Verwaltungsrecht

Vorläufiger Rechtsschutz gegen jagdrechtliche Maßnahmen

Aktenzeichen  21 CS 17.1081

Datum:
25.10.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG WaffG § 46 Abs. 4 Satz 1 und 3
VwGO VwGO § 80 Abs. 1 und 5, § 123, § 155 Abs. 1 Satz 3, § 158 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Die waffenrechtliche Sicherstellungsbefugnis nach 46 Abs. 4 S. 1 WaffG erstreckt sich  nicht auf einen Jagdschein, sondern nur auf solche Erlaubnisurkunden, die nach dem Waffengesetz ausgestellt wurden. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2 Vorläufiger Rechtsschutz gegen die Versagung der Verlängerung des Jagdscheins ist nur durch eine einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO zu erlangen. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 5 S 17.407 2017-05-17 Bes VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1. Der Antragsteller begehrt die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen jagdrechtliche Maßnahmen der unteren Jagdbehörde.
Am 23. September 2013 informierte ein Waffenbesitzer das Ordnungs- und Verkehrsamt der Stadt A* … unter anderem davon, dass ihm der Antragsteller in Abwicklung eines Waffenkaufs ein Gewehr und 100 Schuss Munition zugesandt habe. Das Gewehr und die Munition hätten sich nicht ordnungsgemäß verpackt in einem Karton ohne Absendervermerk befunden.
Nachdem die Ehefrau des Antragstellers gegen diesen wegen verschiedener Delikte Anzeige erstattet hatte, durchsuchten Beamte der Polizeiinspektion A* … am 9. Februar 2017 aufgrund eines Beschlusses des Amtsgerichts A* … die Räume der vom Antragsteller in A* … betriebenen …schule. In einem vom Schulungsraum durch einen Vorhang abgetrennten Nebenraum konnten die Waffen des Antragstellers jeweils in einem Tresor aufgefunden werden. Demgegenüber befand sich die in großen Mengen vorhandene Munition teilweise außerhalb der Waffentresore. Des Weiteren konnten etwa 1,3 kg Schwarzpulver sowie ein feststehendes Springmesser mit einer Klingenlänge von 10 cm aufgefunden werden.
Das Landratsamt Miltenberg lehnte es mit Bescheid vom 16. März 2017 ab, den Jagdschein des Antragstellers zu verlängern (Nr. 1), stellte den ungültigen Jagdschein Nr. 120/95 sofort sicher und zog den Jagdschein Nr. 49/2008 im Rahmen der Sicherstellung sofort ein (Nr. 2). Des Weiteren enthält der Bescheid die Anordnung, dass der Antragsteller den ungültigen Jagdschein Nr. 120/95 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheids dem Landratsamt zu übergeben hat (Nr. 6 Buchst. b). Schließlich wurde für die Wiedererteilung des Jagdscheins eine Sperrfrist von fünf Jahren festgesetzt (Nr. 7).
2. Der Antragsteller hat dagegen im Verfahren W 5 K 17.350 Anfechtungsklage erhoben und vorläufigen Rechtsschutz beantragt. Das Verwaltungsgericht Würzburg hat mit Beschluss vom 17. Mai 2017 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nr. 8 des angefochtenen Bescheids angeordnet, soweit darin ein Zwangsgeld für die nicht fristgerechte Abgabe des ungültigen Jagdscheins Nr. 120/95 angedroht wird. Im Übrigen wurde der Eilantrag abgelehnt.
Der Antragsteller hat dagegen Beschwerde eingelegt und lässt unter anderem vortragen:
Bezüglich der Nr. 1 des Bescheids sei mit Schriftsatz vom 11. Juni 2017 Verpflichtungsklage erhoben worden. Somit sei der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO diesbezüglich zulässig.
Der Antragsteller beantragt,
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg wird aufgehoben, soweit der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt wurde.
Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Landratsamts Miltenberg vom 16. März 2017 wird in vollem Umfang angeordnet.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
3. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die vorgelegten Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache mangels Statthaftigkeit des Eilantrags keinen Erfolg.
1.1 Für die Klage gegen Nr. 2 (sofortige „Sicherstellung“ des ungültigen Jagdscheins Nr. 120/95 und sofortige „Einziehung“ des ungültigen Jagdscheins Nr. 120/95) und Nr. 6 Buchst. b (Übergabe des ungültigen Jagdscheins Nr. 120/95) des Bescheids vom 16. März 2017 bedarf es nicht der Wiederherstellung oder Anordnung der aufschiebenden Wirkung durch das Gericht. Die Klage hat diese Wirkung, worauf der Antragsgegner im Beschwerdeverfahren zu Recht hingewiesen hat, bereits nach der allgemeinen Regel des § 80 Abs. 1 VwGO.
Das Landratsamt hat die sofortige Vollziehung dieser Maßnahmen weder im angefochtenen Bescheid noch später angeordnet. Sie sind entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch nicht nach § 46 Abs. 4 Satz 3 WaffG kraft Gesetzes sofort vollziehbar. Eine Anfechtungsklage hat danach keine aufschiebende Wirkung, wenn sie sich dagegen richtet, dass die Behörde eine Erlaubnisurkunde auf der Grundlage des § 46 Abs. 4 Satz 1 WaffG sofort sichergestellt hat. Diese waffenrechtliche Befugnis erstreckt sich allerdings nicht auf einen Jagdschein, sondern nur auf solche Erlaubnisurkunden, die nach dem Waffengesetz ausgestellt wurden (vgl. Lehmann/v. Grotthuss, Aktuelles Waffenrecht, Stand Juni 2017, § 46 Rn. 73 u. 75).
Es besteht bei der gebotenen summarischen Prüfung auch kein konkreter Anhalt dafür, dass bezüglich des (ungültigen) Jagdscheins Nr. 120/95, der sich nach Lage der Akten noch im Besitz des Antragstellers befindet, eine faktische Vollziehung droht. Das gilt umso mehr, als das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet hat, soweit sie sich gegen die der Durchsetzung der Rückgabepflicht dienende Zwangsgeldandrohung richtet.
1.2 Der Antrag auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist nicht statthaft, soweit er sich, wie auch das Beschwerdevorbringen deutlich macht, auf Nr. 1 des Bescheids (Versagung der Verlängerung des Jagdscheins) erstreckt. Denn in der Hauptsache geht es dem Antragsteller darum, dass der Beklagte verpflichtet wird, einen Jahresjagdschein zu verlängern. Das verdeutlicht auch der nach Erlass des angefochtenen Beschlusses mit Schriftsatz vom 11. Juni 2017 formulierte Verpflichtungsantrag. Vorläufiger Rechtsschutz ist insoweit nur durch eine einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO zu erlangen. Der vom anwaltlichen Bevollmächtigten des Antragstellers ausdrücklich gestellte Aussetzungsantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO kann nicht in einen Antrag nach § 123 VwGO umgedeutet werden (vgl. OVG NW, B.v. 19.2.2004 – 18 B 522.03 – juris).
2. Die Anfechtung der Entscheidung über die Kosten (§ 158 Abs. 1 VwGO) ist zulässig, weil der Antragsteller gegen die Entscheidung in der Hauptsache eine zulässige Beschwerde eingelegt hat. Sie bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.
Der Antragsteller wendet sich dagegen, dass ihm das Verwaltungsgericht nach § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO die Kosten ganz auferlegt hat. Er meint, er habe zu 50 v.H. obsiegt. Er habe die Anordnung der aufschiebenden Wirkung bezüglich der Nr. 8 des angegriffenen Bescheids erwirkt, wohingegen er bezüglich Nr. 2 des Bescheids unterlegen sei.
Das greift nicht durch. Nach § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO können einem Beteiligten die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist. Ein solches geringfügiges Unterliegen des Antragsgegners hat das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen. Der Eilantrag hatte in erster Instanz lediglich bezüglich eines gänzlich untergeordneten Teils Erfolg, nämlich hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung, die das Landratsamt mit Blick auf die Verpflichtung zur Rückgabe des ungültigen Jagdscheins Nr. 120/95 verfügte (Nr. 8 des Bescheids vom 16.3.2017). Hinsichtlich der wesentlichen Maßnahmen hat das Verwaltungsgericht den Eilantrag abgelehnt.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
4. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nrn. 20.3 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. vom 18. Juli 2013 (abgedr. in Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, Anhang zu § 164 Rn. 14).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.


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