Verwaltungsrecht

Unzulässiger Asylantrag – Subsidiärer Schutz in Italien gewährt

Aktenzeichen  W 4 K 17.32614

Datum:
5.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 14414
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RL 2013/32/EU Art. 33, Art. 46 Abs. 3, Art. 52 Abs. 1 S. 1
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2
AufenthG § 60 Abs. 5

 

Leitsatz

1 In Italien verstoßen die Lebensbedingungen für anerkannte Flüchtlinge weder gegen Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK noch gegen die Anforderungen der Art. 20 ff. RL 2011/95/EU (so etwa auch OVG Lüneburg BeckRS 2018, 33662; VG Göttingen BeckRS 2018, 26544). (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2 Art. 3 EMRK ist im Kern ein Abwehrrecht gegen unwürdiges Staatsverhalten iS eines strukturellen Versagens bei dem durch den Vertragsstaat zu gewährenden angemessenen materiellen Mindestniveau und weniger ein individuelles Leistungsrecht einzelner Personen auf bestimmte materielle Lebens- und Sozialbedingungen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1. Ausweislich des in der mündlichen Verhandlung am 5. Februar 2019 gestellten Hauptantrags wendet sich der Kläger gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 13. Juni 2017. Er ist der Auffassung, dieser sei unwirksam geworden aufgrund des Beschlusses des Bayer. Verwaltungsgerichts Würzburg vom 5. September 2017 im Verfahren W 4 S 17.33260, in dem die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Abschiebungsandrohung im Bescheid der Antragsgegnerin vom 13. Juni 2019 angeordnet wurde.
Dem kann das Gericht allerdings nicht folgen, da zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) die Voraussetzungen des § 37 Abs. 1 AsylG nicht vorlagen. Das Gericht hat mit Beschluss vom 5. Februar 2019 im Verfahren W 4 S 19.30253 gemäß § 80 Abs. 7 VwGO von Amts wegen seinen Beschluss vom 5. September 2017 abgeändert und den Antrag abgelehnt, so dass die von § 37 Abs. 1 AsylG normierte Rechtsfolge der Unwirksamkeit vorliegend nicht gegeben ist und die Klage im Hauptantrag abzuweisen war.
2. Die Klage ist aber auch in den Hilfsanträgen unbegründet. Der Bescheid des Bundesamts vom 13. Juni 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger schon deswegen nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Einen Anspruch auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG hat der Kläger ebenso nicht (§ 113 Abs. 5 VwGO).
3. Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids ist rechtmäßig, denn der Asylantrag des Klägers in Deutschland ist gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG unzulässig.
Gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedsstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat. Hiermit wird Art. 33 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (ABl. L 180 S. 60) – Asylverfahrensrichtlinie – (Richtlinie 2013/32/EU) ungesetzt, welcher in seinem Absatz 2 abschließend regelt, unter welchen Voraussetzungen die Mitgliedsstaaten einen Asylantrag als unzulässig betrachten dürfen. Dies ist nach Art. 33 Abs. 2 Lit a) Asylverfahrensrichtlinie u.a. dann der Fall, wenn ein anderer Mitgliedsstaat bereits internationalen Schutz gewährt hat. Dies ist vorliegend der Fall. Laut Mitteilung der italienischen Behörden vom 22. April 2016 wurde dem Kläger subsidiärer Schutz in Italien gewährt.
Es trifft auch, entgegen der Auffassung des Klägervertreters nicht zu, dass die Zulässigkeit eines vor dem 20. Juli 2015 gestellten Asylantrags an der Richtlinie 2005/85/EG zu messen ist.
Gemäß Art. 52 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2013/32/EU wenden die Mitgliedstaaten die hier maßgeblichen Rechtsvorschriften nach Art. 51 Abs. 1 der genannten Richtlinie auf Anträge auf internationalen Schutz „nach dem 20. Juli 2015 oder früher an“. Gemäß Satz 2 dieser Regelung gelten für vor diesem Datum gestellte Anträge die Rechtsvorschriften nach Maßgabe der Richtlinie 2005/85/EG. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Beschluss vom 23. Oktober 2015 (BVerwG 1 B 41.15) hieraus gefolgert, dass ein vor dem 20. Juli 2015 gestellter Asylantrag nur nach Maßgabe der Regelung des Art. 25 der RL 2005/85/EG als unzulässig betrachtet werden könne (a.a.O. Rn. 11, zit. n. juris). Es hat jedoch vor dem Hintergrund hiervon abweichender Rechtsprechung verschiedener Verwaltungsgerichte die Frage der Reichweite der Übergangsregelung des Art. 52 Abs. 1 RL 2013/32/EU mit Beschluss vom 23. März 2017 (BVerwG 1 C 17.16) dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegt. Zwar hat der Gerichtshof, soweit ersichtlich, in diesem Verfahren (C-297/17) noch keine Entscheidung getroffen. Er hat jedoch mit Urteil vom 25. Juli 2018 im Verfahren C-585/16 die zeitliche Anwendbarkeit der RL 2013/32/EU geklärt (a.a.O. Rn. 67 ff.). Danach steht es den Mitgliedstaaten aufgrund des Passus‘ „oder früher“ in Art. 52 Abs. 1 Satz 1 RL 2013/32/EU frei, diese Richtlinie auch auf bereits vor dem 20. Juli 2015 gestellte Asylanträge anzuwenden, und zwar selbst dann, wenn in den nationalen Vorschriften erst nach dem Erlass des angefochten Bescheides der maßgebliche Unzulässigkeitsgrund normiert worden ist (a.a.O. Rn. 81).
Gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG, der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der RL 2013/32/EU am 19. Juli 2013 bereits Geltung beanspruchte und nunmehr Art. 46 Abs. 3 RL 2013/32/EU umsetzt, ist in Streitigkeiten nach diesem Gesetz auf die Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung bzw. gerichtlichen Entscheidung abzustellen, nicht auf den Zeitpunkt der Asylantragstellung. Dagegen ist verfassungsrechtlich nichts zu erinnern (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. März 2017, a.a.O. Rn. 20). Mit dem Verzicht auf eine Übergangsregelung für Asylanträge, die bereits vor dem 20. Juli 2015 gestellt wurden, hat der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 29 AsylG durch das insoweit am 6. August 2016 in Kraft getretene Integrationsgesetz mithin von der ihm in Art. 52 Abs. 1 Satz 1 zweite Alternative RL 2013/32/EU eingeräumten Befugnis Gebrauch gemacht, auch Altanträge an der RL 2013/32/EU messen zu lassen. Unionsrecht stand daher bereits zum Zeitpunkt der ablehnenden Entscheidung durch die Beklagte am 13. Juni 2017 der Anwendung des § 29 Abs. 1 Ziff. 5 AsylG nicht entgegen (vgl. zum Ganzen: OVG Berlin-Brandenburg [12. Senat], B.v. 22.10.2018 – OVG 12 N 70.17 – juris).
4. Zudem sieht sich das Gericht auch nicht mit Blick auf den Vorlagebeschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Juni 2017 (1 C 26/16) an einer Entscheidung hinsichtlich Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids gehindert. Denn das Gericht geht, wie zuletzt auch das OVG Lüneburg, unter Berücksichtigung aktueller Erkenntnismittel davon aus, dass in Italien die Lebensbedingungen für anerkannte Flüchtlinge weder gegen Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK noch gegen die Anforderungen der Art. 20 ff. RL 2011/95/EU verstoßen (so etwa auch OVG Lüneburg, B.v. 21.12.2018 – 10 LB 201/18 – BeckRS 2018, 33662; VG Göttingen, U.v. 15.10.2018 – 3 A 745/17 – BeckRS 2018, 26544). Insoweit macht sich das Gericht die diesbezüglichen Ausführungen des OVG Lüneburgs (B.v. 21.12.2018 – 10 LB 201/18 – BeckRS 2018, 33662) zu eigen.
Darüber hinaus bestehen für das Gericht mit Blick auf den Wortlaut des Art. 33 Abs. 2 Buchstabe a der Richtlinie 2013/32/EU keine Bedenken an der vorliegenden Anwendbarkeit des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, da sich dem klaren und eindeutigen Wortlaut des Art. 33 Richtlinie 2013/32/EU keine weiteren Einschränkungen hinsichtlich der Einstufung eines Asylantrags als unzulässig in einem Fall wie dem vorliegenden entnehmen lässt. Eine andere Sichtweise, bei der ein Mitgliedstaat einen Asylantrag nochmals zu prüfen hätte, obwohl dem Antragsteller bereits in einem anderen Mitgliedsstaat internationales Schutz gewährt wurde, und ohne dass die Lebensbedingungen dort für Flüchtlinge die Schwelle eines Verstoßes gegen Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK erreichen, würde das Gemeinsame Europäische Asylsystem und das ihm zugrundeliegende gegenseitige Vertrauen der Mitgliedsstaaten unterlaufen. Eine solche Sichtweise würde daher Sinn und Zweck des Europäischen Asylsystems zuwiderlaufen und die ohnehin schon in erheblichem Umfang stattfindende Sekundärmigration von Schutzberechtigten noch weiter Vorschub leisten.
Die Beklagte hat den Antrag des Klägers, der in Italien bereits den subsidiären Schutzstatus zuerkannt bekommen hat, damit zu Recht als unzulässig abgelehnt. Ein weiteres Asylverfahren ist daher in der Bundesrepublik Deutschland nicht durchzuführen.
5. Auch die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG hat die Beklagte zu Recht verneint. Einen entsprechenden Anspruch hat der Kläger zum hier maßgeblichen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 AsylG) nicht.
Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
Bei der Prüfung, ob Italien hinsichtlich der Behandlung von rücküberstellten Schutzberechtigten gegen Art. 3 EMRK verstößt, ist ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 21.12.2018 – 10 LB 201/18 – BeckRS 2018, 33662; U.v. 29.1.2018 – 10 LB 82/17 – juris Rn. 28). Denn Italien unterliegt als Mitgliedstaat der Europäischen Union deren Recht und ist den Grundsätzen einer gemeinsamen Asylpolitik sowie den Mindeststandards des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems verpflichtet. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und in der EMRK finden. Daraus hat der Europäische Gerichtshof die Vermutung abgeleitet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 – juris Rn. 80). Diese Vermutung ist zwar nicht unwiderleglich. Eine Widerlegung dieser Vermutung hat der Europäische Gerichtshof aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Aufnahmerichtlinie (RL 2013/33/EU), die Qualifikationsrichtlinie (RL 2011/95/EU) oder die Verfahrensrichtlinie (RL 2013/32/EU) genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu hindern. Ist hingegen ernsthaft zu befürchten, dass die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber bzw. anerkannte Schutzberechtigte im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Personen im Sinne von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK zur Folge haben, ist eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 -10 B 6.14 – juris Rn. 6).
Für das in Deutschland – im Unterschied zu anderen Rechtssystemen – durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Absatz 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Absatz 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5.09 – BVerwGE 136, S. 377 Rn. 22 m.w.N.) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Dies entspricht dem Maßstab des „real risk“ in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. EGMR, Große Kammer, U.v. 28.2.2008 – Nr. 37201/06, Saadi – NVwZ 2008, S. 1330 Rn. 129; BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris Rn. 32). Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 und C493/10 Rn. 88 bis 94), Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der oben genannten Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris Rn. 9).
Das erfordert eine aktuelle Gesamtwürdigung der zur jeweiligen Situation vorliegenden Berichte und Stellungnahmen, wobei regelmäßigen und übereinstimmenden Berichten von internationalen Nichtregierungsorganisationen besondere Bedeutung zukommt (BVerfG, B.v. 21.4.2016 – 2 BvR 273/16 – juris Rn. 11; vgl. auch EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 – juris Rn. 90 f.). Das gilt insbesondere für die Stellungnahmen des UNHCR angesichts der Rolle, die diesem in Hinblick auf die Überwachung der Einhaltung der GFK (vgl. dort Art. 35) übertragen worden ist (vgl. EuGH, U.v. 30.5.2013 – C-528/11 – juris Rn. 44).
Zur Bestimmung der wesentlichen Kriterien für das Vorliegen einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ist auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu dem mit Art. 4 GRC übereinstimmenden Art. 3 EMRK zurückzugreifen (OVG Lüneburg, U.v. 29.1.2018 – 10 LB 82/17 – juris Rn. 31; U.v. 25.6.2015 – 11 LB 248/14 – juris Rn. 43; OVG Nordrhein-Westfalen, U.v. 7.3.2014 – 1 A 21/12.A – juris Rn. 112). Eine Behandlung ist unmenschlich, wenn sie absichtlich über Stunden erfolgt und entweder tatsächliche körperliche Verletzungen oder schwere körperliche oder psychische Leiden verursacht. Als erniedrigend ist eine Behandlung dann anzusehen, wenn sie eine Person demütigt oder herabwürdigt und fehlenden Respekt für ihre Menschenwürde zeigt oder diese herabmindert oder wenn sie Gefühle der Furcht, Angst oder Unterlegenheit hervorruft, die geeignet sind, den moralischen oder psychischen Widerstand der Person zu brechen (EGMR, U.v. 21.1.2011 – 30696/09 – M.S.S./Belgium and Greece – NVwZ 2011, S. 413 Rn. 220). Die Behandlung bzw. Misshandlung muss dabei, um in den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu fallen, einen Mindestgrad an Schwere erreichen. Dessen Beurteilung ist allerdings relativ, hängt also von den Umständen des Falles ab, insbesondere von der Dauer der Behandlung und ihren physischen und psychischen Auswirkungen sowie mitunter auch vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers (EGMR, U.v. 21.1.2011, a.a.O., Rn. 219).
Im Hinblick auf die Situation rücküberstellter Schutzberechtigter ist ferner zu beachten, dass Art. 3 EMRK die Vertragsstaaten nicht aus sich heraus dazu verpflichtet, jedermann in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen und Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen. Art. 3 EMRK ist im Kern ein Abwehrrecht gegen unwürdiges Staatsverhalten im Sinne eines strukturellen Versagens bei dem durch den Vertragsstaat zu gewährenden angemessenen materiellen Mindestniveau und weniger ein individuelles Leistungsrecht einzelner Personen auf bestimmte materielle Lebens- und Sozialbedingungen. Anerkannte Schutzberechtigte müssen sich deshalb auf den für alle italienischen Staatsangehörigen vorhandenen Lebensstandard verweisen lassen (vgl. OVG Lüneburg, U.v. 29.1.2018 – 10 LB 82/17 – juris Rn. 32; OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 31.8.2016 – 3 L 94/16 – juris Rn. 9 und 11). Durch Missstände im sozialen Bereich wird die Eingriffsschwelle von Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRC mithin nur unter strengen Voraussetzungen überschritten (OVG Lüneburg, B.v. 10.03.2017 – 2 ME 63/17). Es ist aber jedenfalls mit Art. 3 EMRK unvereinbar, wenn sich ein Asylbewerber, der von staatlicher Unterstützung vollständig abhängig ist und sich in einer gravierenden Mangel- oder Notsituation befindet, staatlicher Gleichgültigkeit ausgesetzt sieht (vgl. EGMR, U.v. 21.12.2011, a.a.O., Rn. 53). Die Verpflichtung zur Versorgung mittelloser Asylsuchender mit einer Unterkunft und einer materiellen Grundausstattung kann sich ferner aus europarechtlichen Verpflichtungen wie der Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie) ergeben (vgl. EGMR, U.v. 21.1.2011, a.a.O., Rn. 249-250; OVG Lüneburg, U.v. 15.11.2016 – 8 LB 92/15 – juris; B.v. 20.12.2016 – 8 LB 184/15 – juris Rn. 57 m.w.N.). Die Qualifikationsrichtlinie garantiert anerkannten Flüchtlingen den Zugang zu Sozialhilfeleistungen und zu medizinischer Versorgung zu denselben Bedingungen wie Staatsangehörigen des aufnehmenden Staats (Art. 29 Abs. 1 und 30 Abs. 1) sowie den Zugang zu Wohnraum zu gleichwertigen Bedingungen wie sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet aufhaltenden Drittstaatsangehörigen (Art. 32 Abs. 1).
Zusammenfassend liegt eine ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK (insbesondere) vor, wenn im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung mit Blick auf das Gewicht und das Ausmaß einer drohenden Beeinträchtigung dieses Grundrechts mit einem beachtlichen Grad von Wahrscheinlichkeit die reale, nämlich durch eine hinreichend gesicherte Tatsachengrundlage belegte Gefahr besteht, dass der Betroffene in dem Mitgliedstaat, in den er überstellt werden soll, wegen einer grundlegend defizitären Ausstattung mit den notwendigen Mitteln die elementaren Grundbedürfnisse des Menschen (wie z.B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme und Hygienebedürfnisse) – im Unterschied zu den Staatsangehörigen des betreffenden Mitgliedstaats – nicht in einer noch zumutbaren Weise befriedigen kann (OVG Lüneburg, B.v. 21.12.2018 – 10 LB 201/18 – BeckRS 2018, 33662; U.v. 29.1.2018 – 10 LB 82/17 – juris Rn. 32 und 34; OVG Lüneburg, B.v. 20.12.2016 – 8 LB 184/15 – juris Rn. 36) und der betreffende Mitgliedstaat dem mit Gleichgültigkeit begegnet, weil er auf die gravierende Mangel- und Notsituation nicht mit (geeigneten) Maßnahmen reagiert (so auch OVG Lüneburg, U.v. 29.1.2018 – 10 LB 82/17 – juris Rn. 32 und 40).
Nach diesen strengen Maßstäben bestehen zur Überzeugung des Gerichts in Italien keine grundlegenden Defizite im Hinblick auf die Aufnahmebedingungen für anerkannte Schutzberechtigte, da diese in ihrer Gesamtheit nicht die Annahme rechtfertigen, dass anerkannten Schutzberechtigten – wie dem Kläger – bei einer Abschiebung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK droht (ebenfalls eine drohende Verletzung von Art. 3 EMRK für rücküberstellte anerkannte Schutzberechtigte verneinend: OVG Lüneburg, B.v. 21.12.2018 – 10 LB 201/18 – BeckRS 2018, 33662; OVG Münster, U.v. 24.8.2016 – 13 A 63/16. A – juris Rn. 51 ff; VG Göttingen, U.v. 15.10.2018 – 3 A 745/17 – BeckRS 2018, 26544; VG Würzburg, U.v. 13.7.2018 – W 4 K 17.32597; VG Braunschweig, U.v. 26.09.2017 – 7 A 338/16 – juris Rn. 57 ff.).
Anerkannte Schutzberechtigte befinden sich nach ihrer Rückkehr nach Italien hinsichtlich des Zugangs zu Wohnraum und zu den Leistungen zum Lebensunterhalt zwar in einer schwierigeren Situation als Dublin-Rückkehrer, die noch keinen Schutzstatus erhalten haben, doch auch in ihrem Fall können systemische Mängel in den Aufnahmebedingungen, die eine Verletzung von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK begründen, nicht festgestellt werden. Auch die Vorgaben der Qualifikationsrichtlinie sind für diesen Personenkreis erfüllt. Dies ergibt sich aus Folgendem:
Anerkannte Schutzberechtigte erhalten eine Aufenthaltsbewilligung, die fünf Jahre gültig ist, bei Ablauf in der Regel automatisch verlängert wird (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) – Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Italien, 27.9.2018, S. 19; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, Mai 2011, S. 31, und Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, S. 34) und Zugang zum Arbeitsmarkt bzw. zu einer Berufsausbildung verschafft (BFA, Länderinformationsblatt – Italien, 27.9.2018, S. 19; BAMF, Länderinformation: Italien, Stand: Mai 2017, S. 3). Sie können mit dieser Aufenthaltsbewilligung ein- und ausreisen und sich in Italien ohne Einschränkungen bewegen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, S. 33).
Sie sind bezüglich der sozialen Rechte und dem Zugang zu Sozialleistungen den italienischen Staatsangehörigen völlig gleichgestellt (BFA, Länderinformationsblatt – Italien, 27.9.2018, S. 19 f.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, S. 35, und Anlage vom 31.7.2017 zu der Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.9.2017, S. 3). Angesichts dessen, dass das italienische Sozialsystem nicht dem deutschen Sozialsystem vergleichbar ausgestaltet ist und sowohl für anerkannte Flüchtlinge als auch für italienische Staatsangehörige gleichermaßen deutlich weniger Fürsorgeleistungen vorhält, bedeutet dies aber auch, dass von ihnen grundsätzlich erwartet wird, dass sie selbst für ihre Unterbringung und ihren Lebensunterhalt sorgen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, S. 35 und 49, und Anlage vom 31.7.2017 zu der Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.9.2017, S. 1). Soweit es danach im Bereich der Versorgung mit einer Unterkunft und mit den Leistungen zum Lebensunterhalt – wie im Folgenden dargestellt wird – zu Problemen kommen kann, ergeben sich daraus keine systemischen Mängel hinsichtlich der Aufnahmebedingungen für anerkannte Schutzberechtigte, die eine Verletzung von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK begründen (so auch OVG Lüneburg, B.v. 21.12.2018 – 10 LB 201/18 – BeckRS 2018, 33662; OVG Münster, U.v. 24.8.2016 – 13 A 63/16. A – juris Rn. 55 ff.; VG Göttingen, U.v. 15.10.2018 – 3 A 745/17 – BeckRS 2018, 26544; VG Würzburg, U.v. 13.7.2018 – W 4 K 17.32597). Denn Art. 3 EMRK ist nach dem oben dargestellten Maßstab im Kern ein Abwehrrecht gegen unwürdiges Verhalten eines Staates, der mit Gleichgültigkeit auf eine gravierende Mangel- und Notsituation reagiert, und begründet beispielsweise keinen individuellen Anspruch auf Versorgung mit einer Wohnung oder die allgemeine Verpflichtung, Flüchtlinge finanziell zu unterstützen. Anerkannte Schutzberechtigte müssen sich insbesondere auf die für alle italienischen Staatsangehörigen geltenden Voraussetzungen und Einschränkungen hinsichtlich des Empfangs von Sozialleistungen verweisen lassen (sogenannte Inländergleichbehandlung).
Höhere Anforderungen an die Versorgung von anerkannten Flüchtlingen ergeben sich auch nicht aus der Qualifikationsrichtlinie. Denn nach deren Art. 29 Abs. 1 tragen die Mitgliedstaaten “nur“ dafür Sorge, dass Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, in dem Mitgliedstaat, der diesen Schutz gewährt hat, die notwendige Sozialhilfe – wie Staatsangehörige dieses Mitgliedstaats – erhalten. Nach Art. 30 Abs. 1 der Richtlinie tragen die Mitgliedstaaten ferner dafür Sorge, dass diese Personen zu denselben Bedingungen – wie Staatsangehörige des ihren Schutz gewährenden Mitgliedstaats – Zugang zu medizinischer Versorgung haben. Schließlich muss nach Art. 32 Abs. 1 der Richtlinie auch der Zugang zu Wohnraum “nur“ unter den Bedingungen gewährleistet werden, die den Bedingungen gleichwertig sind, die für andere Drittstaatsangehörige gelten, die sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats aufhalten. Da Italien anerkannte Schutzberechtigte im Hinblick auf die Sozialleistungen genauso behandelt wie seine eigenen Staatsangehörigen, scheidet deshalb auch ein Verstoß gegen die Qualifikationsrichtlinie von vornherein aus (ebenso OVG Lüneburg, B.v. 21.12.2018 – 10 LB 201/18 – BeckRS 2018, 33662; OVG Münster, U.v. 24.8.2016 – 13 A 63/16. A – juris Rn. 58).
Demgegenüber kann nicht mit Erfolg eingewandt werden, dass Flüchtlinge, die die Landessprache oft nur unzureichend beherrschen und regelmäßig über kein familiäres Netzwerk in Italien verfügen, das sie bei fehlenden staatlichen Leistungen auffangen könnte, insofern faktisch schlechter gestellt sind als die italienischen Staatsangehörigen. Denn dies ändert nichts daran, dass sie den Vorgaben der Qualifikationsrichtlinie entsprechend dieselben rechtlichen und tatsächlichen Zugangsmöglichkeiten zu den Sozialleistungen haben wie italienische Staatsangehörige. Im Unterschied beispielsweise zu der Lage in Bulgarien (siehe hierzu OVG Lüneburg, U.v. 29.1.2018 – 10 LB 82/17 – juris Rn. 36 ff., 45 ff. und 49 ff.) werden sie nämlich nicht durch die rechtliche und tatsächliche Ausgestaltung des Zugangs zu den Sozialleistungen von diesen ausgeschlossen.
Davon abgesehen dürften auch nicht wenige italienische Staatsangehörige über kein ausreichendes familiäres Netzwerk verfügen, das sie im Falle der Bedürftigkeit auffängt. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass gerade auch anerkannte Flüchtlinge Zugang zu den Hilfeleistungen kommunaler und karitativer Einrichtungen sowie der Nichtregierungsorganisationen (NGO’s) haben, die das fehlende familiäre Netzwerk zumindest teilweise ausgleichen. Denn diese versorgen sie nicht nur mit Lebensmitteln und Unterkunftsplätzen (Auswärtiges Amt, Anfragebeantwortung an OVG Münster vom 23.2.2016 zum Az. 13 A 516/14.A, S. 5; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, S. 80), sondern bieten auch andere, speziell auf anerkannte Flüchtlinge zugeschnittene und durch staatliche sowie europäische Mittel geförderte Hilfen wie Jobtrainings, Praktika und Sprachkurse (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, S. 53; BAMF, Länderinformation: Italien, Mai 2017, S. 3) und bieten auch Projekte an, die beim Übergang zur Selbstständigkeit nach der Beendigung der Unterbringung in einem SPRAR-Zentrum unterstützen sollen (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, S. 51).
Über die Hilfen durch kommunale und karitative Einrichtungen sowie NGO’s hinaus sind rücküberstellte anerkannte Schutzberechtigte aber auch im Hinblick auf staatliche Hilfen keineswegs gänzlich auf sich selbst gestellt. Unabhängig von dem oben genannten Gesichtspunkt der sogenannten Inländergleichbehandlung kann deshalb auch aus diesem Grund eine Verletzung der Rechte aus Art. 4 GRC und Art. 3 EMRK nicht festgestellt werden, zumal der italienische Staat auf die Situation anerkannter Flüchtlinge nicht mit Gleichgültigkeit reagiert.
Anerkannte Flüchtlinge haben im Rahmen der bestehenden Kapazitäten und sofern die maximale Aufenthaltsdauer von 6 Monaten, die unter bestimmten Voraussetzungen (bei Gesundheitsproblemen oder im Hinblick auf bestimmte Integrationsziele) um weitere 6 Monate verlängert werden kann, noch nicht ausgeschöpft ist, Zugang zum Zweitaufnahmesystem SPRAR, das zurzeit fast 36.000 Plätze verfügt. (BFA, Länderinformationsblatt – Italien, 27.9.2018, S. 15). Damit hat Italien dort in der letzten Zeit weitere Plätze geschaffen (vgl. hierzu die Angaben in: Schweizerische Flüchtlingshilfe, Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.9.2017, S. 1; Anlage vom 31.7.2017 zu der Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.9.2017, S. 1, und Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, S. 29, 35 f. und 39; BAMF, Länderinformation: Italien, Stand: Mai 2017, S. 3). Bei den SPRAR handelt es sich um eine dezentrale, auf lokaler Ebene organisierte (Zweit-)Unterbringung, die aus einem Netzwerk von Unterkünften und überwiegend aus Wohnungen besteht, auf einer Zusammenarbeit zwischen dem Innenministerium, den Gemeinden und verschiedenen NGO‘s basiert und die Teilhabe am kommunalen Leben fördern soll. Die Unterbringung wird von Unterstützungs- und Integrationsmaßnahmen (Rechtsberatung, Sprachkurse, psychosoziale Unterstützung, Jobtrainings, Praktika, Unterstützung bei der Suche einer Stelle auf dem Arbeitsmarkt) begleitet (BFA, Länderinformationsblatt – Italien, 27.9.2018, S. 11 und 15; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, S. 35 f. und 53, und Anlage vom 31.7.2017 zu der Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.9.2017, S. 6; BAMF, Länderinformation: Italien, Mai 2017, S. 1 und 2). Neben Lebensmitteln erhalten die Bewohner auch ein Taschengeld je nach SPRAR-Projekt zwischen 1,50 EUR/Tag und 3,00 EUR/Tag (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, S. 50, und Anlage vom 31.7.2017 zu der Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.9.2017, S. 3; BAMF, Länderinformation: Italien, Stand: Mai 2017, S. 1 und 2).
Soweit (in der Vergangenheit) die Plätze in den SPRAR-Einrichtungen (wie möglicherweise auch in anderen Einrichtungen) nicht ausreichend (gewesen) sein sollten, ergibt sich daraus schon deshalb keine Verletzung der Rechte aus Art. 4 GRC und Art. 3 EMRK, weil diese Rechte die Staaten weder verpflichten, eine absolut bestimmbare Mindestanzahl von Unterkünften zur Verfügung zu stellen, noch dazu, rein vorsorglich Unterkunftskapazitäten im Umfang einer „Spitzenbelastung“ vorzuhalten (OVG Lüneburg, B.v. 21.12.2018 – 10 LB 201/18 – BeckRS 2018, 33662; OVG Münster, U.v. 7.7.2016 – 13 A 2302/15.A – juris Rn. 90).
Aus diesem Grund und weil von dem Einzelfall des Klägers ausgehend nicht auf die gesamte Unterkunftssituation in Italien geschlossen werden kann, führt auch der Vortrag des Klägers bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt, dass er während seines Aufenthalts in Italien nach seiner Anerkennung 2011 (vgl. Blatt 58 der BA) obdachlos gewesen sei, zu keiner anderen Beurteilung der gegenwärtigen Unterkunftssituation in Italien, zumal der italienische Staat die Unterkunftskapazitäten in den letzten Jahren erheblich ausgebaut hat. Denn waren Ende Februar 2015 lediglich 67.128 Plätze vorhanden, davon 9.504 im Erstaufnahmesystem, 20.596 im SPRAR-System und 37.028 in den Notfallzentren (Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 23.04.2015, Anfragebeantwortung an VG Schwerin, S. 2; Auswärtiges Amt vom 25.03.2015, Anfragebeantwortung an VG Schwerin, S. 2), bestehen nunmehr über 183.000 Plätze im Unterkunftssystem (siehe hierzu OVG Lüneburg, U.v. 04.04.2018 – 10 LB 96/17 – juris), davon mittlerweile 35.869 Plätze im SPRAR-System (BFA, Länderinformationsblatt – Italien, 27.9.2018, S. 15).
Allerdings haben anerkannte Schutzberechtigte in der Regel keinen Zugang zum SPRAR-System mehr, wenn sie einmal in einer SPRAR-Unterkunft aufgenommen worden sind und diese wieder verlassen haben. Von dieser Regel kann nur abgewichen werden, wenn die betroffene Person einen Antrag beim Innenministerium einreicht und neue “Verletzlichkeiten“ vorbringt (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, S. 36, und Anlage vom 31.7.2017 zu der Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.9.2017, S. 1). In diesem Fall ebenso wie in dem Fall, dass die maximale Aufenthaltsdauer in einer SPRAR-Einrichtung abgelaufen ist, haben die betroffenen Personen, sofern sie nicht in der Lage sind, für sich selbst zu sorgen und eine Wohnung zu mieten, und auch keinen Unterkunftsplatz in den bereits erwähnten kommunalen und karitativen Einrichtungen oder mit Hilfe der NGO’s erhalten, ebenso wie italienische Staatsangehörige in vergleichbarer Situation nur Zugang zu Notschlafstellen und zu Unterkünften in besetzten Häusern (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Anlage vom 31.7.2017 zu der Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.9.2017, S. 2). Daraus ergibt sich aber kein systemisches Versagen bezüglich der Aufnahmebedingungen für rücküberstellte anerkannte Schutzberechtigte und keine Verletzung von Art. 3 EMRK und Art. 4 GRC. Denn sofern sie weder in einer staatlichen noch in einer kommunalen oder karitativen Einrichtung einen Unterkunftsplatz finden, sind sie genauso gestellt wie italienische Staatsangehörige in vergleichbarer Situation. Schon aus diesem Grund folgen – wie oben ausgeführt – aus den dargestellten Schwierigkeiten keine systemischen Mängel in den Aufnahmebedingungen für anerkannte Schutzberechtigte, die eine Verletzung von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK begründen.
