Verwaltungsrecht

Vollstreckung eines gerichtlichen Vergleichs

Aktenzeichen  9 C 21.1105

Datum:
28.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 34490
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 169
VwVG § 6, § 11, § 13, § 15 Abs. 3

 

Leitsatz

Für die erneute Androhung von Zwangsgeld müssen – wie bei der ersten Androhung – die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen, eine Säumnis der Vollstreckungsschuldner und eine Erfolglosigkeit der vorherigen Zwangsmittelandrohung vorliegen. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 5 V 20.1794 2021-03-23 Bes VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Kläger und Vollstreckungsschuldner tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.

Gründe

I.
Die Vollstreckungsschuldner wenden sich gegen die Festsetzung und erneute Androhung eines Zwangsgeldes zur Vollstreckung aus einem gerichtlichen Vergleich.
Mit Bescheid vom 24. Oktober 2016 verfügte das Landratsamt H* … (Vollstreckungsgläubiger) gegenüber den Vollstreckungsschuldnern u.a. die Beseitigung des „massiven Tores“ auf dem Grundstück FlNr. … Gemarkung K* … Im Klageverfahren der Vollstreckungsschuldner hiergegen wurde am 28. Juni 2018 ein gerichtlicher Vergleich geschlossen, in dem sich die Kläger und nunmehrigen Vollstreckungsschuldner verpflichteten, „das streitgegenständliche Eisentor bis 31. Dezember 2018, samt der beiden Pfosten zu entfernen, und durch ein Holztor zu ersetzen, wobei nur der Rahmen aus Holz besteht, die Mitte aus Maschendraht. Es wird ein einflügliges Holztor errichtet mit einer Höhe von maximal 1,50 m. Die beiden Pfosten bestehen ebenfalls aus Holz“.
Nach Kontrollen im Januar 2019 beantragte das Landratsamt die Vollstreckung aus dem Vergleich, weil das vorgefundene Tor dem geschlossenen Vergleich vom 28. Juni 2018 nicht entspreche. Mit Beschluss vom 26. Februar 2019 ordnete das Verwaltungsgericht gegenüber den Vollstreckungsschuldnern die Vollstreckung aus dem gerichtlichen Vergleich vom 28. Juni 2018 an und drohte für den Fall, dass sie der im Vergleich bezeichneten Verpflichtung nicht nachkommen, ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000 Euro an. Gegen diesen Beschluss legten die Vollstreckungsschuldner kein Rechtsmittel ein.
Auf Antrag des Landratsamts setzte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. Juni 2019 das mit Beschluss vom 26. Februar 2019 angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 2.000 Euro gegenüber den Vollstreckungsschuldnern fest und drohte ihnen ein erneutes Zwangsgeld in Höhe von 2.000 Euro an, wenn sie ihrer Verpflichtung aus dem gerichtlichen Vergleich vom 28. Juni 2018 nicht binnen zwei Monaten nach Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses nachkommen. Die hiergegen von den Vollstreckungsschuldnern erhobene Beschwerde blieb erfolglos (BayVGH, B.v. 10.7.2020 – 9 C 19.1343).
Mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2020 beantragte das Landratsamt erneut die Vollstreckung, weil die Verpflichtungen aus dem Vergleich vom 26. Juni 2018 nach wie vor nicht erfüllt seien. Das Verwaltungsgericht setzte darauf mit Beschluss vom 23. März 2021 das im Beschluss vom 18. Juni 2019 angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 2.000 Euro gegenüber den Vollstreckungsschuldnern fest und drohte Ihnen ein erneutes Zwangsgeld in Höhe von 4.000 Euro an, wenn sie ihrer Verpflichtung aus dem gerichtlichen Vergleich vom 28. Juni 2018 nicht binnen 3 Monaten nach Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses nachkommen.
Hiergegen wenden sich die Vollstreckungsschuldner mit ihrer Beschwerde. Sie tragen vor, dass das Tor im Juni 2021 ausgetauscht worden sei und sie damit ihren Verpflichtungen nachgekommen seien. Im Übrigen sind sie nach wie vor der Ansicht, dass der Vergleich vom 28. Juni 2018, der auf die Errichtung eines reinen Holztores abziele, nicht erfüllbar sei. Zudem lägen nur minimale Verstöße vor, weshalb das Zwangsgeld deutlich zu reduzieren sei.
Die Vollstreckungsschuldner beantragen sinngemäß,
„der Beschwerde stattzugeben“.
Der Vollstreckungsgläubiger beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Eine Kontrolle am 8. September 2021 habe ergeben, dass zwar Umbaumaßnahmen am Tor vorgenommen wurden, das bestehende Tor widerspreche aber nach wie vor dem gerichtlichen Vergleich vom 28. Juni 2018. Insbesondere die Pfosten und die Torbefestigung seien unverändert und mit 1,60 bis 1,70 m zu hoch. Ein Rückbau bzw. Umbau innerhalb der gesetzten Fristen sei nicht erfolgt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt sämtlicher Gerichtsakten beider Rechtszüge und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Die nach § 146 Abs. 1 VwGO statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die von den Vollstreckungsschuldnern dargelegten Gründe, auf die die Prüfung im Beschwerdeverfahren beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), vermögen die angegriffene Entscheidung des Vorsitzenden des ersten Rechtszugs als Vollstreckungsbehörde (§ 169 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO) nicht in Frage zu stellen.
Die Vollstreckungsschuldner erheben nach wie vor Einwendungen gegen den Vergleich vom 28. Juni 2018, insbesondere im Hinblick auf dessen Nichterfüllbarkeit. Derartige Einwendungen können jedoch bereits aus prozessualen Gründen hier nicht zum Erfolg führen (vgl. BayVGH, B.v. 10.7.2019 – 9 C 19.1343 – juris Rn. 15).
1. Die Festsetzung des Zwangsgeldes mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 23. März 2021 ist nicht zu beanstanden.
Bei der Festsetzung des Zwangsgeldes in Nr. I des Beschlusses vom 23. März 2021 handelt es sich um die zweite Stufe der Vollstreckung, der die erste Stufe – Androhung des Zwangsmittels in Nr. II des Beschlusses vom 18. Juni 2019 – vorausgegangen ist. Voraussetzung für die Festsetzung des Zwangsgeldes ist einerseits die Wirksamkeit und Vollziehbarkeit der vorherigen Stufe gem. § 6 Abs. 1, § 14 Satz 1 VwVG (vgl. BayVGH, B.v. 10.7.2020 – 9 C 19.1343 – juris Rn. 17). Dies ist der Fall, da der Beschluss vom 26. Februar 2019, mit dem die Vollstreckung angeordnet und ein Zwangsgeld gegenüber den Vollstreckungsschuldnern angedroht wurde, rechtskräftig ist. Ebenso sind die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts vom 19. Februar 2019 und vom 18. Juni 2019 aufgrund der Zurückweisung der Beschwerde mit Beschluss des Senats vom 10. Juli 2020 (Az. 9 C 19.1343) rechtskräftig.
Zwar darf der Zweck der Vollstreckung noch nicht erreicht sein (§ 15 Abs. 3 VwVG). Dies ist hier aber nicht der Fall, weil – entgegen der Behauptung der Vollstreckungsschuldner in der Beschwerdebegründung vom 30. August 2021 – die vom Landratsamt anlässlich einer Kontrolle am 8. September 2021 gefertigten Lichtbilder eindeutig belegen, dass die Vollstreckungsschuldner ihren Verpflichtungen aus dem Vergleich vom 28. Juni 2018 bislang nicht vollständig nachgekommen sind. So entsprechen weder die Pfosten noch die Torhöhe den Regelungen des Vergleichs vom 28. Juni 2018.
2. Die Einwendungen gegen die weitere Androhung von Zwangsgeld in Höhe von 4.000 Euro durch Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 23. März 2021 bleiben erfolglos.
Rechtsgrundlage der erneuten Zwangsgeldandrohung ist § 169 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 6 Abs. 1, § 11 Abs. 1, § 13 Abs. 6 Satz 1 VwVG. Für die erneute Androhung von Zwangsgeld müssen – wie bei der ersten Androhung – die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen, eine Säumnis der Vollstreckungsschuldner und eine Erfolglosigkeit der vorherigen Zwangsmittelandrohung vorliegen (vgl. BayVGH, B.v. 10.7.2020 – 9 C 19.1343 – juris Rn. 19 f.). Dies ist hier der Fall.
Das Landratsamt hat die (weitere) Vollstreckung aus dem Vergleich vom 28. Juni 2018 beim Verwaltungsgericht beantragt. Einwendungen gegen die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen wurden nicht erhoben und auch die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor. Die Vollstreckungsschuldner sind der Verpflichtung aus dem Vergleich nicht innerhalb der mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 18. Juni 2019 gesetzten Frist (vgl. § 13 Abs. 6 Satz 2 VwVG) nachgekommen. Sie können sich auch nicht mit Erfolg auf § 15 Abs. 3 VwVG berufen, da die Verpflichtungen aus dem Vergleich vom 28. Juni 2018 von ihnen – wie oben ausgeführt – nach wie vor nicht vollständig umgesetzt und erfüllt wurden. Gegen die vom Verwaltungsgericht weiter gesetzte Frist von drei Monaten ab Rechtskraft des Beschlusses vom 23. März 2021 ist nichts vorgetragen und nichts zu erinnern (§ 13 Abs. 1 Satz 2 VwVG).
Auch die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes ist nicht zu beanstanden (§ 11 Abs. 3 VwVG). Das bestehende Tor entspricht nach wie vor in wesentlichen Punkten nicht dem Vergleich vom 28. Juni 2018 und eine Steigerung der Zwangsgeldhöhe ist im Rahmen wiederholter Zwangsgeldandrohung regelmäßig möglich (vgl. Linhart, Schreiben, Bescheide und Vorschriften in der Verwaltung, Stand Mai 2021, § 18 Rn. 191).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO.
Eine Streitwertfestsetzung ist nicht erforderlich, weil keine wertabhängigen Gerichtsgebühren anfallen (vgl. Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum GKG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben