Verwaltungsrecht

Vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin

Aktenzeichen  7 CE 19.10082

Datum:
7.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 1261
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
BayHZV § 10 Abs. 1 S. 4

 

Leitsatz

Soweit nach § 10 Abs. 1 S. 4 BayHZV die Hochschule bei der Durchführung ihrer Auswahlverfahren durch Überbuchung der Zulassungszahlen berücksichtigen kann, dass vergebene Studienplätze voraussichtlich nicht besetzt werden, soll damit ausgeglichen werden, dass zugeteilte Studienplätze nicht angenommen werden und die vorhandene Ausbildungskapazität möglichst erschöpfend genutzt wird. Maßgeblich ist hierfür das von der Hochschule prognostizierte Annahmeverhalten anhand der Erfahrungswerte der letzten Jahre (Bestätigung der stRspr, vgl. VGH München BeckRS 2018, 25033 Rn. 13;  Beschl. v. 20.8.2014 – 7 CE 14.1001). (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 3 E L 18.10208 2019-05-17 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin im ersten Fachsemester (Vorklinik) an der L.-M.-Universität M. (LMU) nach den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen des Wintersemesters 2018/2019.
Das Bayerische Verwaltungsgericht München hat den Antrag mit Beschluss vom 17. Mai 2019 abgelehnt. Der Antragsteller habe nicht glaubhaft gemacht, dass an der LMU über die vergebenen Studienplätze hinaus noch ein weiterer Studienplatz im Studiengang Humanmedizin im ersten Fachsemester zur Verfügung stehe, der vom Antragsteller in Anspruch genommen werden könne.
Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Rechtsschutzziel weiter. Er macht im Wesentlichen geltend, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht und ohne dies näher auszuführen das Vorliegen einer willkürlichen Überbuchung verneint. Nach der Rechtsprechung dürfe eine Überbuchung ausschließlich dem gesetzlichen Zweck dienen, die Ausbildungskapazität der Hochschule zeitnah auszuschöpfen. Ob diese Vorgabe eingehalten werde, könne unter anderem nur auf der Basis historischer Werte ermittelt werden. Sollten in der Vergangenheit bereits Überlasten als Folge von Überbuchungen eingetreten sein, müsse der konkrete Überbuchungsfaktor einer kritischen Überprüfung unterzogen werden. Zur Vermeidung sowohl einer Unter- als auch einer Überlast sei ein “idealer Überbuchungsfaktor” auf der Grundlage der Berechnung einer Wahrscheinlichkeit für eine Über- bzw. Unterlast festzustellen.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Bevollmächtigten vom 23. Juli und vom 12. September 2019 verwiesen.
Der Antragsgegner widersetzt sich der Beschwerde. Es wird auf den Schriftsatz vom 21. August 2019 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
Die LMU hat in § 1 Abs. 1 ihrer Satzung über die Festsetzung von Zulassungszahlen für die im Studienjahr 2018/2019 als Studienanfängerinnen und Studienanfänger sowie in höhere Fachsemester aufzunehmenden Bewerber und Bewerberinnen (Zulassungszahlsatzung 2018/2019) vom 12. Juli 2018 i.V.m. der Anlage hierzu für den Studiengang Medizin, 1. Studienabschnitt (Vorklinik) für das 1. Fachsemester 871 Studienplätze festgesetzt. Das Verwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt, dass die Vergabe von 882 Studienplätzen im Wintersemester 2018/2019 im 1. Fachsemester als kapazitätsdeckend anzuerkennen sei. Das Beschwerdevorbringen, auf das sich die Prüfung durch den Senat im Beschwerdeverfahren beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), begründet den geltend gemachten Anordnungsanspruch des Antragstellers nicht.
Im Beschwerdeverfahren hat der Antragsteller ausschließlich geltend gemacht, das Verwaltungsgericht habe keine Anhaltspunkte für eine willkürliche Überbuchung gesehen, diese Auffassung jedoch nicht einmal ansatzweise begründet. Entgegen diesem Vortrag hat sich das Verwaltungsgericht mit der Überbuchung befasst und zu Recht keine Anhaltspunkte für eine willkürliche Überbuchung gesehen. Auch aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich derartiges nicht.
Nach § 10 Abs. 1 Satz 4 HZV kann die Hochschule bei der Durchführung ihrer Auswahlverfahren durch Überbuchung der Zulassungszahlen berücksichtigen, dass vergebene Studienplätze voraussichtlich nicht besetzt werden. Damit soll ausgeglichen werden, dass zugeteilte Studienplätze nicht angenommen werden und die vorhandene Ausbildungskapazität möglichst erschöpfend genutzt wird. Maßgeblich ist hierfür das von der Hochschule prognostizierte Annahmeverhalten anhand der Erfahrungswerte der letzten Jahre (stRspr d.S., vgl. z.B. BayVGH, B. 19.9.2018 – 7 CE 18.10008 – juris Rn. 13; B.v. 20.8.2014 – 7 CE 14.1001 – juris Rn. 8). Bei in der Zulassungszahlsatzung 2018/2019 festgesetzten 871 Studienplätzen und 882 kapazitätswirksam vergebenen Studienplätzen, also einer Überbuchung von 1,01%, gibt es keinen Anlass daran zu zweifeln, dass sich die Überbuchungen in diesem Rahmen halten. Abgesehen von der Behauptung, die Überbuchung sei rechtsmissbräuchlich, setzt sich die Beschwerde damit nicht auseinander. Insbesondere lässt die vom Antragsteller reklamierte mathematische Ermittlung des “idealen Überbuchungsfaktors” keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass die LMU die Überbuchung willkürlich – d.h. zu anderen Zwecken als der zeitnahen Ausschöpfung der Ausbildungskapazität der Hochschulen dienend (vgl. BayVGH, B.v. 12.8.2013 – 7 CE 13.10109 – juris Rn. 9) – vorgenommen hätte.
Abgesehen davon kommt es auf die kapazitätsrechtliche Wirksamkeit der Überbuchung der Zulassungszahl nicht an. Alle die Ausbildungskapazität der LMU erschöpfenden 871 Studienplätze sind vergeben; Anhaltspunkte dafür, dass im Studiengang Medizin (Vorklinik) an der LMU weitere freie Kapazitäten vorhanden sind, ergeben sich aus der vom Verwaltungsgericht überprüften Kapazitätsberechnung nicht und werden auch vom Antragsteller nicht vorgetragen. Nur unter dieser Voraussetzung wäre jedoch die kapazitätsrechtliche Wirksamkeit einer Überbuchung von Belang für die Frage, ob dem Antragsteller ein Recht auf Zuteilung eines Studienplatzes zusteht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 18.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der 2013 aktualisierten Fassung (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, Anhang) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.


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