen Löschungsanspruch bezüglich der IGVP-Datensätze verbescheiden zu müssen. Vielmehr sollte hierüber lediglich Auskunft erteilt werden. Das Aufhebungsbegehren des Klägers kann sich folgerichtig nur auf den regelnden Teil des Bescheids beziehen, also auf die Ablehnung seines Löschungsbegehrens unter Ziffer 3) der Gründe des Bescheids.
Schließlich hat der Klägerbevollmächtigte weder im Klageschriftsatz, noch in einer Stellungnahme auf den Schriftsatz des Beklagten vom 26. Mai 2021 dargelegt, dass es dem Kläger auch um eine Löschung der IGVP-Datensätze gehe. Im Schriftsatz des Beklagten vom 26. Mai 2021 hatte das … festgehalten, dass die derzeit existierenden 50 Einträge im IGVP aus Sicht des Beklagten nicht streitgegenständlich seien. Dem ist der Kläger nicht entgegengetreten, so dass unter Anlegung eines strengen Maßstabes bei der Auslegung des Klagebegehrens bei einem anwaltlich vertretenen Kläger eine Ausdehnung des Klagebegehrens auch auf Datensätze aus der IGVP-Datenbank – und sei es nur als korrespondierender Datensatz zu KAN-Einträgen – nicht in Betracht kommt.
2. Die Klage ist nur zu einem kleinen Teil begründet.
a) Der vom Kläger geltend gemachte Löschungsanspruch richtet sich nach den Art. 54 Abs. 2, 62 Abs. 2 PAG.
Aus der Systematik der Vorschriften ergibt sich, dass personenbezogene Daten, die die Polizei im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungsverfahren oder von Personen gewonnen hat, die verdächtig sind eine Straftat begangen zu haben, speichern und anderweitig verarbeiten kann, soweit dies zur Gefahrenabwehr, insbesondere zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist. Entfällt dagegen der der Speicherung zugrundeliegende Verdacht, sind die Daten unverzüglich zu löschen, Art. 54 Abs. 2 Satz 2 PAG. Zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten ist die Speicherung erforderlich, wenn die betroffene Person verdächtig ist, eine Straftat begangen zu haben und tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie zukünftig eine Straftat begehen wird (vgl. BVerfG, B.v. 1.6.2006 – 1 BvR 2293/03 – BeckRS 2009, 35816).
Der Tatverdacht ist entfallen, wenn kein Straftatbestand erfüllt ist, der Betroffene nicht als Täter in Betracht kommt oder ihm ein Rechtfertigungsgrund zur Seite steht. Dagegen reicht zur weiteren Speicherung ein weiterhin bestehender Anfangsverdacht im strafprozessualen Sinne aus, es muss sich nicht um einen hinreichenden Tatverdacht i.S.d. § 203 StPO handeln. Eine Einstellung nach §§ 153 ff. StPO lässt den Tatverdacht nicht entfallen. Bei Einstellungen nach § 170 Abs. 2 StPO ist jeweils zu prüfen, ob die Einstellung wegen erwiesener Unschuld erfolgt ist, oder ob ein „Restverdacht“ fortbesteht, wenn etwa ein Tatnachweis vor Gericht nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit geführt werden kann (stRspr des 10. Senats des BayVGH, vgl. etwa BayVGH, B.v. 30.1.2020 – 10 C 20.10 – juris Rn. 8 m.w.N.; B.v. 2.11.2020 – 10 C 20.2308 – BeckRS 2020, 30383).
Bei der Prüfung, ob die weitere Speicherung von Polizeidaten im Sinne des Art. 54 Abs. 1 PAG erforderlich ist, sind mehrere Gesichtspunkte in den Blick zu nehmen und nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit abzuwägen. Auf der einen Seite ist das Bedürfnis der Polizei zu berücksichtigen, in den polizeilichen Kriminalakten möglichst lange einen umfassenden Überblick über die kriminellen Aktivitäten einer Person zu erhalten. Auf der anderen Seite sind Art und Bedeutung der Daten in Rechnung zu stellen, deren Löschung im Streit steht. Je länger die Vorfälle zurückliegen, je unbedeutender die zu Grunde liegende Straftat ist und je uninteressanter sie sich unter kriminalistischer Hinsicht darstellt, desto stärker schlagen die Datenschutzbelange des Betroffenen zu Buche (VG Aachen, U.v. 15.6.2009 – 6 K 1979/08 – BeckRS 2009, 35480).
Ist der Ausgang eines Ermittlungsverfahrens schließlich unbekannt, kann nicht geklärt werden, ob gegen den Betroffenen insoweit noch ein Restverdacht besteht. Das Fortbestehen eines Restverdachts ist, wie aus Art. 54 Abs. 2 Satz 2 PAG folgt, zwingende Tatbestandsvoraussetzung für die Rechtmäßigkeit der weiteren Speicherung und Aufbewahrung von im Rahmen der Verfolgung von Straftaten gewonnenen personenbezogenen Daten zum Zwecke der Gefahrenabwehr. Den Beklagten trifft insoweit die materielle Beweislast des fortbestehenden Tatverdachts (VG Gießen, U.v. 12.09.2005 – 10 E 667/05 – juris Rn. 30).
b) Unter Anlegung dieses rechtlichen Maßstabes sind die einzelnen Entscheidungen des Beklagten, die noch fortgesetzt gespeicherten Datensätze zum Kläger im KAN nicht zu löschen, nur insoweit zu beanstanden, als die Löschung der Datensätze zwei Verfahren betrifft, deren Ermittlungsausgang dem Beklagten unbekannt ist. Dies betrifft zum einen das Verfahren wegen Vorenthalten/Veruntreuen von Arbeitsentgelt mit Tattag vom 1. Januar 2007, da dieses ausweislich der Gründe des hier angefochtenen Bescheids an das Hauptzollamt abgegeben wurde, der Ausgang dieses Verfahrens aber laut dem Schreiben des Behördlichen Datenschutzbeauftragten beim Polizeipräsidium Mittelfranken an das Bayerische Landeskriminalamt vom 22. Mai 2018 (vgl. Bl. 2R d. vorgelegten Behördenakte) unbekannt sei. Zum zweiten betrifft dies auch den Datensatz wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung mit Tattag vom 21. Dezember 2003, bei denen zwar die staatsanwaltschaftlichen Aktenzeichen der Staatsanwaltschaft …, nicht aber der Verfahrensausgang bekannt sind (vgl. ebenfalls Bl. 2R der Behördenakte). Die Aufklärungsbemühungen des erkennenden Gerichts zum Ausgang jenes Verfahrens, dem wohl der Verdacht einer Gewalttat des Klägers im persönlichen Nahbereich zugrunde lag, brachten ebenfalls kein Ergebnis hinsichtlich des Verfahrensausgangs. Die Staatsanwaltschaft … teilte auf die gerichtliche Anforderung der Ermittlungsakten mit, dass diese Akten ausgeschieden worden seien. Im vorgelegten Behördenakt des Bayerischen Landeskriminalamtes finden sich zum Ausgang der benannten Verfahren indes auch keine Anhaltspunkte. Insbesondere fehlt es an Einstellungsmitteilungen, Mitteilungen nach MiStra oder weiteren verfahrensrelevanten Dokumenten, auf die der Beklagte seinen fortbestehenden Resttatverdacht argumentativ stützt, etwa Abschriften der Zeugenaussagen der Geschädigten. Damit fehlt es im Sinne der materiellen Beweislast an einem Nachweis des fortbestehenden Resttatverdachts durch den Beklagten, so dass sich der Löschungsanspruch des Klägers insoweit als begründet erweist. Demnach war der Klage teilweise stattzugeben.
c) Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
Der Beklagte hat in seinem Bescheid vom 6. September 2018 unter Ziffer 3) der Gründe dezidiert ausgeführt, welche einzelnen Kurzsachverhalte den strafrechtlichen Ermittlungsverfahren jeweils zu Grunde gelegen und welchen Abschluss die Verfahren gefunden haben, sowie woraus sich der polizeiliche Resttatverdacht im Falle einer Verfahrenseinstellung nach § 170 Abs. 2 StPO begründet. Diese Bescheidsgründe hat der Kläger nicht in Zweifel gezogen und die zugrundeliegenden Sachverhaltsdarstellungen insbesondere nicht mit erheblichen Gegendarstellungen erschüttert. Der polizeiliche Resttatverdacht der Begehung einer Straftat durch den Kläger besteht daher nach Überzeugung des Gerichts zweifelsohne in den Fällen fort, in denen gegen den Kläger eine strafrechtliche Verurteilung zu einer Geldstrafe (Verstoß gegen das BtmG – Tattag: 1.10.2008 u. 1.3.2008; Vergehen gegen das AMG – Tattag: 22.2.2003; Betrug – Tattag: 1.12.2007; Verstoß gegen das BtmG – Tattag: 29.7.2003; Datensätze aus dem Bereich der KPI Regensburg – Tattage: 20.10.2005 u. 24.10.2005) erfolgt ist.
Der Resttatverdacht ist jedoch auch nicht entfallen, soweit Verfahrenseinstellungen nach den §§ 153, 153a, 170 Abs. 2 StPO vorgenommen wurden oder von der Verfolgung einer Tat nach den § 154 Abs. 1 StPO oder § 31a BtMG abgesehen wurde. Der Kläger ist den im angegriffenen Bescheid zugrunde gelegten Sachverhaltsbeschreibungen des Beklagten in der Sache nicht entgegengetreten. Die mit der Behördenakte vorgelegten einzelnen Einstellungsmitteilungen, Ereignismeldungen, MiStra-Mitteilungen, Tatblätter und Vernehmungsabschriften (hier insbesondere im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität) lassen die Entscheidungen der Staatsanwaltschaft und der seinerzeit ermittelnden Polizeidienststellen nachvollziehen. Danach ist es nur in ganz wenigen Fällen zu Einstellungen nach § 170 Abs. 2 StPO wegen erwiesener Unschuld gekommen, denen der Beklagte im Hinblick auf das Löschungsbegehren des Klägers auch Rechnung getragen hat.
Im Übrigen geht das erkennende Gericht davon aus, dass eine eigenständige Prüfung der Polizei zum Resttatverdacht bei Verfahrenseinstellungen aus Opportunitätsgründen im Regelfall nicht erforderlich ist, da dies nur in den Fällen notwendig ist, in denen bei einer endgültigen Verfahrenseinstellung, der Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens oder einem rechtskräftigen Freispruch keine Feststellungen der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts zum (Rest-)Verdacht getroffen wurden (BayVGH, B.v. 10.6.2013 – 10 C 13.62 – juris Rn. 4 f. und BayVGH, B.v. 1.8.2012 – 10 ZB 11.2438 – juris Rn.3.). Bei Verfahrenseinstellungen nach §§ 153 ff. StPO wird aber teilweise eine Feststellung zum Tatverdacht getroffen oder es besteht der durch die Anklagerhebung bzw. die Eröffnung des Hauptverfahrens von der Staatsanwaltschaft bzw. vom Gericht bejahte Tatverdacht trotz der Einstellungsverfügung fort (BayVGH, B.v. 1.8.2012 – 10 ZB 11.2438 – juris Rn. 3). Dies ergibt sich schon daraus, dass bei einem Absehen von der Erhebung der öffentlichen Klage bzw. der Verfolgung einer Straftat nach diesen Bestimmungen der fortbestehende Tatverdacht letztlich vorausgesetzt wird (BayVGH, B.v.10.6. 2013 – 10 C 13.62 – juris Rn. 5). Ansonsten hätte eine Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO zu erfolgen.
