Verwaltungsrecht

Waffenrechtliche Zuverlässigkeit eines Reichsbürgers

Aktenzeichen  24 ZB 20.2476

Datum:
10.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 32730
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b, § 45 Abs. 2, § 124 Abs. 2 Nr. 1 Nr. 3
VwGO § 124a Abs. 5 S. 4
GKG § 52 Abs. 2

 

Leitsatz

1. „Darlegen“ im Sinne des § 124a Abs. 4 S. 4 VwGO bedeutet „erläutern“, „erklären“ oder „näher auf etwas eingehen“. Erforderlich ist deshalb unter ausdrücklicher oder jedenfalls konkludenter Bezugnahme auf einen Zulassungsgrund eine substantiierte Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung, durch die der Streitstoff durchdrungen und aufbereitet wird. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO sind erfüllt, wenn für die Entscheidung der Vorinstanz eine grundsätzliche, bisher in der Rechtsprechung noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung ist, die auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich wäre, deren Klärung im Interesse der einheitlichen Rechtsanwendung oder der Fortbildung des Rechts geboten erscheint. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
3. Nicht von grundsätzlicher Bedeutung in diesem Sinne ist die Frage, ob der Antrag auf Erteilung eines Staatsangehörigkeitsausweises ein Indiz für die Zugehörigkeit zur Reichsbürgerbewegung darstellt. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 4 K 18.1347 2020-09-15 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Waffenbesitzkarten und die hierzu ergangenen Folgemaßnahmen.
Das Verwaltungsgericht hat seine hiergegen gerichtete Klage mit Urteil vom 15. September 2020 abgewiesen. Die im angefochtenen Bescheid des Beklagten vom 25. Juli 2018 getroffenen Anordnungen seien rechtmäßig. Der Beklagte sei zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger nicht die nötige Gewähr für eine jederzeit vollumfängliche Einhaltung der waffenrechtlichen Bestimmungen biete, da ausreichende Anhaltspunkte – u.a. die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises unter Hinweis auf das Königreich Bayern und den Rechtsstand des Jahres 1913 sowie seine Äußerungen bei seiner polizeilichen Anhörung – dafür sprächen, dass der Kläger der Bewegung der Reichsbürger und Selbstverwalter zuzurechnen sei. Die angenommene Zugehörigkeit des Klägers zur Bewegung der Reichsbürger habe der Kläger in der Folge nicht entkräftet; insbesondere seien seine im Verfahren erfolgten Einlassungen hierzu nicht geeignet gewesen.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzziel weiter.
Der Beklagte – Landesanwaltschaft Bayern – verteidigt das angegriffene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten im hiesigen Verfahren sowie im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes beider Instanzen und auf die vorgelegten Akte des Beklagten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
1. Der Bevollmächtigte des Klägers hat keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) und solche liegen auch nicht vor.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sind anzunehmen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden können (vgl. etwa BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl. 2004, 838/839). Schlüssige Gegenargumente in diesem Sinne liegen dann vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546/548). Für die Darlegung des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel genügt keine unspezifizierte Behauptung der Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung.
Die im Stil einer Berufungsbegründung abgefasste Zulassungsbegründung verfehlt weitgehend die Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, der eine Auseinandersetzung mit den entscheidungstragenden Erwägungen des angefochtenen Urteils verlangt. „Darlegen“ im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO bedeutet „erläutern“, „erklären“ oder „näher auf etwas eingehen“. Erforderlich ist deshalb unter ausdrücklicher oder jedenfalls konkludenter Bezugnahme auf einen Zulassungsgrund eine substantiierte Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung, durch die der Streitstoff durchdrungen und aufbereitet wird (BayVGH, B.v. 23. 6.2020 – 24 ZB 19.2439; B.v. 6.8.2019 – 20 ZB 18.2418 – juris Rn. 3; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 59 und 63). Die bloße Wiederholung erstinstanzlichen Vorbringens ist nicht ausreichend (Kuhlmann in Wysk, VwGO, 2. Aufl. 2016, § 124a Rn. 48).
Soweit der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens ausführen lässt, dass er weder die Bundesrepublik Deutschland noch deren Rechtssystem ablehne und bereits die Tatsache, dass er einen Rechtsstreit führe, zeige, dass er das Rechtssystem der Bundesrepublik Deutschland durchaus anerkenne, führt dies nicht zum Erfolg des Zulassungsantrages. Das Verwaltungsgericht hat im angegriffenen Urteil dargelegt, aus welchen Gründen es den Kläger als eine Person ansieht, die der sogenannten Reichsbürgerbewegung zuzuordnen ist. Auf dieser Grundlage ist es zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger nicht die nötige Gewähr für eine jederzeit vollumfängliche Einhaltung der waffenrechtlichen Bestimmungen bietet (UA Seite 7). Das Erstgericht führt unter Anlegung der Maßstäbe des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, B.v. 30.7.2020 – 24 BV 18.2500) zutreffend aus, dass es Personen wie dem Kläger, die der Reichsbürgerbewegung zuzurechnen sind oder die sich deren ideologisches Gedankengut zu eigen gemacht und die sich später hiervon nicht glaubwürdig distanziert haben, an der waffen-, jagd- und sprengstoffrechtlichen Zuverlässigkeit fehlt.
2. Der Rechtssache kommt auch nicht die vom Kläger behauptete grundsätzliche Bedeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu. Dies ist nur dann der Fall, wenn für die Entscheidung der Vorinstanz eine grundsätzliche, bisher in der Rechtsprechung noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage von Bedeutung war, die auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich wäre, deren Klärung im Interesse der einheitlichen Rechtsanwendung oder der Fortbildung des Rechts geboten erscheint. An der Klärung der aufgeworfenen Rechts- oder Tatsachenfrage muss ein über den Einzelfall hinausgehendes, allgemeines Interesse bestehen. An der allgemeinen Bedeutung der Sache fehlt es regelmäßig, wenn lediglich die Anwendung von in sich nicht zweifelhaften Vorschriften auf den konkreten Fall in Rede steht oder wenn die Beantwortung der aufgeworfenen Frage ausschlaggebend von einer Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls abhängt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 36). Eine grundsätzliche Bedeutung wird dementsprechend nicht dargetan, wenn sich der Rechtsmittelführer darauf beschränkt, die Ausführungen des Verwaltungsgerichts im Einzelfall mit tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen als unrichtig anzugreifen (BayVGH, B.v. 13.3.2020 – 24 ZB 17.1148).
Soweit der Kläger ausführen lässt, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, da es vorliegend nicht mit der Rechtsordnung in Einklang zu bringen sei, dass der Antrag auf Erteilung eines Staatsangehörigkeitsausweises ein Indiz für die Zugehörigkeit zur Reichsbürgerbewegung darstellen solle, fehlt es bereits an der Entscheidungserheblichkeit. Denn das Verwaltungsgericht stellt in den Entscheidungsgründen zu Recht ausdrücklich klar, dass die Behörde dem Kläger nicht zum Vorwurf macht, dass er einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragt hat. Sie schließe vielmehr vor dem Hintergrund der Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden aus den klägerischen Angaben in den Antragsformularen, dass der Kläger der Reichsbürgerbewegung zuzurechnen sei, was der Kläger durch sein erstinstanzliches Vorbringen nicht in Zweifel habe ziehen können (UA Seite 8). Im Übrigen fehlt es auch an der Formulierung einer grundsätzlichen Rechts- oder Tatsachenfrage, die sich in der ersten Instanz gestellt hat und die auch bei der Durchführung eines Berufungsverfahrens erheblich wäre.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 52 Abs. 2 GKG und entspricht der nicht infrage gestellten Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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