Verwaltungsrecht

Unbegründeter Berufungszulassungsantrag eines irakischen Asylbewerbers

Aktenzeichen  5 ZB 18.33041

Datum:
5.12.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 32467
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 4 Abs. 1, § 78 Abs. 3, Abs. 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
EMRK Art. 3

 

Leitsatz

1 Bei einer auf tatsächliche Verhältnisse gestützten Grundsatzrüge muss der Rechtsmittelführer Erkenntnisquellen zum Beleg dafür angeben, dass die Feststellungen, Erkenntnisse und Einschätzungen des Verwaltungsgerichts unzutreffend oder zumindest zweifelhaft sind (wie BayVGH BeckRS 2017, 128096). (Rn. 2) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Es trifft nicht zu, dass allen irakischen Staatsangehörigen arabischer Volkszugehörigkeit und schiitischen oder sunnitischen Glaubens im gesamten Irak Gefahren iSv § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AsylG drohen, sodass ihnen unabhängig von ihrer Herkunftsregion und der individuellen Gefahrensituation subsidiärer Schutz zu gewähren wäre. Ob eine Person bei ihrer Rückkehr in den Irak eine erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt ist, bestimmt sich stets nach den tatsächlichen Verhältnissen in der Herkunftsregion (wie BayVGH BeckRS 2018, 7825). (Rn. 5) (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Es kann offenbleiben, ob in der Stadt Bagdad ein bewaffneter Konflikt iSv § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AsylG herrscht. Denn ein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt begründet subsidiären Schutz nur dann, wenn der Schutzsuchende von ihm ernsthaft individuell bedroht ist und kein interner Schutz besteht. (Rn. 8) (red. LS Clemens Kurzidem)
4 Der noch im Februar 2018 drohende Konflikt zwischen den kurdischen Peschmerga und den irakischen Streitkräften bzw. schiitisch dominierten Milizen ist nach dem Rückzug der Peschmerga aus der Stadt und der Region Kirkuk nicht mehr aktuell (wie BayVGH BeckRS 2018, 18514). Die ehemaligen Herrschaftsgebiete des sog. Islamischen Staats sind weitgehend von den irakischen Streitkräften und den schiitischen Milizen zurückerobert worden. (Rn. 10) (red. LS Clemens Kurzidem)
5 Eine vom Auswärtigen Amt ausgesprochene Reisewarnung für ein bestimmtes Land besitzt keine Indizwirkung für das Vorliegen einer Extremgefahr iSv § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG, bei der in verfassungskonformer Auslegung ein Abschiebungsverbot nach nationalem Recht anzunehmen wäre. Vielmehr ist auszuschließen, dass die für die Reisewarnung maßgebenden rechtlichen Maßstäbe zur Bewertung der Verfolgungs- bzw. Sicherheitslage mit denen identisch sind, anhand derer das Vorliegen einer Extremgefahr nach § 60 Abs. 7 AufenthG zu beurteilen wäre (wie BayVGH BeckRS 2017, 119356). (Rn. 15) (red. LS Clemens Kurzidem)

Verfahrensgang

RO 4 K 17.30587 2018-10-15 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die Berufung ist nicht gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung setzt voraus, dass eine konkrete, bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht beantwortete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert wird, die für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, deren Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und der eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 72). Hierfür ist eine Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts erforderlich (vgl. Berlit in GK-AsylG, § 78 Rn. 592, 607 und 609). Bei einer auf tatsächliche Verhältnisse gestützten Grundsatzrüge muss der Rechtsmittelführer Erkenntnisquellen zum Beleg dafür angeben, dass die Feststellungen, Erkenntnisse und Einschätzungen des Verwaltungsgerichts unzutreffend oder zumindest zweifelhaft sind (BayVGH, B.v. 21.9.2017 – 4 ZB 17.31091 – juris Rn. 8 f. m.w.N.).
a) Der Kläger hält die Fragen für grundsätzlich bedeutsam, ob irakische Staatsangehörige arabischer Volkszugehörigkeit als Rückkehrer in den Irak Gefahr laufen, einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 3 AsylG i.V.m. Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95/EU ausgesetzt zu sein, oder ob für solche Rückkehrer im Falle einer Abschiebung erhebliche konkrete Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit bestehen, die ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begründen.
aa) Die grundsätzliche Bedeutung dieser Fragen ist schon nicht ausreichend dargelegt im Sinn von § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG. Die gestellten Fragen betreffen alle irakischen Staatsangehörigen mit arabischer Volkszugehörigkeit und schiitischem oder sunnitischem Glauben, unabhängig von ihrer Herkunftsregion. Sie sind für den Kläger, der in der Anhörung vor dem Bundesamt angegeben hat, bis zu seiner Ausreise in Bagdad, wo sich noch seine Großfamilie aufhalte, gelebt zu haben, in diesem Umfang nicht klärungsbedürftig (entscheidungserheblich) und im Übrigen auch nicht klärungsfähig.
Es kann nicht angenommen werden, dass allen irakischen Staatsangehörigen mit arabischer Volkszugehörigkeit und schiitischem oder sunnitischem Glauben im gesamten Irak Gefahren im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG drohen, so dass ihnen unabhängig von ihrer Herkunftsregion und ihrer individuellen Gefahrensituation subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Nr. 3 AsylG zu gewähren wäre. Für die Frage, ob eine Person bei Rückkehr in den Irak einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt ist, ist auf die tatsächlichen Verhältnisse in ihrer Herkunftsregion abzustellen (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 13 m.w.N.; U.v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – juris Rn. 16; U.v. 14.7.2009 – 10 C 9.08 – BVerwGE 134, 188 Rn. 17; BayVGH, B.v. 22.3.2018 – 20 ZB 16.30038 – juris Rn. 8; vgl. auch Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Auflage 2018, § 4 AsylG Rn. 16).
Gleiches gilt für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
bb) Selbst wenn man die gestellten Fragen auf die Herkunftsregion des Klägers, hier die Stadt Bagdad, beschränkt, ist die grundsätzliche Bedeutung – unabhängig von der Frage, ob insoweit zwischen Schiiten und Sunniten unterschieden werden müsste – nicht ausreichend dargelegt.
(1) Es kann offenbleiben, ob in der Stadt Bagdad ein bewaffneter Konflikt im Sinn von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG vorliegt (vgl. zur Definition EuGH, U.v. 30.1.2014 – C-85/12 – NVwZ 2014, 153, LS 1). Denn ein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt begründet subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nur dann, wenn der Schutzsuchende von ihm ernsthaft individuell bedroht ist und kein interner Schutz besteht (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG, § 3e AsylG). Es reicht nicht aus, dass in der Herkunftsregion ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt besteht, der zu permanenten Gefährdungen der Bevölkerung und schweren Menschenrechtsverletzungen führt. Für die individuelle Betroffenheit bedarf es einer Feststellung zur Gefahrendichte, die jedenfalls auch eine annäherungsweise quantitative Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos umfasst (vgl. BVerwG, U.v. 13.2.2014 – 10 C 6.13 – NVwZ-RR 2014, 487 Rn. 24 m.w.N. zu § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a.F.). Erforderlich ist, dass durch die Auseinandersetzungen, an denen bewaffnete Gruppen beteiligt sind, ein Grad an willkürlicher Gewalt entsteht, so dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer ernsthaften individuellen Bedrohung ihres Lebens oder ihrer Unversehrtheit ausgesetzt zu sein, und der Betroffene somit tatsächlich internationalen Schutz benötigt (EuGH, U.v. 30.1.2014 a.a.O. LS 3). Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt liegt nicht schon bei inneren Unruhen und Spannungen wie Tumulten, vereinzelt auftretenden Gewalttaten oder ähnlichen Handlungen vor. Vielmehr muss ein Konflikt ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie dies etwa bei Bürgerkriegsauseinandersetzungen oder Guerillakämpfen der Fall ist (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 – 10 C 43.07 – juris Rn. 22).
Für die Feststellung der Gefahrendichte können dabei die Kriterien, die im Bereich des Flüchtlingsrechts für den dort maßgeblichen Begriff der Verfolgungsdichte bei einer Gruppenverfolgung gelten, entsprechend herangezogen werden. Zur Ermittlung einer für die Annahme einer erheblichen Gefahr ausreichenden Gefahrendichte ist aufgrund aktueller Quellen die Gesamtzahl der in der Herkunftsregion lebenden Zivilpersonen annäherungsweise zu ermitteln und dazu die Häufigkeit von Akten willkürlicher Gewalt sowie die Zahl der dabei Verletzten und Getöteten in Bezug zu setzen; erst auf der Grundlage der quantitativen Ermittlung bedarf es einer wertenden Gesamtbetrachtung (BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – juris Rn. 22 f.; BayVGH, B.v. 17.1.2017 – 13a ZB 16.30182 – juris). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. U.v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – NVwZ 2012, 454 Rn. 22 f.) ist die Annahme einer individuellen Gefährdung auch bei einer Gefahrendichte von 1:800 noch fernliegend.
Eine solche Gefahrendichte hat der Kläger in der Zulassungsbegründung nicht dargelegt (vgl. § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG). Für die vom ihm pauschal behaupteten Kämpfe von kurdischen, schiitischen und sunnitischen Gruppen nennt er keine Erkenntnisquellen. Der noch im Februar 2018 drohende Konflikt zwischen den kurdischen Peschmerga und den irakischen Streitkräften bzw. schiitisch dominierten Milizen ist nach dem Rückzug der kurdischen Peschmerga aus Stadt und Region Kirkuk nicht mehr aktuell (vgl. zur aktuellen allgemeinen Lage im Irak und speziell in der Region Kirkuk BayVGH, U.v. 19.7.2018 – 20 B 18.30800 – juris). Die ehemaligen Herrschaftsgebiete des sog. islamischen Staats sind weitgehend von den irakischen Streitkräften und den schiitischen Milizen zurückerobert worden.
Aufgrund dieser aktuellen Entwicklung ist der Hinweis in der Zulassungsbegründung auf die Zahl der Verletzten und Getöteten aus den Jahren 2014 bis 2017, in denen die irakischen Streitkräfte, schiitische Milizen und kurdische Peschmerga die Herrschaftsgebiete des IS zurückerobert haben, soweit man der Zahl der in diesen Kämpfen Getöteten und Verletzten für die nicht von der Rückeroberung betroffene Stadt und Region Bagdad überhaupt eine Aussagekraft beimessen könnte, nicht (mehr) ausreichend. Für das Jahr 2018 schildert der Kläger in der Zulassungsbegründung vier (Selbstmord-)Anschläge in den Monaten Januar und April 2018, bei denen jeweils zwischen 12 und 58 Menschen getötet worden seien. Daraus ergibt sich – auch auf das ganze Jahr hochgerechnet und unter Berücksichtigung einer erheblichen Dunkelziffer durch sonstige Tötungen – nicht die erforderliche Gefahrendichte.
Zwar muss in Bagdad auch weiterhin mit schweren Anschlägen gerechnet werden. Gleichwohl kann dort ein derart hoher Grad willkürlicher Gewalt, dass eine Zivilperson dort allein durch die Anwesenheit tatsächlich Gefahr liefe, einer Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit ausgesetzt zu sein, nicht angenommen werden. Schon angesichts der Größe der Stadt und Metropolregion Bagdad mit sechs bis zwölf Millionen Einwohnern, in denen sowohl Schiiten als auch Sunniten jeweils in Millionenstärke weitgehend in eigenen Bezirken leben, ist eine Zahl von Getöteten und Verletzten im Verhältnis zur Gesamteinwohnerzahl, die zu der oben genannten Gefahrendichte führen würde und die Gewährung subsidiären Schutzes für alle dort lebenden Einwohner, die in Deutschland Schutz suchen, zur Folge hätte, den vorliegenden Erkenntnismittel nicht zu entnehmen.
(2) Die weiter gestellte Frage, ob für Rückkehrer im Falle einer Abschiebung erhebliche konkrete Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit bestehen, die ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begründen, ist nicht grundsätzlich bedeutsam.
Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Für die Annahme des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG bedarf es konkreter und ernsthafter Anhaltspunkte dafür, dass dem Betroffenen als individualisierbarem Einzelnen in dem Staat, in den er abgeschoben wird, ernsthafte Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit drohen. Beruft sich ein Ausländer lediglich auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG, die nicht nur ihm persönlich, sondern zugleich der ganzen Bevölkerung oder einer Bevölkerungsgruppe drohen, wird Abschiebungsschutz ausschließlich durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a AufenthG gewährt. Das zeigt, dass der Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG stets eine Frage des Einzelfalls und nicht grundsätzlich klärungsfähig ist.
In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist auch geklärt, dass einer vom Auswärtigen Amt ausgesprochenen Reisewarnung für ein bestimmtes Land keine Indizwirkung für das Vorliegen einer extremen Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, bei der in verfassungskonformer Auslegung der Regelungen ein Abschiebungsverbot nach nationalem Recht anzunehmen ist, zukommt. Denn es ist auszuschließen, dass die für die Reisewarnung maßgebenden rechtlichen Maßstäbe zur Bewertung der Verfolgungs- bzw. Sicherheitslage mit jenen identisch sind, anhand derer das Vorliegen einer extremen Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 AufenthG zu beurteilen ist (BVerwG, B.v. 27.6.2013 – 10 B 11.13 – juris; BayVGH, B.v. 13.7.2017 – 20 ZB 17.30841 – juris Rn. 12). Gleiches gilt hinsichtlich der Frage, ob und warum die österreichische Botschaft noch immer geschlossen ist.
b) Der Kläger hält weiter die Frage für grundsätzlich bedeutsam, ob unter Berücksichtigung aktueller Entwicklungen die humanitären Bedingungen im Irak so prekär sind, dass sich daraus ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK ergibt.
Der Kläger trägt vor, rund 2,4 Millionen Menschen im Irak seien auf Nahrungshilfe, 11 Millionen auf humanitäre Hilfe angewiesen, nicht einmal die Grundversorgung der Bürger sei in allen Bereichen des Landes gewährleistet. Die Lebensbedingungen von 57% der sich in den Städten befindenden Menschen glichen denen von „Slums“. Schon im Juni 2013 habe die UN-Mission ermittelt, dass vier Millionen Iraker unterernährt seien. Ein Viertel der gesamten Bevölkerung lebe dabei unter der Armutsgrenze. Es fehle an Nahrung, Hygieneartikeln, Schulgebäuden und medizinischen Hilfseinrichtungen.
Mit diesen Ausführungen, die im Übrigen weitgehend dem Bescheid des Bundesamts vom 3. Februar 2017 (S. 7) entnommen sind, wird eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht im Sinne von § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG dargelegt.
Dafür, dass die schlechte humanitäre Lage zu einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung für den gesamten Irak führen könnte, gibt es keine Erkenntnisquellen. Bei dieser Beurteilung kommt es ohnehin auf die Herkunftsregion und die individuelle Situation der jeweiligen Betroffenen an. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte können schlechte humanitäre Verhältnisse (nur) in ganz außergewöhnlichen Fällen Art. 3 EMRK verletzen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung „zwingend“ sind (U.v. 28.6.2011 – 8319/07 – NVwZ 2012, 681 Rn. 278), wie bereits im Bescheid des Bundesamts (S. 7) zutreffend ausgeführt. Diese Frage ist daher regelmäßig eine solche des Einzelfalls sowohl im Hinblick auf die Herkunftsregion als auch im Hinblick auf die persönlichen Umstände der Betroffenen und einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich. Der 44-jährige alleinstehende Kläger, dessen Großfamilie in Bagdad lebt, gehört auch nicht zu einem vulnerablen Personenkreis.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG), ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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