Verwaltungsrecht

Wegen subsidiärer Schutzgewährung in Malta erfolglose Klage

Aktenzeichen  W 4 K 18.30720

Datum:
8.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 14415
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2
EMRK Art. 3
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

1. Es verstößt grundsätzlich nicht gegen die, wenn international Schutzberechtigte den eigenen Staatsangehörigen gleichgestellt sind und von ihnen erwartet wird, dass sie selbst für ihre Unterbringung und ihren Lebensunterhalt sorgen. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag auf Aufhebung des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 4. April 2018 ist gemäß § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass Satz 4 der Ziffer 3 nicht umfasst sein soll. Die Feststellung, dass die Kläger nicht nach Somalia abgeschoben werden dürfen, stellt für sie nämlich keinerlei Beschwer dar.
Die so verstandene Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 4. April 2018 ist – soweit er angefochten ist – rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 VwGO).
Die Ablehnung des Asylantrages der Kläger als unzulässig ist rechtmäßig. Es liegt ein Fall des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG vor. Nach dieser Vorschrift ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat. Dies ist hier der Fall, denn den Klägern ist in Malta der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden, wie sich aus der E-Mail vom 26. März 2017 an das Bundesamt ergibt.
Abschiebungsverbote im Sinne von § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf Malta liegen nicht vor.
Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der EMRK kein Abschiebungsverbot zugunsten der Kläger. Ihnen droht im Falle einer Abschiebung nach Malta insbesondere keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK. Nach dieser Vorschrift darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden. Hieraus folgen neben Unterlassungsauch staatliche Schutzpflichten. Eine Verletzung von Schutzpflichten kommt in Betracht, wenn sich die staatlich verantworteten Lebensverhältnisse von international Schutzberechtigten in Malta allgemein als unmenschlich oder erniedrigend darstellen (vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Mai 2016 – 13 A 1490/13.A -, juris, Rn. 86, und Beschluss vom 29. Januar 2015 – 14 A 134/15.A -, juris, Rn. 11.).
Die hinsichtlich der allgemeinen Lebensverhältnisse von international Schutzberechtigten bestehenden Gewährleistungspflichten hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Einzelnen konkretisiert. Demnach kann die Verantwortlichkeit eines Staates aus Art. 3 EMRK begründet sein, wenn der Betroffene vollständig von staatlicher Unterstützung abhängig ist und behördlicher Gleichgültigkeit gegenübersteht, obwohl er sich in so ernsthafter Armut und Bedürftigkeit befindet, dass dies mit der Menschenwürde unvereinbar ist (vgl. EGMR, Urteil vom 4. November 2014 – 29217/12 (Tarakhel / Schweiz) -, NVwZ 2015, 127, 129, Rn. 98 m.w.N.).
Dagegen verpflichtet Art. 3 EMRK die Vertragsstaaten nicht, jedermann in ihrem Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen. Art. 3 EMRK begründet auch keine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen.
(Vgl. EGMR, Urteile vom 30. Juni 2015 – 39350/13 – (A.S. / Schweiz), juris, Rn. 27, vom 21. Januar 2011 – 30696/09 (M.S.S. / Belgien u. Griechenland) -, EUGRZ 2011, 243, Rn. 249, m.w.N., und Beschluss vom 2. April 2013 – 27725/10 (Mohammed Hussein u.a. / Niederlande u. Italien) -, ZAR 2013, 336f., Rn. 70; vgl. auch OVG NRW, Urteile vom 19. Mai 2016 – 13 A 1490/13.A -, juris, Rn. 91, und vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 119.)
Es verstößt demnach grundsätzlich nicht gegen Art. 3 EMRK, wenn international Schutzberechtigte den eigenen Staatsangehörigen gleichgestellt sind und von ihnen erwartet wird, dass sie selbst für ihre Unterbringung und ihren Lebensunterhalt sorgen (vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Mai 2016 – 13 A 1490/13.A -, juris, Rn. 89 ff. m.w.N.).
Art. 3 EMRK gewährt grundsätzlich auch keinen Anspruch auf Verbleib in einem Mitgliedstaat, um dort weiterhin von medizinischer, sozialer oder anderweitiger Unterstützung oder Leistung zu profitieren. Sofern keine außergewöhnlich zwingenden humanitären Gründe vorliegen, die gegen eine Überstellung sprechen, ist allein die Tatsache, dass sich die wirtschaftlichen und sozialen Lebensverhältnisse nach einer Überstellung erheblich verschlechtern würden, nicht ausreichend, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu begründen (vgl. EGMR, Beschluss vom 2. April 2013 – 27725/10 – (Mohammed Hussein u.a. / Niederlande u. Italien), ZAR 2013, 336 f., Rn. 71; vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 19. Mai 2016 – 13 A 1490/13.A -, juris, Rn. 93 m.w.N.).
Es sprechen nach diesen Maßgaben keine erheblichen Gründe dafür, dass die Kläger im Falle einer Überstellung nach Malta einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK ausgesetzt sein werden.
International Schutzberechtigte in Malta können ein Jahr lang in staatlichen Unterkunftseinrichtungen wohnen. In der Praxis bestehen die Möglichkeiten der Verlängerung dieses Zeitraums sowie der späteren Rückkehr in die Einrichtung, was insbesondere im Fall der Kläger in Betracht kommt, welche nach ihrer Anerkennung als Schutzberechtigte das Land verlassen haben (vgl. aida, Country Report Malta 2017, vom 8. März 2018, Seite 74, abrufbar unter: https://www.asylumineurope.org/reports/country/malta.).
International Schutzberechtigte haben Zugang zur Sozialhilfe, wobei die Leistungen für subsidiär Schutzberechtigte auf sog. Kernleistungen („core welfare benefits“) beschränkt sind (vgl. aida, Country Report Malta 2017, vom 8. März 2018, Seite 77, abrufbar unter: https://www.asylumineurope.org/reports/country/malta.).
Ebenso haben subsidiär Schutzberechtigte einen auf Kernleistungen beschränkten Zugang zur öffentlichen Gesundheitsfürsorge (vgl. aida, Country Report Malta 2017, vom 8. März 2018, Seite 77, abrufbar unter: https://www.asylumineurope.org/reports/country/malta.).
Denn Klägern ist es unter diesen Umständen durchaus zuzumuten, zumal die Schutzberechtigung der Kläger gemäß der E-Mail Maltas vom 26. März 2018 fortbesteht, nach Malta zurückzukehren.
Anhaltspunkte für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Umstand, dass das Bundesamt abweichend von § 36 Abs. 1 AsylG den Klägern eine Ausreisefrist von 30 Tagen statt nur einer Woche gesetzt hat, stellt eine die Kläger begünstigende Entscheidung dar, so dass es insoweit jedenfalls an einer Rechtsverletzung fehlt.
Im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründung des angefochtenen Bescheids Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem klägerischen Schriftsatz vom 18. Januar 2019. Der Einzelrichter sieht sich durch den Vorlagebeschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. März 2017 (1 C 17.16 – juris) nicht an einer Entscheidung gehindert (vgl. hierzu und zum Folgenden: Nds. OVG, U.v. 6.4.2018 – 10 LB 109/18 – juris). Denn in dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall ging es um einen Folgeantrag mit dem Ziel der „Aufstockung“ und um die Frage, ob ein Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes unzulässig ist, wenn dem Antragsteller in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union bereits subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist. Im vorliegenden Fall geht es jedoch nicht um die Frage der „Aufstockung“. Nichts anderes gilt im Hinblick auf den weiteren vom Klägervertreter zitierten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Juni 2017 (Az.: 1 C 22.16 – juris).
Die Klage war nach alledem abzuweisen, die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.


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