Verwaltungsrecht

Vorbeugende Unterlassungsklage nach rechtswidrigem Einsatz von Pfefferspray gegen einen Nichtstörer durch einen Polizeibeamten im Vorfeld eines Fußballspiels

Aktenzeichen  10 ZB 16.791

Datum:
12.8.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 50745
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 42 Abs. 2
BayPAG Art. 61 Abs. 3

 

Leitsatz

1. Das für eine vorbeugende Unterlassungsklage erforderliche qualifizierte Rechtsschutzinteresse erfordert das Bestehen einer Wiederholungsgefahr; diese kann grundsätzlich angenommen werden, wenn bereits eine Beeinträchtigung stattgefunden hat, weil die Behörde im Regelfall ihre Maßnahmen für rechtmäßig halten und keinen Anlass sehen wird, von ihnen Abstand zu nehmen (Anschluss an BVerwG BeckRS 2012, 48335 Rn. 21). (redaktioneller Leitsatz)
2. Die eine derartige Wiederholungsgefahr begründende Annahme, die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, wie sie zum Zeitpunkt des erfolgten Verwaltungshandelns vorgelegen haben, werden auch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit bei dem zukünftigen Verwaltungshandeln gegeben sein, ist jedoch zu verneinen, wenn sich die (Polizei-) Behörde von einer rechtswidrigen Maßnahme ihres Bediensteten (hier Einsatz von Pfefferspray gegen einen Nichtstörer im Vorfeld eines Fußballspiels) distanziert hat und der betreffende Beamte wegen dieses Verhaltens strafrechtlich verurteilt und aus dem Dienst entfernt wurde.   (redaktioneller Leitsatz)
3. Einer Klage, wonach es Polizeikräfte bei Versammlungen generell und unabhängig von einer persönlichen Betroffenheit des Klägers zu unterlassen haben, chemische und ökologische Kampfstoffe sowie unter das Übereinkommen über das Verbot biologischer Waffen fallende Kampfmittel gegen Menschen einzusetzen, fehlen das Rechtsschutzbedürfnis und die Klagebefugnis des Klägers, solange sich nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit übersehen lässt, welche Maßnahmen drohen und unter welchen rechtlichen oder tatsächlichen Voraussetzungen sie ergehen werden. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

5 K 14.00831 2016-03-10 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,– Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage auf Verpflichtung des Beklagten weiter, es zu unterlassen, im Rahmen von Einsätzen seiner Polizeikräfte chemische und „ökologische“ Kampfstoffe sowie sonstige unter das Übereinkommen über das Verbot biologischer Waffen fallende Kampfmittel gegen Menschen einzusetzen.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht (1.). Die geltend gemachte Abweichung von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO (2.) sowie die Zulassungsgründe der besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO; 3.), der grundsätzlichen Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, 4.) und des Vorliegens eines Verfahrensmangels sind bereits nicht hinreichend dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO; 5.).
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestünden dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B. v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11). Das ist jedoch nicht der Fall.
Das Erstgericht hat die (vorbeugende) Unterlassungsklage als unzulässig abgewiesen. Soweit die vorbeugende Unterlassungsklage auf die Gefahr der Wiederholung eines Ereignisses wie desjenigen am 21. April 2012 abstelle, fehle es an einer Wiederholungsgefahr. Der Kläger sei damals von einem Polizisten geschlagen worden. Ihm sei Pfefferspray ins Gesicht gesprüht worden. Der Polizeibeamte habe rechtswidrig gehandelt. Er sei inzwischen strafrechtlich verurteilt und aus dem Dienst entfernt worden. Die Befürchtung künftigen disziplinarrechtlich und strafrechtlich relevanten weisungswidrigen Verhaltens einzelner Beamter sei spekulativer Natur und rechtfertige nicht die Annahme einer Wiederholungsgefahr. Soweit die Klage generell auf die Verpflichtung des Beklagten gerichtet sei, es zu unterlassen, bei Einsätzen chemische und ökologische Kampfstoffe gegen Menschen einzusetzen, fehle dem Kläger die Klagebefugnis. Das Unterlassungsbegehren sei letztlich darauf gerichtet, allgemeine Zulässigkeitsfragen zum Einsatz bestimmter Reizstoffe durch den Beklagten zu klären. Es stelle daher eine Art Popularklage dar, für die der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet sei.
Der Kläger bringt hierzu vor, dass das Gericht das Klagebegehren verengt habe. Er begehre, den rechtsgrundlosen Einsatz von Reizstoffen gegen seine Person zu unterlassen. Es gehe nicht nur um den spezifischen Vorfall im Jahr 2012, sondern um andere Fälle, in denen dem Kläger ein Kollateralschaden drohe. Bei Fußballspielen würden regelmäßig Kampfstoffe mit Reizstoffsprühgeräten gegen Fußballfans eingesetzt und daher auch regelmäßig unbeteiligte Dritte beeinträchtigt. Zum Bewies dafür habe der Kläger einen Zeugen angeboten. Soweit das Gericht die Wiederholungsgefahr mit der Begründung verneine, dass Polizeibeamte sich bei ihrer Tätigkeit an klare Befehlsstrukturen halten würden, könne das Gericht dies nicht aus eigener Sachkunde beurteilen. Auch sei der allgemeine Rechtssatz, dass die einmalige Begehung die Gefahr einer Wiederholung indiziere, übergangen worden. Die Ausführungen des Beklagten, wonach der Einsatz von Reizstoffen gemäß der durch das Polizeitechnische Institut erstellten Handlungshinweise erfolgen müsse, vermöge am Bestehen einer Wiederholungsgefahr keine Zweifel zu wecken. Überdies sei der Vortrag vom Kläger bestritten worden.
Das Gericht habe verkannt, dass eine vorbeugende Unterlassungsklage auch ohne Wiederholungsgefahr möglich sei, nämlich dann, wenn der Inhalt und die tatsächlichen und rechtlichen Umstände des Klagebegehrens soweit bestimmt seien, dass eine Rechtmäßigkeitsprüfung möglich sei. Dies sei vorliegend der Fall. Dies sei zwar vom Gericht gesehen worden, finde aber in den Entscheidungsgründen keinen Widerhall.
Auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts zur Klagebefugnis sei unzutreffend. Der Einsatz von Reizstoffen könne seine Rechtsgrundlage nicht in Art. 61 Abs. 3 PAG finden. Zudem habe der Kläger beantragt, den Einsatz konventionswidriger Reizstoffe zu unterlassen und nicht – wie das Gericht meint – sämtlicher dem Polizeirecht bekannter Hilfsmittel. Das Gericht habe eine unzulässige Verkürzung des Prozessstoffs vorgenommen. Es handle sich zwar um eine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage, da eine grundsätzliche Rechtsfrage zu klären sei. Derartige Konstellationen könnten aber nicht mit dem Verweis auf eine unzulässige Popularklage beantwortet werden, da sonst § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO leerliefe. Eine subjektive Rechtsposition des Klägers sei allein deshalb gegeben, weil er durch einen Einsatz von polizeilichen Reizstoffen, wie sie im Klageantrag genannt seien, betroffen gewesen sei. Das Argument, dass der Einsatz rechtswidrig gewesen sei, vermöge daran nichts zu ändern.
