Verwaltungsrecht

Verfahrenseinstellung nach Erledigungserklärungen beider Parteien nach Antrag auf eine denkmalschutzrechtliche Steuerbescheinigung

Aktenzeichen  15 B 15.1377

Datum:
15.9.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 52291
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 92 Abs. 3 S. 1, § 155 Abs. 1 S. 1, § 161 Abs. 2
EStG § 7i Abs. 1 S. 6
DSchG Art. 25

 

Leitsatz

1 Sind die Erfolgsaussichten offen, ist es im Allgemeinen billig, die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufzuheben oder den Beteiligten zu gleichen Teilen aufzuerlegen (§ 155 Abs. 1 S. 1 VwGO). (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Ausgang des Verfahrens ist hier offen, da es für die Beantwortung der für den Ausgang des Verfahrens maßgeblichen Frage weiterer Aufklärung bedurft hätte, für die nach der Erledigung des Rechtsstreits kein Raum mehr ist. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 7 K 12.1096 2013-08-12 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I.
Das Verfahren wird eingestellt. Ziffer I. Satz 1 und Ziffer II. des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 12. August 2013 sind wirkungslos geworden.
II.
Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen werden gegeneinander aufgehoben.
III.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 41.433,60 € festgesetzt.

Gründe

I.Der Kläger begehrte die Erteilung einer denkmalschutzrechtlichen Bescheinigung für die steuerliche Absetzbarkeit von Kosten für Baumaßnahmen an einem denkmalgeschützten Schloss.
Unter dem 13. November 2008 hatte das Bayerische Landesamt für … dem Kläger eine Bescheinigung erteilt, dass die im zweiten Obergeschoss des Schlosses durchgeführten Baumaßnahmen „vor Beginn und in Gestalt ihrer Durchführung mit dem Landesamt abgestimmt wurden“. Mit Schreiben vom 31. Juli 2009 teilte der Kläger dem Landratsamt N. mit, dass er nunmehr die Renovierung des Schlosses mit dem Ausbau des linken Flügels im ersten Obergeschoss und des ersten Stockwerks im Anbau fortsetzen möchte. Am 9. September 2009 führten Vertreter des Landratsamts und des Bayerischen Landesamts für … mit dem Kläger eine Ortsbesichtigung durch. In der Folgezeit leitete der Kläger dem Landratsamt mehrfach Unterlagen zu den geplanten Renovierungsmaßnahmen zu.
Mit Bescheid vom 9. April 2010 erteilte das Landratsamt dem Kläger die denkmalschutzrechtliche Erlaubnis nach Art. 6 Abs. 1 i. V. m. Art. 15 DSchG für Instandsetzungsarbeiten an Decken und Wänden, Erneuerung von Wasser-, Heizungs- und Stromleitungen im ersten Obergeschoss des Schlosses mit Einbau von zwei Gipskarton-Trennwänden gemäß Planskizze zum Ausbau einer Wohnung.
Mit Schreiben vom 25. August 2011 bat der Kläger das Bayerische Landesamt für … um Ausstellung einer denkmalschutzrechtlichen Steuerbescheinigung zur Vorlage an das Finanzamt. Dies lehnte das Bayerische Landesamt für … unter dem 19. Juni 2012 mit der Begründung ab, die Umbaumaßnahmen seien vor ihrem Beginn nicht mit ihm abgestimmt worden.
Am 18. Juli 2012 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Regensburg Verpflichtungsklage erhoben, die er teilweise zurückgenommen hat. Mit Urteil vom 12. August 2013 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen, soweit sie aufrechterhalten wurde (Ziffer I. Satz 1 des Urteilstenors); im Übrigen hat es das Verfahren eingestellt (Ziffer I. Satz 2 des Urteilstenors). Die Kosten des Verfahrens wurden dem Kläger auferlegt (Ziffer II des Urteilstenors).
Mit Beschluss vom 29. Juni 2015 (Az. 15 ZB 13.1897) hat der Senat die Berufung wegen besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache zugelassen. Mit Schriftsatz vom 30. August 2016 hat der Kläger dem Verwaltungsgerichtshof mitgeteilt, dass er mit dem zuständigen Finanzamt mittlerweile eine Möglichkeit gefunden habe, die Kosten für die Umbaumaßnahmen über § 21 EStG in Ansatz zu bringen. Im Hinblick darauf erklärte er den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Der Beklagte hat der Erledigungserklärung mit Schriftsatz vom 8. September 2016 zugestimmt.
II. Das Verfahren ist in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, weil der Rechtsstreit durch die übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten in der Hauptsache erledigt ist. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist in Ziffer I. Satz 1 und Ziffer II. wirkungslos geworden (§ 173 VwGO i. V. m. § 269 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO).
Über die Kosten des Verfahrens ist nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu entscheiden (§ 161 Abs. 2 VwGO). In der Regel entspricht es billigem Ermessen, gemäß dem Grundsatz des § 154 Abs. 1 VwGO dem Beteiligten die Verfahrenskosten aufzuerlegen, der ohne die Erledigung in dem Rechtsstreit voraussichtlich unterlegen wäre. Bei offenen Erfolgsaussichten ist es im Allgemeinen billig, die Kosten des gesamten Verfahrens gegeneinander aufzuheben oder den Beteiligten zu gleichen Anteilen aufzuerlegen (vgl. § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Für die notwendige überschlägige Überprüfung des Streitstoffs sind aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit Beweise nicht mehr zu erheben und schwierige Rechtsfragen nicht mehr zu klären (vgl. BVerwG, B.v. 24.6.2008 – 3 C 5/07 – juris Rn. 2; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 161 Rn. 15).
Nach diesem Maßstab entspricht es billigem Ermessen, die Kosten gegeneinander aufzuheben, weil sich die Erfolgsaussichten der Klage im Zeitpunkt der übereinstimmenden Erledigungserklärungen als offen dargestellt haben.
Der Ausgang des Verfahrens hing maßgeblich von der Frage ab, ob zwischen dem Kläger und dem nach Art. 25 DSchG für die begehrte Bescheinigung zuständigen Bayerischen Landesamt für … eine Abstimmung im Sinn des § 7i Abs. 1 Satz 6 EStG – zumindest hinsichtlich einzelner Baumaßnahmen – erfolgt ist.
Nach dieser Bestimmung müssen Baumaßnahmen in Abstimmung mit der in § 7i Abs. 2 EStG bezeichneten Stelle durchgeführt worden sein. Eine Abstimmung liegt vor, wenn die durchgeführten Baumaßnahmen einverständlich mit dieser Behörde und bei Bedarf detailliert hinsichtlich Art, Umfang und fachgerechter Ausführung festgelegt waren (vgl. BFH, U.v. 24.6.2009 – X R 8/08 – BFHE 225, 431 = juris Rn. 22). Erforderlich ist eine einvernehmliche Absprache zwischen dem Bayerischen Landesamt für … und dem Bauherrn über die vorzunehmenden Bauarbeiten; eine einseitige Erklärung oder ein Vorschlag allein des Bauherrn genügt nicht (vgl. BayVGH, B.v. 1.9.2009 – 15 ZB 09.1824 – juris Rn. 5). Die Abstimmung muss grundsätzlich vor dem Beginn der Bauarbeiten erfolgen. Denn § 7i Abs. 1 Satz 1 EStG begünstigt nur solche Aufwendungen, die nach Art und Umfang zur Erhaltung des Gebäudes als Baudenkmal oder zu seiner sinnvollen Nutzung erforderlich sind. Sie müssen gemessen am Zustand des Baudenkmals vor Beginn der Baumaßnahmen geboten sein, um den unter …rischen Gesichtspunkten erstrebenswerten Zustand herbeiführen bzw. erhalten zu können. Die Entscheidung hierüber kann von der Behörde nicht im Nachhinein getroffen werden, weil sie in einem solchen Fall die Frage der Erforderlichkeit der Baumaßnahmen angesichts des Zustands des Baudenkmals bei Beginn der Baumaßnahmen nicht mehr abklären kann (vgl. BR-Drs. 222/78 S. 18 zur Vorgängerregelung § 82i EStDV 1977). Auch soll § 7i EStG einen steuerlichen Anreiz dafür bieten, mit privatem Kapital kulturhistorisch wertvolle Gebäude zu erhalten und zu modernisieren (vgl. BFH, B.v. 8.6.2004 – X B 51/04 – BFH/NV 2005, 53 = juris Rn. 5). Eines solchen Anreizes bedarf es dann nicht mehr, wenn der private Bauherr ein Gebäude aus eigenem Antrieb saniert und modernisiert, bevor das Landesamt für … die denkmalschutzrechtliche Erforderlichkeit der Maßnahme feststellen konnte (vgl. auch BFH, U.v. 24.6.2009 – X R 8/08 – BFHE 225, 431 = juris Rn. 21 m. w. N.; BayVGH, U.v. 20.6.2012 – 1 B 12.78 – NVwZ-RR 2012, 981 = juris Rn. 18; B.v. 5.7.2013 – 21 ZB 13.512 – juris Rn. 8).
Zur Beantwortung der Frage, ob im vorliegenden Fall eine solche vorherige Abstimmung hinsichtlich der Gesamtbaumaßnahme oder zumindest hinsichtlich einzelner Teilbaumaßnahmen erfolgt ist, hätte es einer weiteren Aufklärung bedurft, für die nach der Erledigung des Rechtsstreits kein Raum mehr ist.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 sowie § 52 Abs. 1 GKG. Sie entspricht dem vom Verwaltungsgericht ab der Klagerücknahme festgesetzten Wert.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben