Verwaltungsrecht

Verwirkung der Sperrung eines öffentlichen Weges

Aktenzeichen  8 ZB 20.1579

Datum:
15.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 28640
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 43 Abs. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 1, § 124a Abs. 4 S. 4, Abs. 5 S. 2
BayStrWG Art. 6, Art. 58 Abs. 2 Nr. 3, Art. 67 Abs. 4, Abs. 5
BGB § 242

 

Leitsatz

1. An die Verwirkung des Widerrufsrechts der Freigabe einer privaten Wegfläche für den allgemeinen Verkehr sind hohe Anforderungen zu stellen. Eine solche kommt nur in Betracht, wenn der Eigentümer den Weg für den öffentlichen Verkehr mit Wissen und Wollen hingenommen und einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, diese Freigabe nicht mehr zu widerrufen (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Freigabe eines Weges für den allgemeinen Verkehr und die Schaffung eines Vertrauenstatbestands, dies nicht mehr zu widerrufen, ist auf den jeweiligen Ausbauzustand des Wegs und das Ausmaß seiner Inanspruchnahme durch den öffentlichen Verkehr bezogen. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 1 K 19.447 2020-05-12 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Kläger begehren die Feststellung, dass sie berechtigt sind, einen teilweise über ihre Grundstücke verlaufenden Schotterweg zu sperren.
Die Kläger sind Miteigentümer der Grundstücke FlNr. … und … Gemarkung W … Die Grundstücke liegen südöstlich des bebauten Stadtteils W … der Stadt L … und grenzen an das rechte Ufer des Mains. Auf ihnen verläuft parallel zum Mainufer ein Schotterweg („M1.weg“), der weder gewidmet noch in das Bestandsverzeichnis der Beklagten eingetragen ist. Der Weg wird u.a. zum Erreichen der südwestlich der Grundstücke gelegenen Wochenendhäuser genutzt.
Das Verwaltungsgericht Bayreuth hat mit Urteil vom 12. Mai 2020 festgestellt, dass die Kläger berechtigt seien, den teilweise über ihre Grundstücke führenden Schotterweg zu sperren. Diese hätten die Nutzung des Wegs für den öffentlichen Verkehr widerrufen. Ihr Widerrufsrecht sei nicht verwirkt. Die Duldung der Rechtsvorgänger sei dafür weder ausreichend noch den Klägern zuzurechnen. Die Beklagte habe auch nichts unternommen, um straßenrechtlich rechtmäßige Zustände herzustellen. Im Übrigen habe sich der Sachverhalt durch die Anlage eines Schotterwegs (anstelle der früheren Fahrspuren) verändert, wogegen sich die Kläger gewendet hätten.
Die Beklagte beantragt die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil. Die Klage sei schon mangels Feststellungsinteresse unzulässig, weil sie nicht dafür zuständig sei, gegen die Sperrung des Wegs durch die Kläger vorzugehen. Das Widerrufsrecht sei verwirkt, weil die Kläger die Grundstücke in Kenntnis der Duldung der Voreigentümer erworben hätten und sich diese zurechnen lassen müssten. Das Erscheinungsbild und die Befahrungsintensität des Wegs habe sich durch die Schotterung nicht erheblich geändert. Da die Kläger der Verlegung von Versorgungsleitungen zugestimmt hätten, habe die Beklagte darauf vertrauen dürfen, dass sie den Weg nicht sperrten.
II.
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.
Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ist nicht hinreichend dargelegt oder liegt nicht vor (§ 124 Abs. 2 Nr. 1, § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO). Der Zulassungsantrag stellt keinen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Ersturteils durch schlüssige Gegenargumente infrage (vgl. BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243 = juris Rn. 16). Solche sind nicht erst dann gegeben, wenn der Erfolg des Antrags auf Zulassung der Berufung wahrscheinlicher ist als der Misserfolg (BVerfG, B.v. 16.4.2020 – 1 BvR 2705/16 – juris Rn. 22). Bei der Beurteilung ist nicht auf einzelne Elemente der Urteilsbegründung, sondern auf das Ergebnis der Entscheidung abzustellen (BVerfG, B.v. 16.7.2013 – 1 BvR 3057/11 – BVerfGE 134, 106 = juris Rn. 40; BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838 = juris Rn. 9).
1. Die Zulässigkeit der Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO ist nicht ernstlich zweifelhaft. Die Kläger haben im Hinblick auf den jahrelangen Streit mit der Beklagten ein berechtigtes Interesse an der Feststellung ihrer straßenverkehrsrechtlichen Berechtigung, den „M1.weg“ zu sperren, soweit er über ihre Grundstücke verläuft (vgl. BayVGH, U.v. 26.2.2013 – 8 B 11.1708 – BayVBl 2013, 629 = juris Rn. 22). Das Zulassungsvorbringen, es fehle am erforderlichen Feststellungsinteresse, weil die Beklagte nicht zuständig sei, den Klägern eine Sperrung des Wegs zu untersagen, geht fehl. Die Beklagte ist hinsichtlich des „M. wanderwegs zuständige Straßenverkehrsbehörde (Art. 3 Abs. 1 Satz 1, Art. 2 Satz 1 Nr. 1 ZustGVerk). Da der Grundstückseigentümer in straßenverkehrsrechtlicher Hinsicht nicht ohne Weiteres berechtigt ist, den Weg zu sperren (vgl. auch BayVGH, B.v. 23.11.2015 – 11 ZB 15.1571 – juris Rn. 10), kann er seine Eigentumsrechte durch eine gegen die Gemeinde zu erhebende Klage auf Duldung der Beseitigung oder der Sperrung des Wegs durchsetzen (vgl. BayVGH, U.v. 26.2.2013 – 8 B 11.1708 – BayVBl 2013, 629 = juris 32 ff.; Schmid in Zeitler, BayStrWG, Stand März 2020, Art. 53 Rn. 12a und 35). Auch der – hier vorliegende – Klageantrag auf Feststellung der Berechtigung zur Sperrung ist auf dasselbe Rechtsschutzziel gerichtet (vgl. BayVGH, U.v. 26.2.2013 – 8 B 11.1708 – BayVBl 2013, 629 = juris Rn. 34). Ob sich ein solcher Antrag im Einzelfall als zu weitgehend erweisen kann, weil es dem Eigentümer aus anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften jenseits des Straßen- bzw. Straßenverkehrsrechts (z.B. Naturschutzrecht) verwehrt sein kann, den Weg zu sperren, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, weil der Zulassungsantrag die Reichweite der gerichtlichen Feststellung nicht beanstandet.
2. Der Zulassungsantrag zieht die Wertung des Verwaltungsgerichts, das Recht der Kläger auf Widerruf der Freigabe des über ihre Grundstücke verlaufenden „M. wanderwegs“ für den allgemeinen Verkehr sei nicht verwirkt, nicht ernstlich in Zweifel.
Der Einwand der Verwirkung ist in der Rechtsprechung seit langem als Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung anerkannt. Für die Annahme eines Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) reicht der bloße Zeitablauf indes nicht aus; hinzukommen muss vielmehr, dass der Schuldner dem Verhalten des Gläubigers, das zur verspäteten Geltendmachung des Anspruchs geführt hat, entnehmen musste, dass dieser den Anspruch nicht mehr geltend machen wollte, wenn sich also der Schuldner darauf einrichten durfte, dass er mit diesem Anspruch nicht mehr zu rechnen brauche, und sich darauf auch eingerichtet hat (stRspr, vgl. BVerwG, B.v 29.08.2018 – 3 B 24.18 – VRS 134, 157 = juris Rn. 14; BVerfG, B.v. 26.1.1972 – 2 BvR 255/67 – BVerfGE 32, 305 = juris Rn. 18). Die Frage, ob eine Verwirkung vorliegt, ist im Einzelfall auf Grundlage einer Gesamtbewertung aller zeitlichen und sonstigen Umstände zu beantworten (BVerwG, B.v. 15.1.2020 – 2 B 38.19 – IÖD 2020, 103 = juris Rn. 12; U.v. 30.8.2018 – 2 C 10.17 – BVerwGE 163, 36 = juris Rn. 22).
An die Verwirkung des Widerrufsrechts der Freigabe einer privaten Wegfläche für den allgemeinen Verkehr sind hohe Anforderungen zu stellen. Eine solche kommt nur in Betracht, wenn der Eigentümer den Weg für den öffentlichen Verkehr mit Wissen und Wollen hingenommen und einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, diese Freigabe nicht mehr zu widerrufen (BayVGH, B.v. 9.5.2006 – 8 ZB 05.1473 – BayVBl 2007, 149 = juris Rn. 6; Edhofer/Willmitzer, BayStrWG, 17. Auflage 2020, Art. 14 Anm. 9). Aus dem Einverständnis mit der Benutzung eines Wegs durch die Allgemeinheit kann regelmäßig nicht auf eine Verwirkung des – aus dem Eigentumsrecht (vgl. § 902 Abs. 1 Satz 1, § 903 Satz 1 BGB) abgeleiteten – Widerrufsrechts geschlossen werden, auch wenn es über längere Zeit hinweg bestanden hat (BayVGH, U.v. 21.4.2016 – 8 B 15.129 – juris Rn. 28; vgl. auch BGH, U.v. 16.5.2014 – V ZR 181/13 – NVwZ-RR 2014, 712 = juris Rn. 21; Mansel in Jauernig, BGB, 17. Aufl. 2018, § 242 Rn. 56).
Ausgehend von diesen Maßstäben bestehen keine ernstlichen Zweifel an der verwaltungsgerichtlichen Annahme, das Widerrufsrecht der Kläger sei nicht verwirkt.
2.1 Dass die Kläger entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ihr Recht auf Widerruf der verkehrlichen Nutzung des über ihre Grundstücke verlaufenden Schotterwegs selbst verwirkt haben könnten, zeigt der Zulassungsantrag nicht auf.
Die Kläger hatten erst seit dem Grundstückserwerb im Jahr 2009 die Möglichkeit, die Freigabe der Wegfläche für den öffentlichen Verkehr zu widerrufen, sodass seitdem schon kein längerer Zeitraum vergangen ist. Auch ein von den Klägern geschaffener Vertrauenstatbestand liegt entgegen der Auffassung des Zulassungsantrags nicht vor. Aus der Gestattung der Beklagten, unter dem Weg Leitungen zu verlegen (Vertrag über die Bestellung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit vom 14.6.2010), durfte die Beklagte auf Grundlage der hier vorliegenden Gesamtumstände nicht entnehmen, dass die Kläger dauerhaft auf die Ausübung ihres Widerrufsrechts verzichten wollten. Die Gestattung war eng verknüpft mit deren Vorhaben, ihre Grundstücke mit einem Wochenendferienhaus zu bebauen, auch wenn dies vertraglich weder als Gegenleistung noch als Geschäftsgrundlage festgelegt war (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 11.9.2019 – 8 ZB 19.1270 – juris Rn. 11). Das Verwaltungsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Beklagte, die sich vergeblich bemüht hatte, das Vorhaben bauplanungsrechtlich zu ermöglichen, nicht darauf vertrauen durfte, dass die Kläger die Nutzung ihrer Grundstücke für den öffentlichen Verkehr auch dann hinnehmen wollten, wenn sich ihr Wochenendhaus nicht realisieren lässt. Nachdem sich dies abgezeichnet hatte, brachten sie unmissverständlich zum Ausdruck (z.B. Sperrung mit Pkw, Aufgrabung), dass sie die verkehrliche Nutzung ihrer Grundstücke nicht länger dulden.
2.2 Auch die Annahme des Ersturteils, frühere Eigentümer der Grundstücke hätten ihr Widerrufsrecht gleichfalls nicht verwirkt, ist nicht ernstlich zweifelhaft.
Mit der erstinstanzlichen Wertung, die widerspruchslose Duldung der Verkehrsnutzung durch die Voreigentümer führe nicht zur Verwirkung, weil bloßes Schweigen oder Nichtstun alleine dafür in der Regel nicht ausreiche (vgl. UA S. 11 unten), setzt sich der Zulassungsantrag nicht auseinander (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Nicht dargelegt wird, dass und inwiefern aus der Vorgeschichte des „M. wanderwegs“ (vgl. hierzu die Ausführungen im Schriftsatz der Beklagten an das Verwaltungsgericht vom 24.11.2015 S. 2 f., auf die der Zulassungsantrag verweist) entnommen werden könnte, dass ein Rechtsvorgänger den Weg mit Wissen und Wollen für den öffentlichen Verkehr freigegeben sowie einen Vertrauenstatbestand geschaffen hätte, diese Freigabe nicht mehr zu widerrufen (vgl. BayVGH, B.v. 9.5.2006 – 8 ZB 05.1473 – BayVBl 2007, 149 = juris Rn. 6; Edhofer/Willmitzer, BayStrWG, Art. 14 Anm. 9). Im Übrigen hat es das Verwaltungsgericht nicht ausgeschlossen (UA S. 11: „in der Regel“), dass ein tatsächlich-öffentlicher Weg im Einzelfall auch durch stillschweigende Duldung entstehen kann (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 26.2.2013 – 8 B 11.1708 – BayVBl 2013, 629 = juris Rn. 32; B.v. 11.1.2005 – 8 CS 04.3275 – NuR 2005, 463 = juris Rn. 11).
Hinzu kommt, dass im Hinblick auf die Unverjährbarkeit des Eigentumsrechts (§ 902 Abs. 1 Satz 1 BGB) auch aus einem über längere Zeit bestehenden Einverständnis mit der Benutzung eines Privatwegs durch die Allgemeinheit regelmäßig nicht auf eine Verwirkung des Widerrufsrechts geschlossen werden kann (BayVGH, U.v. 21.4.2016 – 8 B 15.129 – juris Rn. 28; vgl. oben Rn. 10). Besondere Umstände, die hier eine Ausnahme von dieser Regel erforderten, führt der Zulassungsantrag nicht an.
2.3 Selbst wenn man annähme, ein Voreigentümer hätte das grundstücksbezogene Widerrufsrecht durch Duldung der verkehrlichen Nutzung verwirkt, zieht der Zulassungsantrag die verwaltungsgerichtliche Wertung, die Kläger müssten sich ein solches Verhalten nicht zurechnen lassen (vgl. UA S. 11 f.), nicht ernstlich in Zweifel.
2.3.1 Das Verwaltungsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Freigabe für den allgemeinen Verkehr und die Schaffung eines Vertrauenstatbestands, diese nicht mehr zu widerrufen, in aller Regel auf den jeweiligen Ausbauzustand des Wegs und das Ausmaß seiner Inanspruchnahme durch den öffentlichen Verkehr bezogen ist (vgl. BayVGH, B.v. 31.7.2020 – 15 B 19.832 – juris Rn. 30 m.w.N.; vgl. auch BVerwG, U.v. 1.9.1999 – 11 A 2.98 – NVwZ 2000, 68 = juris Rn. 28). Das Ersturteil kommt zu dem Schluss, beides habe sich durch die beabsichtigte Beplanung des Gebiets, die neu errichteten Erschließungsanlagen (Wasser, Abwasser) und den Ausbau zum Schotterweg (anstelle der bisherigen Fahrspuren) verändert (vgl. UA S. 12).
Hiergegen wendet sich der Zulassungsantrag ohne Erfolg. Der Vorhalt der Beklagten, das Erstgericht habe zu dieser Tatsachenfrage den Vortrag der Klägerseite einseitig übernommen, obwohl sie dargelegt habe, dass der Weg im Wesentlichen genau so wie früher genutzt werde und die Befahrungsintensität nicht erheblich zugenommen habe, greift nicht durch. Dieser Vortrag richtet sich gegen die verwaltungsgerichtliche Sachverhalts- und Beweiswürdigung, die im Berufungszulassungsverfahren im Hinblick auf § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nur einer eingeschränkten Prüfung zugänglich ist (BayVGH, B.v. 19.10.2018 – 8 ZB 18.1235 – BayVBl 2019, 237 = juris Rn. 25 f.; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 19). Für einen darauf gestützten Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO genügt nicht allein der Vortrag, die Tatsachen seien anders als vom Verwaltungsgericht angenommen oder der Sachverhalt bzw. das Ergebnis einer Beweisaufnahme sei anders zu bewerten (VGH BW, B.v. 11.2.2019 – 12 S 2789/18 – juris Rn. 19; OVG NW, B.v. 21.6.2012 – 18 A 1459/11 – juris Rn. 9). Ein Zulassungsgrund ist in einem solchen Fall vielmehr nur dann gegeben, wenn Gründe aufgezeigt werden, dass die tatsächlichen Feststellungen augenscheinlich nicht zutreffen oder beispielsweise wegen gedanklicher Lücken oder Ungereimtheiten ernstlich zweifelhaft sind. Die bloße Möglichkeit einer anderen Bewertung des Sachverhalts genügt nicht (vgl. BVerwG, B.v. 26.9.2016 – 5 B 3.16 D – juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 21.1.2013 – 8 ZB 11.2030 – ZfW 2013, 176 = juris Rn. 17).
Ein solcher Mangel lässt sich dem Zulassungsantrag nicht entnehmen. Das Verwaltungsgericht hat den Vortrag der Kläger nicht „einseitig übernommen“, sondern die Umstände des Einzelfalls gewürdigt. Dass der Ausbauzustand des Wegs durch Aufschotterung verändert wurde, gesteht die Beklagte zu; streitig blieb lediglich das genaue Ausmaß der baulichen Veränderungen (vgl. Sitzungsprotokoll des VG im Ausgangsverfahren B 1 K 18.1017 S. 4). Dass das Verwaltungsgericht hieraus und aus der Tatsache, dass Erschließungsanlagen (Wasser, Abwasser) neu hergestellt wurden, einen veränderten Sachverhalt angenommen hat, erweist sich am dargestellten Maßstab der Überprüfbarkeit der verwaltungsgerichtlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung im Berufungszulassungsverfahren nicht als rechtsfehlerhaft. Insbesondere erscheint plausibel, dass eine verbesserte Erschließung der Wochenendhäuser, die mit Fahrzeugen nur über den „M1.weg“ erreicht werden können, zu einer Intensivierung der Verkehrsnutzung durch die dortigen Anlieger führen kann. Eine weitere Aufklärung, in welchem Ausmaß die Befahrung zugenommen hat, hat sich deshalb nicht aufgedrängt. Die anwaltlich vertretene Beklagte hat auch keinen darauf gerichteten Beweisantrag gestellt (vgl. BVerwG, B.v. 8.7.2016 – 2 B 57.15 – ZBR 2017, 41 = juris Rn. 13; Happ in Eyermann, VwGO, § 124a Rn. 75).
2.3.2 Ob und unter welchen Voraussetzungen eine Verwirkung auch gegenüber dem Rechtsnachfolger wirken kann, bedarf keiner abschließenden Entscheidung.
2.3.2.1 Das Verwaltungsgericht hat angenommen, die Rechtsprechung über die Verwirkung nachbarrechtlicher Abwehransprüche, die eine Zurechnung des Verhaltens des Voreigentümers bejaht (vgl. OVG NW, U.v. 15.7.2013 – 2 A 969/12 – BauR 2014, 667 = juris Rn. 106 ff.; BayVGH, B.v. 21.7.2008 – 2 ZB 05.786 – juris Rn. 16), sei auf den hier in Rede stehenden Anspruch aus dem Eigentumsrecht nicht anwendbar (vgl. auch OVG RhPf, U.v. 4.4.2017 – 1 A 10865/16 – NVwZ-RR 2017, 605 = juris Rn. 37). Mit dieser Begründung setzt sich der Zulassungsantrag nicht auseinander.
2.3.2.2 Der Wertung des Erstgerichts, ein schutzwürdiges Vertrauen liege nicht vor, weil diese nichts unternommen habe, um straßenrechtlich rechtmäßige Zustände herzustellen (vgl. UA S. 12), tritt der Zulassungsantrag ebenfalls nicht substanziiert entgegen. Die Behauptung des Gegenteils, die Beklagte habe gerade nicht tatenlos zugesehen, sondern (vergebliche) Anstrengungen unternommen, den Weg straßenrechtlich zu legalisieren, ist nicht näher konkretisiert. Sollte der Vortrag auf die gescheiterte Aufstellung eines Bebauungsplans abzielen (vgl. Vorentwurf vom 10.2.2014 S. 8, VG-Akte B 1 K 16.384 S. 104), fehlt schon ein zeitlicher Kontext zur behaupteten Verwirkung durch Voreigentümer (vor/bis 2009). Aktivitäten der Beklagten, rechtmäßige Zustände bis zum Eigentumserwerb der Kläger im Jahr 2009 herzustellen, sind weder vorgetragen noch sonst erkennbar. Wenn die Beklagte aber darauf verzichtet hat, sich eine gesicherte Rechtsposition zu verschaffen, muss regelmäßig sie und nicht der Rechtsnachfolger das mit einem Eigentümerwechsel verbundene Risiko tragen (vgl. OVG RhPf, U.v. 4.4.2017 – 1 A 10865/16 – NVwZ-RR 2017, 605 = juris Rn. 34).
2.3.2.3 Die allgemeine Rechtsfrage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Verwirkung auch gegenüber dem Rechtsnachfolger wirken kann, ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten (offengelassen BGH, U.v. 20.11.2015 – V ZR 284/14 – NJW 2016, 473 = juris Rn. 30; U.v. 24.4.2015 – V ZR 138/14 – NJW-RR 2015, 1234 = juris Rn. 10; bejahend: BayVGH, B.v. 9.5.2006 – 8 ZB 05.1473 – BayVBl 2007, 149 = juris Rn. 7 – ohne nähere Begründung; OLG Celle, B.v. 22.8.2006 – 4 W 101/06 – NJW-RR 2007, 234 = juris Rn. 38; Grüneberg in Palandt, BGB, 79. Aufl. 2020, § 242 Rn. 96; Mansel in Jauernig, BGB, § 242 Rn. 63; differenzierend: Schubert in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2019, § 242 Rn. 235; verneinend: OVG RhPf, U.v. 4.4.2017 – 1 A 10865/16 – NVwZ-RR 2017, 605 = juris Rn. 37; Kähler in Gesell/Krüger/Lorenz/Reymann, beck-online.Grosskommentar, Stand: 15.7.2020, § 242 BGB Rn. 559). Sie bedarf vorliegend – wie oben dargelegt – keiner abschließenden Klärung.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG unter Orientierung an Nr. 43.3 und 1.1.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013; sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben wurden.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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