Damit begründet der Kläger aber keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Eine Unterlassungsklage ist als eine Form des vorbeugenden Rechtsschutzes grundsätzlich als Klage auf Unterlassung einer erstmals drohenden Beeinträchtigung oder als Klage auf Unterlassung weiterer Beeinträchtigungen statthaft. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen für beide Formen unterscheiden sich. Bei der Klage auf Unterlassung weiterer Beeinträchtigungen liegt das nach Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erforderliche qualifizierte, d. h. auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtete Rechtsschutzinteresse (BVerwG, U. v. 22.10.2014 – 6 C 7.13 – juris Rn. 17 m. w. N.), dann vor, wenn eine Wiederholungsgefahr gegeben ist (BVerwG, U. v. 15.12.2005 – 7 C 20.04 – juris Rn. 34). Grundsätzlich kann ohne weiteres angenommen werden, dass weitere Eingriffe drohen, wenn bereits eine Beeinträchtigung stattgefunden hat, da im Regelfall die Behörde ihre Maßnahmen für rechtmäßig halten und keinen Anlass sehen wird, von ihnen Abstand zu nehmen (BVerwG, U. v. 25.1.2012 – 6 C 9.11 – juris Rn. 21). Das besondere Rechtsschutzbedürfnis für die Klage auf Unterlassung einer erstmals drohenden Beeinträchtigung setzt demgegenüber voraus, dass das künftige Verwaltungshandeln nach seinem Inhalt und seinen tatsächlichen sowie rechtlichen Voraussetzungen so weit bestimmt ist, dass eine Rechtmäßigkeitsprüfung möglich ist (BVerwG, U. v. 19.3.1974 – 1 C 7.73 – juris Rn. 41).
Bei Beachtung dieser Grundsätze bestehen an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils auch unter Berücksichtigung des Vorbringens im Zulassungsverfahren keine ernstlichen Zweifel. Legt man das Klagebegehren des Klägers nach § 88 VwGO dahingehend aus, dass er auf Unterlassung einer dem (ihn persönlich betreffenden) Vorfall am 21. April 2012 ähnlichen Beeinträchtigung durch den Einsatz von Pfefferspray seitens der Polizei klagt, so ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass insoweit die erforderliche Wiederholungsgefahr nicht besteht. Insoweit liegt nämlich abweichend vom Regelfall, wonach eine erfolgte Beeinträchtigung eine Wiederholungsgefahr indiziert, eine Sondersituation vor. Davon ist auch das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung ausgegangen (UA S. 7 unten). Der Beklagte ist gerade nicht der Ansicht, dass das Verhalten des Polizisten bzw. der Einsatz von Pfefferspray gegenüber dem Kläger damals rechtmäßig war. Er hat vielmehr immer klarstellend bekräftigt, eine solche weisungs- und rechtswidrige Vorgehensweise eines Polizeibeamten nicht zu dulden oder gar zu billigen. Der betreffende Polizeibeamte wurde auch strafrechtlich verurteilt und aus dem Dienst entfernt. Aus der Dauer des zivilrechtlichen Schadensersatzprozesses bis zum März 2016 kann entgegen der Auffassung des Klägers nicht darauf geschlossen werden, dass der Beklagte das Vorgehen des Polizisten gebilligt hätte. Die Entfernung aus dem Dienst erfolgte bereits mit Rechtskraft des strafrechtlichen Urteils am 27. Juni 2014. Das Erstgericht hat demnach – entgegen der Behauptung des Klägers – nicht übersehen, dass grundsätzlich eine bereits erfolgte Beeinträchtigung eine Wiederholungsgefahr indizieren kann. Unabhängig davon sind, wie das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, keine konkreten Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sich ein ähnlich gravierender Fall, in dem von der Polizei Pfefferspray gegen den nicht an einer Auseinandersetzung beteiligten Kläger eingesetzt wird, in nächster Zeit wiederholen würde. Einer besonderen „Sachkunde“ des Gerichts, wie der Kläger meint, bedarf es für die Feststellung oder Verneinung dieser Wiederholungsgefahr nicht. Es handelt sich hierbei um eine Prognoseentscheidung, die das Gericht anhand der vorhandenen rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten zu treffen hat. Eine Wiederholungsgefahr setzt eine hinreichend bestimmte Gefahr voraus, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen ein gleichartiges Verwaltungshandeln erfolgt. Es muss die Annahme begründet sein, dass die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, wie sie zum Zeitpunkt des bereits erfolgten Verwaltungshandelns vorlagen, auch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit bei dem zukünftigen Verwaltungshandeln gegeben sein werden. Substantiierte Tatsachen, die die hinreichend gesicherte Annahme rechtfertigen könnten, der Kläger könnte wieder Opfer eines entsprechenden unrechtmäßigen Einsatzes von Pfefferspray bei einem Fußballspiel werden, hat er im Zulassungsverfahren nicht vorgetragen. Der aus dem Dienst entlassene Polizist hatte ihm als Nichtstörer das Pfefferspray direkt in das Gesicht gesprüht. Die vom Kläger angebotene Zeugeneinvernahme zu seiner Behauptung, dass die Polizei bei Fußballspielen regelmäßig Kampfstoffe gegen Fußballfans einsetze, und hiervon auch Nichtstörer betroffen seien, ist in ihrer Pauschalität nicht geeignet, eine solche Wiederholungsgefahr zu begründen. Allein das Bestreiten der Ausführungen des Beklagten, dass sich die Polizeibeamten an die entsprechenden Richtlinien zum Einsatz von Pfefferspray hielten und keine Schädigungen von Nichtstörern bekannt seien, reicht insoweit nicht aus. Soweit der Kläger vorbringt, das Gericht habe sein Beweisangebot zu Unrecht abgelehnt und daher das Bestehen einer Wiederholungsgefahr fälschlicherweise verneint, macht er letztlich geltend, die ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils beruhten auf einer dem Prozessrecht nicht genügenden Unterlassung der Sachaufklärungspflicht durch das Erstgericht. Eine Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils käme insofern aber nur in Betracht, wenn eine entsprechende Verfahrensrüge zur Zulassung führen würde (vgl. BayVGH, B. v. 23.6.2016 – 10 ZB 14.1058 – juris Rn. 16 m. w. N.). Dies ist jedoch nicht der Fall (siehe 5.).
Legt man das Klagebegehren des Klägers dahingehend aus, dass er unabhängig vom Vorfall am 21. April 2012 und einer persönlichen Betroffenheit die Verpflichtung des Beklagten begehrt, es bei Versammlungen, insbesondere Fußballspielen, (generell) zu unterlassen, die näher bezeichneten Stoffe gegen Menschen einzusetzen (wofür jedenfalls sein Klageantrag spricht), so ist die Klage ebenfalls unzulässig. In diesem Fall handelt es sich um eine Unterlassungsklage gegen eine erstmals drohende Beeinträchtigung. Das für eine solche Klage erforderliche Rechtsschutzbedürfnis setzt voraus, dass das künftige Verwaltungshandeln nach seinem Inhalt und seinen tatsächlichen sowie rechtlichen Voraussetzungen so weit bestimmt ist, dass eine Rechtmäßigkeitsprüfung möglich ist. Daran fehlt es, solange sich noch nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit übersehen lässt, welche Maßnahmen drohen oder unter welchen rechtlichen oder tatsächlichen Voraussetzungen sie ergehen werden. Zudem bedarf es für ein solches Klagebegehren einer Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO analog (Sodan in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 42 Rn. 62). Dem vom Kläger formulierten Unterlassungsbegehren lassen sich diese Voraussetzungen nicht entnehmen. Weder grenzt er den Anlass für das polizeiliche Handeln (Versammlungen) ein noch den Adressatenkreis (Menschen). Letztlich geht es dem Kläger darum, dass der Beklagte den Einsatz sämtlicher chemischen oder biologischen Reizstoffe, die unter die von ihm genannten Konventionen fallen, bei Polizeieinsätzen in größeren Menschenmengen unterlässt. Mit diesem Begehren macht er sich jedoch zum Sachwalter der Interessen derjenigen, die gegebenenfalls zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt unter nicht näher bekannten Umständen von einem Einsatz der oben genannten Reizstoffe seitens der Polizei betroffen sein könnten. Für eine derartig weitreichende Unterlassungsklage fehlt dem Kläger – wie das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden hat – jedenfalls auch die Klagebefugnis.
2. Die Divergenzrüge im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO führt nur dann zur Zulassung der Berufung, wenn das angefochtene Urteil von einer Entscheidung des Divergenzgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Darzulegen ist insoweit, welche bestimmte und verallgemeinerungsfähige Rechtsauffassung das Erstgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat und inwiefern diese mit einem konkreten Rechtssatz in der Rechtsprechung eines der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten Gerichte nicht übereinstimmt. Die divergierenden Rechtssätze sind einander so gegenüberzustellen, dass die Abweichung erkennbar wird (st. Rspr.; vgl. etwa BayVGH, B. v. 4.1.2016 – 10 ZB 13.2431 – juris Rn. 14). Keine Divergenz begründet jedoch die unrichtige Anwendung eines Rechtssatzes (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 42).
Als divergierende Entscheidung benennt der Kläger das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. März 1974 (1 C 7.73 – juris). Aus dem Zulassungsvorbringen ergibt sich jedoch nicht, welche konkrete Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts von einem Rechtssatz in der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts abweicht. Der Kläger führt vielmehr ausdrücklich aus, dass die Fallkonstellation, die dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde lag, nicht mit der streitgegenständlichen vergleichbar sei. Soweit der Kläger vorbringt, im Unterschied dazu sei Gegenstand der Unterlassungsklage nicht eine unbestimmte Inanspruchnahme aufgrund einer unbestimmten Rechtsgrundlage, sondern die Zulässigkeit der Anwendung von Pfefferspray nach Art. 61 Abs. 3 PAG, rügt er letztlich die unrichtige Anwendung der in dem genannten Urteil aufgeführten Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Klage auf Unterlassung einer erstmals drohenden Beeinträchtigung. Dies begründet jedoch keine Divergenz.
Das gleiche gilt für den vom Kläger angeführten Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (v. 16.5.1988 – 21 B 87.02889 – NVwZ 1988, 1055). Auch hier legt der Kläger nicht dar, welche verallgemeinerungsfähige Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts von einem Rechtssatz in der genannten Entscheidung abweicht. Gegenstand dieser Entscheidung war das Feststellungsinteresse im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage, die sich konkret auf eine bestimmte Demonstration und den Einsatz von CN- und CS-Reizstoffen bezog. Diese Fragen stellen sich aber im streitgegenständlichen Verfahren nicht.
3. Die Berufung ist auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Zum Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten bringt der Kläger vor, es müsse im Berufungsverfahren geklärt werden, ob der Reizstoff OC unter das Chemiewaffenabkommen falle. Eine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt jedoch voraus, dass die geltend gemachte besonders schwierige Frage rechtlicher oder tatsächlicher Art für das Entscheidungsergebnis von Bedeutung ist (vgl. Seibert in Sodan/Ziekow, a. a. O., § 124 Rn. 125). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall, weil die Frage, ob Pfefferspray unter das Chemiewaffenabkommen fällt, nicht entscheidungstragender Bestandteil des verwaltungsgerichtlichen Urteils ist. Das Verwaltungsgericht hat die Klage bereits als unzulässig abgewiesen, so dass nicht mehr entscheidungserheblich ist, ob der Einsatz von Pfefferspray durch die Polizei nach dem Chemiewaffenabkommen verboten ist.
4. Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) scheidet ebenfalls aus. Um den auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, ausführen, weshalb diese Frage entscheidungserheblich ist, erläutern, weshalb die vorformulierte Frage klärungsbedürftig ist, und darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. BayVGH, B. v. 9.5.2016 – 10 ZB 15.677 – juris Rn. 16 m. w. N.). Diesen Anforderungen wird das Vorbringen, von grundsätzlicher Bedeutung sei die Frage, ob der Reizstoff OC unter das Übereinkommen über das Verbot biologischer Waffen falle und ob es eine Ausnahme für den Einsatz durch die Polizei gebe, diese Frage sei noch nicht obergerichtlich geklärt und für eine Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten von Bedeutung, nicht gerecht, weil der Kläger nicht dargelegt hat, inwiefern diese Frage entscheidungserheblich sein soll. Die vom Kläger formulierte Frage könnte allenfalls im Rahmen der Begründetheit der Unterlassungsklage rechtlich maßgeblich sein. Das Verwaltungsgericht hat die Klage aber als unzulässig abgewiesen.
5. Die Berufung ist auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zuzulassen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Seibert in Sodan/Ziekow, a. a. O., § 124 Rn. 187).
Soweit der Kläger rügt, dass das Gericht die Beweisanträge 3 und 13a zu Unrecht abgelehnt und dadurch seine Aufklärungspflicht aus § 86 VwGO und den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt hat, beruht das Urteil nicht auf den behaupteten Verfahrensmängeln. Das Verwaltungsgericht hat die Klage bereits als unzulässig abgewiesen, so dass nicht mehr entscheidungserheblich war, ob es sich bei OC um einen Kampfstoff im Sinne des Übereinkommens über das Verbot biologischer Waffen handelt.
Die Ablehnung des Beweisantrags 2 (Zeugeneinvernahme zum Beweis, dass im Rahmen von An- und Abreise bei Fußballspielen durch Polizeibeamte des Beklagten regelmäßig Kampfstoffe gegen Fußballfans eingesetzt werden und hiervon regelmäßig auch Unbeteiligte, somit Nichtstörer, betroffen werden) stellt keinen Verfahrensmangel dar. Das Gericht hat den Beweisantrag des Klägers entsprechend § 86 Abs. 2 VwGO in der mündlichen Verhandlung durch Beschluss, den es begründet hat, abgelehnt. Der Zweck der Norm, dass der Antragsteller die zur Ablehnung seines Antrags führenden rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen des Gerichts kennt, ist dadurch erreicht. Es liegt auch keine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor, weil die Ablehnung des Beweisantrags nicht rechtsfehlerhaft war. Eine Beweiserhebung ist dann nicht erforderlich, wenn es auf die zu beweisende Tatsache nach Ansicht des Gerichts nicht ankommt (Rixen in Sodan/Ziekow, a. a. O., § 86 Rn. 100). Zur Begründung der Ablehnung hat das Gericht ausgeführt, dass der Beweisantrag 2 nicht entscheidungserheblich sei, weil die unter Beweis gestellten Vorgänge keine Aussage-
kraft hinsichtlich der zu prüfenden Wiederholungsgefahr, nämlich der rechtswidrigen Exzesshandlung eines einzelnen Polizeibeamten, hätten. Ist die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, den Beweisantrag abzulehnen, aber prozessual zutreffend, scheidet die vom Kläger geltend gemachte Verletzung des rechtlichen Gehörs aus (vgl. BayVGH, B. v. 29.1.2014 – 10 ZB 13.1137 – juris Rn. 17). Die Rüge, das Gericht habe seine Sachaufklärungspflicht aus § 86 Abs. 1 VwGO verletzt, greift nicht durch. Die Aufklärungsrüge nach § 86 Abs. 1 VwGO setzt die Darlegung voraus, welche Tatsachen ermittlungsbedürftig gewesen wären, welche Beweismittel zur Verfügung gestanden hätten, weshalb sich die unterbliebene Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen, welches Ergebnis die Beweisaufnahme erbracht hätte und inwiefern die angefochtene Entscheidung darauf beruhen könnte (BVerwG, B. v. 8.7.2009 – 4 BN 12.09 – juris Rn. 7). Diesen Darlegungsanforderungen genügt die erhobene Aufklärungsrüge nicht. Das Beweisangebot des Klägers bezieht sich allgemein auf das Einschreiten der Polizei und einen etwaigen Reizstoffeinsatz im Vorfeld von Fußballspielen, hat aber keinen Bezug zu dem Vorfall, aus dem der Kläger die Zulässigkeit seiner Unterlassungsklage unter dem Gesichtspunkt der indizierten Wiederholungsgefahr herleiten möchte. Die angefochtene Entscheidung könnte also nicht auf der geltend gemachten Verletzung der Aufklärungspflicht beruhen.
Die Kostenentscheidung folgt nach alledem aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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