Verwaltungsrecht

Verwerfung einer Beschwerde wegen Versäumung der Begründungsfrist

Aktenzeichen  7 CE 16.10077

Datum:
11.2.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO §§ 60 I, 100 I, 146 IV S. 1 VwGO

 

Leitsatz

Tenor

I.
Die Beschwerde der Antragstellerin wird verworfen.
II.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt die einstweilige Zulassung zum Studium der Zahnmedizin an der F-A-Universität E.-N. (…) im ersten Fachsemester nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2015/2016. Das Verwaltungsgericht hat ihren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 16. Dezember 2015, den Bevollmächtigten der Antragstellerin mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung zugestellt am 22. Dezember 2015, abgelehnt. Mit Schriftsatz vom 5. Januar 2016, beim Verwaltungsgericht eingegangen am selben Tag, ließ die Antragstellerin Beschwerde gegen den genannten Beschluss einlegen, die am 28. Januar 2016 begründet wurde. Gleichzeitig beantragte sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 Abs. 1 VwGO. Sie habe ihre Beschwerde nicht sachgerecht begründen können, weil es das Verwaltungsgericht in rechtswidriger Weise unterlassen habe, die Akten zur Einsichtnahme in die Kanzlei ihrer Bevollmächtigten zu übersenden.
II.
Die Beschwerde ist zu verwerfen, weil sie entgegen § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO nicht innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Beschlusses des Verwaltungsgerichts begründet wurde.
Der Antragstellerin kann hinsichtlich der versäumten Frist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 VwGO gewährt werden, weil die sachlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht vorliegen. Sie war nicht „ohne Verschulden verhindert“, ihre Beschwerdebegründung fristgerecht einzureichen. Das Verständnis ihrer Bevollmächtigten, das sich die Antragstellerin insoweit zurechnen lassen muss, eine Akteneinsicht habe ausschließlich in den Räumen ihrer Kanzlei zu erfolgen, findet im Gesetz keine Stütze und ist deshalb nicht unverschuldet.
Gemäß § 100 Abs. 1 VwGO können die Beteiligten die Gerichtsakten und die dem Gericht vorgelegten Akten einsehen. Nach Abs. 2 der Vorschrift können Beteiligte sich auf ihre Kosten durch die Geschäftsstelle Ausfertigungen, Auszüge, Ausdrucke und Abschriften erteilen lassen. Nach dem Ermessen des Vorsitzenden kann der nach § 67 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 3 bis 6 VwGO bevollmächtigten Person die Mitnahme der Akte in die Wohnung oder Geschäftsräume, der elektronische Zugriff auf den Inhalt der Akten gestattet oder der Inhalt der Akten elektronisch übermittelt werden. Bei einem elektronischen Zugriff auf den Inhalt der Akten ist sicherzustellen, dass der Zugriff nur durch die nach § 67 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nrn. 3 bis 6 VwGO bevollmächtigte Person erfolgt. Für die Übermittlung von elektronischen Dokumenten ist die Gesamtheit der Dokumente mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach § 2 Nr. 3 des Signaturgesetzes zu versehen und gegen unbefugte Kenntnisnahme zu schützen.
In Übereinstimmung mit diesen gesetzlichen Vorgaben wurde den Bevollmächtigten der Antragstellerin auf ihren Antrag vom 7. Oktober 2015 hin mit gerichtlichem Schreiben vom 4. November 2015 mitgeteilt, die Kapazitätsunterlagen für das Studienjahr 2015/2016 würden von der Kammer für die Vorbereitung der zu treffenden Eilbeschlüsse benötigt und könnten deshalb im Original nicht übermittelt werden. Es bestehe jedoch die Möglichkeit zur Akteneinsicht auf der Geschäftsstelle sowie der Übersendung einer Kopie gegen Kostenerstattung. Alternativ könnten die Unterlagen elektronisch übermittelt werden, sofern die betreffende E-Mail Adresse mit einem PGB-Schlüsselpaar ausgestattet sei. Es werde bis zum 10. November 2015 um Mitteilung gebeten, wie verfahren werden solle. Nachdem eine Äußerung von Antragstellerinseite ausweislich der Akten nicht erfolgte, erließ das Verwaltungsgericht den streitgegenständlichen Beschluss am 16. Dezember 2015. Dagegen ist aus rechtlicher Sicht nichts einzuwenden.
Nichts anderes ergibt sich aus dem Vorbringen der Antragstellerin zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrags, wonach der Beschluss „in unhöflicher Weise kurz vor Weihnachten“ zugestellt worden sei, ohne dass sie die ihr zustehende Möglichkeit zur Akteneinsicht erhalten habe. Angesichts der zitierten gerichtlichen Mitteilung vom 4. November 2015 trifft dies nicht zu. Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes (vgl. § 100 VwGO) ist die Einsichtnahme in Akten bei Gericht die Regel, die Versendung die Ausnahme (vgl. Geiger in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 100 Rn. 12). Die Entscheidung, einem von § 100 Abs. 2 Satz 2 VwGO genannten Bevollmächtigten die Mitnahme der Akten oder die Übersendung in seine Wohnung oder die Geschäftsräume zu gestatten, steht im Ermessen des Vorsitzenden bzw. Berichterstatters. Ein Rechtsanspruch besteht nicht, auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Gewährung rechtlichen Gehörs. Die Ausübung des Ermessens muss zwar anhand sachlicher Kriterien erfolgen und eine Ablehnung auf einen annehmbaren Grund gestützt werden. Dabei ist aber auch zu bedenken, dass durch den Versand oder die Herausgabe der Akten stets eine Verzögerung in der Bearbeitung durch das Gericht eintritt, was jedenfalls in Eilverfahren – wie hier – ein Herausgeben der Akten ausschließt (vgl. zum Ganzen: Geiger in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 100 Rn. 12 m. zahlreichen Nachweisen zur Rechtsprechung). Berücksichtigt man überdies, dass in Eilverfahren wie dem vorliegenden, in denen um eine schnelle Zulassung zum Studium gestritten wird, erfahrungsgemäß stets sehr viele Verfahren, die von unterschiedlichen Rechtsanwälten betreut werden, gleichzeitig bei Gericht eingehen und anhängig werden, wird deutlich, dass ein Versand der Originalakten im jeweiligen Einzelfall gar nicht möglich wäre, ohne dass es zu erheblichen Verfahrensverzögerungen käme und dass insoweit das gerichtliche Ermessen nicht zu beanstanden ist.
Der gleichwohl in dem an das Verwaltungsgericht adressierten Beschwerdeschriftsatz vom 5. Januar 2016 wiederholte Antrag auf Übersendung der Originalakten lässt ein Verschulden der Antragstellerin im Sinn von § 60 Abs. 1 VwGO ebenfalls nicht entfallen. Ein derartiger Antrag entbindet nicht von der Pflicht zur Einhaltung einer laufenden gerichtlichen Frist; ein – wie hier – schlichtes Zuwarten bis zum Eingang der Akten beim Beschwerdegericht am 25. Januar 2016, einem Zeitpunkt, zu dem die Frist bereits abgelaufen war und der Versuch, sie dort – erst am 28. Januar 2016 – abholen zu lassen, ist insoweit nicht ausreichend.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung zum Streitwert aus § 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG in Verbindung mit dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt bei Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014).


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