Verwaltungsrecht

Versäumnis der Anmeldungsfrist zu einer Teilprüfung der juristischen Zwischenprüfung

Aktenzeichen  W 2 K 17.1518

Datum:
17.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 40108
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StPrO § 23, § 28
GG Art. 12 Abs. 1
BayVwVfG Art. 32
BayHSchG Art. 61 Abs. 2 S. 2

 

Leitsatz

1 Zur Frage, ob § 23 StPrO eine materielle Ausschlussfrist ist (hier offen gelassen). (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2 Wiedereinsetzung oder Nachfristgewährung bei Versäumung der Anmeldefrist für eine Prüfung kommt nicht in Betracht, wenn der Student es unterlässt, sich bei Zweifeln am Erfolg seiner Anmeldung bei der Universität zu vergewissern. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist insgesamt unbegründet.
1. Die Ablehnung der Nachmeldung zur Klausur im Grundlagenfach Rechtsgeschichte im Wintersemester 2016/2016 mit Bescheid vom 14. Februar 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, beim nächsten Prüfungstermin zur Teilnahme zugelassen zu werden (§ 113 Abs. 5 VwGO).
1.1 Die Ablehnung des Antrags auf „Gewährung einer Nachfrist“ zur Prüfungsanmeldung beruht auf § 23 StPrO, der in Absatz 1 vorsieht, dass die Studierenden sich für jede Teilprüfung der Zwischenprüfung und für jeden Prüfungstermin – auch für Wiederholungsteilprüfungen – beim Prüfungsamt gesondert melden müssen. Gemäß § 23 Abs. 2 StPrO werden die Termine für die Meldung zu den Teilprüfungen mit Beginn der Vorlesungszeit des Prüfungssemesters unter Angabe einer „Ausschlussfrist“ ortsüblich bekannt gemacht.
Diese satzungsrechtliche Regelung beruht auf Art. 61 Abs. 3 Nr. 5 des Bayerischen Hochschulgesetzes (BayHSchG) vom 23. Mai 2006 (GVBl S. 245, BayRS 2210-1-1-WK), zuletzt geänd. durch Gesetz vom 10. Juli 2018 (GVBl S. 533), der als Regelungsgegenstand für die universitären Prüfungsordnungen ausdrücklich die Fristen für die Meldung zu Prüfungen vorsieht. Damit findet die in § 23 Abs. 2 StPrO als „Ausschlussfrist“ bezeichnete Anmeldungsfrist auch im Hinblick auf die in § 28 StPrO angeordnete Konsequenz des Nichtbestehens bei nicht form- oder fristgerechter Anmeldung eine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage (vgl. dazu: Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht 7. Aufl. 2018, Rn. 30).
1.2 Am ordnungsgemäßen Erlass der streitgegenständlichen Satzung und der Wirksamkeit des gem. Art. 61 Abs. 2 Satz 2 BayHSchG notwendigen Einvernehmen des zuständigen Staatsministeriums wurden Bedenken weder vorgetragen, noch besteht seitens des Gerichts Anlass zu entsprechenden Zweifeln an der formellen Rechtmäßigkeit der Satzung.
1.3 Auch in materieller Hinsicht zweifelt das Gericht nicht an der Wirksamkeit der satzungsrechtlichen Fristenregelung. Dabei kann in der zu entscheidenden Streitsache offen bleiben, ob es sich bei der in § 23 Abs. 2 StPrO geregelten Meldefrist tatsächlich um eine materielle Ausschlussfrist handelt.
1.3.1 Zwar würde dies bedeuten, dass – mangels ausdrücklich normierter Ausnahmeregelung in der Studien- und Prüfungsordnung selbst – eine Nachmeldung zur Prüfung nach Fristablauf auch bei unverschuldeter Fristversäumnis nicht möglich wäre. Denn ein Rückgriff auf die allgemeine Regelung des Art. 32 BayVwVfG – mithin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand – wäre bei einer tatsächlichen Ausschlussfrist ausgeschlossen (vgl. BVerwG, U.v. 6.2.1986 – 3 C 42.85, BVerwGE 72, 368/371). Dies würde jedoch auch im Hinblick auf die Rechtsfolge des § 28 Satz 2 StPrO nicht zwangsläufig zu einem unverhältnismäßigen Eingriff in das Grundrecht auf Berufswahl in Art. 12 Abs. 1 GG führen. So werden materielle Ausschlussfristen – gerade auch im Interesse der Chancengleichheit für alle Prüflinge – im Prüfungsrecht grundsätzlich als zulässig anerkannt (vgl. zur JAPO statt vieler: BayVGH, U.v. 2.5.1979 – 118 III 77 – BayVGHE 32, 37 m.w.N.). § 28 Satz 2 StPrO sieht bei einer nicht frist- oder formgerechten Meldung zu einer Teilprüfung zwar vor, dass die Teilprüfung und damit die gesamte Zwischenprüfung als endgültig nicht bestanden gilt, wenn es sich dabei um den letzten Wiederholungsversuch handelt. Es wird in der Norm selbst auch tatsächlich nicht danach differenziert, ob das Versäumnis verschuldet ist, jedoch ist § 28 Satz 2 StPrO nicht isoliert, sondern im Regelungszusammenhang mit § 27 StPrO zu lesen, der in Satz 1 Halbsatz 2 die Gewährung einer Nachfrist zum Ablegen einer Wiederholungsprüfung vorsieht, wenn eine fristgerechte Ablegung der Wiederholungsprüfung dem Prüfungsteilnehmer oder der Prüfungsteilnehmerin unverschuldet nicht möglich war. Da auch die unverschuldete Versäumnis einer Meldefrist – im Fall einer materiellen Ausschlussfrist – dazu führt, dass eine Wiederholungsprüfung – absehbar – aus nicht zu vertretenden Gründen nicht innerhalb der Wiederholungsfrist des § 27 Satz 1 StPrO, d.h. zum nächsten Prüfungstermin, abgelegt werden kann, wäre in einer solchen Konstellation dem Prüfling im Verfahren des § 27 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 StPrO eine Nachfrist zu gewähren. Dies würde dazu führen, dass die Nichtbestehens-Fiktion gem. § 28 Satz 2 StPrO schon tatbestandlich nicht (mehr) greifen würde, weil es sich – aufgrund der zu gewährenden Nachfrist – bei der ursprünglich versäumten Prüfungsanmeldung nicht mehr um die Anmeldung zum „letzten Wiederholungsversuch“ i.S.v. 28 Satz 2 StPrO handeln würde. Eine unverschuldete Versäumnis der Anmeldefrist der Prüfung hätte also selbst bei Zugrundelegung einer materiellen Ausschlussfrist lediglich zur Folge, dass die Prüfungsteilnehmerin oder der Prüfungsteilnehmer die Prüfung nicht zum nächsten, sondern erst zu dem darauf folgenden Prüfungstermin ablegen könnte. Zwar ist auch dann im Hinblick auf das Interesse an einem zügigen Ausbildungsabschluss der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG eröffnet, jedoch dürfte die mit einer solchen Nachfristgewährung verbundene zeitliche Verzögerung von in der Regel einem Semester so überschaubar sein, dass die Eingriffsintensität nicht offensichtlich im Missverhältnis zum rechtfertigenden Interesse der Beklagten an einer ordnungsgemäßen und auf der Grundlage der fristgerecht eingegangenen Prüfungsanmeldungen planbaren Prüfungsdurchführung steht. Ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Grundrecht der Berufswahlfreiheit in Art. 12 Abs. 1 GG erscheint mithin fernliegend.
1.3.2 Letztendlich kann im konkreten Fall jedoch dahin stehen, ob es sich bei der Anmeldungsfrist des § 23 Abs. 2 StPrO tatsächlich um eine materielle Ausschlussfrist handelt. Denn in der Sache hat die Beklagte – im Einklang mit ihrer ständigen Verwaltungspraxis – die rechtlichen Voraussetzungen einer Widereinsetzung in den vorigen Stand gem. Art. 32 BayVwVfG tatsächlich geprüft und zu Recht verneint.
Auch ein Wertungswiderspruch zu § 10 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 StPrO besteht dabei nicht. § 10 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 StPrO eröffnet die Möglichkeit, die Bewertung einer Klausur als „ungenügend“ wegen Unterschleifs zu vermeiden, wenn glaubhaft gemacht wird, dass der Besitz der unerlaubten Hilfsmittel weder auf Vorsatz noch auf Fahrlässigkeit beruht. Einerseits ist die Situation des Unterschleifs weder organisatorisch noch im Hinblick auf das geschützte Rechtsgut der Chancengleichheit mit der Versäumnis einer Prüfungsanmeldungsfrist zu vergleichen. Andererseits ist der Maßstab der Glaubhaftmachung in § 10 StPrO nicht weniger zu beurteilen, als die Anforderungen an ein „unverschuldete Säumnis“ i.S.v. Art. 32 Abs. 1 BayVwVfG, § 23 i.m.V. § 27 StPrO bzw. 28 StPrO.
1.3.3 Mithin steht die satzungsrechtliche Fristenregelung in ihrer konkreten Anwendung durch die Beklagte jedenfalls im Einklang mit Art. 12 Abs. 1 GG, aus dem sich jedenfalls kein Anspruch auf Nachmeldung oder Nachfristgewährung für den Fall einer fahrlässigen Versäumnis der Anmeldungsfrist ableiten lässt. Denn eine geordnete und die Chancengleichheit aller Studenten gewährleistende Prüfungsorganisation wäre damit nicht zu gewährleisten. Es bedarf deshalb seitens der Beklagten auch nicht des Nachweises, dass eine einzelne Nachmeldung außerhalb der Anmeldungsfrist im konkreten Fall zu einem unzumutbaren personellen oder organisatorischem Aufwand führen würde. Da entsprechende Aussagen des mit der übergeordneten Organisation des Prüfungswesens nicht befassten Lehrpersonals dafür keine Relevanz haben, war den entsprechenden Angaben der Klägerin auch nicht weiter nachzugehen. Denn unabhängig vom jeweiligen Einzelfall ist im Lichte der Chancengleichheit der Prüflinge die Bindungswirkung zu beachten, die ein solches Vorgehen für ähnlich gelagerte Fälle hätte. Die damit einhergehende Signalwirkung für die Anmeldungsdisziplin der Prüflinge wiegt jedenfalls schwerer als der Prüfungsausschluss, den der betroffene Prüfling selbst fahrlässig herbeigeführt hat. Art. 12 Abs. 1 GG gebietet deshalb bei einer fahrlässigen Fristversäumnis auch keine Ermessensentscheidung über einen Nachmeldungsantrag.
1.4 Die Beklagte hat den Antrag auf Nachmeldung bzw. Nachfristgewährung zu Recht abgelehnt. Für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. Art. 32 BayVwVfG fehlt es bereits an einer „unverschuldeten Säumnis“ der Klägerin. Diese war nicht ohne Verschulden verhindert, sich fristgerecht bis zum 10. Dezember 2016 für die Prüfung im Grundlagenfach Rechtsgeschichte bei der Beklagten anzumelden.
Für die weiteren Einzelheiten wird gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf die zutreffenden Ausführungen des Widerspruchsbescheids vom 17. November 2017 (S. 4 Absätze 1 bis 3) Bezug genommen.