Schließlich ergibt sich aus den verfügbaren Erkenntnisquellen auch nicht, dass tatsächlich der größte Teil der anerkannten Schutzberechtigten über einen längeren Zeitraum obdachlos ist. Denn danach ist ein im Verhältnis zu ihrer Gesamtzahl eher kleiner Teil der Migranten tatsächlich obdachlos bzw. lebt in besetzten Häusern. Nach Schätzungen der MÈDECINS SANS FRONTIÈRES (= Ärzte ohne Grenzen) gibt es in Italien ungefähr 10.000 obdachlose Menschen (MSF, „OUT of sight“ – Second edition, Stand: 8.2.2018), unter denen sich auch anerkannte Schutzberechtigte befinden. Dass anerkannt Schutzberechtigte damit regelhaft bzw. systematisch der Obdachlosigkeit anheimfallen würden, lässt sich den aktuellen Erkenntnismitteln dagegen gerade nicht entnehmen, selbst wenn es auch unter diesen immer wieder zu Obdachlosigkeit kommen kann (vgl. BFA, Länderinformationsblatt – Italien, 27.9.2018, S. 19).
Einen Anspruch auf staatliche Sozialhilfe, die mit der in Deutschland gewährten Sozialhilfe vergleichbar wäre, haben außerhalb der Aufnahmeeinrichtungen lebende und mangels hinreichender Chancen auf dem regulären Arbeitsmarkt oft auf Schwarzarbeit (beispielsweise in der Landwirtschaft) angewiesene Schutzberechtigte (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, S. 52) ebenso wenig wie italienische Staatsangehörige (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, S. 49). Es gibt ein Arbeitslosengeld, wenn jemand seine (legale) Arbeit verloren hat. Personen mit sehr geringem oder keinem Einkommen – wie viele anerkannte Schutzberechtigte – haben ferner die Möglichkeit, sich um einen “finanziellen Beitrag“ zu bewerben, dessen Höhe je nach Region bzw. Gemeinde sehr unterschiedlich ist (beispielsweise in Rom bis zu 500,00 EUR im Jahr, in Mailand 250,00 EUR pro Monat für einen Zeitraum von 6 Monaten) und dessen Gewährung von der Anzahl der Anfragen und dem verfügbaren Budget abhängt (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, S. 49 f., und Anlage vom 31.7.2017 zu der Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.9.2017, S. 4). Da der italienische Staat die anerkannten Schutzberechtigten demnach auch in dieser Hinsicht genauso behandelt wie seine eigenen Staatsangehörigen, können auch insoweit systemische Mängel in den Aufnahmebedingungen, die eine Verletzung von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK begründen, nicht festgestellt werden.
Sowohl die innerhalb eines Unterkunftszentrums als auch die außerhalb einer solchen Einrichtung lebenden Schutzberechtigten haben schließlich einen Anspruch auf eine den Anforderungen aus Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK jedenfalls genügenden kostenfreien Grund- und Notfallversorgung bei Krankheit oder Unfall sowie auf eine Präventivbehandlung zur Wahrung der individuellen und öffentlichen Gesundheit (BFA, Länderinformationsblatt – Italien, 27.9.2018, S. 18 und 20; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Aufnahmebedingungen in Italien, August 2016, S. 54, und Anlage vom 31.7.2017 zu der Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.9.2017, S. 4). Das beinhaltet einen in der Regel kostenlosen Zugang zu allen öffentlichen medizinischen Leistungen wie Arzt, Zahnarzt und Krankenhaus (Auswärtiges Amt, Anfragebeantwortung an OVG Münster vom 23.2.2016, zum Az. 13 A 516/14.A, S. 6). Sie haben in Bezug auf die medizinische Versorgung dieselben Rechte und Pflichten wie italienische Staatsbürger (BFA, Länderinformationsblatt – Italien, 27.9.2018, S. 20; BAMF, Länderinformation: Italien, Stand: Mai 2017, S. 3).
Können demnach schon aus den oben genannten Gründen systemische Mängel in den Aufnahmebedingungen für anerkannte Schutzberechtigte, die eine Verletzung von Art. 3 EMRK oder Art. 4 GRC begründen könnten, weder im Hinblick auf deren Unterkunftssituation noch bezüglich der medizinischen Versorgung und der Bereitstellung der übrigen materiellen Leistungen festgestellt werden, ist eine Verletzung dieser Rechte bzw. die Annahme systemischer Mängel auch deshalb zu verneinen, weil der italienische Staat auf die Situation der anerkannten Schutzberechtigten keineswegs mit Gleichgültigkeit reagiert.
