Verwaltungsrecht

Verpflichtung zur Teilnahme am Präsenzunterricht unter Erfüllung der Testobliegenheit

Aktenzeichen  7 CS 21.3151

Datum:
7.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
LSK – 2022, 181
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayEUG Art. 56 Abs. 4 S. 3, Art. 76 S. 2
14. BayIfSMV § 13 Abs. 2 S. 1, S. 3
15. BayIfSMV § 12 Abs. 2 S. 1, S. 3

 

Leitsatz

§ 13 Abs. 2 Satz 1 14. BayIfSMV führt in der ab dem 6. Oktober 2021 geltenden Fassung (jetzt § 12 Abs. 2 Satz 1 15. BayIfSMV) in Verbindung mit den einschlägigen schulrechtlichen Bestimmungen für die von der Zugangsbeschränkung betroffenen Schülerinnen und Schüler zu einer unbedingten Testpflicht. (Rn. 12)

Verfahrensgang

M 3 S 21.6407 2021-12-14 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde der Antragsteller bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Eilantrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO zu Recht abgelehnt. Die im Beschwerdeverfahren fristgerecht dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, die angefochtene Entscheidung abzuändern.
1. Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) ist als Verfahrensrüge bereits deshalb nicht durchgreifend, weil ein etwaiger Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs im erstinstanzlichen Verfahren jedenfalls dadurch geheilt wird, dass die Antragsteller ihre Einwände im Beschwerdeverfahren vorbringen konnten; denn der Verwaltungsgerichtshof prüft – innerhalb des durch § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO gezogenen Rahmens – den Rechtsfall im gleichen Umfang wie das Verwaltungsgericht. Daher können die Antragsteller mit ihren Einwänden gegen das Vorbringen des Antragsgegners auch im Beschwerdeverfahren noch gehört werden. Nehmen die Antragsteller die sich prozessual aufdrängende Gelegenheit, sich im Beschwerdeverfahren Gehör zu verschaffen, nicht vollumfänglich wahr, so können sie sich auf einen – unterstellten – Gehörsverstoß durch das Verwaltungsgericht nicht mehr berufen (vgl. BayVGH, B.v. 5.6.2009 – 11 CS 09.873 – juris Rn. 17 f. m.w.N.).
2. Ihre in der Gestalt der Gehörsrüge gegen die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung vorgetragenen Gründe sind nicht durchgreifend.
a) Zur Begründung der Beschwerde wird im Wesentlichen vorgetragen, das Verwaltungsgericht setze sich nicht „mit der zentralen Frage des Antrags gemäß § 80 Abs. 5 VwGO“ auseinander, sondern „referiert vollkommen am Rechtsschutzziel der Antragsteller“ vorbei. Den Antragstellern gehe es um die Frage, ob das Landratsamt ohne gesetzliche Regelung eine Testpflicht statuieren dürfe, und nicht um die abstrakte Frage, ob eine Regelung, die [schulpflichtige] Kinder zum Testen zwinge, zulässig sei. Daher hätten sie in ihrer Antrags- und Klagebegründung in erster Linie das Fehlen einer Rechtsgrundlage gerügt und sich dabei auf den Grundsatz der Gewaltenteilung, Art. 20 Abs. 3 GG, berufen. Nach aktueller Rechtslage bestehe lediglich eine Testobliegenheit, keine Testpflicht. Der Antragsgegner verfüge mit dem angefochtenen Bescheid eine Pflicht ihrer Kinder zum Testen, weil sie das Testen nicht vermeiden könnten, ohne dass ihre Eltern ein Zwangsgeld bezahlen bzw. Ersatzzwangshaft antreten müssten. Dies dürfe der Antragsgegner nicht ohne hinreichende Rechtsgrundlage lediglich durch Verwaltungsakt. Das Verwaltungsgericht setze sich nicht mit der Frage auseinander, „darf die Verwaltung Kinder ohne Rechtsgrundlage zum Testen zwingen?“. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe sich mit der Frage der Testpflicht bisher nicht befasst, auch nicht in der vom Verwaltungsgericht immer wieder zitierten Rechtsprechung. Dort sei es lediglich um die Frage der Zulässigkeit einer gesetzlichen Testobliegenheit gegangen. Das Verwaltungsgericht hätte der Frage nachgehen müssen, ob das Landratsamt zu einer „Erfüllung der Testobliegenheit verpflichten“ dürfe, obwohl sich aus dem Schulrecht (insbesondere „Art. 7 LStVG, Art. 76 S. 2, 119 BayEUG“) gerade keine Pflicht zum Testen ergebe. Darüber hinaus hätte das Verwaltungsgericht prüfen müssen, ob sich eine Testpflicht aus der 15. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (im Folgenden: BayIfSMV) ergebe und überhaupt ergeben könne. Hierzu hätten die Antragsteller vorgetragen, dass das aktuelle Infektionsschutzrecht lediglich eine deklaratorische Regelung zur Schulpflicht enthalte. Die Schulpflicht habe auch schon vor Neufassung der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung in unveränderter Form bestanden. Auch die 15. Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung enthalte keine Testpflicht. Dies sei der Verordnung auch völlig wesensfremd. Die Tests im Schulwesen seien lediglich Zugangsvoraussetzungen. Auch fehlten dem Beschluss zwingend notwendige Ausführungen zur Abgrenzung von Testobliegenheit und Testpflicht. Diese fehlende Differenzierung führe zu einer Gleichsetzung der beiden, die daran erkennbar sei, dass sich die materiellen Beschlussgründe im Kern fast ausschließlich auf Erwägungen zur Zulässigkeit einer Testobliegenheit stützten. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu der Frage, ob die Kinder der Antragsteller einen Anspruch auf Distanzunterricht oder andere Unterrichtsformen, wie zum Beispiel Hausunterricht hätten, gingen am Rechtsschutzziel der Antragsteller vorbei. Insoweit verkenne das Verwaltungsgericht, dass es vorliegend nicht um einen Anspruch der Kinder gehe. Es gehe den Antragstellern um das Recht ihrer Kinder, Eingriffe in ihren Körper jederzeit verweigern zu dürfen, solange keine gesetzliche Pflicht hierzu existiere. Insoweit hätte sich das Verwaltungsgericht intensiv mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gewaltenteilung bzw. dem Gesetzesvorbehalt auseinandersetzen müssen. Auch hätten die Kinder ihre „Präsenz“ in der Schule jederzeit angeboten und täten dies nach wie vor. Sowohl der Bescheid als auch der angegriffene Beschluss griffen einer vorliegend zwingend gebotenen Rechtsetzung durch den Gesetzgeber in verfassungswidriger Weise vor.
Das Vorbringen der Antragsteller überzeugt nicht. Ihm liegt eine unzutreffende Rechtsauffassung zugrunde.
aa) Sachlich unzutreffend ist die Rüge, das Verwaltungsgericht begründe vollkommen am Rechtsschutzziel der Antragsteller vorbei.
Der im Hauptsacheverfahren streitgegenständliche Verwaltungsakt des Landratsamts T* … vom 6. Dezember 2021, mit dem die Antragsteller – unter Androhung eines Zwangsgelds – verpflichtet werden, dafür Sorge zu tragen, dass ihre Kinder unter Erfüllung der „Testobliegenheit“ nach § 12 Abs. 2 15. BayIfSMV regelmäßig am Unterricht der Grund- und Mittelschule S. teilnehmen sowie die sonstigen verbindlichen Schulveranstaltungen besuchen, ist auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG gestützt. Dieser Anordnung liegt die Annahme des Antragsgegners zugrunde, die Antragsteller hätten sich ordnungswidrig i.S.v. Art. 119 Abs. 1 Nr. 2 BayEUG verhalten, indem sie entgegen Art. 76 Satz 2 BayEUG als Erziehungsberechtigte nicht dafür Sorge getragen hätten, dass ihre minderjährigen, unstreitig schulpflichtigen Kinder nach Ende der Herbstferien, also ab dem 8. November 2021, regelmäßig am Präsenzunterricht und an sonstigen Schulveranstaltungen in Präsenz teilgenommen hätten. Für Schülerinnen und Schüler, bei denen die Teilnahme an den nach § 12 Abs. 2 Satz 1 15. BayIfSMV vorgesehenen Tests durch sie selbst oder ihre Erziehungsberechtigten verweigert werde, sei die Möglichkeit, ihrer Schulpflicht durch eine Teilnahme am Distanzunterricht nachzukommen, nach der flächendeckenden Rückkehr zum Präsenzunterricht entfallen.
Im Rahmen des von den Antragstellern angestrengten Eilverfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Verwaltungsgericht bei der vorzunehmenden Interessenabwägung zutreffend auf die Erfolgsaussichten der mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2021 in der Hauptsache erhobenen Anfechtungsklage abgestellt und die formelle und materielle Rechtmäßigkeit des im Hauptsacheverfahren streitgegenständlichen Bescheids vom 6. Dezember 2021 geprüft. In diesem Zusammenhang ist das Verwaltungsgericht – entgegen der unzutreffenden Auffassung der Antragsteller – richtigerweise auch der Frage nachgegangen, ob sich die von den Antragstellern behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids materiell-rechtlich daraus ergeben kann, dass die Kinder der Antragsteller nicht zur Teilnahme am Präsenzunterricht verpflichtet waren, etwa weil sie vom Schulbesuch beurlaubt sind oder Distanzunterricht nach § 19 Abs. 4 BaySchO beanspruchen können. Da sich das diesbezügliche Vorbringen der Antragsteller darauf beschränkt, lediglich die Notwendigkeit der insoweit vorgenommenen Prüfung zu negieren, findet keine i.S.v. § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO substantiierte Auseinandersetzung mit der diesbezüglichen Begründung des Verwaltungsgerichts statt. Der Vortrag, das Verwaltungsgericht referiere vollkommen am Rechtsschutzziel der Antragsteller vorbei, kann daher nicht zu einer Änderung des angegriffenen Beschlusses führen.
bb) Dem Einwand, der Antragsgegner habe ohne Rechtsgrundlage allein durch den im Hauptsacheverfahren streitgegenständlichen Verwaltungsakt eine Testpflicht für ihre schulpflichtigen Kinder angeordnet, liegt eine unzutreffende Rechtsauffassung der Antragsteller zugrunde. Die Weigerung, der infektionsschutzrechtlich in § 12 Abs. 2 Satz 1 15. BayIfSMV angeordneten Zugangsvoraussetzung nachzukommen und deshalb nicht am Präsenzunterricht teilnehmen zu können, führt jedenfalls seit dem Inkrafttreten der Verordnung zur Änderung der 14. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 5. Oktober 2021 (im Folgenden: Änderungsverordnung, BayMBl Nr. 715) zu einer Verletzung der sich aus Art. 129 Abs. 1 BV und Art. 35 Abs. 1 BayEUG ergebenden Schulpflicht. Seit diesem Zeitpunkt besteht eine unbedingte Testpflicht für schulpflichtige Schülerinnen und Schüler.
(1) Nach § 12 Abs. 2 der 15. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 23. November 2021 (BayMBl Nr. 816) ist die Teilnahme am Präsenzunterricht, an sonstigen Schulveranstaltungen oder schulischen Ferienkursen in Präsenz sowie an der Mittags- und Notbetreuung für Schülerinnen und Schüler nur erlaubt, wenn sie dreimal wöchentlich einen Testnachweis nach § 4 Abs. 6 Nr. 1, 2 erbringen oder in der Schule unter Aufsicht einen über die Schule zur Verfügung gestellten und dort zu verwendenden Selbsttest mit negativem Ergebnis vorgenommen haben (Satz 1). Für Schülerinnen und Schüler der Grundschulstufe gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass an die Stelle dreier wöchentlicher Selbsttests nach Entscheidung des Staatsministeriums für Unterricht und Kultus zwei wöchentliche PCR-Pool Testungen treten können; in diesem Fall ist an jedem Montagmorgen ein zusätzlicher Testnachweis zu erbringen oder ein Selbsttest unter Aufsicht vorzunehmen (Satz 2). Die Schulpflicht bleibt unberührt (Satz 3).
Satz 3 der Regelung wurde mit § 1 Nr. 3 Buchst. a der Änderungsverordnung in § 13 Abs. 2 14. BayIfSMV vom 1. September 2021, der Vorgängerregelung von § 12 Abs. 2 15. BayIfSMV, eingefügt. Der Begründung der Änderungsverordnung (abgedruckt in BayMBl Nr. 716) ist hierzu zu entnehmen, dass durch die Ergänzung klargestellt werden sollte, dass die Schulpflicht von den Testerfordernissen nach § 13 Abs. 2 Satz 1 [14. BayIfSMV] unberührt bleibt. Testverweigernde Schülerinnen und Schüler hätten bislang die Schulpflicht durch Teilnahme am Distanzunterricht erfüllen können. Seither sei das umfangreiche Sicherheitsnetz zur Gewährleistung eines schulischen Regelbetriebs auf vielen Ebenen weiterentwickelt worden. Die sowohl in der Gesamtbevölkerung als auch unter Schülerinnen und Schülern, Eltern und Lehrkräften voranschreitende Impfkampagne, die Vorgaben des detaillierten Rahmenhygieneplans Schulen sowie insbesondere die Teststrategie hätten dazu beigetragen, dass Schülerinnen und Schüler an Bayerns Schulen wieder flächendeckend in den Präsenzunterricht zurückkehren könnten und auch kein verpflichtender Mindestabstand mehr einzuhalten sei. Vor diesem Hintergrund sei deklaratorisch festzuhalten, dass die Schulpflicht von dem Testerfordernis nach § 13 Abs. 2 Satz 1 [14. BayIfSMV] unberührt bleibe. Die Schulpflicht sei in erster Linie eine Pflicht zum Besuch des Präsenzunterrichts (vgl. Art. 56 Abs. 4 Satz 3 BayEUG). Schülerinnen und Schüler, die nicht geimpft bzw. genesen seien, sich nicht den erforderlichen Tests unterzögen und deshalb nicht am Unterricht teilnehmen könnten, verletzten daher grundsätzlich ihre Schulpflicht (vgl. Art. 56 Abs. 4 Satz 3 und Art. 119 Abs. 1 Nr. 4 BayEUG), Erziehungsberechtigte ihre Pflicht, auf den Unterrichtsbesuch ihrer Kinder hinzuwirken (vgl. Art. 76 Satz 2, Art. 119 Abs. 1 Nr. 2 BayEUG). Schülerinnen und Schüler, die die erforderlichen Testnachweise nicht erbrächten, seien nicht nach § 20 Abs. 1 Satz 1 BaySchO aus zwingenden Gründen verhindert, am Unterricht oder einer sonstigen verbindlichen Schulveranstaltung teilzunehmen und fehlten damit unentschuldigt.
(2) Die bis dahin in ständiger Rechtsprechung vom Verwaltungsgerichtshof vertretene Auffassung, die angeordnete Erbringung von Testnachweisen als Voraussetzung für die Teilnahme am Präsenzunterricht stelle eine Testobliegenheit dar (vgl. zuletzt u.a. B.v. 28.9.2021 – 25 NE 21.2420 – juris Rn. 22), hat sich jedenfalls durch den deklaratorischen Hinweis in § 13 Abs. 2 Satz 3 14. BayIfSMV (jetzt § 12 Abs. 2 Satz 3 15. BayIfSMV), die Schulpflicht bleibe unberührt, zu einer unbedingten Testpflicht für Schülerinnen und Schüler gewandelt (bereits als Testpflicht bezeichnet in BayVGH, B.v. 12.10.2021 – 25 NE 21.2471 – juris Rn. 29 ff.; B.v. 28.10.2021 – 25 NE 21.2596 – juris Rn. 29 ff.).
§ 13 Abs. 2 Satz 1 14. BayIfSMV führt in der ab dem 6. Oktober 2021 geltenden Fassung (jetzt § 12 Abs. 2 Satz 1 15. BayIfSMV) in Verbindung mit den einschlägigen schulrechtlichen Bestimmungen für die von der Zugangsbeschränkung betroffenen Schülerinnen und Schüler zu einer unbedingten Testpflicht. Denn nach den insoweit eindeutigen Vorgaben in Art. 36 Abs. 1 und Art. 56 Abs. 4 Satz 3 BayEUG wird die nach Art. 129 Abs. 1 BV und Art. 35 Abs. 1 BayEUG bestehende Schulpflicht in der Regel durch Besuch des Präsenzunterrichts erfüllt (vgl. insoweit auch § 19 Abs. 4 Satz 3 BaySchO, wonach Distanzunterricht schulrechtlich nur unter den dort genannten Voraussetzungen zulässig ist). Dem steht nicht entgegen, dass die Schulpflicht – worauf die Antragsteller zu Recht hingewiesen haben – während der Zeiten, in denen durch infektionsschutzrechtliche Bestimmungen Schulschließungen bzw. Wechselunterricht angeordnet waren, nicht entfallen war. Allerdings war die Präsenzpflicht im Unterricht für Schülerinnen und Schüler während der Schulschließungen infektionsschutzrechtlich aufgehoben bzw. während des Wechselunterrichts zeitweise ausgesetzt. Bereits seit Erlass der 14. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 1. September 2021 (BayMBl Nr. 615) sind Schulschließungen und damit Distanzunterricht bzw. Distanzlernen infektionsschutzrechtlich nicht mehr vorgesehen. Schule findet seit Beginn des Schuljahres 2021/2022 grundsätzlich in Präsenz statt. Durch Einfügung des deklaratorischen Hinweises in § 13 Abs. 2 Satz 3 14. BayIfSMV (jetzt § 12 Abs. 2 Satz 3 15. BayIfSMV) hat der Verordnungsgeber ab Inkrafttreten der Änderungsverordnung zum 6. Oktober 2021 (vgl. § 2 der Änderungsverordnung) klargestellt, dass die Schulpflicht nur noch durch Teilnahme am Präsenzunterricht erfüllt werden kann. Hierin liegt zugleich eine Abkehr von der nach Erlass der infektionsschutzrechtlichen Zugangsbeschränkung in § 13 Abs. 2 Satz 1 12. BayIfSMV vom 5. März 2021 (BayMBl Nr. 171) in der Fassung der Änderungsverordnung vom 9. April 2021 (BayMBl Nr. 261) eröffneten Möglichkeit, der fortbestehenden Schulpflicht bei Verweigerung der erforderlichen Testungen durch Teilnahme am Distanzunterricht nachkommen zu können (vgl. insoweit die Begründung zur 12. BayIfSMV, BayMBl Nr. 262). Damit haben Schülerinnen und Schüler jedenfalls seit dem 6. Oktober 2021 kein Wahlrecht mehr zwischen Distanz- und Präsenzunterricht. Die Testobliegenheit hat sich damit zur Testpflicht gewandelt.
Da zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids eine unbedingte Testpflicht für alle schulpflichtigen Schülerinnen und Schüler und damit auch für die Kinder der Antragsteller bestand, konnte die schulrechtlich verpflichtende Teilnahme am Präsenzunterricht im Falle der Nichterfüllung (auch wegen Verweigerung der verbindlichen Tests) mit den dafür vorgesehenen Maßnahmen durch Verwaltungsakt durchgesetzt werden. Dass es dem Willen des Verordnungsgebers entspricht, die Schulpflicht ab dem 6. Oktober 2021 auch gegenüber den Schülerinnen und Schülern durchzusetzen, die – wie die Kinder der Antragsteller – den infektionsschutzrechtlich auferlegten Tests nicht nachkommen und deshalb am Präsenzunterricht nicht teilnehmen können, ist auch der insofern weiterhin maßgeblichen Begründung zur Änderungsverordnung (BayMBl Nr. 716 S. 4) zu entnehmen.
Bei ihrer Argumentation, das Landratsamt habe eine Testpflicht durch Verwaltungsakt eingeführt, lassen die Antragsteller dieses Ineinandergreifen von Rechtsnormen aus unterschiedlichen Rechtsgebieten völlig unberücksichtigt (vgl. hierzu auch OVG NW, B.v. 8.12.2021 – 19 B 1664/21 – juris Rn. 7). Ihre Annahme, darin liege eine Verletzung des Grundsatzes der Gewaltenteilung, ist daher unzutreffend.
cc) Die Regelung in § 12 Abs. 2 Satz 1 15. BayIfSMV beruht auf § 28 Abs. 1, § 28a Abs. 1 Nr. 16 IfSG (Auflagen für die Fortführung des Schulbetriebs) und damit auf einer verfassungsmäßigen Rechtsgrundlage. Bei der gebotenen summarischen Prüfung bestehen keine durchgreifenden Bedenken, dass die vorgenannten Bestimmungen eine ausreichende Verordnungsermächtigung für den durch sie erfolgenden Grundrechtseingriff darstellen und sie insbesondere auch dem Wesentlichkeitsgrundsatz und dem Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG entsprechen (stRspr vgl. BayVGH, B.v. 12.10.2021 – 25 NE 21.2471 – juris Rn. 19 m.w.N.). Dass die Zugangsbeschränkung in § 12 Abs. 2 Satz 1 15. BayIfSMV durch Rechtsverordnung erlassen werden kann, haben die Antragsteller nicht substantiiert i.S.v. § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO in Frage gestellt. Die wesentliche Entscheidung, dass der Schulpflicht grundsätzlich durch Teilnahme am Präsenzunterricht nachzukommen ist, hat der bayerische Gesetzgeber in Art. 56 Abs. 4 Satz 3 BayEUG getroffen.
Ihr Einwand, es gehe ihnen um das Recht ihrer Kinder, Eingriffe in ihren Körper jederzeit verweigern zu dürfen, solange keine gesetzliche Pflicht hierzu existiere, so dass das Verwaltungsgericht hätte prüfen müssen, ob Kinder das Recht hätten, einen Test, zu dessen Durchführung sie gesetzlich nicht verpflichtet seien, ablehnen zu dürfen, geht ins Leere. Der Antragsgegner macht keine Testobliegenheit durch Verwaltungsakt zur Pflicht und verstößt daher auch nicht gegen den Grundsatz des Gesetzesvorbehalts. An der Verhältnismäßigkeit des infektionsschutzrechtlich verhängten Verbots, ohne einen hinreichenden Testnachweis oder eine in der Schule durchgeführte Selbsttestung am Präsenzunterricht, an schulischen Veranstaltungen in Präsenz oder an Mittags- und Notbetreuung teilzunehmen, bestehen nach summarischer Prüfung keine Zweifel. Das Verwaltungsgericht hat hierzu unter Verweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs im Beschluss vom 11. Oktober 2021 – 25 NE 21.2525 – (BeckRS 2021, 30069 Rn. 29 ff.) u.a. ausgeführt, die Angemessenheit der Regelung hänge nicht vom Angebot eines Distanzunterrichts ab. Auch hierzu verhalten sich die Antragsteller nicht in einer den Darlegungserfordernissen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise (vgl. hierzu Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 146 Rn. 22a ff.). Denn sie setzen sich mit den diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht substantiiert auseinander, sondern bezweifeln aufgrund ihrer unzutreffenden Rechtsauffassung, für eine Testpflicht gebe es keine gesetzliche Grundlage, lediglich, dass die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs auf den vorliegenden Fall übertragbar ist.
Ungeachtet dessen ist die nun bestehende Testpflicht nach summarischer Prüfung verhältnismäßig. Die Testpflicht ist eine geeignete, erforderliche und angemessene Maßnahme, um die mit dem Präsenzbetrieb in den Schulen einhergehenden Infektionsgefahren zu verringern. Der Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit der Schülerinnen und Schüler liegt im unteren Bereich der Eingriffsintensität. Die mit der Testpflicht einhergehende Beeinträchtigung der körperlichen Integrität ist nur von kurzer Dauer und von niedrigschwelliger Intensität (so auch BayVGH, B.v. 12.10.2021 – 25 NE 21.2471 – juris Rn. 45 ff. mit Verweis auf VerfGH, E.v. 21.4.2021 – Vf. 26-VII-21 – juris Rn. 27 f. zur Verhältnismäßigkeit bei angenommener Testpflicht). Insbesondere belastet eine Pflicht, sich wöchentlich mehrfach auf das Vorliegen einer Infektion testen zu lassen, Schülerinnen und Schüler weniger als der Wegfall von Präsenzunterricht (vgl. BVerfG, B.v. 19.11.2021 – 1 BvR 971/21 u.a. – juris Rn. 125).
b) Soweit die Antragsteller rügen, im angegriffenen Beschluss fehle jede Berücksichtigung der nach wie vor bestehenden pandemischen Lage, das Gericht hätte hierauf eingehen und die Gefahr im Rahmen der „Erforderlichkeitsprüfung“ angemessen würdigen müssen, bleibt bereits unklar, auf welche konkreten Ausführungen des Verwaltungsgerichts sich der diesbezügliche Vortrag bezieht. Sofern die Antragsteller hiermit die Erforderlichkeit von Distanzunterricht begründen wollen, ist auch diese Rüge nicht durchgreifend.
Wie bereits ausgeführt, wird die Schulpflicht in der Regel – und damit mangels vorliegender Ausnahmen auch für die Kinder der Antragsteller – durch Besuch des Präsenzunterrichts erfüllt (vgl. Art. 36 Abs. 1, Art. 56 Abs. 4 Satz 3 BayEUG). Soweit in der Vergangenheit aus infektionsschutzrechtlichen Gründen die Durchführung von Präsenzunterricht für Schülerinnen und Schüler vollständig oder teilweise untersagt und Distanz- und/oder Wechselunterricht vorgesehen war, beruhte dies auf ausdrücklichen gesetzlichen Regelungen in der jeweils geltenden Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung. Da in der zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids vom 6. Dezember 2021 geltenden 15. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung Regelungen zur Durchführung von Distanz- bzw. Wechselunterricht fehlen, flächendeckende Schulschließungen im Gegenteil durch den Bundesgesetzgeber nach § 28a Abs. 8 Satz 1 Nr. 5 IfSG (i.d. bis 11.12.2021 geltenden Fassung) i.V.m. § 33 Nr. 3 IfSG ausdrücklich ausgeschlossen waren, bleibt es bei der Regelung in Art. 56 Abs. 4 Satz 3 BayEUG, dass Schülerinnen und Schüler am Präsenzunterricht teilnehmen müssen. Weder das Landratsamt noch das Verwaltungsgericht oder der Verwaltungsgerichtshof sind befugt, ohne gegenteilige infektionsschutzrechtliche Bestimmung von den gesetzlichen Regelungen des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen abzuweichen und die Kinder der Antragsteller von der Pflicht zur Teilnahme am Präsenzunterricht zu befreien, nur weil diese die erforderlichen Tests verweigern.
c) Schließlich können die Antragsteller nicht durchdringen mit dem Einwand, ihre Kinder hätten „ihre Präsenz“ in der Schule jederzeit angeboten, täten dies auch nach wie vor, würden jedoch „an der Schultüre abgewiesen“. Dieses Dilemma müsse auf andere Weise gelöst werden, „als die Kinder nunmehr, wie es der Antragsgegner tut, mit Zwangsmaßnahmen in die Präsenz und damit notwendigerweise zum Testen zu zwingen“.
Die Antragsteller verkennen, dass sich die vom Antragsgegner angedrohte Zwangsmaßnahme gegen sie selbst richtet und nicht gegen ihre Kinder. Die Antragsteller sollen ihrer Pflicht aus Art. 76 Satz 2 BayEUG nachkommen, ihre minderjährigen schulpflichtigen Kinder zu einer regelmäßigen Teilnahme am verpflichtenden Präsenzunterricht anzuhalten. Dass ihre Kinder nach den Herbstferien nicht am Präsenzunterricht teilgenommen haben, obwohl die Schulpflicht ab diesem Zeitpunkt nur noch auf diese Weise erfüllt werden konnte, haben die Antragsteller mit ihrem Vortrag bestätigt.
d) Der mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2021 im Wesentlichen angeführte Einwand, die Antragsteller könnten „Willens- und Entschließungsfreiheiten von Dritten … nicht gegen deren erklärten Willen sicherstellen, ohne sich strafbar zu machen“, führt ebenso wenig zu einer anderen Einschätzung wie der Hinweis, man mache sich der Nötigung gemäß § 240 StGB schuldig, wenn man die Kinder zum Testen zwinge, und dies mache den Bescheid nach „§ 44 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG“ nichtig.
Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren lediglich summarischen Prüfung spricht viel dagegen, dass die nach Art. 76 Satz 2 BayEUG hierzu verpflichteten Antragsteller bislang alles getan haben, ihre minderjährigen schulpflichtigen Kinder zu einer regelmäßigen Teilnahme am verpflichtenden Präsenzunterricht unter Durchführung der vorgeschriebenen Tests anzuhalten. Im Beschwerdeverfahren wird nicht deutlich, ob die Antragsteller die angeblich eigenen Entscheidungen ihrer minderjährigen Kinder nur vollumfänglich akzeptieren, oder ob sie sie auch maßgeblich beeinflusst haben. Die Ausführungen der Antragsteller, sie sähen die vorgeschriebenen Testungen als einen unverhältnismäßigen Eingriff mindestens in das Recht ihrer Kinder auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) und ihren Kindern würden die Tests „aufgenötigt“, legen den Schluss nahe, dass die Antragsteller den ihnen – schulrechtlich – durch Art. 76 Satz 2 BayEUG auferlegten Pflichten bislang nicht (in ausreichendem Maße) nachgekommen sind. Da die Schule abwesende Kinder nicht – vor allem nicht gegen den Willen der Erziehungsberechtigten – überzeugen kann, liegt es an den Antragstellern als Erziehungsberechtigten, ihre Kinder von der Notwendigkeit und Angemessenheit der Testungen zu überzeugen und ihnen auch vor Augen zu führen, dass der durch Testungen begleitete Präsenzunterricht die bessere Alternative zu Schulschließungen und Distanzunterricht ist.
Da der im Hauptsacheverfahren streitgegenständliche Bescheid die Antragsteller nicht dazu verpflichtet, ihre Kinder zu den erforderlichen Testungen „zu nötigen“, geht das Argument der Antragsteller, der Bescheid sei nach Art. 44 Abs. 2 Nr. 5 BayVwVfG nichtig, ins Leere.
3. Nach alldem war die Beschwerde mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs 2013 (vgl. NVwZ-Beilage 2013, 57).
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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