Verwaltungsrecht

Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe

Aktenzeichen  3 ZB 16.840

Datum:
24.6.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
NZFam – 2016, 960
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBeamtVG Art. 35 Abs. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1-5

 

Leitsatz

1 Die Kenntnis einer lebensbedrohlichen Erkrankung schließt die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe bei einer Ehedauer unter einem Jahr regelmäßig aus, es sei denn, die Eheschließung stellt sich als konsequente Verwirklichung des vor Bekanntwerden der Erkrankung gefassten Eheentschlusses dar (BVerwG BeckRS 2013, 46051). Dieser Entschluss muss sich auf einen bestimmten Zeitpunkt, innerhalb absehbarer Zeit zu heiraten, konkretisiert haben. (redaktioneller Leitsatz)
2 Zur Widerlegung einer Versorgungsehe ist der Witwer nicht nur auf äußere, objektiv erkennbare Umstände beschränkt, sondern kann auch innere, subjektive Umstände vortragen (BVerwG BeckRS 2016, 44249). Er kann seine informatorische Befragung durch das Gericht oder seine Vernehmung als Partei beantragen. Unterlässt er das, kann er dieses Versäumnis allerdings nicht im Berufungszulassungsverfahren mit der Aufklärungsrüge geltend machen. (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Erlaubnis einer “Nottrauung” zu Hause durch das Standesamt, die eine lebensgefährliche Erkrankung voraussetzt, kann Indiz dafür sein, dass die Eheschließung wegen des verschlechterten Gesundheitszustandes erfolgt, um dem Beamten die damit verbundenen Vorteile zu sichern. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 1 K 14.1993 2016-03-16 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 31.077,12 € festgesetzt.

Gründe

Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils), des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten), des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung), des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO (Divergenz) sowie des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO (Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen kann) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts i. S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Ernstliche Zweifel im Sinne dieser Vorschrift, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage, den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger Witwengeld gemäß Art. 35 BayBeamtVG zu gewähren, zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Witwengeld nach Art. 35 Abs. 1 BayBeamtVG, da die von ihm am 14. Februar 2014 geschlossene Ehe mit der am 22. Januar 1953 geborenen, zuletzt als Steueramtfrau (BesGr A 11) im Dienst des Beklagten tätigen, am 22. Februar 2014 verstorbenen Frau H. nach Art. 35 Abs. 2 Nr. 1 BayBeamtVG als sog. „Versorgungsehe“ gilt und er diese gesetzliche Vermutung nicht entkräften konnte.
1.1 Nach Art. 35 Abs. 1 BayBeamtVG erhält der Witwer einer verstorbenen Beamtin auf Lebenszeit, die die Voraussetzungen des Art. 11 Abs. 1 BayBeamtVG erfüllt (sog. „Versorgungsurheberin“ i. S. d. Art. 34 Nr. 1 BayBeamtVG), Witwengeld. Kein Anspruch besteht, wenn die Ehe weniger als ein Jahr gedauert hat, es sei denn, nach den besonderen Umständen des Falls ist die Annahme nicht gerechtfertigt, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, dem Witwer eine Versorgung zu verschaffen (Art. 35 Abs. 2 Nr. 1 BayBeamtVG).
Eine Ehedauer von weniger als einem Jahr begründet die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe. Besondere Umstände, die die Vermutung einer Versorgungsehe entkräften können, sind solche, die auf einen anderen Beweggrund der Heirat als die Versorgungsabsicht schließen lassen. Umstände, bei denen ein anderer Beweggrund als die Versorgungsabsicht nahe liegt, sind etwa gegeben, wenn die Beamtin unvorhergesehen verstorben ist, im Zeitpunkt der Heirat also nicht mit ihrem Tod zu rechnen war; musste im Zeitpunkt der Heirat hingegen wegen einer lebensbedrohlichen Erkrankung mit dem Tod der Beamtin gerechnet werden, liegt das Motiv einer Versorgungsehe nahe. Die Vermutung einer Versorgungsehe ist widerlegt, wenn eine Gesamtbetrachtung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwiegen oder zumindest gleichwertig sind. Allerdings müssen die gegen eine Versorgungsehe sprechenden Umstände umso gewichtiger sein, je offenkundiger und lebensbedrohlicher die Krankheit der Beamtin zum Zeitpunkt der Heirat war. Für die Widerlegung der Vermutung stehen dem Witwer alle zulässigen Beweismittel zur Verfügung. Sein Vorbringen ist im Rahmen der Beweiswürdigung zu werten, wobei Behörde bzw. Gericht die volle Überzeugung davon gewinnen müssen, dass die von ihm vorgetragene Motivation für die Heirat der Wahrheit entspricht (vgl. BVerwG, U.v. 28.1.2016 – 2 C 21.14 – juris Rn. 15-23 zur entsprechenden Vorschrift des § 19 BeamtVG; ebenso BSG, U.v. 5.5.2009 – B 13 R 55/08 R – BSGE 103, 99 zu § 46 Abs. 2a SGB VI).
