Verwaltungsrecht

Vormerkung für eine Sozialwohnung

Aktenzeichen  M 12 K 15.3433

Datum:
25.1.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayWoBindG BayWoBindG Art. 5

 

Leitsatz

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht München
Aktenzeichen: M 12 K 15.3433
Im Namen des Volkes
Gerichtsbescheid
vom 25. Januar 2016
12. Kammer
Sachgebiets-Nr. 561
Hauptpunkte:
Vormerkung für eine Sozialwohnung
Rechtsquellen:
In der Verwaltungsstreitsache
…, geb. … c/o …
– Klägerin –
gegen
…, Sozialreferat Amt für Wohnen und Migration vertreten durch den Oberbürgermeister
– Beklagte –
wegen Vormerkung für eine Sozialwohnung
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 12. Kammer,
durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht …, den Richter am Verwaltungsgericht …, die Richterin … am 25. Januar 2016 folgenden Gerichtsbescheid:
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Die am … geborene Klägerin wohnt derzeit in einer Pension in München.
Am … März bzw. … April 2015 beantragte sie die Registrierung für eine öffentlich geförderte Wohnung. Zur Begründung wurde ausgeführt, sie brauche dringend eine Wohnung. Sie habe Magenschmerzen und könne in der Pension nicht kochen. Sie habe Hautprobleme und brauche eigene Bettwäsche.
Mit Schreiben vom … Mai 2015, beim Sozialgericht München am 27. Mai 2015 eingegangen, hat die Klägerin Klage erhoben, um eine Sozialwohnung bzw. einen Dringlichkeitsvermerk zu erhalten.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sie seit mehreren Jahren Anträge gestellt habe, sie die Beklagte aber nur mobbe. Sie sei seit 1987 in Deutschland. Seit September 2001 wohne sie in München. Pensionen und Notunterkünfte seien aber kein Zuhause.
Mit Beschluss des Sozialgerichts München vom 12. Juni 2015 wurde der Rechtsstreit an das Bayerische Verwaltungsgericht München verwiesen.
Mit Bescheid vom 19. November 2015 hat die Beklagte die Klägerin für eine öffentlich geförderte Wohnung vorgemerkt. Als angemessene Wohnungsgröße wurde ein Wohnraum mit einer Fläche ab 10 qm festgesetzt. Die Dringlichkeit des Antrags wurde mit 121 Punkten (96 Grundpunkte, 10 Vorrangpunkte, 15 Anwesenheitspunkte wegen 14 Jahren Hauptwohnsitzzeit in München) in Rangstufe I festgesetzt.
Mit Schreiben vom 19. November 2015 hat die Beklagte vorab einer Erledigungserklärung zugestimmt und sich zur Übernahme der Verfahrenskosten bereit erklärt.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 24. November 2015 wurde die Klägerin gebeten, bis 15. Dezember 2015 mitzuteilen, ob die Hauptsache für erledigt erklärt wird. Eine Reaktion der Klägerin auf das Schreiben ist nicht erfolgt.
Den Beteiligten wurde mit gerichtlichem Schreiben vom 18. Dezember 2015 Gelegenheit zur Äußerung zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid gegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Über die Klage kann nach vorheriger Anhörung durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da sie keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 VwGO).
1. Die Klage ist zulässig. Der Streitgegenstand der Untätigkeitsklage umfasst auch den im Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht ergangenen Verwaltungsakt. Entspricht der Verwaltungsakt nicht dem, was der Kläger mit seiner Klage begehrt, kann er seine Klage unter Einbeziehung des ergangenen Verwaltungsakts als Verpflichtungsklage fortsetzen. Ein entsprechender Hinweis ist zwar empfehlenswert, aber nicht notwendig (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl. 2014, § 75 Rn. 21).
2. Nachdem die Klägerin trotz des Bescheides vom 19. November 2015 und der Anfrage vom 24. November 2015 die Hauptsache nicht für erledigt erklärt hat, legt das Gericht das Klagebegehren gem. § 88 VwGO dahingehend aus, dass die Klägerin eine Vormerkung für eine größere Wohnung bzw. mit höherer Dringlichkeit als im Bescheid der Beklagten vom 19. November 2015 festgesetzt anstrebt.
3. Die so verstandene Klage ist in der Sache jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vormerkung für eine größere Wohnung bzw. mit höherer Dringlichkeit (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Bescheid der Beklagten vom 19. November 2015 ist vielmehr rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
a) Die Dringlichkeit des Vormerkantrags der Klägerin wurde in Nr. 4 des Bescheides vom 19. November 2015 ermessensfehlerfrei mit 121 Punkten in Rangstufe I festgesetzt.
Die Landeshauptstadt München gehört zu den Gebieten mit erhöhtem Wohnungsbedarf. Die Beklagte hat als zuständige Stelle in Bezug auf Sozialwohnungen nach Art. 5 Satz 2 des Bayerischen Wohnungsbindungsgesetzes (BayWoBindG) gegenüber den Verfügungsberechtigten ein Benennungsrecht. Bei der Benennung sind gemäß Art. 5 Satz 3 BayWoBindG insbesondere schwangere Frauen, Familien und andere Haushalte mit Kindern, junge Ehepaare, alleinstehende Elternteile mit Kindern, ältere Menschen und schwerbehinderte Menschen vorrangig zu berücksichtigen. Das Benennungsrecht ermächtigt die zuständige Behörde aus Gründen der Praktikabilität auch, vor der eigentlichen Benennung eine rechtlich verbindliche Vorentscheidung über die Voraussetzungen der Wohnberechtigung und über den Grad der sozialen Dringlichkeit zu treffen. Diese Vorentscheidung erfolgt durch Aufnahme in eine nach Dringlichkeitsstufen und Punkten differenzierende Vormerkkartei, wobei es sich um einen im Ermessen der Behörde stehenden Verwaltungsakt handelt (BayVGH vom 23.9.1987, DWW 1988, 55).
Zur gleichmäßigen Ermessensausübung hat die Beklagte eine Punktetabelle erstellt. Es handelt sich dabei um eine ermessensbindende interne Richtlinie, deren konsequente Anwendung dem Gleichbehandlungsgrundsatz entspricht und die regelmäßig zu einer Selbstbindung der Verwaltung führt. Diese Punktetabelle ist ein geeignetes Mittel, um die Bewertung der sozialen Dringlichkeit transparent zu machen und dem Grundsatz der Gleichbehandlung Rechnung zu tragen (BayVGH vom 14.4.1999 – 24 S 99.110). Nach der Punktetabelle können 96 Grundpunkte vergeben werden bei Wohnungslosen, die – wie die Klägerin – in einer gewerblichen Pension leben.
Des Weiteren sind der Klägerin – wie im Bescheid vom 19. November 2015 erfolgt – 10% der Grundpunkte als Vorrangpunkte zu erteilen, da sie das 60. Lebensjahr bereits vollendet hat.
14% der Summe aus Grund- und Vorrangpunkten, also 15 Punkte, sind der Klägerin schließlich als Anwesenheitspunkte zu erteilen. Dabei hat die Beklagten die von der Klägerin selbst vorgetragene Hauptwohnsitzzeit seit 2001 zugrunde gelegt.
Die Festsetzung einer Gesamtpunktezahl von 121 ist daher rechtmäßig.
b) Die Beklagte hat in Nr. 2 des Bescheides vom 14. April 2015 auch ermessensfehlerfrei eine Einzimmerwohnung festgesetzt. Nach Art. 14 Abs. 3 Satz 2 Gesetz über die Wohnraumförderung in Bayern (Bayerisches Wohnraumförderungsgesetz – BayWoFG) in der Fassung vom 10. April 2007, zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. März 2010, wird ein Wohnberechtigungsschein erteilt, wenn die Größe des Wohnraums angemessen ist. Eine Definition der angemessenen Wohnraumgröße findet sich aber weder im Bayerischen Wohnraumförderungsgesetz noch im Gesetz zur Sicherung der Zweckbestimmung von Sozialwohnungen in Bayern (Bayerischen Wohnungsbindungsgesetz – BayWoBindG) oder in der Verordnung zur Durchführung des Wohnungsrechts und des Besonderen Städtebaurechts (DVWoR). Eine „punktgenaue“ Auslegung dergestalt, dass für einen konkreten Wohnungssuchenden nur eine Wohnung mit einer ganz bestimmten Quadratmeterzahl und/oder Zimmeranzahl angemessen wäre, scheidet naturgemäß aus. Die für den jeweiligen Wohnungssuchenden (und seine Haushaltsangehörigen) „angemessene“ Wohnungsgröße bewegt sich vielmehr innerhalb einer gewissen Bandbreite. Solange die Behörde diese Bandbreite nicht unter- oder überschreitet, also den Wohnungssuchenden nicht für eine unangemessen kleine oder unangemessen große Wohnung vormerkt, liegt es im Ermessen der Behörde, welchen Wohnungstyp bzw. welche Wohnungsgröße sie im Rahmen der Vormerkung festsetzt. Die Beklagte hat das ihr diesbezüglich zustehende Ermessen hinsichtlich der angemessenen Wohnraumgröße durch die Dienstanweisung Mehrraumbedarf (weiterhin DA Mehrraum) vom 11. Oktober 2001 allgemein ausgeübt. Danach ist die Wohnungsgröße in der Regel angemessen, wenn auf jedes Haushaltsmitglied ein Wohnraum ausreichender Größe entfällt. Die angemessene Wohnungsgröße für den Einpersonenhaushalt der Klägerin wurde mit der Festsetzung eines Wohnraums ab einer Wohnfläche von 10 qm folglich korrekt festgesetzt. Die Notwendigkeit zusätzlichen Wohnraums ist vorliegend weder vorgetragen worden noch ersichtlich.
4. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 188 Satz 2 VwGO).
5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 84 und 124a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen diesen Gerichtsbescheid innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich beantragen. In dem Antrag ist der angefochtene Gerichtsbescheid zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Gerichtsbescheids sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Anstelle der Zulassung der Berufung können die Beteiligten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids beim Bayerischen Verwaltungsgericht München
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten mündliche Verhandlung beantragen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt.


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