Verwaltungsrecht

Verspätete Begründung eines Antrags auf Zulassung der Berufung

Aktenzeichen  10 ZB 21.1235

Datum:
23.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 20862
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 57 Abs. 2, § 124a Abs. 4 S. 1, S. 4, § 173 S. 1
ZPO § 85 Abs. 2, § 222 Abs. 1, Abs. 2
BGB § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Bei der zweimonatigen Frist des § 124a Abs. 4 S. 4 VwGO handelt es sich um eine gesetzliche Frist iSv § 57 Abs. 2 VwGO iVm § 224 Abs. 2 ZPO, die nicht verlängerbar ist, da das Gesetz keine Verlängerung vorsieht. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Wahrung der prozessualen Fristen ist eine der wesentlichen Aufgaben eines Bevollmächtigten, der er seine besondere Sorgfalt widmen muss. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 4 K 20.2523 2021-03-23 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf EUR 5.000,– festgesetzt.

Gründe

1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung vom 23. April 2021 gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 23. März 2021 (M 4 K 20.2523) ist mangels fristgerechter Einreichung der Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung unzulässig.
a) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist gemäß § 124a Abs. 4 Satz 1 VwGO die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen und gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. So liegt der Fall hier. Das Verwaltungsgericht hat in dem streitbefangenen Urteil die Berufung nicht zugelassen.
Ausweislich des bei den Gerichtsakten befindlichen Empfangsbekenntnisses ist das mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung:versehene Urteil der Klägerin am 19. April 2021 gemäß § 56 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO zugestellt worden (vgl. VG München, Gerichtsakte, Bl. 154 u. Bl. 158). Die zweimonatige Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO für die Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung ist damit gemäß § 57 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit § 222 Abs. 1 und 2 ZPO sowie §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB mit Ablauf des 21. Juni 2021, einem Montag, verstrichen. Bis dahin ging bei dem Verwaltungsgerichtshof keine Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung ein. Eine solche hat die Klägerseite lediglich in dem Antrag vom 23. April 2021 angekündigt (vgl. Senatsakte, Bl. 2 Rückseite).
b) An der festgestellten Verfristung ändert auch der Umstand nichts, dass der Bevollmächtigte der Klägerin mit Telefax vom 21. Juni 2020 um 16:00 Uhr beantragt hat, die Begründungsfrist bis zum 5. Juli 2021 zu verlängern. Das Telefax enthielt keinen Eilt-sehr-bitte-sofort-vorlegen-Vermerk, und es ist nicht dokumentiert, dass der Bevollmächtigte versucht hätte, eine sofortige Vorlage telefonisch zu erreichen. Das Telefax wurde dem Senat erst nach Ablauf der Frist am 22. Juni 2021 vorgelegt. Bei der zweimonatigen Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO handelt es sich um eine gesetzliche Frist im Sinne von § 57 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit § 224 Abs. 2 ZPO, die nicht verlängerbar ist, da das Gesetz keine Verlängerung vorsieht (vgl. BayVGH, B.v. 22.5.2012 – 10 ZB 11.2431 – juris Rn. 1; vgl. stellvertretend für das Schrifttum: Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 38 m.w.N.).
Die Begründungsfrist ging auch ohne Weiteres aus der, wie bereits erörtert, ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrungin dem Urteil des Verwaltungsgerichts hervor. Einer Belehrung darüber, dass eine Begründungfrist nicht verlängert werden kann, bedarf es nicht (vgl. BayVGH, B.v. 25.3.2004 – 12 CS 04.554 – juris Rn. 6).
c) Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt nicht in Betracht, weil die Klägerseite die Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht unverschuldet versäumt hat.
aa) Die Wahrung der prozessualen Fristen ist eine der wesentlichen Aufgaben eines Bevollmächtigten, der er seine besondere Sorgfalt widmen muss. Dazu gehört die Kenntnis der insoweit einschlägigen Rechtsprechung, insbesondere wenn sie in einschlägigen Kommentierungen nachgewiesen ist (s.o.). Die Rechtsunkenntnis, dass es unmöglich ist, die gesetzliche Begründungsfrist zu verlängern, kann die Fristversäumnis daher nicht entschuldigen. Das Verschulden des Bevollmächtigten muss sich die Klägerin wie eigenes Verschulden nach § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen (vgl. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 60 Rn. 12 u. Rn. 20). Die Klägerseite hat auch im Übrigen nicht alles dafür getan, ihre Rechtsunkenntnis innerhalb der Frist zu beheben (s.o.).
bb) Abgesehen davon würde der für den Fristverlängerungsantrag angegebene Grund gemessen an den Darlegungs- und Glaubhaftmachungsanforderungen des § 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen. Die angeführte „Arbeitsüberlastung nach urlaubsbedingter Abwesenheit des Unterzeichners und alleinigen Sachbearbeiters“ ist pauschal, unsubstantiiert und trägt in der Sache nicht. Arbeitsüberlastung ist regelmäßig kein Wiedereinsetzungsgrund. Wie bereits erörtert, ist die Wahrung der prozessualen Fristen eine der wesentlichen Aufgaben eines Bevollmächtigten, der er seine besondere Sorgfalt widmen muss. Soweit ihm dies nicht möglich ist, muss er die Übernahme des Mandats ablehnen oder es an einen vertretungsbereiten Rechtsanwalt weiterleiten. Zum Ausschluss des Verschuldens wegen Arbeitsbelastung des Prozessbevollmächtigten bedarf es deshalb stets des Hinzutretens besonderer Umstände, die ebenfalls dazulegen und glaubhaft zu machen sind. Hierzu gehört der Vortrag, dass der Bevollmächtigte alles seinerseits Mögliche getan hat, um die Fristversäumung trotz Arbeitsüberlastung zu vermeiden (vgl. BVerwG, B.v. 12.1.2015 – 4 BN 18.14 – juris Rn. 10 m.w.N.; BayVGH, B.v. 22.3.2018 – 8 ZB 17.2498 – juris Rn. 6 m.w.N.). Dies ist im vorliegenden Fall nicht geschehen (s.o.).
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 GKG sowie § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 8.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
4. Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar. Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nach § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO rechtskräftig.


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