Verwaltungsrecht

Verpflichtung zur Erneuerung der Dacheindeckung einer denkmalgeschützten Kapelle

Aktenzeichen  1 CS 17.843

Datum:
24.7.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
DSchG Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 3
BGB BGB § 133, § 157

 

Leitsatz

1 Die nach Art. 4 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 BayDSchG angeordneten Erhaltungsmaßnahmen müssen geeignet und erforderlich sein; sie sind auf das den Umständen nach Notwendige zu beschränken. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Eigentümer eines Baudenkmals ist auf Grund Art. 4 Abs. 1 BayDSchG auch ohne behördliche Anordnung verpflichtet, die zur Erhaltung des Baudenkmals erforderlichen Maßnahmen zu treffen. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
3 Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Kosten iSd Art. 4 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 BayDSchG sind die Kosten des in der Vergangenheit unterlassenen Bauunterhalts nicht zu berücksichtigen; dies gilt auch für Belastungen, die durch das ungehinderte Fortwirken von Schadensursachen verursacht wurden. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 1 S 16.5893 2017-03-21 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Unter Abänderung von Nummer I des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 21. März 2017 wird die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid des Landratsamts B. L. vom 25. Oktober 2016, soweit die Nummer 1.2 betroffen ist, wiederhergestellt.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
II. Unter Abänderung von Nummer II des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Münchens tragen die Antragstellerin die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu 5/12 und der Antragsgegner zu 7/12. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerin zu 5/6 und der Antragsgegner zu 1/6.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 18.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin den in der ersten Instanz erfolglosen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid des Landratsamts vom 25. Oktober 2016, soweit sie darin als Eigentümerin der denkmalgeschützten Kapelle verpflichtet wurde, Instandsetzungsarbeiten an der Dachkonstruktion darzulegen (Nummer 1.2) sowie die Dacheindeckung zu erneuern (Nummer 1.3). Die ursprüngliche Anordnung zur Instandsetzung der Dachkonstruktion hat das Landratsamt in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht aufgehoben.
Die zulässige Beschwerde ist teilweise begründet. Die von der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdegründe, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen die Abänderung der angegriffenen Entscheidung im tenorierten Umfang, weil sich die in Nummer 1.2 getroffene Anordnung zur Darlegung der Instandsetzungsarbeiten an der Dachkonstruktion nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung voraussichtlich als rechtswidrig erweist (1.). Dagegen ist die in Nummer 1.3 angeordnete Verpflichtung der Antragstellerin zur Erneuerung der Dacheindeckung voraussichtlich rechtmäßig (2.).
1. Mit der Aufhebung der Anordnung zur Instandsetzung der Dachkonstruktion ist die wesentliche Grundlage für die Darlegungsverpflichtung der Instandsetzungsarbeiten an der Dachkonstruktion entfallen mit der Folge, dass der Regelungsgehalt dieser Anordnung gegenstandslos geworden ist. Entgegen der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Auslegung ist eine Erstreckung auf künftig möglicherweise durchzuführende Instandsetzungsarbeiten an der Dachkonstruktion nach ihrem eindeutigen Wortlaut nicht möglich. Für die Beurteilung, welchen Regelungsgehalt ein behördlicher Akt hat, ist nach den Auslegungsgrundsätzen der §§ 133, 157 BGB zu erforschen, wie der Adressat den Verwaltungsakt unter Berücksichtigung der ihm bekannten oder erkennbaren