Lediglich ergänzend wird ausgeführt: Es können sowohl die näheren Umstände des wirtschaftlichen Totalschadens des Notebooks der Klägerin dahinstehen, als auch kann offenbleiben, ob bzw. wieweit die Klägerin es am 5. Dezember 2016 tatsächlich betrieben hat, sich zur Prüfung im Grundlagenfach Rechtsgeschichte anzumelden. Da das Protokoll des Zentralservers der Beklagten am 5. Dezember 2016 für den Account der Klägerin schon keine Bestätigung der den Prüfungsanmeldungen vorgelagerten Hinweisseite registriert hat, bestehen ernsthafte Zweifel daran, dass der von der Klägerin behauptete Anmeldeversuch überhaupt so weit fortgeschritten war, dass sie die Seite zur Anmeldung für das Fach Rechtsgeschichte aufgerufen hatte. Jedenfalls durfte sie sich – angesichts des unmittelbaren zeitlichen Zusammenhangs zum Totalschaden des Notebooks, der nach eigenem Vortrag 10 bis 15 Minuten später eintrat – nicht auf den Erfolg ihres behaupteten Anmeldeversuches verlassen. Es wäre ihr – auch unter Berücksichtigung des vorgetragenen grippalen Infektes – ohne weiteres möglich gewesen, sich noch innerhalb der Anmeldungsfrist bei der Beklagten nach dem Erfolg ihrer Anmeldung zu erkundigen bzw. sich tatsächlich anzumelden. Dies wäre ohne weiteres über ein anderes internetfähiges elektronisches Endgerät, telefonisch oder auch schriftlich möglich gewesen, so dass sie nicht auf das defekte Notebook angewiesen war. Es kommt mithin nicht darauf an, wann sie erfahren hat, dass eine Reparatur des Notebooks wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll ist. Es wurde weder substantiiert vorgetragen noch anhand von ärztlichen Attests nachgewiesen oder anhand der Aktenlage erkennbar, dass die Klägerin zu diesem Zeitpunkt so schwer erkrankt gewesen sein soll, dass es ihr auch unter Berücksichtigung des hohen Stellenwertes der Prüfungsanmeldung für ihr Studium nicht zumutbar gewesen sein soll, auf einem der beschriebenen Wege mit der Beklagten in Kontakt zu treten und die Prüfungsanmeldung sicherzustellen. War es ihr am 6. Dezember 2016 möglich, ihr Notebook zur Reparatur zu bringen, ist ohne weiteres auch davon auszugehen, dass sie in der Lage war, die (fehlgeschlagene) Prüfungsanmeldung durch Kontaktaufnahme mit der Beklagten sicher zu stellen. Dies hat sie jedenfalls fahrlässig versäumt, so dass die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in die Anmeldungsfrist schon tatbestandlich nicht vorliegen.
1.5 Da die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Nachmeldung zur Prüfung im Grundlagenfach Rechtsgeschichte zu Recht abgelehnt hat, hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Zulassung zu einer weiteren Prüfung im Grundlagenfach Rechtsgeschichte im Wege eines eventuellen Folgenbeseitigungsanspruches.
2. Auch der Bescheid vom 28. Februar 2017, mit dem die Beklagte das endgültige Nichtbestehen der Zwischenprüfung im Studienfach Rechtswissenschaft festgestellt hatte, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
2.1 Gemäß § 28 Satz 2 StPrO gilt die gesamte Zwischenprüfung als endgültig nicht bestanden, wenn es sich bei der versäumten Anmeldung um die letzte Widerholungsprüfung einer Teilprüfung zur Zwischenprüfung handelt. Vor dem Hintergrund, dass unverschuldete Versäumnisse bereits auf einem vorgelagerten Schritt der Wiedereinsetzung bzw. der Nachfristgewährung zu berücksichtigen sind, ist dieser Eingriff in das Grundrecht der Berufswahlfreiheit im Lichte der Chancengleichheit aller Prüflinge – wie bereits ausgeführt – auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
2.2 Form- oder Verfahrensfehler sind nicht ersichtlich.
2.3 Da die Klägerin sich nicht fristgerecht zum 2. Wiederholungsversuch im Grundlagenfach Rechtsgeschichte angemeldet hat und es sich dabei gemäß § 26 Satz 4 StPrO um ihren letzten Widerholungsversuch gehandelt hat, führt dies gemäß § 28 Satz 2 StPrO zum endgültigen Nichtbestehen der juristischen Zwischenprüfung. Mithin ist der Bescheid vom 28. Februar 2017 auch materiell rechtmäßig.
3. Die Klage war somit insgesamt mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben