Verwaltungsrecht

Voraussetzungen für die Annahme eines Einsatzunfalles

Aktenzeichen  6 ZB 18.2290

Datum:
21.12.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 35694
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
EinsatzWVG § 1 Nr. 1, § 7 Abs. 1
SVG § 63c
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

1 Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass psychische Erkrankungen regelmäßig nicht auf einem Einsatzunfall als einem plötzlichen, örtlich und zeitlich bestimmbaren Ereignis beruhen. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die für die Annahme eines Einsatzunfalls im Sinn von § 63c SVG erforderliche Kausalität wird wegen der unterschiedlichen gesetzlichen Ausgestaltung nicht schon durch die Feststellung einer Wehrdienstbeschädigung „anerkannt“. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 21 K 18.1747 2018-09-17 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 17. September 2018 – M 21 K 18.1747 – wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird unter Abänderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts für beide Rechtszüge jeweils auf 38.884,32 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Klägerin‚ die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen‚ bleibt ohne Erfolg.
Der innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), auf dessen Prüfung der Senat grundsätzlich beschränkt ist‚ greift nicht durch (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Dieser Zulassungsgrund läge vor, wenn vom Rechtsmittelführer ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt würde (vgl. BVerfG, B.v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163/1164; B.v. 23.6.2007 – 1 BvR 2228/02 – BayVBl 2007, 624). Das ist nicht der Fall.
Die Klägerin, eine Soldatin auf Zeit (Dienstzeitende 31.12.2018), begehrt die Berufung in das Dienstverhältnis einer Berufssoldatin nach § 7 Abs. 1 Satz 1 EinsatzWVG. Sie habe infolge der Erlebnisse an Bord eines Einsatzgruppenversorgers im Zeitraum vom 25. Februar 2011 bis 11. März 2011 eine posttraumatische Belastungsstörung erlitten; von Seiten der Beklagten sei (durch Bescheid vom 10.1.2017) eine „psychoreaktive Störung, einsatzbedingt“ als Folge einer Wehrdienstbeschädigung festgestellt und der Grad der Schädigung mit 30 bewertet worden. Das Verwaltungsgericht hat die Klage unter Verwertung einer versorgungsmedizinisch-gutachterlichen Stellungnahme vom 14. November 2016 für unbegründet erachtet und abgewiesen. Es fehle an zwei Merkmalen für die Annahme eines Einsatzunfalls im Sinn des § 63c SVG, wie ihn § 7 Abs. 1 Satz 1, § 1 Nr. 1 EinsatzWVG für die Übernahme in das Berufssoldatenverhältnis voraussetze. Zum einen fehle es bei dem schädigenden Ereignis an dem Merkmal der „Plötzlichkeit“ (S. 10 f. des Urteils); zum anderen sei auch der – weiter – erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und der gesundheitlichen Schädigung nicht gegeben (S. 11 ff. des Urteils).
Ist die erstinstanzliche Entscheidung demnach selbständig tragend auf zwei Gründe gestützt, ist eine Zulassung der Berufung nur gerechtfertigt, wenn im Hinblick auf jeden der beiden Begründungsstränge ein Zulassungsgrund dargelegt wird und gegeben ist (vgl. BayVGH, B.v. 26.1.2018 – 6 ZB 17.956 – juris Rn. 3 m.w.N.). Daran fehlt es.
Hinsichtlich des ersten Begründungsstrangs (Merkmal der „Plötzlichkeit“) ist das Verwaltungsgericht in Anknüpfung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Dienstunfallrecht (BVerwG, B.v. 19.2.2007 – 2 B 19.07 – juris Rn. 8; B.v. 26.9.2012 – 2 B 97.11 – juris Rn. 14) davon ausgegangen, dass psychische Erkrankungen regelmäßig nicht auf einem Einsatzunfall als einem plötzlichen, örtlich und zeitlich bestimmbaren Ereignis beruhen. Auf der Grundlage der versorgungsmedizinisch-gutachterlichen Stellungnahme hat es für die bei der Klägerin festgestellte posttraumatische Belastungsstörung keine Ausnahme von dieser Regel feststellen können. Die Zulassungsschrift hält der gerichtlichen Beurteilung lediglich ihre eigene Wertung entgegen, ohne damit aber weiteren Klärungsbedarf aufzuzeigen, dem in einem Berufungsverfahren nachzugehen wäre.
Liegt demnach hinsichtlich des ersten Begründungsstrangs kein Zulassungsgrund vor, können die Einwände der Klägerin gegen den zweiten Begründungsstrang (kein Ursachenzusammenhang zwischen schädigendem Ereignis und gesundheitlicher Schädigung) von vornherein die Zulassung der Berufung nicht rechtfertigen. Sie würden aber auch für sich betrachtet nicht durchgreifen. Das Verwaltungsgericht hat der versorgungsmedizinisch-gutachterlichen Stellungnahme mit überzeugenden Erwägungen entnommen, dass die spezifische Veranlagung der Klägerin wesentliche Ursache für ihre Schädigung war, während das Ereignis selbst nur untergeordnete Bedeutung hatte. Die für die Annahme eines Einsatzunfalls im Sinn von § 63c SVG erforderliche Kausalität wurde entgegen der Sichtweise der Klägerin durch die Feststellung einer Wehrdienstbeschädigung schon wegen der unterschiedlichen gesetzlichen Ausgestaltung (vgl. etwa § 81 Abs. 6 SVG) keineswegs „anerkannt“. Es liegt auch keiner der in der Einsatzunfallverordnung (vom 24.9.2012, BGBl I S. 2092) geregelten Fälle vor, in der kraft Gesetzes vermutet wird, dass die posttraumatische Belastungsstörung durch einen Einsatzunfall verursacht worden ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 6 VwGO).


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