Verwaltungsrecht

Verbot der abschnittsweisen Abrechnung

Aktenzeichen  20 ZB 15.1733

Datum:
22.2.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 43548
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayGO Art. 21 Abs. 2
BayKAG Art. 5 Abs. 5

 

Leitsatz

1 Die Entscheidung über die grundsätzlich gleichberechtigt nebeneinander stehenden Möglichkeiten der rechtlich einheitlichen oder getrennten Behandlung von technisch selbständigen Anlagen (hier: Entwässerungsanlagen) ist in das Ermessen der Gemeinde gestellt; ihre gerichtliche Kontrolle ist darauf beschränkt, ob die Gemeinde bei der sich bei dieser Entscheidung von Willkür leiten ließ, eventuellen Rechtsirrtümern unterlegen ist oder von sachfremden Erwägungen ausgegangen ist (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein Verbesserungsaufwand kann nur für Maßnahmen erhoben werden, die zur Hebung der Qualität und Leistungsfähigkeit, insbesondere zur Erhöhung der Wirkungskraft einer schon vorhandenen Einrichtung dienen, die über den bloßen Unterhalt oder Reparaturen hinausgehen. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 1 K 14.1846 2015-06-23 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 4.367,21 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig, insbesondere ist seine Begründung binnen der Zweimonatsfrist des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO beim Verwaltungsgerichtshof eingegangen (§ 124 a Abs. 4 Satz 5 VwGO).
Der Antrag hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, weil die angeführten Zulassungsgründe nicht vorliegen.
1. Zum geltend gemachten Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist erforderlich, dass der Rechtsmittelführer aufzeigt, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis mit überwiegender Wahrscheinlichkeit unrichtig ist. Der Rechtsmittelführer muss sich mit dem angefochtenen Urteil und dessen entscheidungstragenden Annahmen substanziell auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (vgl. Eyermann, VwGO, 13. Aufl., § 124 a Rn. 62 m. w. N.). Unter Zugrundelegung der vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Der Kläger meint, dass die rechtliche Trennung der Entwässerungsanlagen im Gemeindebereich der Beklagten durch Erlass der ersten Änderungssatzung vom 5. Oktober 1992 nicht rechtmäßig erfolgt sei, weil der damalige Gemeinderat kein Ermessen ausgeübt habe. Der damalige Gemeinderat sei aufgrund eines Schreibens der Rechtsaufsichtsbehörde davon ausgegangen, er könne die Entscheidung über die Auflösung der Einrichtungseinheit ohne jegliche Ermessenserwägungen treffen. Im Übrigen könne die Beweislast für ein willkürliches, von Rechtsirrtümern getragenes oder auf sachfremden Erwägungen beruhendes Handeln der Beklagten nicht dem Kläger aufgebürdet werden. Diese Ausführungen tragen eine Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel nicht. Richtig ist zwar, dass nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (U. v.18.3.2004 – GK 2004 Rn. 227) die rechtlich einheitliche oder getrennte Behandlung von technisch selbstständigen Anlagen grundsätzlich zwei gleichberechtigt nebeneinander stehende Möglichkeiten darstellt, wobei die Entscheidung darüber in das Ermessen der Gemeinde gestellt ist. Die gerichtliche Kontrolle dieser Ermessensentscheidung ist darauf beschränkt, ob die Gemeinde bei der Entscheidung, die technisch getrennte Anlage auch rechtlich selbstständig zu betreiben, sich von Willkür leiten ließ, eventuellen Rechtsirrtümern unterlegen ist oder von sachfremden Erwägungen ausgegangen ist (vgl. auch U. v.18.11.1999 – GK 2000 Rn. 77 = BayVBl 2000, 208). Zwar geht das Verwaltungsgericht auf der einen Seite davon aus, dass diese Entscheidung des Gemeinderates, weil sie kein Verwaltungsakt sei, auf Ermessensfehler gemäß § 114 VwGO nicht überprüfbar sei. Dies mag zwar im Ansatz richtig sein. Bei der Frage, wie die gesetzliche Verpflichtung zur Sicherstellung der gesetzlichen Aufgaben der leitungsgebundenen Einrichtungen im Einzelnen zu erfüllen sind, besitzen die Gemeinden jedoch einen weiten, gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Planungs- und Gestaltungsspielraum (BayVGH, U. v. 6.4.1977 – 122 IV 74 -; BayVGH U. v. 10.07.2013 – 4 N 12.2790 – BayVBl 2013, 761). Auch das Verwaltungsgericht verneint im Ergebnis hier zutreffend aber eine willkürliche Entscheidung des damaligen Gemeinderates und damit einen Verstoß der Trennungsentscheidung gegen diesen Gestaltungsspielraum. Hierfür spricht bereits der Umstand, dass die rechtliche Trennung der technisch selbstständigen Anlagen mit Änderungssatzung vom 5. Oktober 1992 nach der Neuregelung des Art. 21 Abs. 2 GO durch das Gesetz vom 10. März 1992 (GVBl S. 26) erfolgt ist. Der durch diese Änderung erkennbare gesetzgeberische Wille, den Gemeinden in der Frage einer getrennten Behandlung von Anlagen mehr Spielraum zu schaffen, kann bei der Antwort auf die Frage, welche Ermessenserwägungen der Gemeinde als Träger der Einrichtung(en) bei der Ausgestaltung zu Gebote stehen, nicht unberücksichtigt bleiben (BayVGH U. v. 2.10.2013 – 20 N 13.1016 – juris = KommunalPraxis BY 2014, 27). Aber selbst wenn die Einwendungen des Klägers gegen diese Entscheidung der Beklagten tragfähig wären, führte dies nicht zur Nichtigkeit der Entwässerungssatzung und damit der Verbesserungsbeitragssatzung der Beklagten. Nachdem die Beklagte die Trennung der Einrichtungseinheit durch Änderungssatzung vom 5. Oktober 1992 durchgeführt hat, würde ein entsprechender Ermessensfehler auch lediglich die Wirksamkeit dieser Änderungssatzung betreffen, mit der Folge, dass die damalige Entwässerungssatzung wirksam geblieben wäre und durch die später folgenden Änderungssatzungen ihre heutige Fassung erhalten hätte.
Der weitere Einwand des Klägers, die Verbesserungsbeitragssatzung zur Entwässerungssatzung verstoße gegen das Verbot der abschnittsweisen Abrechnung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 5 Hs. 1 KAG greift nicht durch. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann ein Verbesserungsaufwand nur für Maßnahmen erhoben werden, die zur Hebung der Qualität und Leistungsfähigkeit, insbesondere zur Erhöhung der Wirkungskraft einer schon vorhandenen Einrichtung dienen, die über den bloßen Unterhalt oder Reparaturen hinaus gehen. Dazu gehören auch Erneuerungsmaßnahmen an bereits vorhandenen Anlagen, die sich nach der Verkehrsauffassung positiv auf die Gesamtanlage auswirken (BayVGH vom 27.2.2003 BayVBl 2003, 373 = GK 2003 Nr. 143, m. w. N.). Ein Verbesserungsbeitrag stellt die Differenz zwischen dem von den Altanschließern geforderten Beitrag für die erstmalige Herstellung etwa einer öffentlichen Entwässerungsanlage und dem von den Neuanschließern zu fordernden Herstellungsbeitrag für eine bereits hergestellte, mittlerweile verbesserte Anlage dar (BayVGH vom 27.2.2003 a. a. O., m. w. N.). Dagegen können durch eine Verbesserungsbeitragssatzung keine Maßnahmen abgerechnet werden, die gerade nicht der Verbesserung einer ehemals technisch und rechtlich selbstständig betriebenen Entwässerungsanlage dienen, sondern dazu, eine neue, technisch und rechtlich einheitliche Entwässerungsanlage für das gesamte Gebiet der Gemeinde herzustellen (BayVGH, U. v. 19.5.2010 – 20 N 09.3077 – BayVBl 2011, 116). Eine solche Konstellation ist jedoch im hier zu entscheidenden Fall nicht gegeben, denn der vom Kläger angeführten Senatsentscheidung lag ein anderer Sachverhalt zugrunde. Neben einem entsprechenden Gemeinderatsbeschluss waren dort die Baumaßnahmen für die Zusammenlegung der zwei technisch und rechtlich getrennten Entwässerungsanlagen im Zeitpunkt des Erlasses der Verbesserungsbeitragssatzung nahezu abgeschlossen, so dass die technische Vereinigung der beiden Entwässerungsanlagen unmittelbar bevorstand. Das Verwaltungsgericht weist deshalb zu Recht darauf hin, dass im Fall der Beklagten nach wie vor zwei technisch und rechtlich getrennte Entwässerungseinrichtungen bestehen und die Maßnahmen alleine der Verbesserung der Entwässerungsanlage Untermagerbein dienen. Der Kläger war nicht in der Lage mit seiner im Stile einer Berufungsbegründung auf bloßes Bestreiten gehaltenen Zulassungsbegründung ernstliche Zweifel an diesen Ausführungen des Verwaltungsgerichts darzulegen. Im Übrigen trägt selbst der Kläger nicht vor, dass eine technische Vereinigung der beiden Entwässerungsanlagen der Beklagten durch bauliche Maßnahmen unmittelbar bevorsteht.
2. Die vom Kläger geltend gemachten besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten wurden nicht hinreichend dargelegt im Sinne des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO. Zur Darlegung der besonderen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 VwGO Rn. 42) sind die entscheidungserheblichen tatsächlichen oder rechtlichen Fragen in fallbezogener Auseinandersetzung mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts konkret zu benennen, die diese Schwierigkeiten aufwerfen, und es ist anzugeben, dass und aus welchen Gründen die Beantwortung dieser Fragen besondere Schwierigkeiten bereitet. Es ist eine Begründung dafür zu geben, weshalb die Rechtssache an den entscheidenden Richter (wesentlich) höhere Anforderungen stellt als der Normalfall. Die besonderen Schwierigkeiten müssen in fallbezogener Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils und bezogen auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO dargelegt werden (Posser/Wolff in Beck’scher Online-Kommentar VwGO, § 124 a Rn. 75 m. w. N.). Diesen Anforderungen genügt die Begründung des Zulassungsantrags des Klägers in keiner Weise.
3. Schließlich ist der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht den Anforderungen des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt. Die Darlegungsanforderungen dieses Zulassungsgrundes sind nur dann erfüllt, wenn der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert und ausführt, warum diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist sowie erläutert, weshalb sie klärungsbedürftig ist und schließlich darlegt, warum ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt. Diesen Anforderungen genügen die Ausführungen des Klägers nicht. Darüber hinaus stellt sich die vom Kläger aufgeworfene Frage, ist ein Satzungsbeschluss über die nachträgliche rechtliche Trennung technisch selbstständiger Einrichtungen gemäß Art. 21 Abs. 2 GO rechtmäßig, wenn keinerlei objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Gemeinde überhaupt Ermessenserwägungen angestellt hat, nicht, weil ihre tatsächlichen Voraussetzungen bereits nicht vorliegen (vgl. 1.). Das gleiche gilt für die zweite vom Kläger aufgeworfene Frage, denn eine Vereinigung der technisch getrennten Entwässerungsanlagen steht nach dem bisherigen Sachstand nicht unmittelbar bevor.
4. Daher ist der Antrag auf Zulassung der Berufung mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Der Streitwert ergibt sich aus § 52 Abs. 3 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.
Mit der Ablehnung des Antrags, die gemäß § 124 a Abs. 5 Satz 3 VwGO keiner weiteren Begründung bedarf, wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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