1.2 Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts entspricht diesen Maßstäben. Die Gewährung von Witwengeld nach Art. 35 Abs. 1 BayBeamtVG scheitert daran, dass die am 14. März 2014 geschlossene Ehe nur acht Tage gedauert hat, so dass das Vorliegen einer Versorgungsehe gesetzlich vermutet wird. Diese gesetzliche Vermutung konnte der Kläger nicht entkräften (Art. 35 Abs. 2 Nr. 1 BayBeamtVG).
Die Kenntnis des grundsätzlich lebensbedrohlichen Charakters der Erkrankung einer Beamtin im Zeitpunkt der Eheschließung schließt die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe regelmäßig aus, es sei denn, die Eheschließung stellt sich als konsequente Verwirklichung eines bereits vor dem Bekanntwerden der Erkrankung gefassten Heiratsentschlusses dar (BVerwG, B.v. 3.12.2012 – 2 B 32.12 – juris Rn. 10). Auch ein bereits vor der Kenntnis von der lebensbedrohlichen Erkrankung getroffener Heiratsentschluss kann daher ein besonderer Umstand sein, sofern die Heirat aus wirklichkeitsnahen Gründen nur aufgeschoben, der Heiratsentschluss aber nicht aufgegeben worden ist (BVerwG, U.v. 28.1.2016 a. a. O. Rn. 17).
Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Eheschließung in Kenntnis der 2011 festgestellten, potentiell lebensbedrohlichen Krebserkrankung der Ehefrau des Klägers erfolgte, aufgrund von deren Folgen sie am 22. Februar 2014 auf der Pallativstation verstarb. Nachdem 2011 bei Frau H. ein Urothelkarzinom festgestellt worden war, wurde die Blase entfernt sowie ein Urostoma eingesetzt (vgl. Arztbericht Klinikum L. vom 28.3.2011; ärztliche Atteste Dr. M. vom 24.7.2014 und 14.9.2014). In der Folge bildeten sich trotz Chemotherapie Metastasen u. a. in den Lymphknoten und im Gallengang (vgl. Arztberichte Krankenhaus St. J. in R. vom 11.5.2011; Krankenhaus L.-A. vom 30.12.2013 und 22.2.2014; Krankenhaus M.-H. vom 5.2.2014). Wegen der hierdurch verursachten Folgeerkrankungen (Verschluss des Gallengangs mit Ikterus und Pleurakarzinose, vgl. die genannten Arztberichte) musste sich Frau H. vom 17. bis 23. Dezember 2013, vom 15. bis 25. Januar 2014 und vom 18. bis 22. Februar 2014 in ärztliche Behandlung im Krankenhaus begeben. Auch wenn nach Angaben von Dr. M. von einem relativ stabilen, nicht akut lebensbedrohlichen Verlauf der Erkrankung auszugehen war, war der chronische Verlauf der Erkrankung den Eheleuten bekannt (Attest vom 14.9.2014). Sie wussten daher im Zeitpunkt der Heirat im Februar 2014, dass Frau H. lebensbedrohlich erkrankt war, auch wenn sie nach dem Krankenhausaufenthalt im Januar 2014 von einer momentanen Besserung ihres Gesundheitszustands ausgegangen sein sollten. Auf die Kenntnis der Unheilbarkeit der Erkrankung kommt es insoweit nicht an (BayVGH, B.v. 18.2.2014 – 14 ZB 11.452 – juris Rn. 7). Dass der Tod der Beamtin letztlich durch einen – kurzfristig aufgetretenen – Verschluss der Gallengangswege verursacht wurde, der den völligen körperlichen Zusammenbruch zur Folge hatte, führt nicht zu einer anderen rechtlichen Beurteilung, da es hierzu nur infolge der Krebserkrankung gekommen war (vgl. BayVGH, B.v. 8.11.2011 – 3 ZB 08.627 – juris Rn. 8).
Das Verwaltungsgericht konnte anhand einer Gesamtbetrachtung der Beweggründe der Ehegatten für die Heirat nicht die volle Überzeugung davon gewinnen, dass die am 14. Februar 2014 erfolgte Eheschließung sich als konsequente Verwirklichung eines schon vor Bekanntwerden bzw. vor Verschlechterung der Krebserkrankung gefassten Heiratsentschlusses darstellt. Hiergegen ist rechtlich nichts zu erinnern.
Das Verwaltungsgericht ist rechtsfehlerfrei zu der Ansicht gelangt, dass auch unter Berücksichtigung der vom Kläger, der seit 2002 mit Frau H. zusammenlebte und 2007 von seiner ersten Ehefrau geschieden wurde, geltend gemachten Hinderungsgründe für eine frühere Eheschließung (jahrelanger „Scheidungskrieg“ bis 2007; Tod von Katzen und Hunden der Eheleute 2009/2010 bzw. 2012/2013; Erkrankung der Ehefrau 2011; Schlaganfälle des Klägers im Februar und April 2013) ein konkreter Entschluss, die Ehe zu schließen, erst nach der Kenntnis vom lebensbedrohlichen Charakter der Erkrankung der Ehefrau entstanden ist. Dabei hat es zu Recht darauf abgestellt, dass zwar bereits vor Kenntnis von der Krebserkrankung schon der Wille bestanden haben mag, zu einem späteren Zeitpunkt zu heiraten, dass jedoch eine Konkretisierung auf einen bestimmten Zeitpunkt, innerhalb kurzer bzw. absehbarer Zeit zu heiraten, noch nicht vorlag, so dass ohne konkrete Schritte für eine Heirat die am 14. Februar 2014 erfolgte Eheschließung nicht als konsequente Verwirklichung eines bereits vor Kenntnis von der Erkrankung gefassten konkreten Eheentschlusses gesehen werden kann (BayVGH, B.v. 26.11.2008 – 3 ZB 07.3409 – juris Rn. 8; LSG BW, U.v. 19.4.2016 – L 11 R 2064/15 – juris Rn. 27). So hat der Kläger mit Schrift-sätzen vom 9. Mai 2014 und 1. Dezember 2014 vorgetragen, dass er nach Ende des „Scheidungskriegs“ 2007 nicht unmittelbar erneut eine Ehe eingehen wollte. Frau H. hat in ihrem Testament vom 1. August 2012 den Kläger nur als Lebensgefährten und nicht etwa als Verlobten bedacht. Auch nach Angaben von Dr. M. (Attest vom 24.7.2014) hegten die Eheleute erst seit Anfang 2013 die Absicht zu heiraten.
Zumindest wäre eine Heirat auch unter Berücksichtigung der geltend gemachten Hinderungsgründe im Zeitpunkt der Testamentserstellung 2012 bzw. nach Wegfall der Hinderungsgründe 2013 möglich gewesen (vgl. LSG BW, U.v. 19.4.2016 a. a. O.). Für den Kläger und Frau H. stand – wie auch die Testamentsbestimmungen zeigen – die Legalisierung ihrer Beziehung aber nicht im Vordergrund der Lebensplanung. Im Übrigen stellt der Tod von Haustieren auch keinen wirklichkeitsnahen Grund dar, eine beabsichtigte Heirat trotz der schweren Erkrankung mehrfach zu verschieben.
1.3 Die hiergegen vom Kläger innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO vorgebrachten Einwände begründen keine ernstlichen Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils.
1.3.1 Soweit der Kläger rügt, das Verwaltungsgericht habe seinen Sachvortrag aus dem Schriftsatz vom 15. März 2016 (Seite 6 letzter Absatz: „Im August 2009 mussten zwei Katzen eingeschläfert werden, so dass sich der bereits gefasste Eheentschluss in der Realisierung verzögerte.“), übergangen, trifft dies nicht zu. Es hat nach § 117 Abs. 3 Satz 1 VwGO den wesentlichen Inhalt des Schriftsatzes vom 15. März 2016 im Tatbestand des Urteils (UA S. 6 unten/S. 7 oben) wiedergegeben und im Übrigen zulässigerweise wegen der Einzelheiten nach § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf die eingereichten Schriftsätze verwiesen (UA S. 7 2. Absatz). Es hat den betreffenden Sachvortrag auch zur Kenntnis genommen und bei der Entscheidung berücksichtigt, indem es u. a. den Tod von Haustieren als Gründe gewürdigt hat, die einer Hochzeit zeitweise entgegenstanden (UA S. 8 2. Absatz), ist allerdings rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass damit ein Wille, zu einem späteren Zeitpunkt zu heiraten, nicht hinreichend konkretisiert war, um die erst am 14. Februar 2014 erfolgte Heirat als konsequente Verwirklichung eines bereits vor Kenntnis der Erkrankung gefassten Eheentschlusses ansehen zu können (UA S. 9 1. Absatz). Wenn der Kläger insoweit einwendet, das Verwaltungsgericht habe seinen Sachvortrag unzutreffend bewertet, stellt er damit lediglich die Beweiswürdigung bzw. die rechtliche Bewertung durch das Erstgericht in Frage, ohne substantiiert darzulegen, warum dieser Schluss nicht vertretbar wäre. Die bloße Möglichkeit einer anderen Würdigung genügt hierfür nicht.
Wenn der Kläger weiter ausführt, das Verwaltungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass der Heiratsentschluss entstanden sei, nachdem er 2007 von seiner früheren Ehefrau geschieden worden sei (Schriftsatz vom 15. März 2016 S. 1 unten), führt dies zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung, da dies ebenfalls nichts über eine konkrete Heiratsabsicht zu einem früheren Zeitpunkt sagt. Entgegen der Behauptung des Klägers findet sich im Schriftsatz vom 15. März 2016 auch nicht der Satz „2007 habe man sich nach der Scheidung des Klägers zur Heirat entschlossen“. Dieses Vorbringen steht auch im Widerspruch zu seinen Angaben in den Schriftsätzen vom 9. Mai und 1. Dezember 2014, er habe nach Ende des „Scheidungskriegs“ 2007 nicht unmittelbar erneut eine Ehe eingehen wollen, so dass das Verwaltungsgericht zu Recht einen bereits 2007 gefassten konkreten Heiratsentschluss verneint hat.
1.3.2 Es ist auch nicht rechtsfehlerhaft, dass das Erstgericht den Kläger nicht zu ggf. offenen Fragen und Unklarheiten gehört hat. Es hat keine Bedenken bezüglich der dargelegten, zeitweise der Heirat entgegenstehenden Gründe geäußert, diese aber zu Recht als nicht erheblich angesehen, so dass es schon deshalb keinen Anlass hatte, den Kläger hierzu anzuhören. Auch im Übrigen musste sich eine Befragung des Klägers nicht aufdrängen (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Vortrag des Witwers bestimmt Art und Umfang der Ermittlungspflichten (BVerwG, U.v. 28.1.2016 a. a. O. Rn. 23). Wenn – wie hier – der Witwer nur Gründe vorträgt, die einer Hochzeit zeitweise entgegenstanden, ohne eine konkrete Eheschließungsabsicht darzulegen, ist das Gericht im Rahmen der Amtsermittlung nicht gehalten, dem weiter nachzugehen. Vielmehr hätte der Kläger substantiierte Anhaltspunkte dafür vortragen müssen, dass die Heirat sich als konsequente Verwirklichung eines bereits vor der Kenntnis von der Erkrankung gefassten konkreten Eheentschlusses darstellte (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 VwGO). Der rechtsanwaltlich vertretene Kläger hat es auch unterlassen, auf seine informatorische Befragung hinzuwirken bzw. seine Einvernahme als Partei (§ 98 VwGO i. V. m. §§ 445 ff. ZPO) zu beantragen, so dass eine Beweiserhebung durch das Verwaltungsgericht nicht veranlasst war. Die Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, das Versäumnis, einen entsprechenden Beweisantrag zu stellen, nachträglich zu kompensieren (BayVGH, B.v. 24.9.2014 – 3 ZB 12.318 – juris Rn. 16).
1.3.3 Ernstliche Zweifel an der Ergebnisrichtigkeit des Ersturteils ergeben sich auch nicht daraus, dass das Verwaltungsgericht aufgrund der am 14. Februar 2014 zu Hause und nicht auf dem Standesamt durchgeführten Eheschließung die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe als nicht widerlegt angesehen hat. Zwar hat Dr. M. mit Attest vom 11. Februar 2014 gegenüber dem Standesamt nur bestätigt, dass es Frau H. aus medizinischen Gründen nicht möglich sei, das Haus zu verlassen. Erfolgt die Eheschließung jedoch nicht – wie im Regelfall – auf dem Standesamt, sondern – wie hier – als sog. „Nottrauung“ zu Hause bzw. im Krankenhaus, setzt dies gemäß § 13 Abs. 3 PStG i.d.R. das Vorliegen einer lebensgefährlichen Erkrankung voraus (Palandt-Brudermüller, BGB, 75. Auflage 2016, § 1312 Rn. 2). Daher ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Verwaltungsgericht die durch das Standesamt mit Schreiben vom 30. Januar 2015 bestätigte Durchführung einer „Nottrauung“ als Indiz dafür angesehen hat, dass die Eheschließung wegen des verschlechterten Zustands von Frau H. am 14. Februar 2014 erfolgt ist, um dem Kläger die damit verbundenen Vorteile zu sichern (vgl. BSG, U.v. 19.10.2011 – B 13 R 33/11 R – juris Rn. 28).
2. Soweit der Kläger aufgrund des unterschiedlichen Krankheitsbilds von Frau H. besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO geltend macht, hat er das Vorliegen dieses Zulassungsgrunds nicht ordnungsgemäß dargelegt. Eine Beweisaufnahme durch die Befragung des Klägers und ggf. die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens hätte er ggf. selbst beantragen müssen, eine Beweiserhebung von Amts wegen drängte sich auch insoweit nicht auf. Im Übrigen steht aufgrund der Arztberichte fest, dass Frau H. im Zeitpunkt der Eheschließung lebensbedrohlich erkrankt war.
3. Soweit der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend macht, hat er das Vorliegen dieses Zulassungsgrunds ebenfalls nicht ordnungsgemäß dargelegt. Im Übrigen ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 28.1.2016 – 2 C 21.14 – juris Rn. 20) geklärt, dass der Witwer zur Widerlegung einer Versorgungsehe nicht auf äußere, objektiv erkennbare Umstände beschränkt ist, sondern auch innere, subjektive Umstände für die Heirat vortragen kann. Das Verwaltungsgericht hat auch nicht lediglich objektiv erkennbare Umstände, sondern das klägerische Vorbringen umfassend gewürdigt.
4. Soweit der Kläger eine Abweichung des erstinstanzlichen Urteils von der eben genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Januar 2016 (a. a. O.) i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO geltend macht, hat er das Vorliegen dieses Zulassungsgrunds gleichfalls nicht ordnungsgemäß dargelegt. Im Übrigen weicht das angefochtene Urteil nicht von der o.g. Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ab, da das Verwaltungsgericht sich nicht auf objektive Umstände beschränkt hat.
5. Auch ein der Beurteilung des Senats unterliegender Verfahrensfehler, auf dem die angegriffene Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), wurde nicht ordnungsgemäß dargelegt.
Hinsichtlich der Rüge, das Verwaltungsgericht hätte den Kläger hören müssen und sei deshalb zu einer unvertretbaren Bewertung gelangt, wird vollumfänglich auf die Ausführungen unter 1.3.2 verwiesen. Entsprechendes gilt für das Vorbringen, das Verwaltungsgericht hätte bei Zweifeln Dr. M. sowie den Standesbeamten als Zeugen hören müssen. Auch insoweit ist nicht dargelegt, weshalb sich dem Erstgericht eine – auch nicht näher konkretisierte – Beweisaufnahme hätte aufdrängen müssen.
Soweit der Kläger behauptet, das Verwaltungsgericht habe die Atteste von Dr. M. vom 24. Juli und 14. September 2014 nicht berücksichtigt, trifft dies ausweislich der Ausführungen im Urteil (UA S. 3 f. sowie S. 8 f.) nicht zu, wo sich das Erstgericht mit der Frage der lebensbedrohlichen Erkrankung eingehend auseinandergesetzt hat. Im Übrigen greift der Kläger damit wiederum nur unsubstantiiert die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts an.
6. Soweit der Kläger schließlich auf den gesamten erstinstanzlichen Sachvortrag Bezug nimmt, genügt die pauschale Bezugnahme auf erstinstanzliches Vorbringen nicht dem Darlegungserfordernis nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO.
7. Der Zulassungsantrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 10.4 Streitwertkatalog 2013 (Teilstatus, 24-faches des begehrten Witwengelds in Höhe von monatlich 1.294,88 € laut Schreiben des Landesamts für Finanzen vom 10. Dezember 2014 = 31.077,12 €, vgl. BayVGH, B.v. 18.2.2014 – 14 ZB 11.452 – juris Rn. 16, wie Vorinstanz).
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben