Verwaltungsrecht

Vorbereitung einer anstehenden Aufenthaltsbeendigung – Anordnung zur Vorsprache bei der Auslandsvertretung

Aktenzeichen  B 4 S 16.853

Datum:
5.12.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 133494
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 48 Abs. 3 S. 1, § 82 Abs. 4 S. 1
AsylG § 15 Abs. 2 Nr. 6

 

Leitsatz

Die Anordnung einer Vorsprache bei dem afghanischen Generalkonsulat zur Passbeschaffung ist auch dann nicht unverhältnismäßig, wenn der Ausländer bereits zuvor erfolglos einen Antrag auf ein Reisedokument gestellt hatte. (Rn. 14 – 15) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwältin … wird abgelehnt.
2. Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO wird abgelehnt.
3. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
4. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der afghanische Antragsteller wendet sich gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 25.11.2016, mit dem angeordnet wurde, dass er sich am 06.12.2016 um 14:00 Uhr beim Generalkonsulat der Islamischen Republik Afghanistan in M. einzufinden hat, um dort die Ausstellung eines zur Heimreise berechtigenden Dokumentes zu beantragen (Nr. 1). Ihm wurde die zwangsweise Vorführung für den Fall der Nichtbefolgung angedroht (Nr. 2) Die sofortige Vollziehung der Nr. 1 des Bescheids wurde angeordnet (Nr.3).
Mit der per Fax am 02.11.2016, 17:18 Uhr eingegangenen Klage begehrt der Antragsteller die Aufhebung des Bescheids und mit dem gleichzeitig eingegangenen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung.
Zur Begründung wird auf das überwiegende Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und die Rechtswidrigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs abgestellt. Der Antragsteller habe seiner Mitwirkungspflicht bei der Passbeschaffung bereits genügt, weil er am 05.09.2016 bei seiner Auslandsvertretung vorgesprochen habe, er nicht über eine Geburtsurkunde verfüge und im Heimatland keine Verwandten mehr habe, die bei der Beantragung einer Tazkira in Kabul mitwirken könnten. Er habe trotz seiner Bemühungen, alle Anträge auszufüllen, kein Reisedokument erhalten und nicht einmal eine Bestätigung. Die angeordnete Vorsprache wäre erkennbar aussichtslos und unverhältnismäßig.
Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 05.12.2016 (15:40 Uhr) beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er führt aus, der Ablauf der Vorsprache beim Generalkonsulat am 05.09.2016 sei von Antragstellerseite widersprüchlich dargestellt worden. Jedenfalls habe er danach keine weiteren Versuche zur Identitätsklärung mehr unternommen. Eine nochmalige Aufforderung zur freiwilligen Passbeschaffung sei nicht angezeigt gewesen. Nunmehr sei auf Veranlassung der Zentralen Passbeschaffung Bayern und in Absprache mit dem afghanischen Generalkonsulat ein Vorsprachetermin vereinbart worden, der dazu dienen solle, die Identität des Antragstellers festzustellen. Sollte dies geschehen, habe die afghanische Botschaft vier Wochen Zeit, ein gültiges Dokument zur Ausreise/Abschiebung zu erstellen. Nach Ablauf der Frist könne dem Antragsteller ein Laissez-Passer zur Durchführung der Abschiebung ausgestellt werden.
Die in Nr. 2 angedrohte zwangsweise Vorführung durch die Polizei gelte ausdrücklich nicht für den Vorsprachetermin am 06.12.2016.
Auf den Akteninhalt, auch in den bereits anhängigen Verfahren auf Erteilung einer Duldung B 4 E 16.697, B 4 K 16.698, wird verwiesen.
II.
1. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwältin … wird abgelehnt. Die Rechtsverfolgung hat, wie sich aus den folgenden Gründen ergibt, keine Aussicht auf Erfolg.
2. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist zulässig aber unbegründet.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung einer Klage ganz oder teilweise anordnen oder wiederherstellen. Hierbei trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung, bei der es das private Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung gegen das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids abzuwägen hat. Entscheidendes Indiz für eine Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache.
Nach der im Eilverfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage ergibt sich, dass die Klage des Antragstellers voraussichtlich keinen Erfolg haben wird.
Gemäß § 82 Abs. 4 Satz 1 AufenthG kann, soweit es zur Vorbereitung und Durchführung von Maßnahmen nach dem Aufenthaltsgesetz und nach ausländerrechtlichen Bestimmungen erforderlich ist, angeordnet werden, dass ein Ausländer bei den Vertretungen des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, persönlich erscheint. Die Mitwirkungsverpflichtung gem. § 48 Abs. 3 Satz 1 AufenthG bzw. § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylG umfasst hierbei auch die geforderte Antragstellung bei der Vertretung des vermutlichen Herkunftsstaates.
Die Voraussetzungen des § 82 Abs. 4 Satz 1 AufenthG sind im vorliegenden Fall erfüllt. Der Antragsteller ist nach rechtskräftiger Ablehnung seines Asylantrags vollziehbar ausreisepflichtig. Für die Beendigung des Aufenthalts abgelehnter Asylbewerber im Wege der somit in Frage kommenden Abschiebung benötigt die Ausländerbehörde Identitätspapiere des aufnahmebereiten Zielstaates. Zur Vorbereitung und Durchführung einer anstehenden Aufenthaltsbeendigung gem. § 58 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, aber auch zur Identitätsklärung und Durchsetzung der allgemeinen Passpflicht gem. § 3 Abs. 1 AufenthG, ist die Anordnung erforderlich, nachdem der Antragsteller bislang keinen gültigen Pass oder Passersatz vorgelegt hat.
Der für morgen 14:00 Uhr angesetzte Termin wurde von Behördenseite mit dem Generalkonsulat vereinbart. Die erneute Vorsprache ist damit ein geeigneter Schritt zur Passbeschaffung. Es kann jedenfalls im Hinblick auf die bisherige Vorsprache auch nicht von vornherein als völlig ausgeschlossen betrachtet werden, dass das afghanische Generalkonsulat bei ordnungsgemäßer Antragstellung ein Heimreisedokument ausstellt. Damit ist ein Ermessensfehler nicht ersichtlich.
Die Anordnung ist nicht unverhältnismäßig. Es sind keine gewichtigen Gründe vorgetragen, aus denen es dem Antragsteller unzumutbar wäre, zu dem morgigen Termin nach München zu fahren. Er steht in keinem Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis und hatte seit Erhalt des Bescheids am 30.11.2016 ausreichend Zeit, sich auf die Fahrt nach München einzustellen.
Nachdem seine Klage nach summarischer Prüfung voraussichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, überwiegt vorliegend das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids die privaten Interessen des Antragstellers, den Vorsprachetermin nicht wahrnehmen zu müssen. Der mit dem Bescheid verbundene Eingriff in die Handlungsfreiheit des Antragstellers ist vorliegend geringfügig. Die privaten Interessen des Antragstellers sind daher als wenig schwerwiegend zu gewichten. Demgegenüber steht ein erhebliches öffentliches Interesse an der zeitnahen Aufenthaltsbeendigung abgelehnter Asylbewerber. Dies gilt umso mehr, als auch im vorliegenden Fall Sozialleistungen in Anspruch genommen werden.
3. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens gem. § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKGi.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 30.5./1.6.2012 und am 18.7.2013 beschlossenen Änderungen.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben