Verwaltungsrecht

vorläufiger Rechtsschutz, räumliche Beschränkung des Aufenthalts, Vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer, Sofortvollzug, Zwangsgeldandrohung

Aktenzeichen  Au 9 S 21.2170

Datum:
8.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 35400
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5 S. 1
VwGO § 80 Abs. 2 Nr. 4
AufenthG § 61 Abs. 1c
VwZVG Art. 21a
VwZVG Art. 31

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine vom Antragsgegner verfügte räumliche Beschränkung des Aufenthalts auf das Gebiet des Landkreises … und der Stadt …
Der am … 1987 in … (Nigeria) geborene Antragsteller ist nigerianischer Staatsangehöriger. Er reiste am 25. April 2015 erstmalig in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er unter dem 4. Mai 2015 einen Asylerstantrag stellte. Mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 24. März 2017 (Gz.: …) wurde der Asylantrag des Antragstellers abgelehnt. Weiter wurde festgestellt, dass nationale Abschiebungsverbote nicht vorliegen. Dem Antragsteller wurde die Abschiebung nach Nigeria bzw. in einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht. Die vom Antragsteller gegen die vorbezeichnete Entscheidung am 4. April 2017 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erhobene Klage (Az.: Au 7 K 17.31903) wurde mit Urteil vom 15. April 2019 abgewiesen. Der hiergegen beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gestellte Antrag auf Zulassung der Berufung wurde mit Beschluss vom 29. Juli 2019 abgelehnt. Der Antragsteller ist seit dem 29. Juli 2019 vollziehbar ausreisepflichtig.
Unter dem 24. Juni 2021 stellte der Antragsteller einen Asylfolgeantrag (§ 71 Asylgesetz – AsylG), über den bislang noch nicht entschieden worden ist. Derzeit ist der Antragsteller im Besitz einer Duldung.
Der Antragsteller ist seit dem 12. Oktober 2018 mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet.
Im Zeitraum vom 25. April 2015 bis zum 18. März 2019 lag die ausländerrechtliche Zuständigkeit für den Antragsteller beim Landratsamt … Vom 19. März 2019 bis zum 31. Januar 2020 bestand eine ausländerrechtliche Zuständigkeit bei der kreisfreien Stadt … Mit der Zuweisung des Wohnsitzes des Antragstellers nach … (Landkreis …) wurde eine erneute ausländerrechtliche Zuständigkeit beim Landratsamt … begründet.
Am 1. April 2021 verlegte der Antragsteller zusammen mit seiner Ehefrau ohne ausländerrechtliche Genehmigung seinen Wohnsitz nach … (Nordrhein-Westfalen).
Während seines Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland ist der Antragsteller mehrfach straffällig geworden. Zu seinen Lasten liegen folgende Verurteilungen vor:
1. AG Miesbach vom 17.7.2015: Verurteilung zu 20 Tagessätzen wegen Betrug
2. AG Kaufbeuren vom 27.12.2016: Verurteilung zu 20 Tagessätzen wegen Erschleichen von Leistungen
3. AG Kaufbeuren vom 17.9.2018: 200 Tagessätze: Nachträglich durch Beschluss gebildete Gesamtstrafe; einbezogen wurde die Entscheidung vom 06.2.2018 (AG Kaufbeuren: Verurteilung zu 160 Tagessätzen wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit versuchtem gemeinschaftlichen Betrug in Tatmehrheit mit Beleidigung in 2 tatmehrheitlichen Fällen) sowie die Entscheidung vom 24.11.2017 (AG Landsberg: Verurteilung zu 60 Tagessätzen wegen Beleidigung in Tatmehrheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte)
4. AG Kaufbeuren vom 30.4.2019: Verurteilung zu 20 Tagessätzen wegen Hausfriedensbruchs
5. AG Kaufbeuren vom 07.4.2020: Verurteilung zu 90 Tagessätzen wegen Erschleichen von Leistungen
6. AG Kaufbeuren vom 18.8.2020: Verurteilung zu 70 Tagessäten wegen unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln
7. AG Kaufbeuren vom 11.1.2021: Verurteilung zu 3 Monaten Freiheitsstrafe mit einer Bewährungszeit von 3 Jahren wegen vorsätzlichem unerlaubten Erwerb von Betäubungsmitteln
Unter dem 1. Juli 2021 beantragte der Antragsteller, die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) bzw. nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Weiter beantragte er die Gestattung des Umzuges nach …
Mit Schreiben des Landratsamts … vom 18. August 2021 wurde der Antragsteller zur beabsichtigten Ablehnung seiner Anträge angehört.
Mit Bescheid des Landratsamts … vom 14. Oktober 2021 wurden die Anträge des Antragstellers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis abgelehnt (Nrn. 1 und 2 des Bescheids). In Nr. 3 des Bescheids wurde der weitergehende Antrag des Antragstellers auf Streichung der Wohnsitzauflage und Gestattung des Umzuges nach … (Nordrhein-Westfalen) ebenfalls abgelehnt. Nr. 5 des Bescheids beschränkt den Aufenthalt des Antragstellers räumlich auf das Gebiet des Landkreises … und der Stadt … Für die räumliche Beschränkung des Aufenthalts wurde in Nr. 6 des Bescheids die sofortige Vollziehung angeordnet. Nr. 7 droht dem Antragsteller im Falle einer Zuwiderhandlung gegen Nr. 5 des Bescheids ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR an.
Zur Begründung seiner Entscheidung zu der in Nr. 5 verfügten räumlichen Beschränkung des Aufenthalts führt der Antragsgegner aus, dass eine räumliche Beschränkung des Aufenthalts eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers gem. § 61 Abs. 1c Satz 1 AufenthG angeordnet werden könne, wenn erstens der Ausländer wegen einer Straftat, mit Ausnahme einer solchen Straftat, deren Tatbestand nur von Ausländern verwirklicht werden könne, rechtskräftig verurteilt worden ist, zweitens Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Ausländer gegen Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes verstoßen hat oder drittens konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung gegen den Ausländer bevorstehen. § 61 Abs. 1c Nr. 1 AufenthG diene dem öffentlichen Interesse daran, die Bewegungsfreiheit eines straffällig gewordenen Ausländers zu beschränken, um der Begehung weiterer Straftaten entgegen zu wirken bzw. diese zu begrenzen und den Strafverfolgungsbehörden die Aufklärung zu erleichtern. Beim Antragsteller seien die Tatbestandsvoraussetzungen des § 61 Abs. 1c Satz 1 Nr. 1 AufenthG eindeutig erfüllt. Das Asylverfahren des Antragstellers sei seit dem 29. Juli 2019 rechtskräftig abgeschlossen, sodass der Antragsteller vollziehbar ausreisepflichtig sei. Sein Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland sei derzeit lediglich geduldet. Bei der Entscheidung nach § 61 Abs. 1c Satz 1 AufenthG handle es sich um eine Ermessensentscheidung. Nach Ausübung pflichtgemäßem Ermessens werde die räumliche Beschränkung auf den Bereich des Landkreises … und das Stadtgebiet … angeordnet. Eine ermessensfehlerfreie Entscheidung setze eine hinreichend gewichtige Wiederholungsgefahr für Straftaten voraus. Dies sei beim Antragsteller insbesondere aufgrund seiner wiederholten und nicht unerheblichen Straffälligkeit erfüllt. Die persönlichen Interessen des Antragstellers an einem weiteren Verbleib im … und an seiner Bewegungsfreiheit müssten gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer solchen Beschränkung zurücktreten. Nur so könne der hinreichend gewichtig bestehenden Wiederholungsgefahr mittels Ortsbezug, verbunden mit engmaschigen behördlichen Kontrollen begegnet werden. Durch die räumliche Beschränkung liege auch kein Verstoß gegen Art. 6 Grundgesetz (GG) im Hinblick auf die schützenswerte Ehe des Antragstellers vor. Die sofortige Vollziehung werde angeordnet, da das öffentliche Interesse am Sofortvollzug über jenes hinausgehe, welches die Entscheidung selbst begründe. Die Anordnung des Sofortvollzugs sei erforderlich, da ansonsten in Kauf genommen werden müsse, dass der Antragsteller die räumliche Beschränkung erst nach einem gegebenenfalls länger andauernden Hauptsacheverfahren einhalten müsste. Dieses laufe im Hinblick auf die bestehende vollziehbare Ausreisepflicht und der bisherigen Verurteilungen dem Sinn und Zweck der Maßnahme zuwider. Für eine sofortige Durchsetzung der räumlichen Beschränkung sei erforderlich, dass ein vollziehbarer Bescheid vorliege. Andernfalls sei zu befürchten, dass der Antragsteller die räumliche Beschränkung seines Aufenthalts missachte. Rechtsgrundlage für die Androhung des Zwangsgeldes seien Art. 29, 31 und 36 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG). Demnach können Verwaltungsakte, mit denen die Herausgabe einer Sache, die Vornahme einer sonstigen Handlung oder einer Duldung oder Unterlassung gefordert werde, mit Zwangsmittel vollstreckt werden. Das Zwangsgeld diene dazu, den Antragsteller zur Einhaltung der räumlichen Beschränkung anzuhalten. Ein milderes, ebenso effektives Zwangsmittel sei nicht ersichtlich. Die Androhung des Zwangsgelds sei im Hinblick auf die geplante Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes – unerlaubter Aufenthalt im Bundesgebiet als auch in der Stadt … – als verhältnismäßig anzusehen. Die Höhe des Zwangsgelds bemesse sich nach Art. 31 Abs. 2 Satz 2 VwZVG nach dem wirtschaftlichen Interesse des Antragstellers an der Vornahme der geforderten Handlung.
Auf den weiteren Inhalt des Bescheids des Landratsamts … vom 14. Oktober 2021 wird ergänzend verwiesen.
Der Antragsteller hat gegen den Bescheid mit Schriftsatz vom 26. Oktober 2021 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erhoben mit den Anträgen,
den streitgegenständlichen Bescheid des Antragsgegners vom 14. Oktober 2021 in dessen Nr. 3 und 5 bis 7 aufzuheben (Az.: Au 9 K 21.2169).
Über die vorbezeichnete Klage ist noch nicht entschieden worden.
Ebenfalls mit Schriftsatz vom 26. Oktober 2021 hat der Antragsteller im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage (Az.: Au 9 K 21.2169) wiederherzustellen bzw. wieder anzuordnen.
Zur Begründung wird ausgeführt, da die Wohnsitzauflage zu streichen und dem Antragsteller die Wohnsitznahme im … zu gestatten sei, sei auch die hier streitgegenständliche räumliche Beschränkung des Aufenthalts des Antragstellers auf das Gebiet des Landkreises … rechtswidrig. Dem Antragsteller sei die Wohnsitzaufnahme im … zu gestatten. Da der Antragsteller mit einer deutschen Staatsangehörigen verheiratet sei und mit dieser derzeit in einer Haushaltsgemeinschaft lebe und der Lebensunterhalt dauerhaft gesichert sei, reduziere sich das Ermessen in Bezug auf die Wohnsitzauflage unter Berücksichtigung des besonderen Schutzes von Ehe und Familie auf Null. Damit könne aber auch kein Interesse am Sofortvollzug der räumlichen Beschränkung bestehen. Deshalb erweise sich die räumliche Beschränkung im Ergebnis ebenfalls als rechtswidrig.
Für das weitere Vorbringen des Antragstellers wird auf den Klage- und Antragsschriftsatz vom 26. Oktober 2021 verwiesen.
Der Antragsgegner hat dem Gericht die einschlägige Verfahrensakte vorgelegt. Mit Schriftsatz vom 3. November 2021 hat der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung ist ausgeführt, dass gem. § 61 Abs. 1c Satz 1 Nr. 1 AufenthG eine räumliche Beschränkung des Aufenthalts eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers angeordnet werden könne, wenn der Ausländer wegen einer Straftat, mit Ausnahme solcher Straftaten, deren Tatbestand nur von Ausländern verwirklicht werden könne, verurteilt worden sei. Dies sei beim vollziehbar ausreisepflichtigen Antragsteller offensichtlich erfüllt. Der Antragsteller sei mehrfach vorbestraft. Nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens seien keinerlei Gründe ersichtlich, die einer räumlichen Beschränkung zuwiderlaufen würden. Auf die weiteren Ausführungen im Antragserwiderungsschriftsatz vom 3. November 2021 wird ergänzend verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und auf die vom Antragsgegner vorgelegte Verfahrensakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage (Az.: Au 9 K 21.2169) hat keinen Erfolg.
1. Der Antrag ist zulässig.
Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner am 26. Oktober 2021 erhobenen Klage (Az.: Au 9 K 21.2169) hinsichtlich der nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO für sofort vollziehbar erklärten Nr. 5 des streitgegenständlichen Bescheids des Antragsgegners vom 14. Oktober 2021 (räumliche Beschränkung des Aufenthalts auf das Gebiet des Landkreises … und der kreisfreien Stadt …) sowie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hinsichtlich der nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a VwZVG kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Zwangsgeldandrohung in Nr. 7 des mit der Klage angegriffenen Bescheids.
2. Der Antrag ist in der Sache jedoch unbegründet.
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsakts angeordnet ist, die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen den zugrundeliegenden Bescheid ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. in den Fällen, in denen die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs kraft Gesetzes entfällt, die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs anordnen. Das Gericht prüft bei ersterem, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind, und trifft im Übrigen jeweils eine eigene Abwägungsentscheidung. Bei der im Rahmen dieser Entscheidung gebotenen Interessenabwägung kommt vor allem den Erfolgsaussichten des Verfahrens in der Hauptsache besondere Bedeutung zu. Bleibt das Hauptsacheverfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos, so wird die Abwägung in der Regel zum Nachteil des Betroffenen ausfallen. Hat der Rechtsbehelf in der Hauptsache hingegen voraussichtlich Erfolg, so ist dessen aufschiebende Wirkung wiederherzustellen bzw. anzuordnen. Wenn sich bei der im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens allein möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage dagegen weder die offensichtliche Rechtswidrigkeit noch die offensichtliche Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung feststellen lässt, hängt der Ausgang des Verfahrens vom Ergebnis einer vom Gericht vorzunehmenden weiteren Interessenabwägung ab (vgl. BayVGH, B.v. 5.3.2015 – 10 CS 14.2244 – juris).
a) Die Anordnung der sofortigen Vollziehung in Nr. 6 des streitgegenständlichen Bescheids ist formell rechtmäßig.
Soweit die Behörde die sofortige Vollziehung ausdrücklich angeordnet hat (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) hat das Gericht zunächst zu prüfen, ob sich die behördliche Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung als im Sinne des § 80 Abs. 3 VwGO ausreichend erweist; ist das nicht der Fall, hat das Gericht die Vollziehungsanordnung ohne weitere Sachprüfung aufzuheben, nicht jedoch die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs in der Hauptsache wiederherzustellen (vgl. BayVGH, B.v. 9.12.2013 – 10 CS 13.1782 – juris).
Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen der Anordnung des Sofortvollzugs nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Dabei reicht jede schriftliche Begründung, die zu erkennen gibt, dass die anordnende Behörde eine Anordnung des Sofortvollzugs im konkreten Fall für geboten erachtet. Die Begründung muss kenntlich machen, dass sich die Behörde bewusst ist, von einem rechtlichen Ausnahmefall Gebrauch zu machen (Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 55). Es müssen die besonderen, auf den konkreten Fall bezogenen Gründe angegeben werden, die die Behörde dazu bewogen haben, den Suspensiveffekt aus § 80 Abs. 1 VwGO auszuschließen (vgl. BayVGH, B.v. 16.2.2000 – 10 CS 99.3290 – juris Rn. 16). Es kommt hingegen nicht darauf an, ob die angeführten Gründe den Sofortvollzug tatsächlich rechtfertigen und ob die für die sofortige Vollziehung angeführten Gründe erschöpfend und zutreffend dargelegt sind.
Diesen Vorgaben wird die streitgegenständliche Begründung des Sofortvollzugs gerecht. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist mit einer hinreichenden Begründung versehen, mithin also formell rechtmäßig. Der Antragsgegner hat in der streitgegenständlichen Anordnung vom 14. Oktober 2021 ausgeführt, dass die Anordnung des Sofortvollzugs erforderlich sei, da ansonsten in Kauf genommen werden müsste, dass der Antragsteller die räumliche Beschränkung erst nach einem gegebenenfalls länger andauernden Hauptsacheverfahren einhalten müsste, was im Hinblick auf die seit mehr als zwei Jahren bestehende vollziehbare Ausreisepflicht und der bisherigen strafrechtlichen Verurteilungen des Antragstellers im Sinn und Zweck der Maßnahme zuwiderlaufen würde. Ohne sofort vollziehbaren Bescheid sei zu befürchten, dass der Antragsteller die räumliche Beschränkung seines Aufenthalts missachte. Das öffentliche Interesse am Sofortvollzug überwiege daher das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung.
Die Begründung des Sofortvollzugs ist vorliegend fallbezogen und nicht lediglich floskelhaft erfolgt. Mit Blick darauf, dass an den Inhalt der schriftlichen Begründung des Sofortvollzugs keine zu hohen Anforderungen zu stellen sind, genügt die Begründung des Sofortvollzugs vorliegend den Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 VwGO. Eine Aufhebung der Anordnung des Sofortvollzugs aus formellen Gründen war daher nicht veranlasst. Der Funktion des Begründungserfordernisses aus § 80 Abs. 3 VwGO, die vor allem darin besteht, der Behörde die besondere Ausnahmesituation bewusst zu machen, wurde jedenfalls ausreichend Rechnung getragen. Ob die behördliche Begründung inhaltlich zutreffend ist, ist im Rahmen der Prüfung nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO unerheblich.
Auch wenn der Gesetzgeber dadurch, dass er in § 84 AufenthG für Anordnungen nach § 61 Abs. 1c AufenthG nicht das gesetzliche Entfallen der aufschiebenden Wirkung einer Klage angeordnet und damit nicht per se ein Bedürfnis für eine sofortige Durchsetzbarkeit der Anordnung gesehen hat (vgl. OVG LSA, B.v. 25.4.2018 – 2 M 24/18 – juris Rn. 5), kann bei aufenthaltsbeschränkenden Anordnungen nach § 61 Abs. 1c AufenthG, die letztlich dazu dienen, den vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer enger an den Bezirk der Ausländerbehörde zu binden, eine bessere Erreichbarkeit für etwaige Mitwirkungshandlungen zu gewährleisten und ein mögliches Untertauchen zu erschweren (vgl. BT-Drs. 18/11546, S. 22), das besondere Vollzugsinteresse identisch sein mit dem Erlassinteresse, was sich aus dem Vergleich mit dem gesetzlichen Wegfall der aufschiebenden Wirkung bei Anordnungen gemäß § 84 Abs. 1 Nr. 1a und 2 AufenthG ergibt (vgl. BayVGH, B.v. 2.8.2021 – 19 CS 21.1634 – juris Rn. 7; B.v. 31.5.2021 – 19 CS 20.261 – juris Rn. 11).
b) Das Interesse an einer sofortigen Vollziehbarkeit einer Aufenthaltsbeschränkung des Antragstellers überwiegt bei der im Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung von Sach- und Rechtslage das Aussetzungsinteresse des Antragstellers, da sich die mit der Klage angefochtene Aufenthaltsbeschränkung (Nr. 5 des streitgegenständlichen Bescheids) im Hinblick auf die wiederholte Straffälligkeit des Antragstellers, dessen ungenehmigte Verlagerung des Wohnsitzes vom Landkreis … nach … (Nordrhein-Westfalen) auch unter Berücksichtigung der bestehenden Ehe des Antragstellers mit einer deutschen Staatsangehörigen als voraussichtlich rechtmäßig erweisen wird.
In § 61 AufenthG ist die räumliche Beschränkung des Aufenthalts vollziehbar Ausreisepflichtiger insbesondere im Wege einer Wohnsitzauflage sowie die Schaffung von Ausreiseeinrichtungen geregelt. Während § 61 Abs. 1 bis Abs. 1b AufenthG die räumliche Beschränkung eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers auf das Gebiet eines Landes bzw. einer Ausländerbehörde und das Erlöschen dieser Beschränkungen nach drei Monaten regelt, kann nach § 61 Abs. 1c AufenthG weitergehend eine räumliche Beschränkung des Aufenthalts eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers angeordnet werden, wenn u.a. der Ausländer wegen einer Straftat, mit Ausnahme solcher Straftaten, deren Tatbestand nur von Ausländern verwirklicht werden kann, rechtskräftig verurteilt worden ist (§ 61 Abs. 1c Satz 1 Nr. 1 AufenthG).
Vorliegend begegnet die auf § 61 Abs. 1c Satz 1 Nr. 1 AufenthG gestützte räumliche Beschränkung des Aufenthalts des Antragstellers auf das Gebiet des Landkreises … und der kreisfreien Stadt … im Eilverfahren keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 61 Abs. 1c Satz 1 Nr. 1 AufenthG, wonach eine räumliche Beschränkung des Aufenthalts eines vollziehbar ausreisepflichtigen unabhängig von § 61 Abs. 1 bis 1b AufenthG angeordnet werden kann, wenn der Ausländer wegen einer Straftat, mit Ausnahme einer solchen Straftat, deren Tatbestand nur von Ausländern verwirklicht werden kann, rechtskräftig verurteilt worden ist, liegt beim Antragsteller unstreitig vor. Der Antragsteller hat zwischen dem 17. Juli 2015 und dem 11. Januar 2021 sieben strafrechtliche Verurteilungen verwirklicht. Er wurde zu einer Geldstrafe von insgesamt 420 Tagessätzen sowie zuletzt wegen vorsätzlichem unerlaubten Erwerb von Betäubungsmitteln durch das Amtsgericht Kaufbeuren zu einer dreimonatigen Freiheitsstrafe mit einer Bewährungszeit von drei Jahren verurteilt.
Wohnsitzbeschränkende Auflagen müssen darüber hinaus im Einzelfall ihre Rechtfertigung in dem Zweck des Gesetzes und der vom Gesetzgeber gewollten Ordnung der Materie finden. Sie müssen aufenthaltsrechtlich erheblichen Gründen dienen und in diesem Sinne sachgerecht sein und müssen die verfassungsrechtlichen Vorgaben wahren, was insbesondere dann nicht mehr der Fall wäre, wenn sie in erster Linie Sanktionscharakter hätten und sich vornehmlich als schikanös darstellen würden (vgl. BayVGH, B.v. 31.5.2021 – 19 CS 20.261 – juris Rn. 7; B.v. 3.6.2014 – 10 C 13.396 – juris Rn. 9; B.v. 17.3.2010 – 19 C 09.2583 – juris Rn. 12). Diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben genügt die räumliche Beschränkung des Aufenthalts im vorliegenden Fall, da nach den Ausführungen des Antragsgegners im streitgegenständlichen Bescheid Zweck der Anordnung ist, dass der Antragsteller für Maßnahmen der Ausländerbehörde in räumlicher Nähe zur Verfügung steht und die aufenthaltsbeschränkende Anordnung deshalb dazu dient, den vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer enger an den Bezirk, der nach wie vor zuständigen Ausländerbehörde zu binden und ein mögliches Untertauchen zu erschweren. Dies erscheint insbesondere in Bezug auf die mehrfache Straffälligkeit des Antragstellers im Zeitraum zwischen den Jahren 2015 und 2021 sachlich geboten.
c) Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen für die Anordnung einer räumlichen Beschränkung des Aufenthalts vor, so steht die Anordnung im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde. Gerichtlich überprüfbare Ermessensfehler sind bei der gebotenen summarischen Überprüfung nicht erkennbar (§ 114 Satz 1 VwGO, Art. 40 BayVwVfG).
Unter Berücksichtigung des Normzwecks der Anordnung der räumlichen Aufenthaltsbeschränkung sind die vom Antragsgegner angestellten Ermessenserwägungen nicht zu beanstanden. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der geltend gemachten am 12. Oktober 2018 erfolgten Eheschließung mit einer deutschen Staatsangehörigen und der aktuellen Lebensgemeinschaft des Antragstellers mit seiner Ehefrau in … (Nordrhein-Westfalen). Der Antragsgegner hat das ihm aus § 61 Abs. 1c Satz 1 AufenthG zustehende Ermessen erkannt und fehlerfrei ausgeübt.
Die bestehende Ehe des Antragstellers mit einer deutschen Staatsangehörigen und die aktuelle Führung der Lebensgemeinschaft in … (Nordrhein-Westfalen) führt nicht zur Ermessensfehlerhaftigkeit der vom Antragsgegner getroffenen Entscheidung der räumlichen Beschränkung des Aufenthalts des Antragstellers. Zum einen ist insoweit zu berücksichtigen, dass das Landratsamt … seit dem 1. Februar 2020 nach wie vor zuständige Ausländerbehörde für den Antragsteller ist. Eine ausländerrechtliche Zuständigkeit der Stadt … (Nordrhein-Westfalen) ist im Verfahren nicht dargetan. Es liegt aber auch kein unverhältnismäßiger Eingriff in das von Art. 8 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) bzw. Art. 6 GG geschützte Familien- und Privatleben vor. Art. 8 EMRK beinhaltet grundsätzlich kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einen bestimmten Staat (Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, Stand: Oktober 2021, § 25 AufenthG Rn. 189). Auch gilt es zu berücksichtigen, dass die Ehefrau des Antragstellers als deutsche Staatsangehörige ihrerseits keinen Beschränkungen in der Wohnsitznahme unterliegt (vgl. zu einer solchen Konstellation VG Magdeburg, U.v. 13.3.2020 – 8 A 279/19 – juris Rn. 35). Für den Antragsteller besteht damit auch unter Beachtung der räumlichen Beschränkung die Möglichkeit zukünftig im Landkreis … eine Haushaltsgemeinschaft zu begründen, wie sie vormals bereits über einen längeren Zeitraum bestanden hat. Auch kann an dieser Stelle nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Antragsteller bereits seit dem 29. Juli 2019 vollziehbar ausreisepflichtig ist und dessen Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG bzw. § 25 Abs. 5 AufenthG mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid ebenfalls abgelehnt wurden und sich die zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg am 26. Oktober 2021 erhobene Klage ausdrücklich nicht auf diese Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis erstreckt.
Nach allem dürfte sich die hier streitgegenständliche räumliche Beschränkung des Aufenthalts auf das Gebiet des Landkreises … und der kreisfreien Stadt … durch die nach wie vor für den Antragsteller zuständige Ausländerbehörde als rechtmäßig erweisen und die Klage (Az.: Au 9 K 21.2169) voraussichtlich erfolglos bleiben.
2. Die in Nr. 7 des mit der Klage angegriffenen Bescheids ausgesprochene Zwangsgeldandrohung (500,00 EUR) begegnet ebenfalls keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Auch insoweit wird die Klage des Antragstellers in der Hauptsache voraussichtlich ohne Erfolg bleiben. Die Zwangsgeldandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 29 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 30, 31 und 36 VwZVG. Die Höhe des Zwangsgeldes hält sich im gesetzlichen Rahmen von Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG, wonach das Zwangsgeld mindestens 15,00 EUR und höchstens 50.000,00 EUR beträgt. Mit der für sofort vollziehbar erklärten Nr. 5 des streitgegenständlichen Bescheids liegt auch ein nach Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG vollstreckbarer Verwaltungsakt vor. Die Höhe des angebotenen Zwangsgelds ist unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung und der Dringlichkeit der vom Antragsteller zu erfüllenden Pflicht als angemessen zu betrachten.
3. Nach allem war der Antrag daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Als im Verfahren unterlegen hat der Antragsteller die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. Nr. 1.5 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (Sonderbeilage BayVBl, Januar 2014). Der in der Hauptsache gebotene Streitwert in Höhe von 5.000,00 EUR (§ 52 Abs. 2 GKG) war im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren.


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