Verwaltungsrecht

Verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle einer dienstlichen Beurteilung

Aktenzeichen  M 5 K 15.5307

Datum:
17.10.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 153661
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayLlbG Art. 54

 

Leitsatz

1 Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle kann nicht dazu führen, dass das Gericht die fachliche oder persönliche Beurteilung des Beamten durch den Dienstherrn in vollem Umfang nachvollzieht oder diese gar durch eine eigene Beurteilung ersetzt. (Rn. 14 – 15) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die bis Ende 2014 geltenden Richtlinien für die dienstliche Beurteilung und die Leistungsfeststellung der staatlichen Lehrkräfte an Schulen in Bayern forderten nicht die Einholung eines Beurteilungsbeitrags für die Zeit einer Abordnung. (Rn. 24 – 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufhebung ihrer periodischen Beurteilung vom … Juli 2015 für den Beurteilungszeitraum vom … Januar 2011 bis … Dezember 2014 und Erstellung einer neuen periodischen Beurteilung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Denn die angefochtene Beurteilung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO analog, da eine dienstliche Beurteilung keinen Verwaltungsakt darstellt).
1. Dienstliche Beurteilungen sind ihrem Wesen nach persönlichkeitsbedingte Werturteile, die verwaltungsgerichtlich nur beschränkt überprüfbar sind (BVerwG, U.v. 13.5.1965 – 2 C 146.62 – BVerwGE 21, 127/129; U.v. 26.6.1980 – 2 C 8/78 – BVerwGE 60, 245 ständige Rechtsprechung).
Nach dem erkennbaren Sinn der Regelung über die dienstliche Beurteilung soll nur der Dienstherr oder der für ihn handelnde Beurteiler ein persönliches Werturteil darüber abgeben, ob und inwiefern der Beamte den vom Dienstherrn zu bestimmenden, zahlreichen fachlichen und persönlichen Anforderungen des konkreten Amtes entspricht. Bei einem derartigen, dem Dienstherrn vorbehaltenen Akt wertender Erkenntnis steht diesem eine der gesetzlichen Regelung immanente Beurteilungsermächtigung zu. Demgegenüber hat sich die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle darauf zu beschränken, ob der Beurteiler den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat, oder ob er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Soweit der Dienstherr Richtlinien für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen erlassen hat, ist vom Gericht auch zu prüfen, ob die Richtlinien eingehalten sind und ob sie mit den gesetzlichen Regelungen über die dienstliche Beurteilung und auch sonst mit gesetzlichen Vorschriften in Einklang stehen (BVerwG, U.v. 11.1.1999 – 2 A 6/98 – ZBR 2000, 269).
Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle kann dagegen nicht dazu führen, dass das Gericht die fachliche oder persönliche Beurteilung des Beamten durch den Dienstherrn in vollem Umfang nachvollzieht oder diese gar durch eine eigene Beurteilung ersetzt (BVerwG, U.v. 26.6.1980, a.a.O.).
2. Maßgebend ist, welches Beurteilungssystem und welche Regelungen zum Beurteilungsstichtag (hier: 31.12.2014) gegolten haben (vgl. BVerwG, U.v. 2.3.2000 – 2 C 7/99 – NVwZ-RR 2000, 621 unter Hinweis auf BVerwG, B.v. 14.2.1990 – 1 WB 181/88 – BVerwGE 86, 240).
Zugrunde zu legen sind hier daher Art. 54 ff. des Gesetzes über die Leistungslaufbahn und die Fachlaufbahnen der bayerischen Beamten und Beamtinnen (Leistungslaufbahngesetz – LlbG), die Verwaltungsvorschriften zum Beamtenrecht (Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen v. 18.11.2010 – VV-BeamtR, FMBl. S. 264, Abschnitt 3: Dienstliche Beurteilung – allgemeine Beurteilungsrichtlinien) sowie die Richtlinien für die dienstliche Beurteilung und die Leistungsfeststellung der staatlichen Lehrkräfte an Schulen in Bayern (Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 7. September 2011 [KWMBl S. 306] – nachfolgend nur: Richtlinien).
