Verwaltungsrecht

VG Ansbach: Asylantrag, AufenthG, Treffer, Sudan, Geschäftszeichen, Einzelrichterin, Rechtsquelle, Außenstelle, Unterabsatz, Mitgliedsstaat, Umdeutung, Selbsteintritt, ohne mündliche Verhandlung, Klage erheben, Zweitantrag, Herkunftsstaat, Einreise, Nichtvorliegen, Asylverfahren, Rechtsgrundlage

Aktenzeichen  AN 3 K 14.30182, AN 3 K 15.50594

Datum:
26.7.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 49531
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG
Richtlinie 2013/32/EU Art. 52 Unterabsatz 1 Richtlinie 2013/32/EU
Richtlinie 2005/85/EG Art. 25 Abs. 2 lit. b Richtlinie 2005/85/EG
AsylG § 71 a AsylG, § 47 VwVfG

 

Leitsatz

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht Ansbach
AN 3 K 14.30182, AN 3 K 15.50594
Im Namen des Volkes
Urteil
vom 26. Juli 2016
3. Kammer
Sachgebiets-Nr.: 730 01
Hauptpunkte:
– keine Unzulässigkeitsentscheidung bei subsidiärem Schutzstatus im Mitgliedsstaat bei vor
dem 20. Juli 2015 gestellten Asylanträgen;
– keine Umdeutung in Entscheidung nach § 71 a AsylG;
Rechtsquellen:
In der Verwaltungsstreitsache
…, geb. …1984 alias …, geb. …1983
– Kläger –
bevollmächtigt: Rechtsanwalt …
gegen
…, vertreten durch: Bundesamt … Referat Außenstelle …
– Beklagte –
wegen Verfahrens nach dem AsylVfG/AsylG
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach, 3. Kammer, durch die Einzelrichterin … ohne mündliche Verhandlung am 26. Juli 2016 folgendes Urteil:
1. Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
2. Die Bescheide des Bundesamtes vom 3. Februar 2014 und vom 30. November 2015 in der Fassung vom 20. Januar 2016, alle mit dem Geschäftszeichen …, werden aufgehoben.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
4. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Der 1984 geborene Kläger ist äthiopischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben gemeinsam mit seiner Ehefrau im Mai 2008 mit dem Auto über den Sudan und Libyen zum Mittelmeer und von dort aus mit einem Schlauchboot nach … Dort beantragte er Asyl. Bis 2009 lebte er in Italien und fuhr im Februar 2009 mit dem Auto in die Schweiz, wo er sich bis September 2009 in … aufhielt. Im September 2009 reiste er erneut nach Italien. Er reiste gemeinsam mit seiner Ehefrau am 26. März 2013 in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein. Am 2. April 2013 stellten sie gemeinsam einen Asylantrag.
Ein am 29. November 2013 an die italienischen Behörden gerichtetes Übernahmeersuchen nach der Dublin-II-Verordnung blieb ohne Antwort. In der Bundesamtsakte befinden sich EURODAC-Treffer für die Schweiz und für Italien vom 8. April 2013. Der Kläger erklärte, er habe auch im Februar 2009 in … einen Asylantrag gestellt (Blatt 53 der Bundesamtsakte).
Mit Bescheid vom 3. Februar 2014 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers und seiner Ehefrau als unzulässig ab (Ziffer 1) und ordnete die Abschiebung nach Italien an (Ziffer 2).
Die Asylanträge seien gemäß § 27 a Asyl(Vf)G unzulässig, da Italien für die Behandlung der Asylanträge zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe für einen Selbsteintritt der Bundesrepublik Deutschland seien nicht ersichtlich.
Der Bescheid wurde dem Kläger persönlich am 6. Februar 2014 zugestellt.
Am 10. Februar 2014 ließ der Kläger Klage erheben.
Am …2014 wurde das gemeinsame Kind des Klägers und seiner Ehefrau, …, geboren.
Gleichzeitig mit Erhebung der Klage beantragte der Kläger unter dem Aktenzeichen AN 3 S 14.30181 die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen. Dieser Antrag wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 27. Februar 2014 abgelehnt mit der Maßgabe, dass die im Bescheid der Beklagen vom 3. Februar 2014 angeordnete Abschiebung nach Italien nicht vor dem 1. Mai 2014 vollzogen werden dürfe. Grund hierfür war das geringe Alter des gemeinsamen Kindes des Klägers und seiner Ehefrau. Der Beschluss wurde am 3. März 2014 rechtskräftig.
Am 23. September 2014 teilte die Beklagte dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit, dass die Überstellungsfrist am 3. September 2014 (Bl. 171 der Akte) abgelaufen sei. Es werde überprüft, ob die Abschiebung in den Mitgliedstaat auf einer anderen Rechtsgrundlage erfolgen könne oder eine Abschiebungsandrohung in den Herkunftsstaat ergehen müsse. Mit weiterem Schreiben vom 2. Oktober 2014 teilte die Beklagte mit, dass trotz des Ablaufs der Überstellungsfrist eine Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides nicht in Betracht komme. Da der Kläger vor der Einreise nach Deutschland in einem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt habe und deshalb ein EURODAC-Treffer der Kategorie 1 vorliege, stelle sich der in der Bundesrepublik Deutschland gestellte Asylantrag als Zweitantrag i. S. d. § 71 a AsylVfG dar. Daher könne der streitgegenständliche Bescheid unabhängig von der Frage der Unzulässigkeit des Asylantrags nach § 27 a AsylVfG nur dann aufgehoben werden, wenn nach § 71 a AsylVfG die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens vorlägen. Habe ein früheres Asylverfahren in einem anderen Mitgliedstaat zur Zuerkennung subsidiären europarechtlichen Schutzes geführt, ergebe sich die Unzulässigkeit des Antrags schon aus § 60 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 3 AufenthG. Auch bei erfolglosem Abschluss des früheren Asylverfahrens und bei Nichtvorliegen von Wiederaufgreifensgründen könne die Aufhebung von Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides nicht verlangt werden, weil sie dem Kläger gegenüber einer Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens keinen rechtlichen Vorteil bringe. Es fehle insofern das Rechtsschutzbedürfnis an der Aufhebung. Jedenfalls lägen die Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 VwVfG für eine entsprechende Umdeutung des Bescheides vor, weil das Bundesamt einen auf das gleiche Ziel gerichteten Verwaltungsakt in gleicher Form hätte erlassen können. Bei beiden Tenorierungen sei das Ziel des Bescheides der Beklagten die Ablehnung einer materiellen Prüfung des Asylantrags.
Mit Beschluss vom 5. November 2014 wurde das Verwaltungsstreitverfahren auf die Einzelrichterin übertragen.
Mit Schreiben vom 5. Januar 2015 teilte der Bevollmächtigte des Klägers mit, die Zuständigkeit für die Prüfung des Antrags auf Gewährung internationalen Schutzes sei auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen, weil die Überstellungsfrist abgelaufen sei. Eine Umdeutung in einen Bescheid nach § 71 a AsylVfG komme schon deswegen nicht in Betracht, weil dies nicht Gegenstand dieses Verfahrens sei. Insbesondere habe keine herkunftsstaatsbezogene Anhörung stattgefunden, die Beklagte habe die Anhörung zum Reiseweg ausdrücklich mit dem Hinweis beendet, dass nun erst zu prüfen sei, ob die Bundesrepublik zuständig sei. Auch eine Umdeutung in einen Drittstaatenbescheid komme nicht in Betracht, weil hierfür die Voraussetzungen nicht substantiiert vorgetragen worden seien. Vielmehr komme zum Ausdruck, dass die Beklagte über den wirklichen Hintergrund keine Kenntnis habe. Außerdem hätte der Kläger ein Kleinkind, das noch nicht einmal ein Jahr alt sei. Es wurde auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 17. September 2014 (2 BvR 732/14) hingewiesen.
Mit Schreiben vom 9. Januar 2015 erklärte die Beklagte, durch den Zuständigkeitswechsel sei jetzt zu prüfen, ob die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens vorlägen. So werde dem Kläger außerhalb des gerichtlichen Verfahrens im schriftlichen Verfahren Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Dabei habe der Kläger Wiederaufgreifensgründe darzulegen und sich zum Vorliegen von Abschiebungsverboten zu äußern. Ergebe die Prüfung, dass keine Wiederaufgreifensgründe vorlägen, werde Ziffer 1 im Tenor des Dublin-Bescheides nicht aufgehoben, weil der Antrag nach wie vor unzulässig sei. Die Ziffer 2 des Bescheides werde dann die Entscheidung zu Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG und ggf. die Abschiebungsandrohung ins Herkunftsland beinhalten. Ergebe die Prüfung, dass Wiederaufgreifensgründe vorlägen, sei gemäß § 71 a AsylVfG über den Zweitantrag zu entscheiden. Mit Schreiben vom selben Tag leitete das Bundesamt dem Prozessbevollmächtigten ein Formblatt zu, in dem angegeben werden sollte, warum in Deutschland ein weiteres Verfahren auf Zuerkennung des internationalen Schutzes durchgeführt werden solle. Voraussetzung sei, dass sich die Rechts- oder Sachlage nachträglich geändert habe oder dass neue Beweise vorgelegt werden könnten, die eine günstigere Entscheidung ermöglichten.
Mit Schreiben vom 6. Februar 2015 hob die Beklagte Ziffer 2 des klagegegenständlichen Bescheides vom 3. Februar 2014 auf.
Mit Schriftsatz vom 5. Februar 2015 erklärte der Prozessbevollmächtigte des Klägers, dass die Beklagte dem Kläger einen Fragebogen zu ihrem Aufenthalt in Italien und zu den Gründen, nicht nach Äthiopien zurückkehren zu können, schicke, zeige, dass der Denkansatz der Beklagten nicht stimmen könne. Nach Ablauf der Überstellungsfrist sei die Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland eingetreten. Der Bescheid sei aufzuheben und die Beklagte habe im Rahmen einer Anhörung den Sachverhalt in einem Verwaltungsverfahren zu ermitteln, um dann über den Asylantrag in der Sache zu entscheiden. Es sei problematisch, das Verfolgungsschicksal des Klägers, das bislang noch keine Rolle gespielt habe, mit dem Risiko von Übermittlungsfehlern und auf eigene Kosten des Klägers aufzuklären und an die Beklagte zu übermitteln. Weiterhin wurde mitgeteilt, dass der Kläger in Italien keinen Pass oder Ausweis erhalten habe. Auch eine Aufenthaltserlaubnis habe er weder über drei, noch über fünf Jahre erhalten. Er habe kein Ablehnungsschreiben vom Asylamt bekommen und sei auch nicht zu einem Interview geladen worden.
Das Klageverfahren des Kindes des Ehepaars (AN 3 K 14.50147) wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 5. Oktober 2015 aufgrund übereinstimmender Erledigungserklärungen eingestellt, nachdem das Bundesamt den ablehnenden Bescheid wegen Ablaufs der Überstellungsfrist aufgehoben hatte.
Das Verfahren der Ehefrau des Klägers wurde am 29. Oktober 2015 aufgrund einer Mitteilung des Liaisonbeamten vom 14. August 2015 seitens der Beklagten abgetrennt und gesondert weitergeführt, nachdem bekannt wurde, dass zwar der Kläger in Italien subsidiären Schutz erhalten habe, der Ehefrau hingegen humanitärer Schutz zuerkannt worden wäre. Dementsprechend wird das Klageverfahren der Ehefrau unter dem Aktenzeichen AN 3 K 15.31264 beim Verwaltungsgericht Ansbach weitergeführt. Auf die Akten wird Bezug genommen.
Einem Vermerk der Beklagten vom 29. Oktober 2015 ist zu entnehmen, weil der Kläger subsidiären Schutz in Italien erhalten habe, sei für ihn nun ein Drittstaatenbescheid zu fertigen. Einem weiteren Vermerk der Beklagten vom 30. November 2015 ist zu entnehmen, dass der Dublin-Bescheid wegen Ablaufs der Überstellungsfrist aufzuheben und stattdessen ein Drittstaatenbescheid zu erlassen sei. Daraufhin erließ die Beklagte am 30. November 2015 einen weiteren Bescheid, der dem Kläger persönlich am 1. Dezember 2015 mit PZU zugestellt wurde.
Hierin wurde die Durchführung eines Asylverfahrens abgelehnt (Ziffer1), die Ziffer 2 des am 3. Februar 2014 ergangenen Dublin-Bescheides wurde aufrechterhalten (Ziffer 2), dem Kläger wurde die Abschiebung nach Italien oder einen anderen zur Rückübernahme bereiten oder verpflichteten Staat, ausgenommen Äthiopien, angedroht (Ziffer 3) und das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 4). Auf die Begründung wird Bezug genommen.
Gegen diesen Bescheid ließ der Kläger mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten, das am 14. Dezember 2015 beim Verwaltungsgericht Ansbach einging, Klage erheben.
Mit Schreiben vom 20. Januar 2016 an das Verwaltungsgericht Ansbach korrigierte die Beklagte den Tenor des Bescheides vom 30. November 2015 dahingehend, dass an der Ziffer 1 des Bescheides in der Fassung vom 30. November 2015 nicht mehr festgehalten werde. Die Unzulässigkeitsentscheidung aus dem Bescheid vom 3. Februar 2014 (nun Ziffer 1) wurde ebenso aufrechterhalten wie die Abschiebungsandrohung nach Italien, ausgenommen Äthiopien (nun Ziffer 2) und die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots (nun Ziffer 3).
Im Verfahren AN 3 K 15.50594 beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2015,
den Bescheid der Beklagten vom 30. November 2015 aufzuheben.
Mit Schreiben vom 28. Januar 2016 beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Verfahren AN 3 K 14.30182,
den Bescheid der Beklagten vom 3. Februar 2014 aufzuheben.
Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 14. Februar 2014,
die Klage abzuweisen.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Mit Beschluss vom 21. Juli 2016 wurde auch das Verfahren AN 3 K 15.50594 auf die Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Behörden- und Gerichtsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist zum einen der Bescheid vom 3. Februar 2014, der infolge der Aufhebung der Abschiebungsanordnung in seiner Ziffer 2 die Unzulässigkeitsentscheidung (Ziffer 1 ) zum Gegenstand hat und zum anderen der Bescheid vom 30. November 2015 in der Fassung vom 20. Januar 2016, der in Ziffer 1 die Ziffer 1 des am 3. Februar 2014 ergangenen Dublin-Bescheides aufrecht erhält, in Ziffer 2 die Abschiebungsandrohung nach Italien ausspricht und in Ziffer 3 das gesetzliche Einreiseund Aufenthaltsverbot auf 30 Monate dem Tag der Abschiebung befristet.
Die Klage, über die nach Verzicht der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO) ist zulässig und begründet. Statthafte Klageart ist vorliegend die isolierte Anfechtungsklage (vgl. z. B. BayVGH U. v. 6.3.2015 – 13 a ZB 15.50000 -, juris). Die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten vom 3. Februar 2014 und vom 30. November 2015 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die jeweils in Ziffer 1 festgesetzte (Bescheid vom 3. Februar 2014) bzw. aufrechterhaltene (Bescheid vom 30. November 2015) Unzulässigkeit des Asylantrags ist rechtswidrig, weil es für diesen Ausspruch keine Rechtsgrundlage gibt, weshalb die Bescheide insoweit aufzuheben sind (1.). Die Bescheide können auch nicht im Wege einer Umdeutung als Sachentscheidung über einen Zweitantrag nach § 71 a AsylG aufrechterhalten bleiben (2.).
Infolgedessen fehlt auch für die in Ziffer 2 des Bescheides vom 30. November 2015 ausgesprochene Abschiebungsandrohung nach Italien eine entsprechende Rechtsgrundlage (§ 34 Abs. 1 AsylG). Gleiches gilt in weiterer Folge für die in Ziffer 3 des Bescheides vom 30. November 2015 vorgenommene Befristung des Einreiseund Aufenthaltsverbote gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG (3.).
1.
Weder § 27 a AsylG noch § 60 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG können nach der derzeit gültigen und für die Entscheidung nach § 77 Abs. 1 AsylG maßgeblichen Rechtslage den Unzulässigkeitsspruch tragen.
a.
Übereinstimmend gehen die Beteiligten von einem Ablauf der Überstellungsfrist nach Art. 20 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (Dublin II-VO) aus. Deshalb stützt die Beklagte ihre Entscheidungen nicht (mehr) auf § 27 a AsylG.
b.
Aber auch § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG stellt – aufgrund der Gewährung subsidiären Schutzes in Italien – keine Rechtsgrundlage dar, die den Unzulässigkeitsausspruch tragen kann.
Nach Mitteilung des Liaisonbeamten vom 14. August 2015 war der dem Kläger aufgrund der Zuerkennung subsidiären Schutzes erteilte Aufenthaltstitel bis zum 21. November 2011 gültig. Unabhängig von der Frage, ob der Kläger den Aufenthaltstitel hätte verlängern können oder nicht (von ersterem ist auszugehen), hätte das Bundesamt in dieser Fallkonstellation den in Deutschland gestellten Asylantrag des Klägers als Zweitantrag im Sinne des § 71 a AsylG behandeln müssen. Eine Unzulässigkeitsentscheidung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, B. v. 23.20.2015 – 1 B 41.15 -, juris) wegen des zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Rechts des Art 25 Abs. 2 lit. a) der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005, der nach der Übergangsvorschrift des Art. 52 Unterabsatz 1 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 für den streitgegenständlichen Asylantrag des Klägers gilt, rechtswidrig, da dieser vor dem 20. Juli 2015 gestellt wurde. Nach der geltenden Regelung hätte eine Unzulässigkeitsentscheidung nur ergehen dürfen, wenn im Mitgliedstaat die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden wäre. Dies ist aber nicht der Fall.
Die nationale Regelung des § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG verstößt daher bis zum Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie 2013/32/EU gegen Europarecht und ist daher nicht anwendbar.
Im Einzelnen:
Gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 bis 3 AufenthG darf in Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind.
Beruft sich der Ausländer auf ein aus § 60 Abs. 1 AufenthG folgendes Abschiebungsverbot, so hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Ausnahme der in Satz 2 geregelten Fälle in einem Asylverfahren festzustellen, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und infolgedessen dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist.
Ein Ausländer darf gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ebenfalls nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Abs. 1 AsylG bezeichnete ernsthafte Schaden droht.
Gemäß § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG gilt § 60 Abs. 1 Satz 3 und 4 AufenthG entsprechend.
Daraus ergibt sich die Unzulässigkeit eines auf Gewährung internationalen Schutzes gerichteten Asylverfahrens bei Zuerkennung von internationalem Schutz im Sinne des Art. 2 b Dublin III-VO i. V. m. Art. 2 h RL 2011/95/EU (Asylverfahrensrichtlinie n. F.).
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 17. Juni 2014, 10 C 7.13 – juris – ausdrücklich entschieden, dass ein Ausländer aufgrund der genannten Regelungen, wenn ihm bereits in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ein Schutzstatus zuerkannt wurde, gleichen oder minderwertigen Schutz nicht erneut in der Bundesrepublik Deutschland beanspruchen kann.
Diesbezüglich führt es u. a. folgendes aus:
„Die Anerkennung eines Ausländers als Flüchtling oder als subsidiär Schutzberechtigter in einem anderen Staat wirkt zwar völkerrechtlich nicht wie eine Statusentscheidung durch deutsche Behörden und hat in diesem Sinne keine umfassende Bindungswirkung für die Bundesrepublik Deutschland (hierzu auch Marx, InfAuslR 2014, 227 ). Die Genfer Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951 legt einheitliche Kriterien für die Qualifizierung als Flüchtling fest, sieht aber keine völkerrechtliche Bindung eines Vertragsstaats an die Anerkennungsentscheidung eines anderen vor (vgl. BVerwfG, B. v. 14.11.1979 – 1 BvR 654/79 – BVerfGE 52, 391 ; BVerwG, U. v. 29.4.1971 – BVerwG 1 C 42.67 – BVerwGE 38, 87 = Buchholz 402.24, § 28 AuslG Nr. 2 Seite 4 f.). Eine solche Bindungswirkung ergibt sich auch nicht aus dem Unionsrecht. Dieses ermächtigt zwar nach Art. 78 Abs. 2 a und b AEUV zu Gesetzgebungsmaßnahmen, die einen in der ganzen Union gültigen einheitlichen Asylstatus und einen einheitlichen subsidiären Schutzstatus für Drittstaatsangehörige vorsehen, die maßgebliche Richtlinie 2011/95/EU vom 13. Dezember 2011 sieht eine in der ganzen Union gültige Staatsentscheidung jedoch nicht vor. Die Bundesrepublik Deutschland hat aber von der nach Völker- und Unionsrecht fortbestehenden Möglichkeit Gebrauch gemacht, durch einen nationale Regelung den Anerkennungsentscheidungen anderer Staaten im begrenzten Umfang Rechtswirkungen auch im eigenen Land beizumessen (vgl. etwa die diesbezügliche Empfehlung des UNHCR im Beschluss Nr. 12 seines Exekutivkomitees aus dem Jahre 1978). In Deutschland genießen im Ausland anerkannte Flüchtlinge schon seit Inkrafttreten des Ausländergesetzes von 1990 (dort § 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2) den gleichen Abschiebungsschutz wie die im Inland Anerkannten, ohne dass ein erneutes Anerkennungsverfahren durchgeführt wird. Durch § 60 Abs. 1 Satz 2 AufenthG (n. F.) ordnet das nationale Recht eine auf den Abschiebungsschutz begrenzte Bindungswirkung der ausländischen Flüchtlingsanerkennung an (ähnlich Treiber in: GK-AufenthG, Stand Juli 2011, § 60 Rn. 205.3). Es besteht aber gerade kein Anspruch auf eine neuerliche Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder auf Feststellung subsidiären Schutzes (vgl. § 60 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 2 AufenthG n. F.) oder eine hieran anknüpfende Erteilung eines Aufenthaltstitels in Deutschland. Vielmehr ist das Bundesamt bei Vorliegen einer ausländischen Anerkennungsentscheidung zur Feststellung von subsidiärem Schutz oder der (erneuten) Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Deutschland weder verpflichtet noch berechtigt. Ein gleichwohl gestellter Antrag ist unzulässig. Das hat der Senat bereits zu der bis 30. November 2013 geltenden Regelung des § 60 Abs. 1 Satz 2 und 6 AufenthG (a. F.) entschieden (B. v. 26.10.2010 – BVerwG 10 B 28.C – Buchholz 402.242 § 60 Abs. 1 AufenthG Nr. 43). Dem entspricht die nunmehr geltende Regelung des § 60 Abs. 1 Satz 2 und 3 AufenthG. Sie ist jedenfalls bei Zuerkennung internationalen Schutzes durch einen anderen Mitgliedstaat mit Unionsrecht vereinbar. Denn Art. 33 Abs. 2 a der Richtlinie 2013/32/EU – Asylverfahrensrichtlinie 2013 – eröffnet dem nationalen Gesetzgeber die Möglichkeit, einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zu behandeln, wenn dem Ausländer bereits ein anderer Mitgliedstaat internationalen Schutz gewährt, d. h. ihm entweder die Flüchtlingseigenschaft oder unionsrechtlich subsidiären Schutz zuerkannt hat (vgl. Art. 2 i der Richtlinie).“
Im Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. September 2015, 1 B 51.15, heißt es u. a. wie folgt:
„Denn das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem im angefochtenen Beschluss zitierten Urteil vom 17. Juni 2014 (10 C 7.13 – BVerwGE 150, 29 Rn. 30) entschieden, dass ein Begehren auf Zuerkennung von unionsrechtlichem subsidiären Schutz unzulässig ist, wenn dem Ausländer bereits im Ausland die Rechtsstellung eines Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten i. S. v. § 4 AsylVfG zuerkannt worden ist. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht u. a. damit begründet, dass durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3474) die Unzulässigkeit eines erneuten Anerkennungsverfahrens nunmehr auch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylVfG erstreckt worden ist (§ 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG). Damit hat der nationale Gesetzgeber von der von den Mitgliedstaaten in Art. 33 Abs. 2 Buchstabe 1 der Richtlinie 2013/32/EU – Asylverfahrensrichtlinie 2013 – eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zu behandeln, wenn dem Ausländer bereits ein anderer Mitgliedstaat internationalen Schutz gewährt, d. h. ihm entweder die Flüchtlingseigenschaft oder unionsrechtlichen subsidiären Schutz zuerkannt hat (vgl. Art. 2 i der Richtlinie).“
Das Bundesverwaltungsgericht hat im Beschluss vom 23. Oktober 2015, 1 B 41.15, klarstellend und ergänzend darauf hingewiesen, dass bei Schutzanträgen, die noch unter der Altfassung der Asylverfahrensrichtlinie gestellt worden sind und für welche daher die durch die Asylverfahrensrichtlinie n. F. erweiterten Möglichkeiten der Antragsablehnung als unzulässig noch nicht greifen, die Gewährung (bloßen) subsidiären Schutzes in einem anderen Mitgliedsstaat einem „Aufstockungsbegehren“ auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht entgegensteht und eine materielle Prüfung durch die Beklagte nicht ausschließt.
Es führt dazu u. a. folgendes aus:
„Soweit die Beschwerde im Übrigen hinsichtlich des Umfangs der aus § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG abzuleitenden Unzulässigkeit eines materiellen Prüfverfahrens darauf hinweist, dass die Ablehnung der Durchführung eines erneuten Asylverfahrens wegen der Gewährung subsidiären Schutzes in einem anderen Mitgliedstaat den unionsrechtlichen Vorgaben, insbesondere Art. 33 Abs. 1 a) der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (ABl. L 180 S. 60) – Asylverfahrensrichtlinie n. F. – entspreche, wonach die Mitgliedstaaten zusätzlich zu den Dublin-Bestimmungen einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig betrachten dürfen, wenn ein anderer Mitgliedstaat internationalen Schutz gewährt hat, übersieht sie die Übergangsregelung in Art. 52 Unterabsatz 1 der Richtlinie 2013/32/EU. Danach wenden die Mitgliedstaaten die in Umsetzung dieser Richtlinie nach Art. 51 Abs. 1 erlassenen Rechts- und Verwaltungsvorschriften auf förmlich gestellte Anträge auf internationalen Schutz nach dem 20. Juli 2015 oder früher an; für vor diesem Datum gestellte Anträge gelten die Rechts- und Verwaltungsvorschriften „nach Maßgabe der Richtlinie 2005/85/EG“ (Asylverfahrensrichtlinie a. F.). Zu den dieser Übergangsregelung unterfallenden Bestimmungen zählt auch die Ermächtigung in Art. 33 der Richtlinie 2013/32/EU, die regelt, unter welchen Voraussetzungen die Mitgliedstaaten zusätzlich zu den Fällen, in denen nach Maßgabe der Dublin-Verordnungen ein Antrag nicht geprüft wird, einen Antrag auf internationalen Schutz wegen Unzulässigkeit nicht prüfen müssen. Folglich darf ein – wie hier – vor dem Stichtag (20.7.2015) gestellter Asylantrag nur nach Maßgabe der Regelung in Art. 25 der Richtlinie 2005/85/EG als unzulässig betrachtet werden. Nach Art. 25 Abs. 2 b) der Richtlinie 2005/85/EG können die Mitgliedstaaten einen Asylantrag wegen Schutzgewährung in einem anderen Mitgliedstaat aber nur als unzulässig betrachten, wenn der andere Mitgliedstaat die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat. Daran fehlt es hier. Da es sich bei der den Mitgliedstaaten in Art. 33 Abs. 1 a) der Richtlinie 2013/32/EU eingeräumten – und gegenüber der Vorgängerregelung erweiterten – Option um eine den Antragsteller belastende Änderung handelt, ermöglicht auch die Günstigkeitsbestimmung des Art. 5 der Richtlinie 2013/32/EU keine vorzeitige Anwendung der Änderung auf vor dem 20. Juli 2015 gestellte Asylanträge. Damit steht im vorliegenden Verfahren Unionsrecht der von der Beklagten angenommenen Auslegung des § 60 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 3 und 4 AufenthG entgegen, ohne dass es hierfür der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.“
Für vorliegenden Fall der Zuerkennung (lediglich) subsidiären Schutzes in Italien und der Asyl-(zweit)antragstellung im Dezember 2014 ergibt sich damit, dass der Anwendung der von der Beklagten herangezogenen Rechtsgrundlage des § 60 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 3 und 4 AufenthG Art. 25 Abs. 2 lit. a) der Richtlinie 2005/85/EG entgegensteht.
Die Richtlinie 2013/32/EU ist auf den Fall des Klägers trotz der Umsetzung der in Art. 33 Abs. 2 lit. a) enthaltenen Regelung durch den deutschen Gesetzgeber in § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG bereits zum 1. Dezember 2013 nicht anwendbar wegen Art. 52 UA 1 der Richtlinie 2013/32/EU i. V. m. der Günstigkeitsbestimmung des Art. 5 dieser Richtlinie.
Diese Regelungen bestimmen, dass die neue Asylverfahrensrichtlinie (2013/32/EU) nur dann für bereits vor dem 20. Juli 2015 gestellte Asylanträge Geltung beanspruchen kann, wenn es sich nicht um eine den Antragsteller belastende Änderung handelt.
Bei Anwendung der neuen Asylverfahrensrichtlinie, hier deren Art. 33 Abs. 1 Satz 2 lit. a), umgesetzt durch § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG, würde der Kläger schlechter gestellt als durch die Regelung in Art. 25 Abs. 1 Satz 2 lit. a) der Vorgängerrichtlinie 2005/85/EG, wonach ein Asylantrag nur dann als unzulässig abgelehnt werden kann, wenn ein anderer Mitgliedstaat dem Antragsteller bereits die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat.
Findet Art. 33 der Richtlinie 2013/32/EU somit keine Anwendung, sondern vielmehr Art. 25 der Richtlinie 2003/85/EG, liegt mit der Vorschrift des § 60 Abs. 2 Satz 2 AufenthG, bei Fällen wie dem vorliegenden, ein Verstoß gegen Unionsrecht vor mit der Folge, dass die Vorgängerrichtlinie 2003/85/EG hier unmittelbar anzuwenden ist.
Da dem Kläger in Italien subsidiärer Schutz gewährt wurde (welcher nach Auffassung der Beklagten nach Ablauf der befristeten Geltungsdauer in allen Mitgliedstaaten verlängerbar ist), er mit dem vorliegenden Asyl(zweit)antrag vom 2. Dezember 2014 auch die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begehrt, kommt wegen der Übergangsregelung des Art. 52 Unterabs. 1 der Richtlinie 2013/32/EU i. V. m. der Günstigkeitsbestimmung des Art. 5 der Richtlinie 2013/32/EU nicht Art. 33 der Richtlinie 2013/32/EU zur Anwendung, sondern Art. 25 der Vorgängerrichtlinie 2003/85/EG.
Danach kann ein Asylantrag nur dann als unzulässig abgelehnt werden, wenn dem Antragsteller zuvor in einem anderen Mitgliedstaat höher- oder gleichwertiger Status zuerkannt worden ist. Für vorliegenden Fall ergibt sich somit, dass der Asyl(zweit)antrag des Klägers, mit dem er einen höheren Status (Flüchtlingseigenschaft) als den ihm bereits in Italien zuerkannten (subsidiären) Schutz anstrebt, zu Unrecht als unzulässig abgelehnt worden ist, auch wenn die Tatsache der Schutzgewährung durch Italien zum Zeitpunkt der Antragstellung in Deutschland dem Bundesamt noch nicht bekannt war.
2.
Eine Aufrechterhaltung von Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids durch Umdeutung in einen Bescheid nach § 71 a AsylG scheitert bereits im Hinblick darauf, dass der Bescheid insoweit eine andere (neue) Qualität erhalten würde.
Das Bundesamt hat nach Bekanntwerden des subsidiären Schutzstatus erkannt, dass es möglicherweise in einem Zweitantragsverfahren nach § 71 a AsylG über den in Deutschland gestellten Asylantrag des Klägers hätte entscheiden müssen. Davon ging die Beklagte schon in ihrer Stellungnahme an das Gericht am 2. Oktober 2014 (Bl. 101-103 der Behördenakte) aus. Hierzu hat es dem Prozessbevollmächtigten des Klägers entsprechende Schreiben und Anhörungsbögen zugesandt, die jedoch vom Kläger nicht ausgefüllt wurden, da dieser bzw. dessen Prozessbevollmächtigter der Auffassung war, dass es sich aufgrund des Zuständigkeitsübergangs auf die Bundesrepublik Deutschland nach Ablauf der Überstellungsfrist im Dublin-Verfahren um ein Erstverfahren handelte. Mit Erlass der – mittlerweile aufgehobenen – Ziffer 1 des Bescheides vom 30. November 2015, worin die Durchführung eines (weiteren) Asylverfahrens abgelehnt wurde, hat die Beklagte diese Absicht auch nach außen dokumentiert. Letztlich hat sie jedoch an dieser Auffassung nicht festgehalten, sondern durch die Korrektur des Tenors am 20. Januar 2016 deutlich gemacht, dass sie an der Unzulässigkeitsentscheidung – und damit an der Auffassung, für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers gar nicht zuständig zu sein, festhalten will.
Daraus folgt zweierlei:
Zum einen steht damit fest, dass die Beklagte das Vorliegen der Voraussetzungen des § 71 a AsylG i. V. m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG gar nicht geprüft, sich also materiellrechtlich mit den fluchtauslösenden Umständen bzw. den nach Schutzgewährung in Italien eingetretenen Veränderungen tatsächlicher oder rechtlicher Art nicht auseinandergesetzt hat. Hätte sie an ihrer – zutreffenden – Auffassung der Durchführung eines Zweitantragsverfahrens festgehalten, wäre der Kläger für die veränderte Sach- und Rechtslage, auf die er einen weitergehenden Anspruch auf Flüchtlingsanerkennung in Deutschland stützen wollte, darlegungspflichtig gewesen.
Zum jetzigen Zeitpunkt fehlen dem Bundesamt Erkenntnisse zu den vom Kläger in Italien vorgebrachten Fluchtgründen, die zu einer Zuerkennung subsidiären Schutzes geführt haben, so dass derzeit eine Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht möglich sein dürfte. Insbesondere wurde er zu den ausreisebegründenden Umständen gar nicht angehört.
Hieraus ergibt sich, dass die im Zweitantragsverfahren zu treffende Entscheidung eine ganz andere Qualität und einen ganz anderen Prüfungsumfang – nämlich die einer Entscheidung in der Sache- gehabt hätte als die mit der Feststellung der Unzulässigkeit getroffene Entscheidung, mit der das Bundesamt bereits seine Zuständigkeit zur Durchführung eines Asylverfahrens verneint. Insofern fehlt es an der Vergleichbarkeit der zu erlassenden Entscheidungen nach § 47 Abs. 1 VwVfG.
Zum anderen würde eine Umdeutung aber auch dem eindeutig geäußerten Willen der Beklagten selbst widersprechen, da sie mit der korrigierten Entscheidung vom 16. Januar 2016 in Zusammenschau mit dem Bescheid in der ursprünglichen Fassung vom 30. November 2015, dem die Übersendung entsprechender „Zweitantragsformulare“ vorausgegangen war, zeigt, dass sie die Möglichkeit der Durchführung eines Zweitantragsverfahrens gesehen und entsprechend entschieden hat, diese Entscheidung aber wieder revidiert hat und nun an der Unzulässigkeitsentscheidung festhält. Damit würde eine Umdeutung § 47 Abs. 2 VwVfG zuwiderlaufen.
Des Weiteren spricht gegen eine Umdeutung, dass das Bundesamt entgegen §§ 71 a Abs. 2, 24 Abs. 2 Asyl nicht über das Bestehen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG entschieden hat.
Eine Umdeutung würde auch daran scheitern, dass die Rechtsfolgen einer Entscheidung nach § 71 a AsylG für den Kläger ungünstiger wären (vgl. BVerwG v. 16.11.2015 – 1 C 4.15 -, juris), z. B. weil es dabei nicht mehr um die Überstellung in einen Dublin-Staat ginge, sondern er nach Erlass einer Abschiebungsandrohung in jeden aufnahmebereiten Staat abgeschoben werden könnte.
Darin liegt gleichzeitig die Rechtsverletzung des Klägers, der einen Anspruch auf Prüfung hat, ob ein Zweitantragsverfahren nach § 71 a AsylG durchzuführen ist. Die Unzulässigkeitsentscheidung verwehrt ihm den Zugang zu einer inhaltlichen Prüfung seines Asyl(zweit)antrags nach der zugrunde zulegenden europarechtlichen Regelung des Art. 25 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2005/85/EG.
3.
Infolge der zur Aufhebung führenden Rechtswidrigkeit der Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids entfallen die Grundlagen für die in Ziffern 2 (unabhängig von der Frage, ob im Zusammenhang mit einer Unzulässigkeitsentscheidung der Erlass einer Abschiebungsandrohung überhaupt zulässig ist, vgl. hierzu BVerwG, B. v. 23.10.2015 – 1 B 41/15 -, juris; BayVGH, B. v. 23.11.2015 – 21 ZB 15.30237 -, juris; VG Ansbach U. v. 30.3.2016 – AN 3 K 15.50318 -, juris) und 3 getroffenen Regelungen, so dass auch Ziffern 2 und 3 aufzuheben waren, § 34 Abs. 1 und § 11 Abs. 1 AufenthG.
Nach alldem war der Klage im Umfange des gestellten Anfechtungsbegehrens voll umfänglich stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83 b AsylG.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
zu beantragen.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Berufung kann nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Urteil von einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.
Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Gegenstandswert beträgt vor Verbindung im Verfahren
AN 3 K 14.30182 2.500,00 EUR und im Verfahren
AN 3 K 15.50594 2.500,00 EUR, nach Verbindung insgesamt
5.000,00 EUR (§ 30 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 RVG).
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.


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