Verwaltungsrecht

Verpflichtung der Mutter dafür zu sorgen, dass ihr schulpflichtiger Sohn regelmäßig am Unterricht teilnehme, Test- und Maskenpflicht an Schulen, entgegenstehender Wille des Schülers, intendiertes Ermessen

Aktenzeichen  AN 2 S 22.00743

Datum:
22.4.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 10773
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1, 2
LStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 1
BayEUG Art. 119 Abs. 1 Nr. 2

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Beteiligten streiten um die sofortige Vollziehbarkeit einer Anordnung betreffend die Schulpflicht.
Die Antragstellerin ist Mutter ihres am … 2008 geborenen Sohnes … …, für den sie das Sorgerecht allein ausübt. Ihr Sohn ist im Schuljahr 2021/2022 Schüler der 7. Klasse des …Gymnasiums in … … Im laufenden Schuljahr nahm der Sohn der Antragstellerin vom 18. Oktober 2021 bis 4. März 2022 nicht am Präsenzunterricht teil.
Mit Schreiben vom 25. Januar 2022 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, ihr Sohn nehme laut Mitteilung des …Gymnasiums … weiterhin nicht am Unterricht teil. Hiermit werde sie aufgefordert, ihren Sohn unverzüglich, jedoch bis spätestens 7. Februar 2022 zu veranlassen, am Unterricht teilzunehmen. Sie sei verpflichtet, dafür zu sorgen, dass ihr Sohn regelmäßig am Unterricht und an den sonstigen verbindlichen Schulveranstaltungen unter Erfüllung der Testobliegenheit nach § 12 Abs. 2 15. BayIfSMV teilnehme. Sollte diese Frist ungenutzt verstreichen, werde die Schulpflicht mittels kostenpflichtiger Anordnung unter Androhung eines Zwangsgeldes gefordert. Weiterhin werde ihr Gelegenheit gegeben, sich bis zum genannten Termin zur Sache zu äußern.
Mit Bescheid vom 24. Februar 2022 verpflichtete der Antragsgegner die Antragstellerin, dafür zu sorgen, dass ihr schulpflichtiger Sohn … … regelmäßig am Unterricht des …Gymnasiums in … und an den sonstigen verbindlichen Schulveranstaltungen unter Erfüllung der Testpflicht nach § 12 Abs. 2 der 15. BayIfSMV teilnehme. Diese Verpflichtung gelte solange und soweit, als der Unterricht ausschließlich in Präsenzform angeboten werde (Ziffer 1 des Bescheides). Die sofortige Vollziehung von Ziffer 1 wurde angeordnet (Ziffer 2). Für den Fall, dass die Antragsstellerin dieser Verpflichtung nach Ziffer 1 nicht spätestens ab dem dritten Tag nach der Zustellung dieses Bescheides nachkomme, werde in der Person des Zuwiderhandelnden jeweils ein Zwangsgeld in Höhe von 1.500,00 EUR zur Zahlung fällig. Es werde darauf hingewiesen, dass auch nach Zahlung eines Zwangsgeldes die Verpflichtung zur Beachtung der zugrundeliegenden Anordnung nicht entfalle (Ziffer 3).
Zur Begründung wurde im Wesentlichen sinngemäß ausgeführt, der Sohn der Antragstellerin sei auch nach Änderung des § 13 Abs. 3 Satz 3 der 14. BayIfSMV zum 6. Oktober 2021 der Schule ferngeblieben. § 13 Abs. 2 Satz 1 der 14. BayIfSMV in der seit 6. Oktober 2021 gültigen Fassung bestimme, dass die Teilnahme am Präsenzunterricht nur erlaubt sei, wenn ein Testnachweis erbracht werde oder das Kind an einem schulischen Selbsttest teilnehme. Nach Satz 3 werde die Schulpflicht nicht berührt. In gleicher Weise sei die Testpflicht in § 12 Abs. 3 der seit 24. November 2021 geltenden 15. BayIfSMV geregelt. In der Folge liege eine Schulpflichtverletzung vor, wenn die Testpflicht verweigert werde und der Schüler demgemäß nicht am Präsenzunterricht teilnehmen dürfe. Aus diesen Gründen sei in der Abwesenheit des Kindes der Antragstellerin von der Schule eine Verletzung der Schulpflicht zu sehen. Diese dauerhafte Schulpflichtverletzung könne nicht weiter hingenommen werden. Es handele sich um einen rechtswidrigen Zustand, der den Ordnungswidrigkeitentatbestand des Art. 119 Abs. 1 Nr. 2 BayEUG erfülle. Der Pflicht des Art. 76 Satz 2 BayEUG komme die Antragstellerin als Erziehungsberechtigte nicht nach. Spätestens seit der Anhörung zu diesem Bescheid habe ihr die Rechtswidrigkeit ihres Handelns bewusst sein müssen. Da die Antragstellerin dennoch ihrer Pflicht, den regelmäßigen Schulbesuch ihres Kindes sicherzustellen, nicht nachgekommen sei, sei die Konkretisierung dieser Pflicht mittels vollziehbarem Bescheid unverzichtbar.
Die Anordnung, der Schulpflicht nachzukommen, sei auch verhältnismäßig. Die Maßnahme sei geeignet, die genannte Ordnungswidrigkeit zu unterbinden. Durch die Befolgung der aufgegebenen Pflicht werde der rechtswidrige Zustand und damit auch die Ordnungswidrigkeit beendet. Sie sei erforderlich, da andere Maßnahmen, die zur Erfüllung der Schulpflicht gleichermaßen oder besser geeignet wären, nicht in Betracht kämen. Insbesondere Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen nach Art. 86 ff. BayEUG seien nicht vorrangig in Betracht zu ziehen, da dem Kind nicht der Vorwurf eines schulischen Fehlverhaltens gemacht werden könne, wenn die Erziehungsberechtigten es unter Verstoß gegen die Schulpflicht nicht in die Schule schickten bzw. gehen ließen. Die Verhängung eines Bußgeldes wegen einer Ordnungswidrigkeit nach Art. 119 Abs. 1 Nr. 2 BayEUG solle zwar generalpräventiv wirken, habe aber nicht die mittels Verwaltungszwang durchsetzbare Verpflichtung zur Beendigung des ordnungswidrigen Zustandes zur Folge. Die Maßnahme sei angemessen. Auch wenn die Testpflicht nach § 12 Abs. 2 der 15. BayIfSMV einen Eingriff in den Schutzbereich des Rechts auf körperliche Unversehrtheit, des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sowie der allgemeinen Handlungsfreiheit darstelle, sei die Regelung angemessen. Ein Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit liege im ganz unteren Bereich der Eingriffsintensität. Der bei den verwendeten Tests erforderliche Abstrich aus dem Mund-, Nasen- oder Rachenraum dürfte zwar als Beeinträchtigung der körperlichen Integrität zu werten sein. Diese sei indes nur von kurzer Dauer und niederschwellig. Gleiches gelte für Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und die allgemeine Handlungsfreiheit. Angesichts des verfolgten Ziels, in Erfüllung der verfassungsrechtlichen Schutzpflicht des Staates für das Leben und die körperliche Unversehrtheit der weiteren Ausbreitung von Infektionen mit dem Corona-Virus entgegenzuwirken, seien die Eingriffe angemessen und zumutbar. Die gesundheitlichen Bedenken, die gegen die Testpflicht vorgebracht würden, seien wissenschaftlich nicht belastbar und könnten deshalb den Vollzug der Schulpflicht nicht in Frage stellen. Es würden nur zugelassene Selbst- bzw. PCR-Pooltests verwendet, die in ihrer Verwendung und ihren Inhaltsstoffen sicher seien. Zudem könne die Testpflicht gem. § 12 Abs. 2 Satz 1 der 15. BayIfSMV auch durch das Beibringen eines Testnachweises nach § 4 Abs. 6 Nr. 1, 2 der 15. BayIfSMV erfüllt werden. Somit bleibe den Schülern bzw. Eltern auch die Wahl, den Test entweder durch geschultes Personal, etwa in einem Testzentrum, bei einem Arzt oder in der Apotheke, und damit außerhalb der Wahrnehmungsmöglichkeiten der Mitschüler, vornehmen zu lassen, oder aber diesen direkt in der Schule selbst durchzuführen. Den mit der Testpflicht verbundenen geringwertigen Eingriffen in geschützte Rechtspositionen stehe die Erfüllung der Schulpflicht gegenüber, der eine hohe Bedeutung für die Bildung der Gesamtbevölkerung und jedes einzelnen Kindes zukomme. Die Schulpflicht diene dem Allgemeininteresse sowie dem staatlichen Erziehungsauftrag, Kinder durch die gemeinsame Bildung und Erziehung mit anderen Kindern bei der Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit innerhalb der Gemeinschaft zu unterstützen und zu fördern. Die Schulpflicht stelle eine die Kinder und ihre Eltern treffende staatsbürgerliche Grundpflicht dar und gelte als eine unverzichtbare Bedingung für die Gewährleistung der freiheitlich demokratischen Grundordnung und zugleich als unerlässliche Voraussetzung für die Sicherung der wirtschaftlichen und sozialen Wohlfahrt der Gesellschaft. Die staatliche Gemeinschaft verlange von jedem jungen Bürger ein Mindestmaß an schulischer Grundausbildung. Mit den Bestimmungen über die Schulpflicht werde sichergestellt, dass sich jeder dieser Grundausbildung unterziehe.
Die Anordnung der sofortige Vollziehung sei erforderlich, um eine zeitnahe Erfüllung der Schulpflicht des Kindes der Antragstellerin sicherzustellen. Die Schulpflicht diene dem Allgemeininteresse sowie dem staatlichen Erziehungsauftrag, Kinder durch die gemeinsame Bildung und Erziehung mit anderen Kindern bei der Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit innerhalb der Gemeinschaft zu unterstützen und zu fördern. Bis zur Entscheidung über eine etwaige Klage könne nicht abgewartet werden. In diesem Zeitraum würde das Kind der Antragstellerin weiterhin den Präsenzunterricht nicht besuchen. Die Schulen seien nicht mehr zum Distanzunterricht verpflichtet, da es nicht Aufgabe der Schule sei, im Wege des Distanzunterrichts die Folgen einer anhaltenden Schulpflichtverletzung abzumildern. Deshalb wäre das Kind der Antragstellerin in der Zeit bis zur Entscheidung über eine etwaige Klage in der Hauptsache von der schulischen Bildung abgeschnitten. Auch Leistungsnachweise müssten erbracht werden, dies sei aber nur in der Schule in Präsenz möglich. Da das Fehlen bei Leistungsnachweisen nicht ausreichend entschuldigt werden könne, müssten diese mit der Note 6 bewertet werden. Diese schlechten Bewertungen könne das Kind evtl. auch später nicht mehr ausgleichen, sodass das Erreichen des Klassenziels unmittelbar gefährdet wäre. Aber auch bereits das unentschuldigte Fehlen des Kindes im Präsenzunterricht sei als solches nicht bis zur Entscheidung über eine Klage hinnehmbar, da dadurch dem Kind für einen erheblichen Zeitraum die schulische Bildung und Erziehung verloren ginge. Das öffentliche Interesse an der Erfüllung der Schulpflicht des Kindes überwiege das private Interesse an effektivem Rechtsschutz, die Anordnung erst nach einer rechtskräftigen Entscheidung durchzuführen oder zu dulden.
Die Höhe des Zwangsgeldes sei angemessen und erforderlich, um der ausgesprochenen Verpflichtung Nachdruck zu verleihen. An der Erfüllung der Schulpflicht bestehe ein hohes öffentliches Interesse. Die Höhe des Zwangsgeldes solle den Pflichtigen voraussichtlich veranlassen, die Verpflichtung zu erfüllen. Die bisher vorliegende Schulpflichtverletzung sei nicht aus Nachlässigkeit geschehen, sondern wegen des Unwillens, die Testpflicht zu erfüllen. Daher sei davon auszugehen, dass ein niedriger angesetztes Zwangsgeld nicht die Gewähr biete, dass das Kind trotz Testerfordernisses in die Schule geschickt werde. Die Beugewirkung des Zwangsgeldes sei bei einer niedriger angesetzten Summe nicht zu erwarten. Nach Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG könnten Verwaltungsakte vollstreckt werden, wenn die sofortige Vollziehung angeordnet sei.
Nur vorbeugend werde darauf hingewiesen, dass die Anwendung des angedrohten Zwangsmittels wiederholt werden könne, bis die Verpflichtung erfüllt sei und dabei auch ein höheres Zwangsgeld angedroht werden könne. Wenn das Zwangsgeld uneinbringlich sei und wie hier bei einer höchstpersönlichen, nicht vertretbaren Handlung auch die Anwendung unmittelbaren Zwangs keinen Erfolg verspreche, könne das zuständige Verwaltungsgericht auf Antrag des Landratsamts zur Durchsetzung der Anordnungen aus diesem Bescheid Ersatzzwangshaft anordnen.
Am 8. März 2022 hat die Antragstellerin Klage erhoben, wobei sie die Aufhebung des ergangenen Bescheides (AN 2 K 22.00744) und die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage beantragt.
In tatsächlicher Hinsicht sei vorzutragen, dass ihr Sohn sich seit der Wiedereinführung der Pflicht zum Besuch der Schule weigere, der Testpflicht nachzukommen und im Unterricht eine Maske zu tragen. Einen Besuch des Präsenzunterrichts lehne er unter diesen Bedingungen ab. Sie könne diesbezüglich nicht auf ihren Sohn einwirken und ihn nicht gegen seinen ausdrücklich geäußerten Willen zum Schulbesuch in Form des Präsenzunterrichts unter den Bedingungen des täglichen Testens und des Tragens einer Maske zwingen. Ihr Sohn nehme regelmäßig an Lerngruppen mit anderen Eltern teil, deren Kinder unter diesen Bedingungen ebenfalls den Schulbesuch verweigerten. Eine gegenseitige Lernhilfe und -kontrolle finde statt. Sie sei darüber hinaus im Austausch mit dem Sozialdienst des Landratsamts … Es sei ihr insbesondere bestätigt worden, dass sie im Sinne ihres Sohnes handele und dessen ausdrücklichen Willen respektieren könne. Es bestehe diesbezüglich keine Veranlassung, gegen sie auf Grund einer Verletzung ihrer Elternpflichten vorzugehen. Zusätzlich habe sie sich um eine andere Schule für ihren Sohn bemüht und ihn bereits an der …schule … vorangemeldet, hierfür jedoch noch keine Zusage erhalten. Sie bemühe sich sehr wohl um die Erfüllung der Schulpflicht ihres Sohnes und unterstütze ihn gerade bei der Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit innerhalb der Gemeinschaft.
Im Hauptsachverfahren (Az. AN 2 K 22.00744) trägt die Antragstellerin vor, der Antragsgegner sei bei der Entscheidung einem Ermessensfehlgebrauch und einer Ermessensüberschreitung unterlegen. Die Weigerung, der Pflicht nach Art. 76 Satz 2 BayEUG nachzukommen, beruhe allein auf dem Umstand, dass sie als Erziehungsberechtigte ihren Sohn nicht gegen seinen ausdrücklich geäußerten Willen zur Teilnahme am Präsenzunterricht unter den aktuell gültigen Bestimmungen zwingen könne. Damit habe der Antragsgegner die zugrundeliegenden Tatsachen fehlerhaft ermittelt. Er habe bei der Entscheidung grundsätzlich Ermessen ausgeübt, sich aber nicht an den Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens gehalten. Seine Ermessensentscheidung habe sie in ihrem Elternrecht verletzt. Der Schutzbereich sei eröffnet. Das Elternrecht umfasse die Pflege des Kindes, d.h. die Sorge für das körperliche Wohl sowie die seelische und geistige Entwicklung des Kindes. Vorliegend gehe es um die Entscheidung, ob sie ihren Sohn gegen seinen ausdrücklich geäußerten Willen in die Schule schicke. Ihre Eltern-Kind-Beziehung sei betroffen. In den Schutzbereich sei eingegriffen worden, da die staatliche Maßnahme zu ihrer Verpflichtung führe, gegen den Willen ihres Sohnes vorzugehen. Dieser Eingriff könne nicht durch kollidierendes Verfassungsrecht gem. Art. 7 Abs. 1 GG gerechtfertigt werden. Auf der einen Seite sei ihr Elternrecht verletzt und indirekt auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit und allgemeine Handlungsfreiheit ihres Sohnes. Auf der anderen Seite sei die Schulpflicht verletzt. Ihre Handlung habe auf der Tatsache beruht, dass sie das verfassungsrechtlich geschützte Vertrauensverhältnis zu ihrem Sohn und eine Kindeswohlgefährdung durch das tägliche Testen und Masketragen gegen seinen Willen habe verhindern wollen. Ihre verletzten Grundrechte überwögen eindeutig. Das OLG Schleswig (U.v. 27.12.2018 – 10 UF 176/18) habe entschieden, dass der unterbliebene Schulbesuch eines Kindes ab der 6. Klasse eine Kindeswohlgefährdung darstelle. Dennoch könne der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit familiengerichtlichen Maßnahmen zur Durchsetzung der Schulpflicht entgegenstehen. Etwa, wenn eine 14-Jährige bereits über angemessenes Grundwissen und Sozialkompetenz verfüge und nachhaltig äußere, selbstbestimmt außerhalb der Schule lernen zu wollen (vgl. OLG Düsseldorf, FamRB 2019, 103). Diese Entscheidung sei auf den vorliegenden Fall anwendbar, da ihr 13-jähriger Sohn ebenfalls über einen nachhaltig geäußerten und selbstbestimmten Willen in Bezug auf die Testpflicht und das Tragen einer Maske im Unterricht verfüge. Auch verwaltungsrechtlichen Maßnahmen zur Durchsetzung der Schulpflicht müsse daher erst recht dieser familienrechtlich geschützte und anerkannte Wille des Kindes im Rahmen der Verhältnismäßigkeit entgegenstehen. Eine verwaltungsrechtliche Anordnung zu einem Handeln, das zivilrechtlich nicht zu einer Maßnahme nach § 1666 BGB führe, könne nicht rechtmäßig sein, da es sonst zu einem Wertungswiderspruch kommen würde.
Der angegriffene Bescheid leide ebenfalls unter Fehlern hinsichtlich der Verhältnismäßigkeitsprüfung. Der Antragsgegner habe verkannt, dass ein milderes, gleich geeignetes Mittel vorhanden sei. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Beschluss vom 12. April 2021 (20 NE 21.926) ausgeführt, Schultestungen seien rechtmäßig, solange die Freiwilligkeit gewahrt bleibe und Kinder, die sich nicht testen lassen wollten, ihrer Schulpflicht im Distanzunterricht nachkämen und so kein Bildungsnachteil entstehe. Laut Bayerischem Kultusministerium bestehe die Möglichkeit zum Distanzlernen, wenn die Schule dies anbiete. Die Schule ihres Sohnes verweigere jedoch das Distanzlernen. Die Anordnung dieses Mittels habe der Antragsgegner in seine Entscheidung nicht einbezogen. Das Zurverfügungstellen der Schulmaterialien durch die Schule stelle demnach ein milderes, gleich geeignetes Mittel dar, um die grundrechtlich geschützte Erfüllung der Schulpflicht zu gewährleisten.
Die Maßnahme sei auch nicht angemessen, da die staatliche Maßnahme einen intensiven Eingriff in ihr Elternrecht darstelle. Sie werde dadurch gezwungen, gegen den Willen ihres Sohnes den Schulbesuch durchzusetzen. Dadurch werde ihr auferlegt, in das bestehende und grundgesetzlich geschützte Vertrauensverhältnis zu ihrem Sohn einzugreifen. Gerade im Hinblick darauf, dass ihr Sohn bereit sei, seiner Schulpflicht weiterhin im Distanzunterricht nachzukommen, sei dies nicht angemessen. Es bestehe seitens ihres Sohnes sowohl eine Bereitschaft, Lernkontrollen durchzuführen, als auch den jeweiligen Lehrstoff der Klassenstufe durchzuarbeiten und Kontrollen durch die Schule zu ermöglichen.
Weiter macht die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren geltend, die Vollziehungsanordnung in Ziffer 2 des angegriffenen Bescheides sei sowohl formell als auch materiell rechtswidrig. Ihr Interesse, von der Maßnahme bis zur Klärung im Klageverfahren verschont zu bleiben, überwiege das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Anordnung. Zunächst sei die Begründung des besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehbarkeit nicht ausreichend. Es handele sich lediglich um eine formelhafte, schriftliche Begründung, die nicht auf den konkreten Fall abstelle. Die Begründung gebe lediglich den Wortlaut der Änderung des § 13 Abs. 2 der 14. BayIfSMV wieder. Eine Begründung, warum im konkreten Einzelfall das besondere öffentliche Interesse überwiege, erfolge nicht. Des Weiteren seien die zu berücksichtigenden Interessen fehlerhaft abgewogen worden. Die betroffenen besonderen Interessen ihres Elternrechts und der körperlichen Unversehrtheit und allgemeinen Handlungsfreiheit ihres Sohnes seien vom Antragsgegner nicht ausreichend berücksichtigt worden. Mit dem unmittelbaren Vollzug des Bescheides müsste sie mit sofortiger Wirkung das Vertrauensverhältnis zu ihrem Sohn nachhaltig gefährden. Ihr Interesse an der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme und an der Wahrung ihrer Grundrechte sei größer als das Vollzugsinteresse des Antragsgegners. Darüber hinaus sei der angegriffene Bescheid, wie im Hauptsacheverfahren ausgeführt, rechtswidrig, sodass ebenfalls aus diesem Grund eine sofortige Vollziehung ausgeschlossen sei.
Die Antragstellerin beantragt, zu erkennen:
Die aufschiebende Wirkung der am 08.03.2022 erhobenen Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid des Landratsamts … (Az. …) vom 24.02.2022 wird wiederhergestellt.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er trägt sinngemäß vor, dass die Antragstellerin die Pflicht gem. Art. 76 Satz 2 BayEUG verletze, werde von ihr bestätigt und sei somit unstreitig. Sie führe Rechtfertigungsgründe auf, die dieses Fehlverhalten begründen sollten. Fraglich sei, ob der behauptete Wille des Schülers auf seinem eigenen Willen beruhe oder ob dieser erst durch die Einflussnahmen der Antragstellerin zeitweise entstanden sein könnte. Dass eine freie Willensentscheidung des Kindes in diese Richtung vorliege, müsse vor diesem Hintergrund bezweifelt werden.
Letztlich unklar bleibe der pauschale Verweis der Antragstellerin auf Grundrechte. Soweit sie das Ziel verfolgen sollte, die Rechtsgrundlagen für den Bescheid zu erschüttern, fehle es bereits an einer substantiierten Darlegung, warum diese verfassungswidrig sein sollten. Im Übrigen wäre zu fragen, ob der Verweis auf Grundrechte zutreffend sei. Ernsthafte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gegenständlichen Rechtsgrundlagen dürften nicht bestehen. Soweit sie das Ziel verfolgen sollten, einen Ermessensfehlgebrauch darzulegen, sei festzustellen, dass jede Erziehungsmaßnahme von einigem Gewicht das Elternrecht tangieren könne. Nachdem Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG keinen allgemeinen Gesetzesvorbehalt enthalte, stelle die Grenze des Elternrechts das Kindswohl dar, welches auch mittelbares Schutzgut sei. Neben das elterliche Erziehungsrecht trete der Erziehungsauftrag des Staates, sodass aus Art. 6 Abs. 2 GG kein ausschließlicher Erziehungsanspruch der Eltern entstehen könne. Die gesetzliche und verfassungsmäßige Normierung, Schulpflichtige zu fördern, diene damit dem Kindswohl. Ob dieses durch die Nichterfüllung der Schulpflicht noch berücksichtigt werde, könne bezweifelt werden, denn wenn die Schulpflichtverletzung auf nichtbeweisbare Gründe (Gefahr der Maske und Tests) gestützt werde, würden eher ideologische Ansichten verfolgt und nicht mehr das Kindswohl in den Vordergrund gerückt. Zum angesprochenen Recht auf körperliche Unversehrtheit und die allgemeine Handlungsfreiheit werde auf die Begründung des Bescheides verwiesen. Es sei allerdings bemerkt, dass dem Schutz der körperlichen Unversehrtheit nicht nur eine Dimension als Abwehrrecht, sondern auch eine staatliche Schutzpflicht zukomme, die bei einer hochansteckenden und gefährlichen Infektionskrankheit die bezweifelte Maßnahme gerade geboten erscheinen lassen dürfte.
Das Urteil des OLG Schleswig sei nicht auf den vorliegenden Fall anwendbar, denn in dem entschiedenen Fall sei es um familiengerichtliche Maßnahmen gegangen, denen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entgegenstehen könne. Im Bescheid seien jedoch verwaltungsrechtliche Maßnahmen angeordnet, über die das OLG nicht nur nicht entschieden habe, sondern auch explizit ausgeführt habe, dass die öffentlich-rechtliche Schulpflicht und deren Durchsetzung der Schulbehörde obliege. Die Beschreitung des Verwaltungsrechtswegs in dem dem Urteil des OLG Schleswig zugrundeliegenden Fall sei erfolglos gewesen. Zur Frage, dass § 1666 Abs. 4 BGB im Verhältnis zu Behörden und sonstigen Trägern der öffentlichen Gewalt keine Befugnis der Familiengerichte zum Erlass von Anordnungen begründe, sei auf den aktuellen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts (B.v. 19.1.2022 – 1 BvR 2318/21) verwiesen. Weiterhin sei auch die Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht ernstlich zu beanstanden. Insbesondere sei zu sehen, dass die zitierte Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs am 12. April 2021, mithin vor Inkrafttreten der 14. BayIfSMV ergangen sei. Auf die amtliche Begründung der Verordnung sei an dieser Stelle verwiesen. Zu betonen sei, dass die Schulpflicht auch eine soziale Komponente beinhalte und eine Verpflichtung der Erziehungsberechtigten begründe, auf einen Schulbesuch ihrer Kinder hinzuwirken.
Die Behördenakte enthält einen Aktenvermerk des Allgemeinen Sozialdienstes des Landratsamts …, in dem sinngemäß im Kern ausgeführt ist, Tenor eines mit der Antragstellerin geführten Gesprächs sei gewesen, dass Kinder und Jugendliche in die Schule gehen müssten und dies dringend bräuchten.
Mit Schriftsatz vom 30. März 2022 erwidert die Antragstellerin sinngemäß, es dürfe nicht zu ihren Lasten gewertet werden, dass ihr Sohn seit dem 7. März 2022 wieder den Unterricht besuche. Der Schulbesuch erfolge lediglich, um die Durchsetzung des Zwangsmittels und finanzielle Belastungen zu verhindern. Auch wenn sie im Rahmen einer Anhörung keine Aussagen gemacht habe, trete dadurch kein Verlust materieller Rechte ein. Gegenüber der Schule habe sie die atypische Lage beschrieben. Der Schule seien die Gründe bekannt, warum ihr Sohn die Test- und Maskenpflicht nicht erfülle. Sie verweise dazu auch auf das Verfahren … vor dem Amtsgericht … (Aktenzeichen des Landratsamts …: …). In der Behördenakte seien mehrere Schreiben von ihr an das Gymnasium aufgeführt. Der Antragsgegner habe diese Gründe jedoch bei seiner Entscheidung anscheinend nicht berücksichtigt. Die Aktennotiz des Allgemeinen Sozialdienstes vom 11. März 2022 liege ihr nicht vor. Es werde die Zeugenvernehmung ihres Sohnes beantragt. Es werde bestritten, dass der behauptete Wille durch ihre Einflussnahme entstanden sein könnte. Es werde bestritten, dass die Schulpflichtverletzung auf nicht nachweisbaren Gründen beruhe. Das Kindeswohl ihres Sohnes stehe hier sehr wohl alleine im Vordergrund. Der Schutz dieses Kindeswohls sei alleiniger Grund für die Schulpflichtverletzung. Es lägen bei ihrem Sohn keine ideologischen Ansichten vor, sondern nachweisbare körperliche Beschwerden durch das Masketragen. Es träten bereits nach kurzer Zeit Kopfschmerzen und Übelkeit auf. Ihr Sohn gebe an, dass er sehr schlecht Luft bekomme und sich dadurch schwer konzentrieren könne. Dazu komme, dass er in der Schule nicht als Außenseiter gelten wolle und Angst davor habe, ausgegrenzt zu werden. Bislang habe er daher auch nicht gewollt, dass ihm ein ärztliches Masken-Attest ausgestellt werde. Er wisse, dass es die meisten seiner Mitschüler nicht störe, wenn sie eine Maske trügen. Sollte er beim Schulbesuch in Präsenz der Einzige sein, der keine Maske trage, hätte er Angst davor, nicht mehr dazu zu gehören. Die besondere Lage in der Schule auf Grund seiner langen Abwesenheit und der Tatsache, dass er die Tests an einer externen Teststelle durchführe, führten zu einer psychisch sehr belastenden Drucksituation. Es träten psychosomatische Symptome auf. Er klage häufig über Kopfschmerzen und Konzentrationsschwierigkeiten. Beigefügt war eine schriftliche Erklärung des Sohnes der Antragstellerin vom 30. März 2022. Danach habe er den Großteil des Schuljahres 2021/2022 nicht am Unterricht teilgenommen, da die Masken- und Testpflicht ihn zu sehr psychisch belastet bzw. da er durch die Maske keine Luft mehr bekommen habe und einmal fast ohnmächtig geworden sei.
Auch wenn es sich um verwaltungsrechtliche Maßnahmen handele, könne das Urteil des OLG Schleswig insofern Berücksichtigung finden, als der Antragsgegner eine Ermessensentscheidung im Einzelfall zu treffen habe. Unter Berücksichtigung aller zugrundeliegenden Tatsachen und im Hinblick darauf, dass familiengerichtliche Maßnahmen in einem vergleichbaren Fall nicht angeordnet worden seien, müsse diese Wertentscheidung auch hier berücksichtigt werden. Es werde nochmals ausdrücklich betont, dass die Erfüllung der Schulpflicht sehr wohl in ihrem Interesse liege. Sie habe sich bereits um eine andere Schule bemüht und stelle sicher, dass ihr Sohn den Lehrstoff auch ohne Bereitstellung durch das …Gymnasium erarbeite. Allerdings müsse zwischen der Pflicht der Erziehungsberechtigten, auf einen Schulbesuch ihrer Kinder hinzuwirken, und der Anordnung von Zwang durch die Erziehungsberechtigten gegenüber ihren Kindern unterschieden werden. Im vorliegenden Fall wäre sie gezwungen, gegen den ausdrücklichen und nachdrücklich geäußerten Willen ihres Kindes den Schulbesuch durchzuführen. Dies könne nicht Sinn und Zweck der vom Antragsgegner zitierten Begründung sein. Zur geschilderten Grundrechtsverletzung werde auf die Ausführungen in der Klageschrift verwiesen. Fraglich sei nicht, ob der staatliche Erziehungsauftrag mit dem Erziehungsanspruch der Eltern kollidiere, sondern ob auf Grund des staatlichen Erziehungsauftrags das Elternrecht dahingehend eingeschränkt werden könne, dass Eltern dazu verpflichtet seien, gegen den Willen des Kindes und damit gegen das Kindeswohl den staatlichen Erziehungsauftrag durchzusetzen. Diese Verletzung des Kindeswohls führe durchaus zu einer fehlerhaften Ermessensentscheidung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
Nach Auslegung des Begehrens der Antragstellerin, § 122 Abs. 1, § 88 VwGO, geht die Kammer davon aus, dass auch ein Eilantrag betreffend die Zwangsmittelandrohung gemäß Ziffer 3 des Bescheides gestellt ist. Denn letztlich geht es der Antragstellerin nicht nur um die Verpflichtung gemäß Ziffer 1 des angegriffenen Bescheides, sondern auch darum, dass insoweit aktuell nicht vollstreckt werden kann. Aus diesem Grund ist nicht entscheidend, dass nach dem Wortlaut des Antrags allein Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, nicht aber die mit Blick auf Ziffer 3 des angegriffenen Bescheides relevante Anordnung aufschiebender Wirkung beantragt ist.
Die Anträge betreffend Ziffer 1 des Bescheides auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO und betreffend Ziffer 3 auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO sind zulässig, jedoch unbegründet.
1. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist zwar zulässig, insbesondere gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO statthaft, da in der Hauptsache die Anfechtungsklage statthaft ist, die auf Grund der angeordneten sofortigen Vollziehung keine aufschiebende Wirkung entfaltet. Allerdings hat der Antrag in der Sache keinen Erfolg.
a) Ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO kann bereits deswegen begründet sein, weil es an formellen Voraussetzung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung hinsichtlich Zuständigkeit, Verfahren oder Form fehlt (Gersdorf in Posser/Wolff, Beck‘scher Online-Kommentar VwGO, 60. Edition Stand 1.7.2021, § 80 Rn. 178 ff.). Zuständig für die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, wobei die sofortige Vollziehung besonders anzuordnen ist. Danach ist eine ausdrückliche – und nicht lediglich konkludente – Anordnung und Bekanntgabe der sofortigen Vollziehung erforderlich (Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, Werkstand Juli 2021, § 80 Rn. 242). Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung zudem regelmäßig schriftlich zu begründen. Die – ggf. auch knappe – Begründung muss sich auf die Umstände des konkreten Falls beziehen, gesondert hinsichtlich der Frage der sofortigen Vollziehung erfolgen und ergeben, warum die Behörde dem sofortigen Vollziehbarkeitsinteresse den Vorrang gegenüber dem Aufschubinteresse einräumt. Formelhafte oder pauschale Formulierungen reichen nicht aus (Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, Werkstand Juli 2021, § 80 Rn. 247). Allerdings verlangt § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO lediglich eine formelle Begründung. Stellt sich heraus, dass die von der Behörde angeführten Gründe nicht tragfähig sind, um das sofortige Vollziehungsinteresse zu rechtfertigen, handelt es sich nicht um einen formellen, sondern um einen materiellen Begründungsmangel (Gersdorf in Posser/Wolff, Beck‘scher Online-Kommentar VwGO, 60. Edition Stand 1.7.2021, § 80 Rn. 95). Im Übrigen ist umstritten, ob die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer vorherigen Anhörung des Adressaten bedarf (zum Streitstand m.w.N. Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, Werkstand Juli 2021, § 80 Rn. 257). Wird die Anordnung der sofortigen Vollziehung jedoch mit dem belastenden Verwaltungsakt verbunden, erhält der Betroffene bereits im Rahmen der Anhörung zu dem fraglichen Verwaltungsakt hinreichend Gelegenheit, um zu einer etwaigen Anordnung der sofortigen Vollziehung Stellung zu nehmen (Gersdorf a.a.O. Rn. 83).
Das Vorliegen eines besonderen öffentlichen Vollzugsinteresses eröffnet der Behörde Entschließungsermessens hinsichtlich des „ob“ der Anordnung sowie Auswahlermessen hinsichtlich des „wie“ des Sofortvollzugs (Gersdorf a.a.O. Rn. 107 f.). Allerdings trifft das Gericht auf Grundlage der sich im Zeitpunkt der Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage im Rahmen von § 80 Abs. 5 VwGO insoweit eine eigene Ermessensentscheidung darüber, ob das sofortige Vollziehbarkeitsinteresse oder aber das Aufschubinteresse überwiegt und prüft das Verwaltungshandeln nicht lediglich nach (vgl. Gersdorf a.a.O. Rn. 183).
Für die gerichtliche Ermessensentscheidung ist sodann maßgeblich, ob der (sofort vollziehbare) Verwaltungsakt (offensichtlich) rechtmäßig ist bzw. ob und ggf. inwieweit sich Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit ergeben. So wird bei einem offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsakt – besonderes Vollzugsinteresse unterstellt – keine Veranlassung bestehen, die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen. Dagegen wird im Fall eines offensichtlich rechtswidrigen und rechtsverletzenden Verwaltungsakts kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung bestehen (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 90). Bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes, bedarf es in den Fällen des § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO zusätzlich der Feststellung des Dringlichkeitsinteresses an der sofortigen Vollziehung bzw. eines besonderen Vollzugsinteresses. Dieses muss positiv festgestellt werden, da der gesetzliche Regelfall im Fall des § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO derjenige des Aufschubinteresses ist (vgl. hierzu im Ganzen Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, Werkstand Juli 2021, § 80 Rn. 387). Schließlich kann die Rechtmäßigkeitsprüfung lediglich summarisch erfolgen. Die Prüfungsintensität des Gerichts hängt insbesondere davon ab, wie schwer der fragliche Verwaltungsakt den Betroffenen belastet und inwieweit ggf. Unabänderliches bewirkt wird (Gersdorf a.a.O. § 80 Rn. 176).
b) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe hat der Antrag keinen Erfolg.
aa) Die Anordnung der sofortigen Vollziehung erfolgte formell ordnungsgemäß. Das Landratsamt … hat als die den Verwaltungsakt erlassende Behörde die sofortige Vollziehung in Ziffer 2 des Bescheides ausdrücklich angeordnet. Auch ein Anhörungsmangel ist nicht gegeben. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung wurde vorliegend mit der belastenden Regelung in Ziffer 1 in einem Bescheid verbunden. Mit der Anhörung mit Schreiben vom 25. Januar 2022 erhielt die Antragstellerin jedenfalls hinreichende Gelegenheit, um auch zu einer etwaigen Anordnung einer sofortigen Vollziehung Stellung zu nehmen. Auch wurde die Anordnung der sofortigen Vollziehung entgegen den Ausführungen der Antragstellerin formell ordnungsgemäß begründet. Der Antragsgegner legte insofern ausführlich und nicht lediglich formelhaft dar, warum bis zur Entscheidung über eine etwaige Klage nicht abgewartet werden könne. Die Begründung bezieht sich auf den konkreten Fall und ist gesondert hinsichtlich der Frage der sofortigen Vollziehung erfolgt.
bb) Das Vollzugsinteresse des Antragsgegners überwiegt das Suspensivinteresse der Antragstellerin. Die Regelung in Ziffer 1 des Bescheides ist bei summarischer Prüfung rechtmäßig. Ein besonderes Vollzugsinteresse des Antragsgegners liegt vor.
(1) Die Regelung in Ziffer 1 des Bescheides ist bei summarischer Prüfung rechtmäßig. Dabei kann dahinstehen, ob bei dem vorliegenden Dauerverwaltungsakt für die Prüfung der Rechtmäßigkeit lediglich auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen ist oder die gesamte Geltungsdauer in den Blick zu nehmen ist (vgl. hierzu Schenke, JuS 2019, 833/833 ff.; BVerwG, B.v. 5.1.2012 – 8 B 62/11 – NVwZ 2012, 510). Denn die Regelung des Antragsgegners erweist sich bei summarischer Prüfung über ihre gesamte bisherige Geltungsdauer als rechtmäßig.
(a) Rechtsgrundlage der Anordnung ist Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über das Landesstrafrecht und das Verordnungsrecht auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (Landesstraf- und Verordnungsgesetz – LStVG) i.V.m. Art. 119 Abs. 1 Nr. 2 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG). Auf die Generalklausel des Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG kann vorliegend zurückgegriffen werden. Insbesondere sind Art. 118 bis 120 BayEUG nicht als abschließende Sonderregelungen anzusehen (vgl. BayVGH, B.v. 20.8.2002 – 7 Cs 02.1302 – juris Rn. 20; VG München, B.v. 20.12.2021 – M 3 S 21.6412 – juris Rn. 22).
(b) Der in Ziffer 1 des Bescheides erfolgte Ausspruch ist formell rechtmäßig. Das Landratsamt … ist nach Art. 6 LStVG sachlich zuständig, da es zur Abwehr einer abstrakten Gefahr tätig wurde. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a BayVwVfG. Die Antragstellerin wurde vor Erlass des Verwaltungsakts mit Schreiben vom 25. Januar 2022 i.S.d. Art. 28 Abs. 1 BayVVwVfG ordnungsgemäß angehört. Ferner ist der Verwaltungsakt bei summarischer Prüfung hinreichend bestimmt, Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG. Als unschädlich erweist sich insoweit, dass der Antragsgegner in seinem Bescheid vom 24. Februar 2022 von einer Erfüllung der Testpflicht „nach § 12 Abs. 2 der 15. BayIfSMV“ spricht, obwohl die Testpflicht zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses nunmehr in § 10 Abs. 2 15. BayIfSMV geregelt war. Denn die Regelung des Verwaltungsaktes zielt im Wesentlichen auf die Verpflichtung zur Einwirkung auf den Sohn ab, damit ein Schulbesuch erfolgt. Die Erfüllung der Testpflicht erfolgt lediglich als Reflex des Schulbesuchs durch den Sohn. Ferner wurde die Testpflicht mit Änderung der BayIfSMV zwar in einen anderen Paragraphen aufgenommen, blieb jedoch ihrem materiellen Gehalt nach gleich. Insofern besteht auf Seiten eines verständigen Dritten keine Ungewissheit hinsichtlich Umfang und Inhalt der Testpflicht.
(c) Ferner ist die Anordnung materiell rechtmäßig. Soweit eine solche gesetzliche Ermächtigung nicht in Vorschriften des LStVG oder in anderen Rechtsvorschriften enthalten ist, können die Sicherheitsbehörden gem. Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG zur Erfüllung ihrer Aufgaben für den Einzelfall Anordnungen treffen, um rechtswidrige Taten, die den Tatbestand eines Strafgesetzes oder einer Ordnungswidrigkeit verwirklichen, oder verfassungsfeindliche Handlungen zu verhüten oder zu unterbinden. Nach Art. 119 Abs. 1 Nr. 2 Halbs. 1 BayEUG begeht wiederum eine Ordnungswidrigkeit, wer entgegen Art. 76 Satz 2 BayEUG nicht dafür sorgt, dass minderjährige Schulpflichtige am Unterricht regelmäßig teilnehmen und die sonstigen verbindlichen Schulveranstaltungen besuchen. Gem. Art. 76 Satz 2 BayEUG müssen die Erziehungsberechtigten insbesondere dafür sorgen, dass minderjährige Schulpflichtige am Unterricht regelmäßig teilnehmen und die sonstigen Schulveranstaltungen besuchen.
(aa) Das Verhalten der Antragstellerin verwirklicht bei summarischer Prüfung den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach Art. 119 Abs. 1 Nr. 2 BayEUG, auch unter Berücksichtigung ihres Vorbringens im Bußgeldverfahren gemäß der Akte des Landratsamts … Die Antragstellerin hat nach Aktenlage das alleinige Sorgerecht für ihren Sohn. Letzterer ist nach Art. 37 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 BayEUG schulpflichtig und hat unstreitig vom 18. Oktober 2021 bis 6. März 2022, mithin bis nach Erlass des streitgegenständlichen Bescheides, die Pflichtschule nicht mehr besucht, Art. 36 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayEUG. Die Verpflichtung zur regelmäßigen Teilnahme am Unterricht und des Besuchs sonstiger verbindlicher Schulveranstaltungen ergibt sich aus Art. 56 Abs. 4 Satz 3 BayEUG. Aus dem Vortrag der Antragstellerin ergibt sich, dass sie es unter Berufung auf den entgegenstehenden Willen ihres Sohnes ablehnt, auf diesen einzuwirken, damit er am Unterricht teilnimmt. Indem die Antragstellerin damit den Willen ihres Sohnes lediglich vollumfänglich akzeptierte, sorgte sie nicht dafür, dass ihr Sohn regelmäßig am Unterricht teilnahm. Ein Einwirken auf ihren Sohn war und ist der Antragstellerin jedoch zumutbar. Im Rahmen der Erziehung i.S.d. § 1631 BGB bestehen ausreichende erzieherische Möglichkeiten, das Verhalten des Kindes zu beeinflussen. Eine solche Einwirkung ist auch nicht pauschal mit einer Kindswohlgefährdung gleichzusetzen, wie dies die Antragstellerin vorträgt. Im vorliegenden Fall ist eine Kindswohlgefährdung bei Durchsetzung der Schulpflicht auch nicht zu befürchten. Der angegriffene Bescheid bzw. der Schulbesuch führen auch nicht zu einer ungerechtfertigten Verletzung der körperlichen Unversehrtheit, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, oder der allgemeinen Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, des Sohnes der Antragstellerin. Zwar muss dieser bei Besuch der Schule die geltende Testpflicht einhalten. Die Eingriffe sind jedoch nur von kurzer Dauer und geringer Intensität. Soweit vorgetragen wird, den Sohn der Antragstellerin belaste, dass er Tests an einer externen Teststelle durchführe, ist darauf hinzuweisen, dass nach § 4 Abs. 1 Satz 1 16. BayIfSMV, wie auch in den entsprechenden Vorgängerregelungen, ebenso die Möglichkeit besteht, den Selbsttest in der Schule durchzuführen. Ein Zwang, Testungen extern vornehmen zu lassen, besteht nicht. Eine Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in der Schule sieht die 16. BayIfSMV nicht vor. Für in der Vergangenheit liegende Zeiträume gilt, dass etwaige Belastungen durch das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im Regelfall von eher geringer Intensität sind. Sofern jedoch, wie vorgetragen, medizinische Gründe gegen das Tragen der Maske bestehen sollten, bestand, wie von der Antragstellerin eingeräumt, die Möglichkeit einer Befreiung. Insofern erscheint es auch zumutbar, bei Vorliegen gesundheitlicher Beschwerden von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Im Übrigen ist davon auszugehen, dass das vollständige Fehlen im Präsenzunterricht den Sohn der Antragstellerin wesentlich stärker aus dem Klassenverband ausgrenzt als das Nichttragen einer Mund-Nasen-Bedeckung. Im Übrigen kann auch nicht pauschal davon ausgegangen werden, dass Mitschüler kein Verständnis hätten, sofern dem Maskentragen gesundheitliche Gründe entgegenstünden.
Der Tatbestand der bezeichneten Ordnungswidrigkeit ist bei summarischer Prüfung auch unter Berücksichtigung der antragstellerseits zitierten Urteile erfüllt. So ist im Familienrecht anerkannt, dass eine dauerhafte Weigerung, das Kind zur Schule zu schicken, das Kindeswohl nach § 1666 BGB gefährdet (Lugani in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2020, § 1666 Rn. 184 m.w.N.). Zwar ist das Oberlandesgericht Düsseldorf (B.v. 25.7.2018 – 2 UF 18/17 – juris) in dem dort entschiedenen Einzelfall sachverständig beraten zu dem Ergebnis gelangt, es liege keine konkrete Kindeswohlgefährdung im Sinne von § 1666 BGB vor. Gleichzeitig hat das Oberlandesgericht aber aufgeführt, nachdem die Verletzung der öffentlich-rechtlichen Schulpflicht mangels konkreter Kindeswohlgefährdung für familienrechtliche Maßnahmen nach §§ 1666, 1666a BGB nicht ausreiche, bleibe es den Schulbehörden überlassen, für eine Erfüllung der Schulpflicht Sorge zu tragen. Danach und weil weder Art. 119 Abs. 1 Nr. 2 BayEUG noch Art. 76 Satz 2 BayEUG eine Kindeswohlgefährdung voraussetzen, ist die fragliche Ordnungswidrigkeit hier auch dann erfüllt, sollte keine (konkrete) Kindeswohlgefährdung vorliegen. Genauso wie im Einzelfall getroffene familienrechtliche Anordnungen gemäß § 1666 BGB die Sorgeberechtigten nicht von schulrechtlichen Pflichten nach Art. 76 BayEUG befreien (vgl. m.w.N. Lindner/Stahl, Das Schulrecht in Bayern, Stand November 2021, Art. 76 Rn. 3), lassen im Einzelfall ggf. unterlassene familienrechtliche Anordnungen die Verwirklichung der streitgegenständlichen Ordnungswidrigkeit unberührt. Im Übrigen hat das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht in der antragstellerseits angeführten Entscheidung (B.v. 27.12.2018 – 10 UF 176/18) in dem dort entschiedenen Fall durchaus aufgrund des unterbliebenen Schulbesuchs das Wohl des Kindes im Sinne von § 1666 Abs. 1 BGB gegenwärtig und erheblich gefährdet gesehen (vgl. Rn. 54 a.a.O.). In dem dort entschiedenen Fall bestand jedoch die Besonderheit, dass insbesondere begründete Zweifel dahingehend vorlagen, ob die Einwirkungsmöglichkeiten der Mutter des Kindes soweit reichten, dessen Willen umzustimmen (vgl. Rn. 57 a.a.O.). Solche Zweifel bestehen hier aber nicht, da der Sohn der Antragstellerin – wenn auch wie antragstellerseits darlegt allein zur Vermeidung des Zwangsgelds – derzeit die Schule besucht, die Antragstellerin also entsprechend in der Lage war, auf ihren Sohn einzuwirken oder hierzu ggf. schon kein Bedarf mehr bestand. Im Übrigen gilt auch hier, dass das Oberlandesgericht mit Blick auf den Tatbestand des § 1666 BGB entschieden hat, nicht aber über die hier in Streit stehende Frage, ob eine Ordnungswidrigkeit verwirklicht ist.
Die geltend gemachte Teilnahme an Lerngruppen mit anderen Eltern und deren Kindern stellt hingegen keinen Unterricht i.S.v. Art. 76 Satz 2 BayEUG dar. Denn die Schulpflicht, Art. 35 Abs. 1 Satz 1 BayEUG, wird gem. Art. 36 Abs. 1 Satz 1 BayEUG durch Besuch der in dieser Norm enumerativ aufgezählten Schulen erfüllt. Eine Beschulung durch von Eltern organisierte Lerngruppen ist gesetzlich nicht vorgesehen (vgl. auch VG München, B.v. 20.12.2021 – M 2 S 21.6412 – juris Rn. 26). Auch die Voraussetzungen für Hausunterricht nach Art. 23 Abs. 2 BayEUG liegen nicht vor. Der Sohn der Antragstellerin ist zudem weder vom Schulbesuch befreit bzw. beurlaubt noch liegen die Voraussetzung hierfür vor, § 20 Abs. 3 Satz 1 der Schulordnung für schulartübergreifende Regelungen an Schulen in Bayern (Bayerische Schulordnung – BaySchO) vom 1. Juli 2016 (GVBl. S. 164, 241, BayRS 2230-1-1-1-K, die zuletzt durch § 1 der Verordnung vom 8. Juli 2021, GVBl. S. 479, geändert worden ist). Denn ein Ausnahmefall, wie ihn die Verordnung vorsieht, ist vorliegend nicht gegeben. Die Testpflicht trifft den Sohn der Antragstellerin in gleicher Weise wie andere Schüler. Es ist nicht ersichtlich, dass der Schulbesuch für den Sohn der Antragstellerin mit weitergehenden Belastungen verbunden ist als für andere Schüler (vgl. VG München, B.v. 20.12.2021 – M 3 S 21.6412 – BeckRS 2021, 40889). Sofern medizinische Gründe gegen das Tragen einer Maske bestehen, ist auch hier darauf zu verweisen, dass eine Maskenpflicht in der Schule in der 16. BayIfSMV nicht mehr vorgesehen ist. Für vergangene Zeiträume sah § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 15. BayIfSMV vor, dass Personen von der Maskenpflicht befreit waren, die glaubhaft machen konnten, dass ihnen das Tragen einer Maske aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich oder unzumutbar ist, solange dies vor Ort sofort insbesondere durch Vorlage eines schriftlichen ärztlichen Zeugnisses im Original nachgewiesen werden konnte. Auch insoweit bestand daher keine gesonderte Belastung. Dem Sohn der Antragstellerin war es zumutbar, bei Vorliegen medizinischer Gründe von dieser Befreiung Gebrauch zu machen.
Der Sohn der Antragstellerin hat auch keinen Anspruch auf Distanzunterrichtung. Die Norm des § 19 Abs. 4 Satz 1 BaySchO sieht keinen Anspruch vor, sondern regelt ihrem Wortlaut nach allein, ob und wie Distanzunterricht stattfinden darf, falls es durch infektionsschutzrechtliche Maßnahmen zu Schulschließungen oder dem Ausschluss einzelner Personen kommt (vgl. BayVGH, B.v. 13.1.2022 – 7 CE 21.2740 – BeckRS 2022, 983 Rn. 19 ff.). Im Übrigen haben vorliegend weder die zuständigen Behörden die Schulschließung oder den Ausschluss einzelner Klassen oder Kurse angeordnet noch den Ausschluss des Sohnes der Antragstellerin genehmigt, § 19 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BaySchO. Zur Begründung eines Anspruchs auf Distanzunterricht kann sich die Antragstellerin auch nicht auf die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs berufen, die vor Erlass der 14. BayIfSMV hinsichtlich der Gewährung von Distanzunterricht für Schülerinnen und Schüler ergangen ist, die der damaligen Testobliegenheit nicht nachkamen. Denn insoweit hat sich die Sach- und Rechtslage wesentlich geändert (vgl. BayVGH. B.v. 13.1.2022 – 7 CE 21.2740 – BeckRS 2022, 983). Die zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses geltende Fünfzehnte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmeverordnung (15. BayIfSMV) in der Fassung vom 22. Februar 2022 sah in § 10 Abs. 2 Satz 1 vor, dass die Teilnahme am Präsenzunterricht, an sonstigen Schulveranstaltungen oder schulischen Ferienkursen in Präsenz sowie an der Mittags- und Notbetreuung für Schülerinnen und Schülern unabhängig von ihrem Impf- oder Genesenenstatus nur erlaubt ist, wenn sie drei Mal wöchentlich einen Testnachweis nach § 5 Abs. 3 Nr. 1, 2 15. BayIfSMV erbringen oder in der Schule unter Aufsicht einen über die Schule zur Verfügung gestellten und dort zu verwendenden Selbsttest mit negativem Ergebnis vorgenommen haben. Die Schulpflicht blieb nach § 10 Abs. 2 Satz 3 15. BayIfSMV unberührt. Die Regelungen entsprechen § 8 Abs. 2 Satz 1 und 3 der 15. BayIfSMV vom 21. März 2022 bzw. § 4 Abs. 1 Satz 1 und 3 der aktuell geltenden 16. BayIfSMV. Durch die Einfügung des deklaratorischen Hinweises in die 14. BayIfSMV, die Schulpflicht bleibe unberührt, hat sich die bis dahin vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof angenommene Testobliegenheit jedenfalls seit 6. Oktober 2021 zu einer unbedingten Testpflicht gewandelt (BayVGH, B.v. 13.1.2022 – 7 CE 21.2740 – BeckRS 2022, 983 Rn. 14). Während die Präsenzpflicht im Unterricht in der Zeit der pandemiebedingten Schulschließungen infektionsschutzrechtlich aufgehoben bzw. während des Wechselunterrichts zeitweise ausgesetzt war, sind bereits seit Erlass der 14. BayIfSMV Schulschließungen und damit Distanzunterricht bzw. Distanzlernen infektionsschutzrechtlich nicht mehr vorgesehen. Vielmehr findet der Schulunterricht seit Beginn des Schuljahres 2021/22 in Präsenz statt. Mit Einfügung des deklaratorischen Hinweises, dass die Schulpflicht unberührt bleibe, hat der Verordnungsgeber klargestellt, dass die Schulpflicht nur noch durch Teilnahme am schulischen Präsenzunterricht erfüllt werden kann. Damit haben Schülerinnen und Schüler jedenfalls seit dem 6. Oktober 2021 kein Wahlrecht mehr zwischen Distanz- und Präsenzunterricht (vgl. hierzu im Ganzen BayVGH a.a.O.).
(bb) Schließlich ist die Maßnahme auch verhältnismäßig. Legitimes Ziel der Maßnahme ist die Durchsetzung der Schulpflicht im Sinne des staatlichen Erziehungsauftrages, Art. 7 Abs. 1 GG, Art. 129 Abs. 1 BV. Die Maßnahme ist hierzu auch geeignet, da sie die Beachtung der Schulpflicht zumindest fördert.
Mildere Mittel, die gleich geeignet sind, sind nicht ersichtlich. Insbesondere war nicht vorrangig Distanzunterricht anzubieten, da es sich hierbei um ein Mittel handelt, das zur Erreichung des Ziels nicht gleich geeignet ist. Denn Art. 56 Abs. 4 Satz 3 BayEUG geht von einer Teilnahme am Präsenzunterricht aus. Auch der sich aus Art. 7 Abs. 1 GG ergebende staatliche Erziehungsauftrag beschränkt sich nicht auf die reine Wissensvermittlung. Vielmehr können soziale Kompetenz im Umgang mit Andersdenkenden, gelebte Toleranz, Durchsetzungsvermögen und Selbstbehauptung einer von der Mehrheit abweichenden Überzeugung effektiver ausgeübt werden, wenn Kontakte mit der Gesellschaft und den in ihr vertretenen unterschiedlichen Auffassungen Teil einer mit dem regelmäßigen Schulbesuch stattfindenden Alltagserfahrung sind (vgl. hierzu im Ganzen BayVGH, B.v. 13.1.2022 – 7 CE 21.2740 – BeckRS 2022, 983; BVerfG, B.v. 31.5.2006 – 2 BvR 1693/04 – juris). Eine Unterrichtung in Distanz kann dies nicht in gleicher Weise leisten.
Schließlich ist die Maßnahme auch angemessen. Es liegt kein ungerechtfertigter Eingriff in das Erziehungsrecht der Antragstellerin aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG vor. Zwar ist der Schutzbereich des Grundrechts eröffnet. Wie bereits höchstrichterlich entschieden, beschränkt die allgemeine Schulpflicht jedoch das elterliche Erziehungsrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG in zulässiger Weise (BayVGH, B.v. 20.8.2002 – 7 CS 02.1302 – juris Rn. 18). Das Elternrecht des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG wird bereits für sich genommen nicht unbegrenzt garantiert, sondern stellt vielmehr eine komplexe Verknüpfung von Rechten und Pflichten dar. Diese Pflicht ist nicht lediglich als begrenzende Schranke, sondern als wesensbestimmender Bestandteil des Elternrechts anzusehen. Art. 6 Abs. 2 GG enthält zudem keinen ausschließlichen Erziehungsauftrag der Eltern. Der Staat ist im Bereich der Schule nicht auf das ihm durch Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG zugewiesene Wächteramt beschränkt. Vielmehr ist der staatliche Erziehungsauftrag des Art. 7 Abs. 1 GG im Bereich der Schule dem Elternrecht gleichgeordnet. Der Staat wiederum kann diesem Erziehungsauftrag nur nachkommen, wenn die Schüler kontinuierlich in Schulen unterrichtet und erzogen werden, die er entweder selbst betreibt oder aber er die Errichtung und den Betrieb von privaten Schulen von der Erfüllung bestimmter Kriterien abhängig macht und diese Schulen schulaufsichtlich überwacht. Die Unterrichtung und Erziehung der Kinder außerhalb von Schulen entzieht die Kinder diesem Erziehungsauftrag des Staates (vgl. hierzu im Ganzen VG Augsburg, B.v. 7.5.2002 – Au 9 S 02.507 – BeckRS 2002, 32725). Die in Art. 129 Abs. 1 BV statuierte Schulpflicht als solche beschränkt folglich die Grundrechte der Eltern und Schüler von vornherein immanent, mithin verfassungsrechtlich gerechtfertigt (Möstl, in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaats Bayern, 2. Aufl. 2017, Art. 129 Rn. 4). Die Verletzung der Schulpflicht, die mit der streitgegenständlichen Maßnahme abgewendet werden soll, ist hier zudem intensiv, da ein Besuch der Schule während der Geltung der Testpflicht gänzlich verweigert wird. Der Antragstellerin hingegen ist es, wie dargelegt, zumutbar, auch bei entgegenstehendem Willen ihres Sohnes auf diesen einzuwirken.
(cc) Schließlich ist die getroffene Anordnung bei summarischer Prüfung auch nicht ermessensfehlerhaft.
Nach Art. 40 BayVwVfG hat die Behörde eingeräumtes Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Die gerichtliche Überprüfung von Ermessensentscheidungen beschränkt sich jedoch nach § 114 Satz 1 VwGO lediglich auf die Prüfung etwaiger Ermessensfehler. Dagegen kann das Gericht sich nicht an die Stelle der Behörde setzen und ggf. eigenes Ermessen ausüben (vgl. so zum Ganzen Decker in Beck‘scher Online-Kommentar VwGO, 60. Edition Stand 1.1.2022, § 114 Rn. 26). Nach Art. 39 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG sind zur Begründung eines Verwaltungsakts die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Umfang und Vollständigkeit der Begründung von Ermessensentscheidung bestimmen sich nach den Umständen des Einzelfalls sowie zusätzlich nach dem jeweils betroffenen Rechtsgebiet (vgl. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 39 Rn. 43 f.). Danach bezieht sich die gerichtliche Kontrolle grundsätzlich auf diejenigen Erwägungen, die die Behörde im Zeitpunkt der Entscheidung tatsächlich angestellt hat, regelmäßig also auf die Gründe, die sich aus dem angegriffenen Verwaltungsakt selbst ergeben (vgl. Riese in Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2021, § 114 Rn. 49).
Etwas anderes gilt in Fällen sog. intendierten Ermessens, in denen das Ergebnis der behördlichen Ermessenerwägung – von Ausnahmefällen abgesehen – bereits durch die Intention des Gesetzes vorgezeichnet ist (vgl. Geis in Schoch/Schneider, VwVfG, Stand August 2021, § 40 Rn. 27). Ob ein solcher Fall intendierten Ermessens vorliegt, ist durch Auslegung zu ermitteln (vgl. Geis a.a.O.). Als Fallgruppen intendierten Ermessens sind insbesondere das Entschließungsermessen hinsichtlich des Einschreitens zur Beseitigung rechtswidriger Zustände bzw. die Abwehr abstrakter Gefahren anerkannt (vgl. Geis a.a.O.; Aschke in Beckscher Online-Kommentar, VwVfG, 51 Edition Stand 1.1.2022, § 40 Rn. 40). In Fällen intendierten Ermessens versteht sich das Abwägungsergebnis von selbst, so dass insoweit – da selbstverständlich – auch keine Begründung der Ermessenserwägungen nach Art. 39 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG erforderlich ist. Dies setzt jedoch voraus, dass der in dem Bescheid dargestellte Sachverhalt die Feststellung erlaubt, dass das Ergebnis der Ermessensausübung im konkreten Fall tatsächlich mit der Intention des Gesetzes vorgezeichnet ist und nicht etwa ein Ausnahmefall vorliegt, in dem eine abweichende Ermessensausübung in Betracht kommt (vgl. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 39 Rn. 70). Sofern ein Ausnahmefall ausscheidet, bedarf es keiner Abwägung des „Für und Wider“, auch keiner dahingehenden Begründung. Vielmehr ist die Begründungspflicht regelmäßig bereits dann erfüllt, wenn in dem Bescheid der Regelfall angenommen und dieses Ergebnis zum Ausdruck gebracht wird (vgl. BVerwG, U.v. 5.7.1985 – 8 C 22/83 – NJW 1986, 738, 740). Lediglich sofern außergewöhnliche Umstände erkennbar sind, die ausnahmsweise eine abweichende Entscheidung möglich erscheinen lassen, sind diese im Rahmen der Begründung des Bescheides zu erwägen (vgl. BVerwG, U.v. 26.6.2002 – 8 C 30/01 – NJW 2003, 221, 223). Soweit zum Teil gefordert wird, in Fällen intendierten Ermessens bedürfe die Begründung darüber hinaus der Feststellung, es liege kein Ausnahmefall vor (so wohl Tiedemann in Beck‘scher Online-Kommentar, VwVfG, 54. Edition Stand 1.1.2022, § 39 Rn. 49; Geis in Schoch/Schneider, VwVfG, Stand August 2021, § 40 Rn. 28), überzeugt dies nicht. Denn bei einer solchen Feststellung würde es sich letztlich um eine Selbstverständlichkeit im Sinne der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts handeln. Selbstverständliches bedarf aber weder einer gesonderten Darstellung noch einer ausdrücklichen Feststellung. Entsprechende Ausführungen – da ohnehin selbstverständlich – werden auch Adressaten entsprechender Bescheide nicht erwarten. Darüber hinaus ist die geforderte Feststellung regelmäßig bereits konkludent in den Ausführungen enthalten, die dem Ergebnis der vorgezeichneten bzw. intendierten Ermessensausübung folgen. Eine darüberhinausgehende ausdrückliche Feststellungspflicht liefe dagegen letztlich auf bloße Förmelei hinaus.
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe sind hier keine Ermessensfehler ersichtlich. Zwar enthält der angegriffene Bescheid insoweit entgegen Art. 39 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG über die Prüfung der Verhältnismäßigkeit hinaus keine Darlegungen zur Ermessensausübung. Dabei kann offen bleiben, ob hiermit aufgrund der ermessenslenkenden Funktion des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die Ermessensausübung hinreichend dargelegt ist. Denn jedenfalls liegt ein Fall intendierten Ermessens vor. In Fällen, in denen die Behörde darüber zu befinden hat, ob sie die Eltern bei Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit i.S.d. Art. 119 Abs. 1 Nr. 2 BayEUG nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG dazu verpflichtet, dafür zu sorgen, dass ihr Kind die Schule besucht, ist das Ergebnis der Ermessensausübung in aller Regel vorgezeichnet. Dies ergibt sich bereits aus dem Gedanken der Gefahrenabwehr. Denn bei Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit nach Art. 119 Abs. 1 Nr. 2 BayEUG liegt nicht nur eine abstrakte oder konkrete Gefahr, sondern bereits eine Verletzung der Schulpflicht vor. Darüber hinaus ist einer solchen Verletzung der Schulpflicht auch mit Blick auf das Rechtsstaatsprinzip (vgl. Geis in Schoch/Schneider, VwVfG, Stand August 2021. § 40 Rn. 29) nachzugehen, um rechtmäßige Zustände wiederherzustellen. Zudem muss die Schulpflicht als solche vor den Grundrechten von Eltern und Kindern grundsätzlich nicht gerechtfertigt werden, sondern beschränkt diese bereits von vornherein immanent und ist damit als solche bereits verfassungsrechtlich gerechtfertigt, Art. 7 Abs. 1 GG, Art. 129 BV (Möstl, in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaats Bayern, 2. Aufl. 2017, Art. 129 Rn. 4). Da sonst die Schulpflicht gänzlich ausgehebelt würde, muss gleiches grundsätzlich auch bei entgegenstehendem Willen des Schülers oder der Eltern gelten. Denn die Schulpflicht wird stets verletzt sein, weil aufgrund des Willens der Eltern und/oder der Schülerin oder des Schülers kein Schulbesuch erfolgt. Entsprechend ergibt die Auslegung von Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG, dass in Fällen einer Ordnungswidrigkeit i.S.d. Art. 119 Abs. 1 Nr. 2 BayEUG für Anordnungen wie die vorliegende ein Fall intendierten Ermessens vorliegt. Mit den durch die Testungen einhergehenden Beeinträchtigungen der Rechte des Sohnes der Antragstellerin hat sich der Antragsgegner zudem im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auseinandergesetzt. Sofern etwaige medizinische Beeinträchtigungen bestehen sollten, die einem Tragen einer Maske entgegengestanden hätten, bestand, wie auch von der Antragstellerin eingeräumt, die Möglichkeit der Befreiung von der Maskenpflicht. Da die Sachverhaltsdarstellung des angegriffenen Bescheides darüber hinaus hinreichend die Feststellung erlaubt, dass kein Ausnahmefall vorliegt, musste in dem angegriffenen Bescheid kein „Für und Wider“ der Ermessensausübung nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG i.V.m. Art. 119 Abs. 1 Nr. 2 BayEUG dargestellt werden. Insbesondere war eine Auseinandersetzung mit dem Vortrag der Antragstellerin, ihr Sohn lehne den Schulbesuch ab, nicht erforderlich.
bb) Auch ein besonderes Vollzugsinteresse ist zu bejahen. Insoweit ist zu beachten, dass der Sohn der Antragstellerin vor Erlass des Bescheides die Schule nicht besuchte, mithin sich der Schulpflicht gänzlich entzog. Der Sohn der Antragstellerin wäre folglich bis zur Entscheidung in der Hauptsache der schulischen Bildung gänzlich entzogen. Auch angesichts des bereits verstrichenen Zeitraums des fehlenden Schulbesuchs drohten zumindest ganz erhebliche negative schulische Folgen betreffend Leistungsnachweise und das Vorrücken in die nächste Jahrgangsstufe.
2. Der Eilantrag hinsichtlich Ziffer 3 ist als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, Art. 21a VwZVG zulässig, jedoch unbegründet. Die Vollziehungsinteressen des Antragsgegners überwiegen die Suspensivinteressen der Antragstellerin, da eine Klage in der Hauptsache bei summarischer Prüfung erfolglos bleibt. Denn bei summarischer Prüfung erweist sich die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 3 des Bescheides als rechtmäßig.
Nach Art. 31, 36 Abs. 2 Satz 1 VwZVG kann die Androhung eines Zwangsgelds mit dem zu vollstreckenden Verwaltungsakt verbunden werden. Gemäß Art. 36 Abs. 2 Satz 1 VwZVG soll eine solche Verbindung erfolgen, wenn die sofortige Vollziehung angeordnet ist. Eine Anhörung vor der Zwangsgeldandrohung ist nach Art. 28 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG nicht erforderlich. Auch stellt der mit sofortiger Vollziehung versehene Verwaltungsakt einen Vollstreckungstitel nach Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG dar, so dass in diesen Fällen offenbleiben kann, ob mit dem Wortlaut von Art. 36 Abs. 2 S. 1 VwZVG ggf. auch die Androhung von Zwangsmitteln ohne die Vollstreckungsvoraussetzungen nach Art. 19 VwZVG zulässig ist (vgl. Weber/KVS in PdK-Bay A-19, VwZVG, Stand Mai 2020, Art. 36 Ziff. 9.4). Nach Art. 36 Abs. 1 und 7 VwZVG erfolgt die Androhung schriftlich und ist zuzustellen. Zur Höhe des Zwangsgelds bestimmen Art. 31 Abs. 2 Sätze 1, 2 und 4 VwZVG, dass das Zwangsgeld mindestens 15,00 und höchstens 50.000,00 EUR beträgt, wobei das wirtschaftliche Interesse an der Vornahme der Handlung erreicht werden soll und dieses nach pflichtgemäßem Ermessen zu schätzen ist. Durch die Vorgabe des wirtschaftlichen Interesses ist die Ermessensausübung der Behörde eingeschränkt (Weber/KVS in PdK-Bay A-19, VwZVG, Stand Mai 2020, Art. 31 Ziff. 4.3). Des Weiteren ist das Zwangsgeld nach Art. 36 Abs. 3 Satz 1 VwZVG in bestimmter Art und Weise anzudrohen. Das Bestimmtheitsgebot bezieht sich nicht nur auf die Art des Zwangsmittels, sondern auch darauf, unter welchen Voraussetzungen es zur Anwendung kommen soll (BayVGH, B.v. v. 3.8.2009 – 20 ZB 09.1332 – beck-online Rn. 2). Ein Zwangsgeld „auf Vorrat“, d.h. für jeden Fall der Zuwiderhandlung, ist unzulässig (vgl. BayVGH, B.v. 13.10.1986 – 22 Cs 86.01950 – NVwZ 1987, 512).
Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Zwangsgeldandrohung hier rechtlich nicht zu beanstanden. Zunächst sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, warum trotz der Anordnung der sofortigen Vollziehung entgegen der Sollvorschrift des Art. 36 Abs. 2 Satz 1 VwZVG ausnahmsweise kein Zwangsgeld hätte angedroht werden sollen. Dies gilt umso mehr, als hier besondere Eilbedürftigkeit besteht und – wie ausgeführt – erhebliche öffentliche Interessen betroffen sind. Auch liegt kein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot der Zwangsgeldandrohung vor. Schließlich wird das Zwangsgeld auch nicht „auf Vorrat“ angedroht. Denn das Zwangsgeld wurde nicht für jeden Fall der Zuwiderhandlung angedroht. Der verwendete Begriff „jeweils“ bezieht sich ersichtlich auf die „Person des Zuwiderhandelnden“, nicht etwa auf eine Vielzahl an Verstößen. Zwar ist der Bescheid allein gegenüber der Antragstellerin erlassen, sodass nicht mehrere Personen in Frage stehen, an die sich das Gebot aus dem Bescheid richtet. Auch dies ist aber aus Sicht des Bescheidempfängers nicht zweifelhaft. Soweit der Antragsgegner in der Begründung des Bescheides „nur vorbeugend“ darauf verweist, dass die Anwendung des angedrohten Zwangsmittels gem. Art. 37 Abs. 1 VwZVG wiederholt werden könne, bis die Verpflichtung erfüllt sei und dabei auch ein höheres Zwangsgeld angedroht werden könne, handelt es sich lediglich um einen Hinweis ohne Regelungscharakter, wobei aus dem letzten Halbsatz deutlich wird, dass der Antragsgegner zutreffend von der Notwendigkeit einer erneuten Androhung ausgeht.
Auch die Höhe des angedrohten Zwangsgelds ist nicht zu beanstanden. Ausweislich der Begründung des Bescheides hat der Antragsgegner insoweit Ermessen ausgeübt und zutreffende Ermessensgesichtspunkte in seine Erwägungen eingestellt. Nach alledem ist das Zwangsgeld weder dem Grunde noch der Höhe nach unverhältnismäßig.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 161 Abs. 1, § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung fußt auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, 2 GKG i.V.m. Ziffern 38.3 und 1.5 des Streitwertkatalogs.


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