Denn zum einen hat er nach den obigen Feststellungen die Unterkunftskapazitäten in den letzten Jahren insgesamt nahezu verdreifacht und auch die Zahl der Unterkunftsplätze im SPRAR-System erheblich um zunächst 10.000 Plätze auf 31.313 Plätze (SFH, Anfragebeantwortung an VG Hannover vom 12.9.2017, S. 2) und im Jahr 2018 auf 35.869 Plätze erhöht (BFA, Länderinformationsblatt – Italien, 27.9.2018, S.15).
Zum anderen hat er im Oktober 2017 einen Nationalen Integrationsplan erlassen, der insbesondere Hilfen für anerkannte Schutzberechtigte enthält. Der Plan wird durch EU-Gelder finanziert und wurde mithilfe lokaler Regierungen und NGOs entwickelt (The Local, „Italy launches first official migrant integration plan: Five Things you need to know“, 27.9.2017).
Er beinhaltet eine Verpflichtung anerkannter Schutzberechtigter zu italienischen Werten (Verfassung), Rechten und zum Erlernen der italienischen Sprache. Er sieht spezielle Hilfen für Analphabeten, die Aufnahme anerkannter Schutzberechtigter in regionale Notfallunterkünfte nach Verlassen der Aufnahmezentren sowie die Unterstützung bei der Arbeitssuche und eine Bekräftigung des Rechts auf Zugang zum Gesundheitssystem vor. Nach diesem Plan ist Italien bestrebt, das CAS-System weitestgehend in das SPRAR-System zu überführen, um effektive nationale Integration zu ermöglichen (Nationaler Integrationsplan, „FOR PERSONS ENTITLED TO INTERNATIONAL PROTECTION“, Oktober 2017, http://www.interno.gov.it/sites/default/ files/piano_nazionale_integrazione_eng.pdf, S. 17). Ferner möchte Italien laut dem Nationalen Integrationsplan eine vollständige Umsetzung der Übereinkunft zwischen der Zentralregierung und den Regionen zur Gesundheit von Migranten von 2012 erreichen, wobei der Zugang zum nationalen Gesundheitsdienst verbessert werden und eine Überwachung auf nationaler und regionaler Ebene erfolgen soll, ob die Vereinbarung von 2012 umgesetzt wird. Im Übrigen ist geplant, die Organisationen und das Angebot im Bereich der Gesundheitsversorgung zu stärken, indem spezifische Wege für jede Krankheit aufgezeigt werden, besonders auch für psychiatrische Fälle und PTBS. Die Zahl kostenloser Dienste soll angepasst und Präventionsprogramme mit Impfungen und Vorsorgeuntersuchungen und für die Gesundheit von Mutter und Kind sollen gestärkt werden (Nationaler Integrationsplan, „FOR PERSONS ENTITLED TO INTERNATIONAL PROTECTION“, Oktober 2017, S. 25). Des Weiteren will Italien Anreize für Sprachkurse schaffen, die außerhalb der Unterbringungseinrichtungen angeboten werden. Zu diesem Zweck sollen Sprachkurse mit Lehrern angeboten werden, die spezialisiert sind und interaktive und experimentelle Methoden nutzen (Nationaler Integrationsplan, „FOR PERSONS ENTITLED TO INTERNATIONAL PROTECTION“, Oktober 2017, S. 22). Ziel ist es, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um Zugang zu sekundärer und höherer Bildung zu ermöglichen und die Anerkennung vorheriger Kompetenzen und Abschlüsse zu garantieren (Nationaler Integrationsplan, „FOR PERSONS ENTITLED TO INTERNATIONAL PROTECTION“, Oktober 2017, S. 23).
In diesen gerade auf die Situation anerkannter Schutzberechtigter reagierenden Hilfebemühungen und in den bereits tatsächlich umgesetzten Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Lage (Erhöhung der Zahl der Unterkunftsplätze im SPRAR-System um fast 15.000 Plätze) liegt auch ein wesentlicher Unterschied zu der Situation anerkannter Schutzberechtigter in Bulgarien, die sich dort letztlich staatlicher Gleichgültigkeit ausgesetzt sehen (vgl. hierzu OVG Lüneburg, U.v. 29.1.2018 – 10 LB 82/17 – juris Rn. 40). Außerdem besteht ein maßgeblicher Unterschied darin, dass der bulgarische Staat seinen Staatsangehörigen soziale Leistungen anbietet, zu denen anerkannte Schutzberechtigte jedoch keinen Zugang haben (vgl. OVG Lüneburg, U.v. 29.1.2018 – 10 LB 82/17 – juris Rn. 36 ff., 46 f. und 50), während der italienische Staat anerkannte Schutzberechtigte in jeder Hinsicht gleich behandelt mit italienischen Staatsangehörigen.
Diese Ausführungen sind auch auf den Kläger, einem arbeitsfähigen, gesunden Mann anwendbar, zumal der Kläger gerade nicht zu einem besonders schutzbedürftigen Personenkreis zählt (vgl. zu dieser Personengruppe etwa EGMR, U.v. 4.11.2014 – 29217/12 – NVwZ 2015, 127 ff – Tarakhel / Schweiz).
Die Beklagte hat daher die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG zu Recht verneint.
6. Auch die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG sind beim Kläger nicht gegeben. Nach Satz 1 dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG allerdings nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, vor. Anhaltspunkte hierfür gibt es vorliegend nicht.
7. Da auch die weiteren Maßnahmen des Bundesamtes nicht zu beanstanden sind, insbesondere wurde die Abschiebungsandrohung zu Recht auf §§ 35, 36 Abs. 1 AsylG gestützt, war die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.


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