3. Gemessen an diesen Grundsätzen ist die angefochtene dienstliche Beurteilung vom … Juli 2015 rechtlich nicht zu beanstanden.
a) Der Zeuge R. – an dessen Glaubwürdigkeit das Gericht keinen Anlass zu Zweifeln sieht – hat in der mündlichen Verhandlung das formale Vorgehen wie auch die maßgeblichen Erwägungen für die Bewertung der Klägerin im Vergleich mit den Lehrern derselben Besoldungsgruppe (A 13) dargestellt. Danach ist gegen die Beurteilung rechtlich nichts einzuwenden.
aa) Zunächst war es nach der Genehmigung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom … Februar 2012 rechtmäßig, die Klägerin – antragsgemäß – erst zum 31. Dezember 2014 periodisch zu beurteilen, anstatt zum Ablauf eines Jahres nach ihrer Rückkehr aus der Beurlaubung am … September 2011 (Nr. 4.2.1 c) der Richtlinien).
bb) Die Zwischenbeurteilung der Staatlichen Realschule E. vom … August 2011 musste der Zeuge R. nicht miteinbeziehen.
Nr. 4.1.1 der Richtlinien gibt zwar vor, dass der Beurteilende der dienstlichen Beurteilung Tatsachen aus dem gesamten Beurteilungszeitraum zugrunde zu legen hat. Nach Nr. 4.3 der Richtlinien soll eine Zwischenbeurteilung sicherstellen, dass die während eines nicht unerheblichen Zeitraums gezeigte Leistung, Eignung und Befähigung der Lehrkraft bei der nächsten periodischen Beurteilung berücksichtigt werden kann.
Die Zwischenbeurteilung umfasste jedoch den Zeitraum vom … August 2006 bis … Juli 2011, also einerseits bis zum … Dezember 2010 einen Zeitraum, der vor dem Beurteilungszeitraum der streitgegenständlichen periodischen Beurteilung lag. Und andererseits war die Klägerin im übrigen Zeitraum vom … Januar 2011 bis … Juli 2011 immer noch beurlaubt, so dass sie gar keine Tätigkeiten an einer Realschule ausübte, anhand derer ihre Leistung, Eignung und Befähigung hätten beurteilt werden können.
cc) Ebenso war es rechtlich nicht erforderlich, einen Beurteilungsbeitrag der Ludwig-Maximilians-Universität M… für den Zeitraum vom … Januar 2011 bis … August 2011 einzuholen.
Solches fordern zwar im Sinne nicht nur einer Klarstellung, sondern einer echten Neuregelung nunmehr ausdrücklich die seit dem … Januar 2015 geltenden Richtlinien für die dienstliche Beurteilung und die Leistungsfeststellung der staatlichen Lehrkräfte sowie der Schulleiterinnen und Schulleiter an Schulen in Bayern (Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst vom … Juli 2015 [KWMBl S. 121]; Abschnitt C. Nr. 4), nicht aber die bis zum … Dezember 2014 geltenden und damit hier maßgeblichen Richtlinien. Denn während der Beurlaubung ruht die beamtenrechtliche Dienstpflicht grundsätzlich. Entsprechend hat der Dienstherr diesen Zeitraum ohne ausdrückliche Regelung in den Beurteilungsrichtlinien auch nicht zu berücksichtigen. Die Beurlaubung und deren zeitliche Dauer während des Beurteilungszeitraums sind in der streitgegenständlichen dienstlichen Beurteilung angegeben.
b) Die Angaben des Zeugen plausibilisieren das für die Beurteilung der Klägerin ermittelte Gesamtergebnis „Leistung, die Mängel aufweist – MA“.
Dieses Gesamtergebnis ist nach Nr. 2.3.2.2 der Richtlinien einer Lehrkraft zu erteilen, die nach Leistung, Eignung und Befähigung die Anforderungen nicht voll erfüllt, die normaler- und billigerweise an Beamtinnen und Beamte ihrer Besoldungsgruppe gestellt werden. Es handelt sich also um eine Lehrkraft, die sich bemüht, den ihr gestellten fachlichen und pädagogischen Aufgaben gerecht zu werden, deren Leistungen und Kenntnisse aber Mängel aufweisen, die durch Vorzüge auf anderen Gebieten nicht mehr ausgeglichen werden können, und deren Einsatzmöglichkeiten deshalb Beschränkungen unterworfen sind.
Bereits die in der Beurteilung vom … Juli 2015 enthaltene Begründung des Gesamtergebnisses trägt dessen Vergabe. Es lässt sich aus dieser in sich schlüssig und widerspruchsfrei nachvollziehen.
Anhand der weiteren Erläuterungen des Zeugen R. in der mündlichen Verhandlung ist das Gericht davon überzeugt, dass dieser die fachliche Leistung sowie Eignung und Befähigung der Klägerin nach Maßgabe der Richtlinien zutreffend beurteilt hat.
Zunächst hat das Gericht den Eindruck gewonnen, dass der Zeuge R. die Beurteilung der Klägerin mit einem nach den Richtlinien zweitschlechtesten Gesamtergebnis sehr sorgfältig erstellt hat, schon weil das Gesamtergebnis „MA“ nach Aussage des Zeugen sehr selten vorgekommen sei. Er hat seine Beurteilung entsprechend den Nrn. 4.1.1 und 4.1.2 der Richtlinien vor allem auf Unterrichtsbesuche gestützt, die er in allen Fächern, in denen die Klägerin unterrichtete, vorgenommen hatte, verteilt auf verschiedene Jahrgangsstufen. Die Ergebnisse wurden mit der Klägerin besprochen. Der Zeuge R. hatte hierzu – neben seiner umfangreichen Stellungnahme vom … September 2016 – auch eine umfangreiche Dokumentation erstellt, wie in der mündlichen Verhandlung ersichtlich wurde. Der Zeuge hat auch überzeugend dargelegt, dass er die Klägerin kontinuierlich über von ihm identifizierte Mängel unterrichtete und Möglichkeiten zur Abhilfe aufgezeigt hat (Nr. 1.3.2 der Richtlinien).
Dem Gericht ist es – wie oben dargelegt – verwehrt, die fachliche und persönliche Beurteilung der Klägerin durch den Zeugen R. in vollem Umfang nachzuvollziehen. Dennoch sei exemplarisch darauf hingewiesen, dass der Zeuge R. plastisch und überzeugend darlegte, wie er sich eine sichere Tatsachengrundlage geschaffen hatte zur Feststellung, dass die Klägerin in einer bestimmten Klasse im Fach Geschichte den Lehrplan erheblich nicht eingehalten hatte. Daneben ist es ohne weiteres nachvollziehbar, dass bei einer Ersatzprüfung durch die Klägerin im Fach Erdkunde der Leistungserhebungszweck kaum mehr erreicht werden konnte, weil sechs der neun Aufgaben mit einer vorher in derselben Klasse gehaltenen Stegreifaufgabe identisch waren.
Schließlich bestätigt im Grunde die Klägerin selbst, dass sie in Ihren Einsatzmöglichkeiten Beschränkungen unterworfen war, wenn sie darstellt, dass es in der von ihr geführten 10. Klasse im Fach Deutsch im Schuljahr 2011/2012 zu Disziplinproblemen gekommen sei, so dass ihr ein Unterricht nicht mehr möglich gewesen sei. Sie sei daher mit der Entpflichtung von der Klassenleitung und dem Unterricht in der 10. Klasse nach dem ersten Schulhalbjahr einverstanden gewesen. Von einer zuvor auch langjährig im Unterricht tätigen und erfahrenen Lehrkraft wie ihr wäre es jedoch zu erwarten gewesen, mit dieser Situation konstruktiv umzugehen, um ein förderliches Klassen- und Lernklima zu schaffen. Das wird auch durch die vom Zeugen beschriebenen ungewöhnlich häufigen Eltern- und Schülerbeschwerden unterstrichen.
c) Auch besteht kein Anlass, an der Unvoreingenommenheit des Zeugen R. als Beurteiler zu zweifeln.
Vielmehr hat er zur Überzeugung des Gerichts glaubhaft dargestellt, dass er sich zugunsten eines angenehmen Lernklimas an der Schule auch gegenüber der Klägerin bei aller notwendigen konstruktiven Kritik freundlich und höflich verhalten habe und öfters ihren Bedürfnissen z.B. zur Wahrnehmung privater Termine bei der Unterrichtsgestaltung entgegen gekommen sei.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung hat ihre Rechtsgrundlage in § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 Zivilprozessordnung – ZPO -.


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