Umständen bei objektiver Auslegung verstehen musste (vgl. BVerwG, U.v. 15.3.2017 – 10 C 1.16 – juris Rn. 14 mit Hinweis auf die ständige Rechtsprechung). Aus Sicht eines objektiven Empfängers steht die angeordnete Darlegungsverpflichtung in untrennbarem Zusammenhang mit der ursprünglich getroffenen Verpflichtung zur Instandsetzung der Dachkonstruktion. Das Landratsamt ist zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids davon ausgegangen, dass Schäden an der Dachkonstruktion vorhanden sind, die die Antragstellerin beheben und dokumentieren sollte. Dies war der Antragstellerin auch bekannt.
2. Dagegen hat das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen, dass die Antragstellerin zur Erneuerung der Dacheindeckung (Nummer 1.3 des Bescheids) nach Art. 4 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 DSchG in Anspruch genommen werden kann. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin liegen die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 DSchG vor. Nach dieser Vorschrift können Eigentümer verpflichtet werden, bestimmte Erhaltungsmaßnahmen im Sinn des Art. 4 Abs. 1 Satz 1 DSchG ganz oder zum Teil durchzuführen, soweit ihnen das insbesondere unter Berücksichtigung ihrer sonstigen Aufgaben und Verpflichtungen zumutbar ist. Die angeordneten Erhaltungsmaßnahmen müssen geeignet und erforderlich sein und dürfen daher nicht lediglich unzureichende Maßnahmen umfassen. Sie sind auf das umständehalber Notwendige zu beschränken (vgl. Spennemann in Eberl/Martin/Spennemann, Bayerisches Denkmalschutzgesetz, 7. Auflage, Art. 4 Rn. 70 m.w.N.).
2.1. Gemessen an diesen Maßstäben bestehen hinsichtlich der Geeignetheit und Erforderlichkeit der angeordneten Erneuerung der Dacheindeckung keine durchgreifenden Bedenken. Die Dacheindeckung ist schadhaft, zum Teil ist bereits Feuchtigkeit in das Baudenkmal eingedrungen. Die Erneuerung der Dacheindeckung ist daher geeignet und dringend erforderlich, um drohende Schäden am Baudenkmal durch weiteres Eindringen von Feuchtigkeit zu verhindern. Für darüber hinaus bereits bestehende Schäden an der Dachkonstruktion, die etwaige Instandsetzungsarbeiten erforderlich machen würden, liegen derzeit keine gesicherten Erkenntnisse vor. Vielmehr spricht die von der Antragstellerin eidesstattlich versicherte, punktuell vorgenommene Öffnung des Daches dafür, dass solche Schäden gerade noch nicht aufgetreten sind. Zum jetzigen Zeitpunkt wären daher vorsorglich an der Dachkonstruktion angeordnete Instandsetzungsarbeiten nicht erforderlich.
Sollte sich nach Abnahme der alten Dacheindeckung zeigen, dass doch Instandsetzungsarbeiten am Dachstuhl notwendig sind, hat das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt, dass mit der streitgegenständlichen Anordnung keine Verpflichtung der Antragstellerin besteht, neue Schindeln auf einen defekten Dachstuhl aufzubringen. Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, wonach sich bereits aus Art. 4 Abs. 1 DSchG die Verpflichtung des Eigentümers eines Baudenkmals ergibt, die zur Erhaltung des Baudenkmals erforderlichen Maßnahmen zu treffen und zwar auch ohne entsprechende behördliche Anordnung. In Anbetracht der gesetzlichen Erhaltungspflicht nach Art. 4 Abs. 1 DSchG geht auch der Einwand der Antragstellerin ins Leere, dass sich im Falle eines maroden Dachstuhls kein Handwerker fände, der hierauf neue Schindeln aufbringen würde.
2.2 Die Anordnung ist auch zumutbar. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass bei der Beurteilung der Zumutbarkeit Kosten des in der Vergangenheit unterlassenen Bauunterhalts nicht zu berücksichtigen sind (BayVGH, U.v. 18.10.2010 – 1 B 06.63 – BayVBl 2011, 303; B.v. 19.2.2008 – 14 ZB 07.3069 – juris Rn. 15; OVG NW, B.v. 22.8.2007 – 10 A 3453/06 – ZfBR 2007, 799). Dies gilt auch für Belastungen, die auf das ungehinderte Fortwirken von Schadensursachen zurückzuführen sind (BayVGH, B.v. 19.2.2008 a.a.O.; U.v. 3.8.2000 – 2 B 97.1119 – juris Rn. 27; HessVGH, U.v. 17.5.1990 – 4 TH 138/89 – juris Rn. 30). Insofern geht der Einwand der Antragstellerin fehl, dass der Zumutbarkeit der Anordnung die ungeklärte Höhe der Erhaltungsmaßnahmen entgegenstünde, sollte sich der Dachstuhl als reparaturbedürftig herausstellen.
2.3 Auch der Vortrag der Antragstellerin unter Hinweis auf das Urteil des Senats vom 27.9.2007 (Az. 1 B 00.2474), wonach die Antragsgegnerin im Rahmen der Zumutbarkeit die Bewilligung von Mitteln aus dem Entschädigungsfond nach Art. 4 Abs. 3 Satz 3 DSchG hätte prüfen müssen, überzeugt nicht. Die von der Antragstellerin zitierte Rechtsprechung ist bereits nicht einschlägig. Denn sie betrifft zunächst den Fall, dass eine Entscheidung über einen finanziellen Ausgleich in entsprechender Anwendung des Art. 4 Abs. 3 Satz 3 DSchG zusammen mit der Ablehnung eines Abrisserlaubnisantrags nach Art. 6 Abs. 2 DSchG erfolgen muss. Soweit eine entsprechende Anwendung auch für besonders gelagerte Einzelfälle gelten soll, trifft dies nur auf die Fälle zu, bei denen ein finanzieller Ausgleich erst zur Herbeiführung der Zumutbarkeit der Einschränkungen der Eigentümerbefugnisse führt. Das ist hier aus obigen Erwägungen nicht der Fall. Im Übrigen obliegt es der Antragstellerin, entsprechende Zuschüsse oder einen finanziellen Ausgleich zu beantragen. Der Bauunterhalt ist dem Eigentümer grundsätzlich ohne Ausgleichanspruch nach Art. 20 DSchG oder Zuwendungen nach Art. 22 DSchG zuzumuten, zumal er Steuererleichterungen in Anspruch nehmen kann (Spennemann in Eberl/Martin/Spennemann, a.a.O. Art. 4 Rn. 12 mit Hinweis auf BVerwG, U.v. 21.4.2009 – 4 C 3.08 – BVerwGE 133, 347, das die grundsätzliche Kostentragung durch den Eigentümer für verfassungsrechtlich zulässig hält).
2.4 Schließlich ist die Ermessenausübung nicht zu beanstanden. Ungeachtet der ergänzenden Ermessensausführungen des Antragsgegners hat das Landratsamt entgegen dem Vortrag der Antragstellerin seine Ermessenserwägungen nicht nur auf die Einsturzgefahr der Dachkonstruktion, sondern auch auf den schlechten Zustand der Dacheindeckung gestützt. Auch die Ausführungen, der Sofortvollzug diene der Verhinderung von weiteren Schäden und einer Verschlechterung des Zustandes des Kapellendaches durch Witterungseinflüsse, genügt den Anforderungen an die Begründungspflicht des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Der Anordnung des Sofortvollzugs steht auch nicht entgegen, dass das Landratsamt schon seit Jahren Kenntnis vom schlechten Zustand des Kapellendaches hatte. Denn es ist gerade nicht untätig geblieben, sondern hat zunächst versucht, mit der Antragstellerin einvernehmlich eine Lösung herbeizuführen. Aufgrund der erfolglos gebliebenen Gespräche und des damit verbundenen Zeitablaufs war ein Sofortvollzug der Anordnung zur Erhaltung des Denkmals erforderlich und geboten.
3. Der Einwand der Antragstellerin, dass die vor dem Verwaltungsgericht aufgehobene Nummer 1.1 des Bescheides weiterhin von der Fristsetzungsanordnung in Nummer 2 erfasst wird, ist unschädlich. Insofern ist der Regelungsgehalt gegenstandlos geworden und enthält auch keine Beschwer für die Antragstellerin. Soweit sich bei Abnahme der Dachschindeln Schäden an der Dachkonstruktion zeigen sollten, hat der Antragsgegner dem durch Einräumung neuer, großzügigerer Fristen Rechnung zu tragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO und entspricht den jeweiligen Obsiegens- und Unterliegensanteilen im tenorierten Umfang.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nummern 12.1 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (vgl. Beilage 2/2013 zu NwVZ Heft 23/2013) und orientiert sich an dem in der behördlichen Verfahrensakte befindlichen Angebot zur Erneuerung der Schindeleindeckung.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben