Verwaltungsrecht

Verpflichtung zur Beseitigung von Mängeln an der Grundstücksentwässerungsanlage

Aktenzeichen  M 10 K 19.3268

Datum:
21.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 19486
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 67 Abs. 4 S. 4 S.7,§ 84, § 113 Abs. 1 S. 1, § 114 S. 2,
EWS § 12 Abs. 4,§ 22 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Bescheid des Beklagten vom 18. Juni 2019 wird aufgehoben.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

1. Über die Klage konnte nach vorheriger Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da sie keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
2. Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 18. Juni 2019 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Er war daher aufzuheben.
a) Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids ist rechtswidrig, da für die dort getroffenen Mängelbeseitigungsanordnungen entgegen § 22 Abs. 1 EWS kein Ermessen ausgeübt worden ist.
Nach § 22 Abs. 1 EWS kann der Beklagte zur Erfüllung der nach der Entwässerungssatzung bestehenden Verpflichtungen Anordnungen für den Einzelfall erlassen.
Diese Vorschrift räumt dem Beklagten bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen ein Ermessen ein; das Wort „kann“ ist nicht lediglich als Kompetenz-Kann zu verstehen. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Vorschriften in § 11 Abs. 2 Satz 4 und § 12 Abs. 4 EWS, die hier zur (tatbestandlichen) Begründung der Mängel sowie von deren Beseitigung herangezogen werden, eine zwingende Mängelbeseitigungspflicht der Grundstückseigentümer statuieren. Denn der Wortlaut des § 22 Abs. 1 EWS ist insoweit eindeutig: Auch wenn gegen eine (zwingende) „Verpflichtung“ der Satzung verstoßen wird, darf aufgrund der Verwendung des Wortes „kann“ eine Anordnung im Einzelfall nur nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens getroffen werden. Dafür, dass der Satzungsgeber im Fall des Zusammentreffens von einer satzungsmäßigen Verpflichtung und § 22 Abs. 1 EWS den Ermessensmaßstab – etwa in Richtung auf ein intendiertes Ermessen – verändern wollte, ist nichts ersichtlich.
Ist die Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie gemäß Art. 40 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Im Fall der Ermessensentscheidung prüft das Gericht nach § 114 Satz 1 VwGO auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Gemäß § 114 Satz 2 VwGO kann die Verwaltungsbehörde ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.
Vorliegend hat der Beklagte im angegriffenen Bescheid bezogen auf die getroffenen Anordnungen zur Mängelbeseitigung kein Ermessen ausgeübt. In den Bescheidsgründen finden sich keine entsprechenden Erwägungen. Öffentliche Interessen für die Mängelbeseitigungsanordnungen werden nicht thematisiert, geschweige denn gegen private Interessen, die entsprechenden Anordnungen entgegenstehen könnten, abgewogen.
Entgegen der Rechtsauffassung der Bevollmächtigten des Beklagten lässt die bloße Bezugnahme auf die Vorschrift des § 22 Abs. 1 EWS unter Ziffer II 1 der Gründe des Bescheids nicht den Schluss zu, dass der Beklagte erkannt hat, dass ihm ein Ermessen zusteht, und dieses ausgeübt hat. Der Verweis auf § 22 Abs. 1 EWS unter Ziffer II 1 der Bescheidsgründe ist lediglich als Bezeichnung der Rechtsgrundlage für die Mängelbeseitigungsanordnungen einschließlich der Wiedergabe des Wortlauts der Vorschrift, nicht aber als Ermessensausübung zu verstehen.
Auch die Ausführungen unter Ziffer I der Bescheidsgründe, dass die Mängel den ordnungsgemäßen Betrieb der Grundstücksentwässerungsanlage beeinträchtigten, stellen keine Ermessenserwägungen dar. Abgesehen davon, dass diese im Rahmen der Sachverhaltsdarstellung erfolgt sind, handelt es sich hierbei um eine Begründung, warum die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Mängelbeseitigung nach § 12 Abs. 4 EWS vorliegen. Denn nach dieser Vorschrift besteht eine Verpflichtung zur Mängelbeseitigung nur, wenn die festgestellten Mängel den ordnungsgemäßen Betrieb der Grundstücksentwässerungsanlage beeinträchtigen.
Der von den Bevollmächtigten des Beklagten mit Schriftsatz vom 30. März 2020 weiter ins Feld geführte Verweis auf das satzungsmäßige Einleitungsverbot nach §§ 14 f. EWS und die diesbezüglichen wasserwirtschaftlichen Gründe findet sich im Bescheid nicht.
Da eine Ermessensausübung insoweit vollständig fehlt, kann diese auch nicht im gerichtlichen Verfahren durch eine Ergänzung der Ermessenserwägungen nach § 114 Satz 2 VwGO geheilt werden.
b) Ziffer 2 des angefochtenen Bescheids war aufzuheben, da die dort verfügte Frist für die Beseitigung der unter Ziffer 1 genannten Mängel nach Aufhebung der Verpflichtung zur Mängelbeseitigung ins Leere geht und damit sinnlos geworden ist.
c) Die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids, die auf § 22 Abs. 2 EWS i.V.m. Art. 29 Abs. 2 Nr. 1, 31, 36 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) gestützt ist, ist rechtswidrig, da sie nicht hinreichend bestimmt ist.
Nach Art. 36 Abs. 3 Satz 1 VwZVG muss ein bestimmtes Zwangsmittel angedroht werden. Gemäß Art. 36 Abs. 5 VwZVG ist der Betrag des Zwangsgelds in bestimmter Höhe anzudrohen.
Die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 3 des angegriffenen Bescheids genügt diesen Bestimmtheitsanforderungen nicht.
Nach Ziffer 3 des Bescheids wird ein Zwangsgeld in Höhe von 6.500 EUR zur Zahlung fällig, wenn die Klagepartei „der Anordnung unter der Nummer 1“ nicht fristgerecht nachkommt.
In Ziffer 1 des Bescheids werden jedoch zwei Anordnungen zur Mängelbeseitigung getroffen, zum einen hinsichtlich der nicht frostsicheren Ausgestaltung des Niederschlagswasserkanals und zum anderen hinsichtlich des fehlenden Anschlusses der Entwässerungsrinne vor der Tiefgaragenabfahrt an den Schmutzwasserkanal.
Es ist aus der Zwangsgeldandrohung daher nicht klar, ob das Zwangsgeld in Höhe von 6.500 EUR nur anfällt, wenn beide Verpflichtungen aus Ziffer 1 nicht erfüllt werden, oder ob ein Zwangsgeld auch fällig wird, wenn nur einer der Verpflichtungen aus Ziffer 1 nicht nachgekommen wird. Falls Letzteres der Fall sein sollte, wäre überdies unbestimmt, wie hoch das Zwangsgeld für den Verstoß gegen (nur) eine Mängelbeseitigungsanordnung jeweils wäre.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung fußt auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben