Verwaltungsrecht

Versetzung in den Ruhestand

Aktenzeichen  3 ZB 19.716

Datum:
8.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 6670
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtStG § 26 Abs. 1
BayBG Art. 65, Art. 66
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2, § 124a Abs. 5 S. 4, § 154 Abs. 2
GKG § 47, §52 Abs. 6 S. 1 Nr. 1, S. 4

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 5 K 17.3644 2019-02-13 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 42.215,74 Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der am 21. August 1954 geborene Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage weiter, den Beklagten zu verpflichten, die mit Bescheid der Regierung von Oberbayern vom 4. Juli 2017 verfügte Versetzung in den Ruhestand ab 1. August 2017 aufzuheben. Bis zu diesem Tag stand der Kläger als Flussmeister (Beamter in BesGr. A 8) beim Landratsamt R. in Diensten des Beklagten.
Mit Urteil vom 13. Februar 2019 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Die Ruhestandsversetzung sei zum Zeitpunkt ihres Erlasses am 4. Juli 2017 formell und materiell rechtmäßig ergangen. Die Schwerbehindertenvertretung habe nicht beteiligt werden müssen, denn der Kläger habe seinen Dienstherrn nicht über seine Klage auf Erhöhung des Grades der Behinderung informiert. Die rückwirkende Erhöhung auf 50% sei erst am 4. September 2017 zuerkannt worden. Die Annahme dauernder Dienstunfähigkeit werde durch das plausible Gesundheitszeugnis (Dr. E., Medizinische Untersuchungsstelle der Regierung v. Oberbayern – MUS) vom 15. Mai 2017 gestützt. Es stelle sich als konsequente Fortschreibung der vorangegangenen Zeugnisse der MUS dar, die dem Kläger ebenfalls eine Erkrankung aus dem neurologisch-psychiatrischen Fachgebiet bzw. eine psychische Beeinträchtigung attestiert hätten. Die Gesamtbeurteilung werde durch das Gesundheitszeugnis des Landesversorgungsamtes vom 4. September 2017 gestützt, auch wenn dort als Ursache des Krankheitsbilds eine „narzisstisch gestörte Primärpersönlichkeit“ des Klägers genannt werde. Das von ihm beigebrachte privatärztliche Attest stamme lediglich von einem Allgemeinmediziner, setze sich nicht mit dem maßgeblichen Zeugnis vom 15. Mai 2017 auseinander und lege nicht die tatsächlichen und fachlichen Grundlagen seiner Einschätzung, der Kläger sei für geringwertige Tätigkeiten weiterhin dienstfähig, offen. Der positiven Selbstwahrnehmung des Klägers im Hinblick auf seine Dienstleistung liege ein Mangel an selbstkritischer Einschätzung und Einblick in die eigenen Leistungsgrenzen zugrunde.
Mit der Zulassungsbegründung werden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils geltend gemacht. Der Kläger sei nicht dauerhaft dienstunfähig im Sinn von § 26 Abs. 1 BeamtStG, Art. 66 Abs. 2 BayBG. Er habe bis zur Ruhestandsversetzung beanstandungsfrei seinen Dienst geleistet. Es fehle damit schon an der Tatbestandsvoraussetzung einer Erkrankung, die ihn binnen sechs Monaten mehr als drei Monate an der Dienstleistung gehindert hätte. Der negative Befund im neurologisch-psychiatrischen Bereich resultiere daraus, dass er sich beharrlich gegen schlechte Arbeitszustände und das hieraus resultierende Mobbing zur Wehr gesetzt habe. Auch für das Verwaltungsgericht habe keine offensichtliche Dienstunfähigkeit vorgelegen, sondern weiterer Aufklärungsbedarf bestanden, denn es habe die Amtsärztin Dr. E. als Zeugin für das Zustandekommen des Gesundheitszeugnisses vom 15. Mai 2017 geladen, ihre Anhörung dann aber unterlassen. Aus dem Schwerbehindertenstatus ergebe sich ein erhöhter Schutz gegen die Ruhestandsversetzung, auch wenn der Kläger diesen Umstand mangels Kenntnis der Notwendigkeit eigenen Tätigwerdens nicht der Regierung von Oberbayern gemeldet habe. Besondere Schwierigkeiten der Rechtssache ergäben sich aus der Notwendigkeit einer umfangreichen Beweisaufnahme durch Vernehmung weiterer Zeugen insbesondere zur Frage, inwieweit tatsächlich Mobbing im Dienstbetrieb eine Rolle gespielt habe.
Der auf die Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sowie der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Solche sind nur zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit dieser Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen können. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass nach den zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses (4. Juli 2017) der angefochtenen Ruhestandsversetzung vorliegenden Erkenntnissen von der dauernden Dienstunfähigkeit des Klägers gemäß § 26 Abs. 1 BeamtStG i.V.m. Art. 66 Abs. 2 BayBG auszugehen ist. Das Gesundheitszeugnis der MUS vom 15. Mai 2017 entspricht den Anforderungen (vgl. Anl. 6 der VV Beamtenrecht, Bek. des BayStMF v. 13.7.2007) und bezeichnet als wesentliche Diagnose „chronische Funktionsstörungen psychoorganischen Ursprungs“, die eine dauerhafte Dienstausübung unmöglich machten, weil u.a. die „Interaktions- und Gruppenfähigkeit“ und die „Fähigkeit zur Anpassung an Regeln und Routinen“ erheblich reduziert sei. Der Einsatz des Klägers im Publikums- und Telefonverkehr sei im Hinblick auf eingeschränkte Möglichkeiten, Stress und psychische Belastungen zu bewältigen, nicht mehr möglich; von Dienstaufgaben, welche die Benutzung eines Dienstfahrzeugs erforderten, werde abgeraten.
Das Vorbringen, der Kläger selbst halte sich für dienstfähig und habe seinen Dienst beanstandungsfrei versehen, vermag den vorliegenden Befund von Dr. E nicht in Zweifel zu ziehen, sondern ist vor dem Hintergrund der verminderten Fähigkeit des Klägers zu einer „selbstkritischen Einschätzung der und Einsicht in die eigenen Leistungsgrenzen“ (Gutachten v. 15.5.2017, 1.) zu sehen, worauf schon im angefochtenen Urteil hingewiesen wird. Die Annahme der dauerhaften Dienstunfähigkeit wird auch nicht mit der pauschalen Behauptung des Klägers in Zweifel gezogen, es lägen sich widersprechende ärztliche Gesundheitszeugnisse vor. Auf diesen Vorwurf geht bereits das angefochtene Urteil (UA S. 12, 13) detailliert ein, ohne dass sich das Zulassungsvorbringen damit im Einzelnen auseinandersetzt. Einer weiteren Begründung bedarf es daher hier nicht.
Die Richtigkeit des Urteils wird auch nicht durch den wiederholten Hinweis darauf erschüttert, der negative gesundheitliche Befund des Klägers beruhe nur auf seinem Widerstand „gegen schlechte Arbeitszustände und daraus resultierendes Mobbing“ mit dem Ziel, ihn aus dem Dienst zu entfernen. Zu Recht führt der Beklagte in diesem Zusammenhang an, dass Amtsärzte als Beamte ihre Pflichten unparteiisch und gerecht zu erfüllen haben, gerade bei der Erstellung von medizinischen Gutachten zu dienstrechtlichen Fragen (vgl. BVerwG, B.v. 15.9.1999 – 1 DB 40.98 – juris Rn. 10). Konkrete Anhaltspunkte für eine sachwidrige Behandlung des Klägers im Rahmen seiner Begutachtung durch Dr. E. sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Soweit der Kläger meint, er erfülle nicht die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG, weil er nicht „infolge Erkrankung innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst“ geleistet habe, ist dem entgegenzuhalten, dass im angefochtenen Urteil (UA S. 8, 9) diese Vorschrift (sowie Art. 65 Abs. 1 BayBG) zwar eingangs der Entscheidungsgründe referiert, hierauf aber die Entscheidung nicht gestützt wird. Diese Bestimmungen stellen keine Voraussetzungen für die Ruhestandsversetzung im Zwangspensionierungsverfahren auf, sondern ermöglichen eine erleichterte Annahme der Dienstunfähigkeit (vgl. Schreiben des Beklagten v.16.7.19, S. 3) in Fällen sich abwechselnder Zeiten von Diensterbringung und Erkrankungen des Beamten; dies lässt sich schon aus der Verwendung des Wortes „auch“ ableiten. Im vorliegenden Fall ist das Verwaltungsgericht ausschließlich auf der Grundlage des fachärztlichen Zeugnisses vom 15. Mai 2017 zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger dauerhaft dienstunfähig ist, ohne § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG, Art. 65 Abs. 1 BayBG heranzuziehen.
Ernstliche Zweifel ergeben sich schließlich auch nicht aus dem Umstand, dass das Verwaltungsgericht die mündliche Verhandlung am 13. Februar 2019 durchgeführt hat, obwohl die zunächst als sachverständige Zeugin geladene Dr. E. wegen einer Erkrankung von nicht absehbarer Dauer mit Schreiben vom 17. Januar 2019 abgeladen worden war. Zwar können ernstliche Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO grundsätzlich auch aus einer unzureichenden Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts resultieren (Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 124 Rn. 7b m.w.N.). Hier bestand jedoch keine Notwendigkeit, die Umstände und den Inhalt des Zeugnisses durch die Einvernahme der Erstellerin (Dr. E.) über die sich schon aus den Akten ergebenden Erkenntnisse hinaus weiter aufzuklären. Nichts anderes kann auch aus dem Umstand abgeleitet werden, dass das Verwaltungsgericht zwar zunächst das Erscheinen von Dr. E. als sachdienlich angesehen hat, andernfalls sie nicht mit Schreiben vom 18. Dezember 2018 zur mündlichen Verhandlung geladen worden wäre, von dieser Auffassung allerdings später wieder abgekommen ist. Allein aus der damit erkennbar gewordenen Änderung des gerichtlichen Ermessens im Hinblick auf die Sachverhaltsaufklärung ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils; hierzu wären zumindest konkrete Angaben des Klägers erforderlich gewesen, zu welchen entscheidungserheblichen Fragen die Zeugin weitere Aufklärung hätte geben müssen. In der mündlichen Verhandlung am 13. Februar 2019 hat die Klagepartei ausweislich des Protokolls die Einvernahme der Amtsärztin weder beantragt noch ihre Abladung anderweitig thematisiert. Im Übrigen hatte Dr. E. noch vor der mündlichen Verhandlung mit Schreiben vom 19. November 2018 (Bl. 89 d. VG-Akte) weitere Hinweise zum streitgegenständlichen Gesundheitszeugnis gegeben.
Soweit der Kläger auf seinen Schwerbehindertenstatus hinweist, aus dem sich „ein erhöhter Schutz gegen diese Ruhestandsversetzung“ ergeben hätte, „auch wenn er selbst mangels Kenntnis der Notwendigkeit eigenen Tätigwerdens diesen Umstand…nicht gemeldet“ habe, vermag dies nicht die Zulassung der Berufung zu begründen. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht (UA S. 11, 12 unter Benennung der maßgeblichen Entscheidung des BVerwG) ausgeführt, dass es Sache des Beamten ist, den Dienstherrn über einen Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderung bzw. auf Erhöhung des festgestellten Grades der Schwerbehinderung zu informieren, will er den damit einhergehenden erhöhten Schutz in Anspruch nehmen. Diese Information hat der Kläger unterlassen.
2. Die Rechtssache weist auch nicht die geltend gemachten besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), die die Zulassung der Berufung begründen könnten. Die behauptete überdurchschnittliche Schwierigkeit folgt nicht aus den bereits im Rahmen von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO vorgebrachten Argumenten des Klägers; insoweit kann auf die Ausführungen unter 1. verwiesen werden. Darüber hinausgehend besteht keine Veranlassung, „weitere Zeugen zu vernehmen“, um aufzuklären, ob „tatsächlich Mobbing im Dienstbetrieb“ eine Rolle gespielt habe.
3. Der Antrag auf Zulassung der Berufung war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1, Satz 4 GKG i.V.m. Nr. 10.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 und entspricht derjenigen des Verwaltungsgerichts. Die Voraussetzungen von § 52 Abs. 6 Satz 4 GKG sind hier nicht erfüllt, weil der Kläger sich nicht nur gegen den Zeitpunkt seiner Versetzung in den Ruhestand wendet, sondern die Ruhestandsversetzung umfassend angreift (vgl. a. BayVGH, B.v. 14.2.2018 – 3 ZB 16.1011 -; B.v. 8.2.2018 – 3 ZB 15.1992 – jew. juris).
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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