Verwaltungsrecht

Untergegangener Bewerbungsverfahrensanspruch

Aktenzeichen  6 ZB 18.1410

Datum:
17.12.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
LSK – 2018, 35693
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 19 Abs. 4, Art. 33 Abs. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2

 

Leitsatz

1. Der Bewerbungsverfahrensanspruch eines unterlegenen Bewerbers geht regelmäßig durch die Ernennung des Konkurrenten unter. Der unterlegene Bewerber kann seinen Bewerbungsverfahrensanspruch nur dann durch eine Anfechtungsklage gegen die Ernennung weiterverfolgen, wenn er unter Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG daran gehindert worden ist, seine Rechtsschutzmöglichkeiten vor der Ernennung auszuschöpfen. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ernennt nach Abschluss der gerichtlichen Überprüfung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes der Dienstherr den Konkurrenten und beendet somit das Auswahlverfahren endgültig, so findet ein Hauptsacheverfahren wegen der Rechtsbeständigkeit der Ernennung nicht mehr statt. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Beamter, der die Möglichkeiten des vorläufigen Rechtsschutzes zur Verhinderung der Ernennung erfolglos ausgeschöpft hat, kann anschließend lediglich auf dem – sekundären – Weg des Schadensersatzanspruchs geltend machen, sein Bewerbungsverfahrensanspruch sei vor dessen Untergang verletzt worden. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
4. Im Fall der Mehrfachbegründung einer gerichtlichen Entscheidung ist eine Zulassung der Berufung nur gerechtfertigt, wenn im Hinblick auf jeden der Begründungsstränge ein Zulassungsgrund dargelegt wird und gegeben ist. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 2 K 17.18 2018-06-14 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 14. Juni 2018 – Au 2 K 17.18 – wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 16.024,17 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers‚ die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen‚ bleibt ohne Erfolg. Die innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 VwGO, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist, liegen nicht vor (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Der Kläger steht als Technischer Fernmeldeamtsrat (Besoldungsgruppe A 12) im Dienst der Beklagten und ist bei der D. T. AG beschäftigt. Bei der Beförderungsrunde 2015 konkurrierte er mit 12 weiteren Beamtinnen und Beamten auf der Beförderungsliste „0185_GHQ“ um vier Planstellen zur Beförderung auf ein nach Besoldungsgruppe A 13 bewertetes (Status-)Amt. Mit Schreiben vom 26. Juni 2015 wurde ihm mitgeteilt, dass er nicht auf eine dieser Stellen befördert werden könne. Nachdem ein Eilverfahren auf Freihaltung der Stellen ohne Erfolg geblieben war (VG Augsburg, B.v. 26.1.2016 – Au 2 E 15.1052; BayVGH, B.v. 20.4.2016 – 6 CE 16.331) und die Beigeladenen nach Erhalt der Beförderungsurkunden rückwirkend zum 1. März 2016 in die vier Planstellen der Besoldungsgruppe A 13 eingewiesen worden waren, hat er Klage erhoben und zuletzt beantragt, die Ablehnungsmitteilung vom 26. Juni 2015 aufzuheben und festzustellen, dass seine Nichtbeförderung rechtswidrig war. Das Verwaltungsgericht hat die Klage hinsichtlich beider Klageanträge für unzulässig erachtet und mit Urteil vom 14. Juni 2018 abgewiesen.
Die vom Kläger gegen die gerichtliche Entscheidung vorgebrachten Zulassungsgründe greifen nicht durch.
1. Ohne Erfolg bleibt der Zulassungsantrag, soweit das Verwaltungsgericht die (Anfechtungs-)Klage auf Aufhebung der Ablehnungsmitteilung vom 26. Juni 2015 mit der Begründung abgewiesen hat, es fehle das Rechtsschutzbedürfnis.
Der Kläger wirft als grundsätzlich bedeutsam im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO die Fragen auf, „ob mit der Ernennung der Beigeladenen sich der an (ihn) gerichtete Verwaltungsakt ‚Nichtbeförderung‘ erledigt und infolge dessen die erhobene Anfechtungsklage unzulässig wird“ und „ob sich mit der Ernennung der Beigeladenen die Bewerbung des Klägers erledigt, sein Bewerbungsverfahrensanspruch untergeht und insoweit nachwirkender Rechtsschutz nicht mehr möglich ist“. Zur Begründung der grundsätzlichen Bedeutung, aber auch für die zudem geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und besonderen rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), wird vorgetragen, die Fragen seien noch nicht abschließend geklärt; vielmehr sei im Gegenteil seit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. November 2010 – 2 C 16.09 – (BVerwGE 138, 102) zur Ämterstabilität vieles unklar geblieben, etwa zu den Rechtswirkungen einer Ablehnungsmitteilung für den abgelehnten Bewerber.
Diese Fragen und Zweifel rechtfertigen die Berufungszulassung unter keinem der in Betracht kommenden Zulassungstatbestände. Sie lassen sich auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ohne weiteres im Sinn des Verwaltungsgerichts beantworten und bedürfen keiner erneuten oder weitergehenden Prüfung in einem Berufungsverfahren.
Es kann dahin stehen, ob und unter welchen Umständen die Ablehnungsmitteilung (Negativ- oder Konkurrentenmitteilung) an einen Bewerber um eine Beförderungsstelle als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist oder nicht (vgl. etwa HessVGH, B.v. 18.7.2018 – 1 B 2029/17 – juris Rn. 18 ff. einerseits und VGH BW, B.v. 6.3.2018 – 4 S 189/18 – juris Rn. 7 andererseits) und welche Rechtswirkungen sie mit welchen Folgen für den Rechtsschutz in dienstrechtlichen Konkurrentenstreitigkeiten im Einzelnen entfalten kann. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist jedenfalls geklärt, dass der Bewerbungsverfahrensanspruch des unterlegenen Bewerbers aus Art. 33 Abs. 2 GG durch die Ernennung des Konkurrenten untergeht, wenn diese das Auswahlverfahren endgültig abschließt. Das ist regelmäßig der Fall, weil die Ernennung nach dem Grundsatz der Ämterstabilität nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, sodass das Amt unwiderruflich vergeben ist. Ein unterlegener Bewerber kann seinen Bewerbungsverfahrensanspruch nur dann durch eine Anfechtungsklage gegen die Ernennung weiterverfolgen, wenn er unter Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG daran gehindert worden ist, seine Rechtsschutzmöglichkeiten vor der Ernennung auszuschöpfen (BVerwGE 138, 102 Rn. 27; vgl. auch BVerfG, B.v. 2.5.2016 – 2 BvR 120/16 – juris Rn. 5). Ein solcher Ausnahmefall steht hier nicht in Rede. Denn der Kläger hatte – unstreitig – ausreichend Gelegenheit, die Rechtsschutzmöglichkeiten zur gerichtlichen Nachprüfung der Auswahlentscheidung vor der Ernennung der ausgewählten Bewerber auszuschöpfen. Er hat davon auch – ohne Erfolg – Gebrauch gemacht (VG Augsburg, B.v. 26.1.2016 – Au 2 E 15.1052; BayVGH, B.v. 20.4.2016 – 6 CE 16.331), wobei das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in Übereinstimmung mit den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG die Funktion des Hauptsacheverfahrens übernommen hat und – entsprechend der ständigen Spruchpraxis – nicht auf eine bloß summarische Prüfung beschränkt war.
Demnach wurde das vom Kläger für rechtswidrig betrachtete Auswahlverfahren durch die Ernennungen der Beigeladenen, die der Dienstherr nach Abschluss der gerichtlichen Überprüfung vorgenommen hat und die mithin rechtsbeständig sind, endgültig beendet. Ein Hauptsacheverfahren findet dann, wie das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich hervorgehoben hat, „wegen der Rechtsbeständigkeit der Ernennung nicht mehr statt“ (BVerwG, U.v. 4.11.2010 – 2 C 16.09 – BVerwGE 138, 102 Rn. 31). Das umfasst jede auf primären Rechtsschutz gerichtete Klage des unterlegenen Bewerbers; dazu gehört auch – und erst recht – die vom Kläger erhobene isolierte Anfechtungsklage gegen die an ihn gerichtete Ablehnungsmitteilung, sollte ihre Zulässigkeit nicht bereits an allgemeinen prozessrechtlichen Hürden scheitern (vgl. Hartung, RiA 2017, 49, 50). Art. 33 Abs. 2, Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gibt jedenfalls keinen Anspruch darauf, dass der Bewerbungsverfahrensanspruch zweimal, nämlich vor und nach der Ernennung gerichtlich verfolgt werden kann. Ein Beamter, der die Möglichkeiten des vorbeugenden Rechtsschutzes zur Verhinderung der Ernennung erfolglos ausgeschöpft hat, kann anschließend lediglich auf dem – sekundären – Weg des Schadensersatzanspruchs geltend machen, sein Bewerbungsverfahrensanspruch sei vor dessen Untergang verletzt worden.
2. Ohne Erfolg bleibt der Zulassungsantrag auch insoweit, als er sich gegen die Abweisung der Klage richtet, mit der der Kläger die Feststellung begehrt, dass seine Nichtbeförderung rechtswidrig war.
Das Verwaltungsgericht hat diese Feststellungsklage für unzulässig erachtet, weil das vom Kläger angeführte Interesse, die Rechtslage für ein Schadensersatzbegehren klären zu lassen, aus zwei – jeweils für sich tragenden – Gründen nicht schutzwürdig sei. Zum einen sei die beabsichtigte Schadensersatzklage offensichtlich aussichtlos, weil dem Dienstherrn in Anwendung der Kollegialgerichtsregel kein Verschulden vorzuwerfen sei. Zum anderen sei das erledigende Ereignis bereits vor Erhebung der Feststellungsklage eingetreten, sodass es dem Kläger oblegen hätte, sich sogleich unmittelbar an das für eine Schadensersatzklage zuständige Gericht zu wenden. In einem solchen Fall der Mehrfachbegründung ist eine Zulassung der Berufung nur gerechtfertigt, wenn im Hinblick auf jeden der Begründungsstränge ein Zulassungsgrund dargelegt wird und gegeben ist (vgl. BayVGH, B.v. 29.6.2016 – 6 ZB 15.2786 – juris Rn. 3 m.w.N.). Daran fehlt es.
Jedenfalls hinsichtlich des zweiten Begründungsstrangs (kein Feststellungsinteresse bei Erledigung vor Klageerhebung) greifen die vorgebrachten Zulassungsgründe nicht durch. Die insoweit als grundsätzlich bedeutsam im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO aufgeworfene Frage, „ob vorliegend eine Konstellation der Erledigung des Klagebegehrens bereits vor Klageerhebung gegeben ist“, lässt sich ohne weiteres mit dem Verwaltungsgericht bejahen und bedarf keiner Prüfung in einem Berufungsverfahren. Der Bewerbungsverfahrensanspruch des Klägers aus Art. 33 Abs. 2 GG ist aus den unter 1) genannten Gründen durch die rechtsbeständigen Ernennungen der Beigeladenen unwiderruflich untergegangen. Damit hat sich zugleich – erst recht – die Ablehnungsmitteilung erledigt. Das war vor der Klageerhebung am 9. Januar 2017. Daran bestehen entgegen der Ansicht des Klägers auch keine ernstlichen Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit‚ etwaige außergerichtliche Kosten der Beigeladenen nach § 162 Abs. 3 VwGO für erstattungsfähig zu erklären‚ weil diese keinen Antrag gestellt haben und damit selbst kein Kostenrisiko eingegangen sind (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 6 Satz 4 GKG, wobei sich die Zahl der in Streit stehenden Beförderungsstellen nicht streitwerterhöhend auswirkt (BayVGH, B.v. 24.10.2017 – 6 C 17.1429 – BayVBl 2018, 390).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 6 VwGO).


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