Verwaltungsrecht

Versetzung in den Ruhestand

Aktenzeichen  3 ZB 14.919

Datum:
11.4.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 45099
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBG BayBG Art. 64 Nr. 1, Art. 65 Abs. 3, Art. 71 Abs. 1 S.2

 

Leitsatz

Nach dem Beginn des Ruhestandes kann weder die Versetzung in den Ruhestand, noch der Grund, auf dem er beruht, nachträglich geändert werden. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

5 K 13.3662 2014-03-25 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III.
Der Streitwert wird für das erstinstanzliche Verfahren – unter Änderung des Streitwertbeschlusses des Verwaltungsgerichts – und für das Zulassungsverfahren auf jeweils 2.315,28 Euro festgesetzt.

Gründe

Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils) sowie des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (besondere rechtliche Schwierigkeiten) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, B. v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – juris) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (BVerwG, B. v. 10.3.2004 – 7 AV 4/03 – juris). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht hat die Anfechtungsklage gegen die Ruhestandsversetzung nach Art. 64 Nr. 1 BayBG sowie die Verpflichtungsklage, den Kläger anstatt dessen zum gleichen Zeitpunkt, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt, wegen Dienstunfähigkeit gemäß Art. 65 Abs. 3 BayBG in den Ruhestand zu versetzen, zu Recht abgewiesen.
a) Der Kläger rügt, das angefochtene Urteil verhalte sich nicht zu der Frage, wie eine Behörde zu verfahren habe, wenn zwei parallele Anträge mit unterschiedlichem Antragsbegehren bei ihr anhängig seien. Dieses hätte im Sinne von Art. 22 BayVwVfG ausgelegt bzw. ermittelt werden müssen. Der tatsächliche Wille sei in Zweifelsfällen von der Behörde nach Art. 25 BayVwVfG zu ergründen. Dies gelte im Beamtenrecht aufgrund der dem Dienstherrn gegenüber seinem Beamten obliegenden Fürsorgepflicht (§ 45 BeamtStG) in besonderem Maße. Der Kläger habe stets primär eine Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit angestrebt, über die auch seitens des Beklagten – gegebenenfalls ablehnend – hätte entschieden werden müssen. Selbst wenn man sich formal auf den Standpunkt stellte, der Kläger habe mit seinem weiteren Antragsformular vom 4. Juni 2012 tatsächlich unabhängig von der Frage der Dienstfähigkeit einen Antragsruhestand nach Art. 64 Nr. 1 BayBG begehrt, hätte darin jedenfalls keine Antragsrücknahme beziehungsweise kein Gegenstandsloswerden des ursprünglichen Ruhestandsversetzungsantrags wegen Dienstunfähigkeit vom 6. Dezember 2011 gesehen werden dürfen. Dass im Zweifel der spätere Antrag gelte, könne nur angenommen werden, wenn sich die Behörde vorher mit einer Rückfrage um Aufklärung bemüht habe; daran fehle es hier. Die vom Verwaltungsgericht herangezogene Vorschrift des Art. 71 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 BayBG sei vorliegend nicht einschlägig, da sie einen anderen Regelungsgegenstand habe, nämlich eine Einschränkung der behördlichen Rücknahme- und Widerrufsmöglichkeiten nach Art. 48, 49 BayVwVfG.
Damit kann der Kläger nicht durchdringen. Nach dem Beginn des Ruhestandes kann weder die Versetzung in den Ruhestand noch der Grund, auf dem sie beruht, durch Widerruf, Rücknahme oder Wiederaufgreifen des Verfahrens nachträglich geändert werden. Das gilt auch dann, wenn der Beamte die Zurruhesetzungsverfügung mit dem Ziel der Auswechselung des Grundes für den Ruhestand angefochten hat (vgl. BVerwG, U. v. 30.4.2014 – 2 C 65/11 – NVwZ-RR 2014, 653 Leitsatz).
Nach Art. 71 Abs. 1 Satz 2 BayBG kann die Versetzung in den Ruhestand – nur – bis zum Beginn des Ruhestandes zurückgenommen werden. Diese Bestimmung, die sich auch in den Beamtengesetzen anderer Länder und des Bundes findet, dient nicht nur dem Vertrauensschutz des in den Ruhestand versetzten Beamten, sondern auch dem allgemeinen Interesse der Rechtsbeständigkeit der Statusentscheidung und der Rechtsklarheit. Damit erweist sie sich als das Gegenstück der Ämterstabilität, die aus ähnlichen Gründen den Widerruf und die Rücknahme der Ernennung von den allgemeinen Vorschriften ausnimmt und an spezielle, im Beamtengesetz selbst geregelte Voraussetzungen knüpft.
Die Versetzung in den Ruhestand ist – wie die Ernennung des Beamten – ein statusverändernder Verwaltungsakt. Sie ist nach dem Ruhestandsbeginn nicht mehr korrigierbar; die abschließenden Regelungen des Beamtenrechts stehen einem Rückgriff auf die Vorschriften des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts über den Widerruf und die Rücknahme von Verwaltungsakten und ein Wiederaufgreifen des Verfahrens (Art. 48, 49, 51 VwVfG) entgegen. Das erfasst auch den Grund für die Zurruhesetzung. Eine Aufspaltung in die Zurruhesetzung „als solche“ einerseits und den Grund für die Zurruhesetzung andererseits ist nicht möglich. Dementsprechend muss der Grund für die Zurruhesetzung bei Erlass der Zurruhesetzungsverfügung feststehen; er darf nicht offen oder in der Schwebe bleiben.
Kommt die Versetzung in den Ruhestand aus mehreren gesetzlichen Gründen in Betracht, so ist eine nachträgliche Änderung des Inhalts der Verfügung dahingehend, dass die Zurruhesetzung auf einen anderen der gesetzlichen Gründe gestützt wird, nicht möglich. Das schließt gleichermaßen Änderungen zugunsten wie zulasten des Beamten aus. Anderenfalls wäre auch eine Änderung zulasten des Beamten etwa bei nachträglichem Wegfall der Schwerbehinderteneigenschaft möglich, z. B. bei einer Krebserkrankung nach Entfallen des Rezidivrisikos (vgl. zum Ganzen BVerwG, U. v. 30.4.2014 – 2 C 65/11 – NVwZ-RR 2014, 653/654 m. w. N.).
Somit sind inhaltliche Änderungen – auch bezüglich des Grundes der Zurruhesetzungsverfügung – ab Beginn des Ruhestandes ausgeschlossen. Der Beamte hat deshalb bei nicht festgestellter Dienstunfähigkeit vor dem von ihm ins Auge gefassten Ruhestandstermin nur die Wahl, entweder „pünktlich“ wegen Erreichens der Antragsaltersgrenze in den Ruhestand zu treten oder aber zunächst im aktiven Dienst zu bleiben und erst später nach erfolgter Feststellung der Dienstunfähigkeit deshalb – oder im Fall, dass eine Dienstunfähigkeit nicht festgestellt wird, wegen Erreichens der Antragsaltersgrenze – in den Ruhestand zu treten.
Dies hat auch der Kläger so verstanden. Seiner ex post bevorzugten Auslegung der Ruhestandsversetzungsanträge, er habe stets primär eine Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit und nur hilfsweise einen Antragsruhestand nach Art. 64 Nr. 1 BayBG angestrebt, kann nicht gefolgt werden. Entgegen der Auffassung des Klägers war der Beklagte nicht verpflichtet, beim Kläger zur Aufklärung seines wahren Willens zurückzufragen. Denn nach dem Telefonat, in dem der Sachbearbeiter des Beklagten dem Kläger erklärt hatte, das eingeholte Gesundheitszeugnis lasse eine Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit mangels dementsprechender amtsärztlicher Feststellungen nicht zu, konnte die Antragstellung nach Art. 64 Nr. 1 BayBG nur dahin verstanden werden, dass es dem Kläger darum ging, baldmöglichst in den Ruhestand zu treten. Wenn der Kläger damals eine vorrangige Entscheidung über seinen (gegenstandslos gewordenen) Antrag auf Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit hätte erreichen wollen, hätte er die Ruhestandsversetzungsurkunde nicht am 10. August 2012 entgegengenommen.
b) Der Kläger wendet des Weiteren ein, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass er sehr wohl die Feststellungen und das Ergebnis des amtsärztlichen Gesundheitszeugnisses der MUS vom 15. Mai 2012 substantiiert angegriffen und in Frage gestellt habe. Es gehe vorliegend nicht darum, mit privatfachärztlichen Gutachten des Dr. med. M. vom 2. September und 25. November 2013 ein Gesundheitszeugnis zur Bewertung der Dienstfähigkeit zu ersetzen, sondern darum darzulegen, dass das Gesundheitszeugnis vom 15. Mai 2012 in sich unschlüssig sei. Insoweit sei es zu keinem Verlust der Rügemöglichkeit gekommen, zumal das Gesundheitszeugnis dem Kläger nicht zugestellt, sondern erst im Rahmen der Akteneinsicht seines Bevollmächtigten am 7. November 2013 bei der MUS zur Kenntnis gelangt sei. Insbesondere auf Seite 4 f. des fachorthopädischen Gutachtens vom 25. November 2013 werde aufgezeigt, dass es aus orthopädischer Sicht nicht nachvollziehbar sei, wenn angenommen werde, der Kläger könne aufgrund der schweren Schäden im Gebiet des Stütz- und Bewegungsapparats zwar keinen Sport- oder Schwimmunterricht mehr erteilen, jedoch angeblich noch Werken und Technisches Zeichnen unterrichten, obschon derartige Tätigkeiten mindestens gleichschwere körperliche Belastungen erforderten.
Auf diesen Einwand kommt es nach dem unter a) Ausgeführten nicht mehr an. Er trifft auch in der Sache nicht zu, weil der behandelnde Arzt zwar zu einer anderen Beurteilung gelangt, eine Unschlüssigkeit des Gesundheitszeugnisses der MUS indes nicht aufzeigt.
2. Besondere rechtliche Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegen nach dem vorstehend Ausgeführten ebenfalls nicht vor.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 3 Satz 1, § 47, § 52 Abs. 1 GKG. Der Kläger begehrt eine „geänderte“ Statusentscheidung hinsichtlich seiner Versetzung in den Ruhestand (als Dienstunfähiger), die keine Verminderung des Ruhegehalts zur Folge hätte. Der Senat orientiert sich daher an den Empfehlungen zum sog. Teilstatus in Nr. 10.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit Fassung 2013 (2-facher Jahresbetrag der Differenz zwischen innegehabtem und erstrebtem Teilstatus). Danach ist der Streitwert auf 2.315,28 Euro (monatlicher Versorgungsabschlag von 96,47 Euro gemäß Festsetzung der Versorgungsbezüge vom 1. Oktober 2012 x 24) festzusetzen (vgl. VGH BW, B. v. 26.1.2010 – 4 S 1059/09 – juris Rn. 16).
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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