Verwaltungsrecht

Versagung der Erteilung einer sprengstoffrechtlichen Erlaubnis

Aktenzeichen  24 ZB 19.2340

Datum:
15.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 14661
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SprengG § 8, § 8b Abs. 1 S. 1 Nr. 3

 

Leitsatz

1. Die im Fahrerlaubnisrecht entwickelten Grundsätze zur Frage der Eignung im Zusammenhang mit einer Alkoholproblematik können bei § 8 SprengG entsprechend herangezogen werden. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. In entsprechender Anwendung von Nr. 8.1 der Anlage 4 FeV fehlt es an der Eignung, wenn das Hantieren mit Sprengstoff und ein den Umgang mit Sprengstoff beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden kann. Die Schwelle, ab der Anhaltspunkte für einen solchen Alkoholkonsum bestehen, ist bei einem einmaligen Vorfall gegeben, wenn eine Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille erreicht ist (§ 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. c FeV in entsprechender Anwendung). (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
3. Nach Beendigung des Missbrauchs wird die Eignung erst dann wiedererlangt, wenn die Änderung des Trinkverhaltens gefestigt ist (Nr. 8.2 der Anlage 4 FeV in entsprechender Anwendung). (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 16 K 17.2726 2019-10-15 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger begehrt eine sprengstoffrechtliche Erlaubnis „zum Umgang und Verkehr mit 20 Kilogramm Böllerpulver“.
Das Verwaltungsgericht hat seine entsprechende Klage mit Urteil vom 15. Oktober 2019 abgewiesen. Die persönlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer sprengstoffrechtlichen Erlaubnis seien beim Kläger ersichtlich nicht gegeben. Der Kläger besitze nicht die erforderliche persönliche Eignung nach dem Sprengstoffgesetz.
Dagegen wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung. Er macht geltend, die Möglichkeit eines derzeitigen Alkoholmissbrauchs könne ausgeschlossen werden.
Der Beklagte ist dem Antrag entgegengetreten und verteidigt das angefochtene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und auf die vorgelegten Akten des Beklagten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Der vom Kläger – nicht ausdrücklich genannte, im Wege der Auslegung ermittelte – Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ist nicht hinreichend dargelegt (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, § 124a Abs. 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) bzw. liegt nicht vor. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils liegen vor, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt worden sind und dadurch Anlass besteht, an der (Ergebnis-)Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zu zweifeln. Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn der Rechtsmittelführer substanziiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (Kuhlmann in Wysk, 2. Aufl. 2016, § 124 Rn. 15 m.w.N.).
Die im Stil einer Berufungsbegründung abgefasste Zulassungsbegründung verfehlt weitgehend die Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, der eine Auseinandersetzung mit den entscheidungstragenden Darlegungen des angefochtenen Urteils verlangt. „Darlegen“ im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO bedeutet „erläutern“, „erklären“ oder „näher auf etwas eingehen“. Erforderlich ist deshalb unter ausdrücklicher oder jedenfalls konkludenter Bezugnahme auf einen Zulassungsgrund eine substanziierte Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung, durch die der Streitstoff durchdrungen und aufbereitet wird (BayVGH, B.v. 6.8.2019 – 20 ZB 18.2418 – juris Rn. 3; Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 59 und 63). Die bloße Wiederholung erstinstanzlichen Vorbringens ist nicht ausreichend (Kuhlmann in Wysk, VwGO, 2. Aufl. 2016, § 124a Rn. 48).
Das Verwaltungsgericht hat im angegriffenen Urteil dargelegt, warum es aufgrund des Ergebnisses des fachpsychologischen Gutachtens vom 25. Juli 2019 und auch aufgrund des persönlichen Eindrucks, den der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 4. April 2019 auf das Gericht gemacht hat, zu dem Ergebnis gekommen ist, der Kläger sei persönlich derzeit nicht geeignet, mit explosiven Stoffen umzugehen. Es hat zudem festgestellt, dass das Gutachten vom 25. Juli 2019 in sich widerspruchsfrei, schlüssig und nachvollziehbar ist (UA S. 7).
Die Zulassungsbegründung besteht zum weit überwiegenden Teil aus der Klagebegründung im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht (Schriftsatz vom 28. Dezember 2017). Neu hinzugekommen sind Ausführungen zu dem fachpsychologischen Gutachten vom 25. Juli 2019, auf das sich das Urteil vom 15. Oktober 2019 im Wesentlichen stützt. Es wird ausgeführt, das fachpsychologische Gutachten vom 25. Juli 2019 rechtfertige bei genauerer Betrachtung nicht die Annahme, die persönliche Eignung des Klägers gemäß § 8b Abs. 1 Nr. 2 SprengG liege nicht vor, da er abhängig von Alkohol sei. Was den Persönlichkeitstest betreffe, werde dem Kläger eine geringe Offenheit bescheinigt. Allein hieraus rechtfertige der Gutachter die Annahme, ein krankheitswertiges Alkoholproblem könne nicht ausgeschlossen werden, da der Kläger die Tendenz zur Verdeckung bzw. zur Verharmlosung habe. Demgegenüber würden seine aktuellen Trinkgewohnheiten uneingeschränkt mit den tatsächlich objektivierbaren Befunden des Gutachtens übereinstimmen. Tatsächlich sei entgegen dem Gutachten davon auszugehen, dass kein Alkoholmissbrauch vorliege.
Diesem Vorbringen ist zuzugeben, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass der Gutachter von Alkoholabhängigkeit ausgeht. Jedoch ergibt sich aus dem Gutachten auch in Ansehung der Ausführungen in der Zulassungsbegründung in hinreichender Deutlichkeit und Nachvollziehbarkeit, dass der Kläger nicht die erforderliche Eignung besitzt. Das ist nach dem Gesetzeswortlaut unter anderem dann der Fall, wenn aufgrund in der Person liegender Umstände mit explosionsgefährlichen Stoffen nicht vorsichtig oder sachgemäß umgegangen wird oder solche Stoffe nicht sorgfältig aufbewahrt werden können oder die konkrete Gefahr einer Fremd- oder Selbstgefährdung besteht (§ 8b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SprengG). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur der § 8 SprengG entsprechenden Vorschrift des § 6 WaffG können die im Fahrerlaubnisrecht entwickelten Grundsätze zur Frage der Eignung im Zusammenhang mit einer Alkoholproblematik entsprechend herangezogen werden (BayVGH, B.v. 15.8.2016 – 21 CS 16.1247). Der Kläger hat bei dem anlassgebenden Vorfall mit Sprengstoff hantiert, obwohl er wenig später eine Atemalkoholkonzentration von 0,82 mg/l aufwies, was einer Blutalkoholkonzentration von 1,64 Promille entspricht (vgl. Bl. 2 d. BA). In entsprechender Anwendung von Nr. 8.1 der Anlage 4 FeV fehlt es an der Eignung, wenn das Hantieren mit Sprengstoff und ein den Umgang mit Sprengstoff beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden kann. Die Schwelle, ab der Anhaltspunkte für einen solchen Alkoholkonsum bestehen, ist, da insoweit ein nur einmaliger Vorfall gegeben ist, bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille erreicht (§ 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV in entsprechender Anwendung). Der Kläger hat damit Alkoholmissbrauch in sprengstoffrechtlichem Sinn betrieben, sodass ihm die sprengstoffrechtliche Eignung fehlt. Nach Beendigung des Missbrauchs wird die Eignung erst dann wiedererlangt, wenn die Änderung des Trinkverhaltens gefestigt ist (Nr. 8.2 der Anlage 4 FeV in entsprechender Anwendung). Aus dem Gutachten vom 25. Juli 2019 ergibt sich jedoch keine stabile und nachhaltig gefestigte Verhaltensänderung des Klägers. Vielmehr geht der Gutachter nachvollziehbar davon aus, dass der Kläger seine jedenfalls in der Vergangenheit erheblichen Trinkmengen verharmlost und das Bestehen einer (früheren) Alkoholproblematik negiert, was aber Voraussetzung dafür wäre, dass er sich mit dieser auseinandergesetzt hat, was wiederum zwingende Voraussetzung für eine nachhaltige Änderung des Trinkverhaltens wäre. Konsequent verneint der Gutachter deshalb die aufgeworfene Frage, ob der Kläger derzeit persönlich geeignet sei, mit explosiven Stoffen umzugehen. Das Gutachten datiert vom 25. Juli 2019. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Eignung des Klägers ist, nachdem es sich im hier zu entscheidenden Fall um eine Verpflichtungsklage handelt, derjenige der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bzw. derjenige der Entscheidung über den Zulassungsantrag (Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, Rn. 97 m.w.N.). In der Zulassungsbegründung wird zwar angedeutet, der Kläger trinke derzeit Alkohol allenfalls in gesellschaftlich üblichem Maß. Nach dem Vorstehenden kann hieraus jedoch ebenfalls nichts für eine stabile Verhaltensänderung abgeleitet werden. Damit hat der Kläger keinen Anspruch auf die Erteilung einer sprengstoffrechtlichen Erlaubnis nach § 8 SprengG, sodass keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung bestehen können.
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 2 GKG, § 47 Abs. 1 u. 3 GKG und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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