Verwaltungsrecht

Unzulässige Beschwerde gegen einen Beschluss zur Aussetzung des Verfahrens, Fehlende Postulationsfähigkeit, Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis

Aktenzeichen  8 C 21.2256

Datum:
11.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 985
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 60, § 67 Abs. 4, § 94, § 147 Abs. 1

 

Leitsatz

Verfahrensgang

B 1 K 20.971 2021-07-27 Bes VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Die Beschwerde wird verworfen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.
Mit Beschluss vom 27. Juli 2021 setzte das Verwaltungsgericht Bayreuth das verwaltungsgerichtliche Verfahren nach § 94 VwGO im Hinblick auf eine beim Bundesverwaltungsgericht anhängige andere Klage des Klägers aus. Der Beschluss wurde dem Kläger mittels Postzustellungsurkunde am 31. Juli 2021 zugestellt.
Am 11. August 2021 legte der Kläger persönlich Beschwerde beim Verwaltungsgericht ein.
Mit Schreiben vom 24. September 2021 bestellte sich der nunmehr Bevollmächtigte und stellte am 11. November 2021 Antrag auf Wiedereinsetzung. Der Kläger habe entsprechend der Rechtsmittelbelehrungseine Beschwerde beim Verwaltungsgericht eingereicht. Dies sei folgerichtig, da das Verwaltungsgericht abhelfen könne. Erst bei einer Vorlage an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof sei eine anwaltliche Vertretung erforderlich. Zudem sei der Aussetzungsbeschluss des Verwaltungsgerichts wegen fehlender gesetzlicher Grundlage rechtswidrig. Das Bundesverwaltungsgericht sei für das andere Verfahren nicht zuständig. Der zu Grunde liegende Verweisungsbeschluss sei nichtig, da er willkürlich ergangen sei.
Das Verwaltungsgericht teilte am 20. Dezember 2021 mit, dass das Bundesverwaltungsgericht die Klage im dortigen Verfahren abgewiesen habe. Das hiesige Verfahren werde von Amts wegen fortgeführt.
II.
1. Die vom Kläger persönlich eingelegte Beschwerde gegen den Aussetzungsbeschluss des Verwaltungsgerichts nach § 94 VwGO hat keinen Erfolg, da sie unzulässig ist.
a. Die Beschwerde ist mangels Postulationsfähigkeit unzulässig. Der vom Bevollmächtigten gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist nach § 60 Abs. 1 VwGO bleibt ohne Erfolg.
aa. Gemäß § 147 Abs. 1 Satz 2, § 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO muss sich ein Beteiligter vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof durch einen Prozessbevollmächtigten, namentlich durch einen Rechtsanwalt, vertreten lassen. Anders als die Klagepartei meint, gilt dies auch hinsichtlich der Einleitung des Verfahrens (§ 67 Abs. 4 Satz 2 VwGO; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl., 2019, § 67 Rn. 16, § 147 Rn. 4). Ein nicht postulationsfähiger Beteiligter kann keine Beschwerde einlegen. Der Kläger wurde hierauf in der dem angegriffenen Beschluss beigefügten Rechtsmittelbelehrunghingewiesen.
Der Kläger hat die Beschwerde vom 11. August 2021 persönlich verfasst und eingereicht, ohne sich durch einen postulationsfähigen Prozessbevollmächtigten vertreten zu lassen. Dieser Mangel kann nur innerhalb der Beschwerdefrist geheilt werden (vgl. BayVGH, B.v. 1.9.2021 – 23 CS 21.2246 – BeckRS 2021, 24965 Rn. 1).
Dies ist vorliegend nicht geschehen. Die vierzehntägige, nicht verlängerbare Beschwerdefrist lief am 16. August 2021 ab (§§ 147 Abs. 1 Satz 1, 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 und 2, 224 Abs. 2 ZPO, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Alt. 2 BGB). Soweit man das Schreiben des nunmehr Bevollmächtigten des Klägers vom 24. September 2021 im Sinne der Klagepartei als wiederholte Beschwerdeeinlegung auslegt (§ 88 VwGO), erfolgte diese zwar durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten, aber nach Ablauf der Beschwerdefrist, so dass diese verfristet ist.
bb. Der von der Klagepartei mit Schreiben vom 10. November 2021 gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist wird abgelehnt.
Gem. § 60 Abs. 1 VwGO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Die Antragsfrist beträgt zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses. Mit dem Antrag sind die den Wiedereinsetzungsantrag begründenden Tatsachen darzulegen. Diese, d.h. sämtliche Umstände, die für die Frage von Bedeutung sind, auf welche Weise und durch wessen Verschulden es zu der Fristversäumnis gekommen ist, müssen dargelegt werden, es sei denn, sie sind offenkundig. Erforderlich ist eine rechtzeitige substantiierte und schlüssig Darstellung (vgl. BVerwG, B.v. 23.6.2011 – 1 B 9.11 – BeckRS 2011, 52164 Rn. 3 m.w.N.). Vorzutragen ist auch, dass der Wiedereinsetzungsantrag rechtzeitig nach Wegfall des Hindernisses gestellt wird.
Diesen Maßstäben genügt das Vorbringen des Klägers nicht. Aus dem Schreiben des Klägers vom 10. November 2021 ergibt sich nicht, aus welchen Gründen die Klagepartei gehindert war, die Prozesshandlung fristgemäß vorzunehmen. Soweit man die Ausführungen des Klägers, „nach der Rechtsmittelbelehrungim Aussetzungsbeschluss vom 27. Juli 2021 sei die Beschwerde innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Beschlusses beim Verwaltungsgericht einzureichen“, als Hinweis auf eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung bzw. eine mangelnde Rechtskenntnis eines juristisch nicht vorgebildeten Bürgers versteht, so ist dem zu erwidern, dass die dem Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 27. Juli 2021 beigefügte Rechtsmittelbelehrungzutreffend auf das Vertretungserfordernis hinweist. Werden die Angaben in einer zutreffenden Rechtsbehelfsbelehrungnicht beachtet, so ist die dadurch verursachte Versäumung einer Frist regelmäßig verschuldet (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 60 Rn. 23). Im Hinblick auf die Ausführungen, der Aussetzungsbeschluss des Verwaltungsgerichts sei rechtswidrig, weil der Verweisungsbeschluss an das Bundesverwaltungsgericht nichtig sei, ergeben sich ebenfalls keine Hinderungsgründe.
b. Die Beschwerde ist auch wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.
Auch für Beschwerden ist ein Rechtsschutzbedürfnis erforderlich. Dieses fehlt, wenn der mit der Beschwerde verfolgte Zweck nicht mehr erreicht werden kann oder sich die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nicht mehr verbessern kann. Maßgeblicher Zeitpunkt ist der der gerichtlichen Entscheidung (vgl. BayVGH, B.v. 2.2.2012 – 2 CS 11.2251 – BeckRS 2012, 52649; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 146 Rn. 30; Guckelberger in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 146 Rn. 42).
So liegt der Fall hier. Im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ist der Aussetzungsgrund, wie das Verwaltungsgericht mit Schreiben vom 17. Dezember 2021 mitgeteilt hat, durch den rechtskräftigen Abschluss des vorgreiflichen Klageverfahrens beim Bundesverwaltungsgericht weggefallen. Das Klageverfahren wird beim Verwaltungsgericht von Amts wegen fortgeführt (vgl. BayVGH, B.v. 11. 5.2016 – 9 C 16.392 – BeckRS 2016, 46019 Rn. 6; Eyermann in VwGO, 15. Aufl. 2019, § 94 Rn. 9). Etwas anders kann der Kläger auch durch die begehrte Aufhebung des Aussetzungsbeschlusses vom 27. Juli 2021 nicht erreichen, auch hinsichtlich etwa anfallender Kosten nicht, da sie Teil der Kosten des Hauptsachverfahrens sind (Neumann/Schaks in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 161 Rn. 9). Der Beschwerde fehlt daher das Rechtsschutzbedürfnis (vgl. zu einem ähnlich gelagerten Fall BayVGH, B.v. 11.5.2016 – 9 C 16. 16.392 – BeckRS 2016, 46019 Rn. 10 f.).
2. Für das Beschwerdeverfahren trägt der Kläger gem. § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten (zur Erforderlichkeit einer Kostenentscheidung BayVGH, B.v. 16.2.2016 – 8 C 15.2617 – BeckRS 2016, 43644 Rn. 8; B.v. 8.8.2011 – 8 C 11.1451 – BeckRS 2011, 33636 Rn. 6; Neumann/Schaks in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 161 Rn. 9). Eine Streitwertfestsetzung ist entbehrlich, weil gemäß Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum GKG (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt (vgl. BayVGH, B.v. BayVGH, B.v. 16.2.2016 – 8 C 15.2617 – BeckRS 2016, 43644 Rn. 9; Peters in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 94 Rn. 30).
3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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