Für das Löschungsbegehren des Klägers ergibt sich nichts Günstigeres aus Art. 62 Abs. 2 Satz 1 PAG, soweit man diese Rechtsgrundlage vorliegend überhaupt neben Art. 54 Abs. 2 Satz 2 PAG für anwendbar hält, da es sich vorliegend bei den zur Löschung beantragten Daten ausschließlich um aus laufenden Ermittlungsverfahren gewonnene handelt (vgl. dazu BayVGH, B.v. 24.2.2015 – 10 C 14.1180 – juris Rn. 23 ff.). Denn es ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass die Daten in unzulässiger Weise erhoben oder verarbeitet wurden (Art. 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 PAG) oder sonst eine rechtliche Verpflichtung zur Löschung besteht (Art. 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 PAG).
Ferner ist offensichtlich weder die regelmäßige Aufbewahrungsfrist unter Berücksichtigung der Mitziehklausel (Art. 54 Abs. 2 Sätze 3 u. 6 i.V.m. Art. 53 Abs. 5 PAG) abgelaufen, noch liegt eine verkürzte, bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bereits abgelaufene Speicherfrist nach Art. 54 Abs. 2 Satz 4 PAG vor, die auch nicht angezeigt ist, so dass im Übrigen auch Art. 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 PAG nicht einschlägig ist.
Umstände, die die weitere Speicherung der Daten als unverhältnismäßig im Sinne des Art. 4 PAG erscheinen lassen, sind weder erkennbar noch wurden solche konkret vorgetragen. Allein der Umstand, dass den gespeicherten Datensätzen teilweise Sachverhalte zugrunde liegen, die bereits Jahre zurückliegen – was der Kläger hier letztlich als Argument in den Ring wirft – lässt die fortgesetzte Speicherung noch nicht unverhältnismäßig erscheinen. Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an einer effektiven Strafvorsorge und dem privaten Interesse des Klägers hinsichtlich seiner Datenschutzbelange ist anzumerken, dass er strafrechtlich wohl vor allem auch im Zusammenhang mit der Ausübung von beruflichen Tätigkeiten (Türstehertätigkeiten, Betrieb eines Sicherheitsunternehmens) und zudem im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität, die regelmäßig schwer wiegt, über einen kontinuierlichen Zeitraum von mehreren Jahren aufgefallen ist. Dem gegenüber erweist sich die Anzahl an Strafverfahren etwa aus dem persönlichen Nah- oder Bagatellbereich, die den streitgegenständlichen Datensätzen zugrunde liegen, doch als wesentlich in der Minderheit. Die im Bescheid des … angestellte Abwägung ist vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden.
Ebenfalls nicht zu beanstanden ist schließlich die fortgesetzte Speicherung der Daten zur erkennungsdienstlichen Behandlung des Klägers aus dem Jahr 2003 und zu den Haft- und Fahndungsdaten (vgl. BayVGH, U.v. 4.4.1997 – 24 B 95.3677 – BeckRS 1997, 21406; VG München, U.v. 21.5.2014 – M 7 K 13.5529 – BeckRS 2014, 119429).
Das erkennende Gericht verweist im Übrigen auf die Gründe des angefochtenen Bescheids und macht sich diese zu eigen (§ 117 Abs. 5 VwGO).
3. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Von den insgesamt über den Kläger zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung gespeicherten 28 Datensätze gemäß dem Schriftsatz des … vom 26. Mai 2021 sind aufgrund dieses Urteils lediglich zwei Datensätze zu löschen. Die Quote des Obsiegens zu Unterliegen lässt es daher im vorliegenden Fall ermessensgerecht erscheinen (vgl. Just, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, VwGO § 155 Rn. 9 ff.), von einer Kostenquotelung abzusehen und dem Kläger als überwiegend Unterliegenden des Rechtsstreits die Verfahrenskosten aufzubürden.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostengrundentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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