Verwaltungsrecht

Unzulässiger Wiederaufnahmeantrag bzgl. der Ablehnung der Berufungszulassung

Aktenzeichen  10 ZB 19.129

Datum:
26.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 7133
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 153 Abs. 1
ZPO § 578, § 579
GG Art. 19 Abs. 4

 

Leitsatz

1. Der Wiederaufnahme des Verfahrens unterliegen auch verfahrensabschließende Beschlüsse, insbesondere wenn sie die Zulassung der Berufung ablehnen. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
1. Eine nachträgliche Erweiterung der Berufungszulassungs-gründe ist nach Ablauf der Begründungsfrist nicht zulässig, allerdings kann eine Ergänzung der Zulassungsgründe erfolgen, soweit der konkrete zu ergänzende Zulassungsgrund in offener Frist bereits den Mindestanforderungen entsprechend dargelegt wurde. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

10 ZB 17.87 2019-01-07 Bes VGHMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Wiederaufnahmeantrag wird verworfen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Wiederaufnahmeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Wiederaufnahmeverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wendet sich der Kläger gegen den Beschluss des Senats vom 7. Januar 2019 (10 ZB 17.87), mit dem sein Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 8. September 2016 (M 12 K 14.3776) abgelehnt worden ist. Gegenstand der Klage war die Ausweisung des Klägers durch Bescheid des Beklagten vom 31. Juli 2014.
Der Antrag ist unzulässig und daher zu verwerfen (§ 153 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 589 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
Zwar ist der Antrag grundsätzlich statthaft. Die Wiederaufnahme des Verfahrens durch eine Nichtigkeitsklage setzt zwar nach dem gesetzlichen Wortlaut von § 153 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 578 Abs. 1 ZPO ein durch rechtskräftiges Endurteil abgeschlossenes Verfahren voraus, doch unterliegen auch Beschlüsse der Wiederaufnahme, wenn sie ein Verfahren abschließen, insbesondere wenn sie die Zulassung der Berufung ablehnen. Über den Wiederaufnahmeantrag ist in diesem Fall durch Beschluss zu entscheiden (BVerwG, B.v. 17.3.2015 – 5 A 1.15, 5 PKH 15.15 – juris Rn. 2; Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 153 Rn. 6; Brink/Peters in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand 1.1.2019, § 153 Rn. 4).
Der Antrag ist jedoch unzulässig, weil ein zulässiger Wiederaufnahmegrund nicht substantiiert und schlüssig dargelegt ist (vgl. Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Sept. 2018, § 153 Rn. 33).
Der Kläger beruft sich auf den Nichtigkeitsgrund des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO. Nach dieser Vorschrift findet die Nichtigkeitsklage statt, wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat. In Bezug auf einen derartigen Verfahrensfehler bringt der Kläger jedoch nichts vor.
Soweit der Kläger § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO analog angewendet haben will, hat er in dem Schriftsatz vom 7. Februar 2019 klargestellt, dass er „einzig und allein die Verletzung des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 IV GG) und damit eines anderen Verfahrensgrundrechts“ geltend machen will. Nach der Antragsbegründung vom 17. Januar 2019 bezieht sich dies auf die Ausführungen in dem Beschluss des Senats vom 7. Januar 2019, wonach ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO innerhalb der Frist von zwei Monaten dargelegt worden sind, weil diese erstmals erst nach Ablauf der Begründungsfrist vorgetragen worden waren (BA Rn. 12-13).
Ein derartiger Nichtigkeitsgrund ist jedoch in der Aufzählung von § 579 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 ZPO nicht genannt. Die dort aufgeführten Wiederaufnahmegründe sind abschließend; liegen sie nicht vor, ist eine Wiederaufnahme nicht möglich (Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Sept. 2018, § 153 Rn. 8; Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 153 Rn. 3).
Im Übrigen liegt der behauptete Verfahrensfehler auch nicht vor. Eine nachträgliche Erweiterung der Begründung des Berufungszulassungsantrags nach Ablauf der Begründungsfrist ist nicht zulässig (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Es trifft nicht zu, dass – wie der Kläger meint – noch weitere selbständige Berufungszulassungsgründe nachgeschoben werden können, wenn bis zum Ablauf der Begründungsfrist überhaupt die „Mindest-Angaben für einen zulässigen Berufungszulassungsantrag“ erfolgt sind. Die Zulassungsgründe können nach Ablauf der Begründungsfrist nur noch ergänzt werden, soweit der konkrete zu ergänzende Zulassungsgrund in offener Frist bereits den Mindestanforderungen entsprechend dargelegt worden ist; der Vortrag neuer, selbständiger Zulassungsgründe nach Ablauf der Frist ist jedoch ausgeschlossen (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 53; Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 133).
Völlig unabhängig von diesen Erwägungen hätte aber auch die materielle Prüfung des verspäteten Vortrags im Beschluss vom 7. Januar 2019 (10 ZB 17.87) nicht zur Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) führen können. Wie bereits in dem Beschluss des Senats vom 7. Januar 2019 (10 C 17.213 – Rn. 11) dargestellt, kann der Ansicht des Klägers, durch die „Erledigterklärung“ im Anschluss an die Aufhebung der Ausweisungsverfügung in der mündlichen Verhandlung vom 10. Februar 2010 habe der Beklagte ein prozessuales Anerkenntnis im Sinn von § 307 ZPO abgegeben und somit einen Verzicht auf eine künftige Ausweisung bei unveränderter Sach- und Rechtslage erklärt, nicht gefolgt werden. Der Beklagte hatte die Ausweisungsentscheidung vom 5. März 2009 wegen erkannter Defizite aufgehoben und im Anschluss sogleich mit Ermittlungen insbesondere zu den Auswirkungen einer Ausweisung des Klägers auf das Wohl seiner beiden Kinder begonnen. In der Zustimmungserklärung des Beklagten zur Erledigterklärung der Klageseite ist keine materiellrechtliche Erklärung zu erkennen, auch in Zukunft (bei unveränderter Sach- und Rechtslage) keine erneute Ausweisungsverfügung mehr zu erlassen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 2 GKG. Der Streitwert des Wiederaufnahmeverfahrens entspricht dem Streitwert des Verfahrens, dessen Wiederaufnahme begehrt wird (BVerwG, B.v. 17.3.2015 – 5 A 1.15, 5 PKH 15.15 – juris Rn. 16).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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