Verwaltungsrecht

Widerruf der Gewährung subsidiären Schutzes

Aktenzeichen  Au 6 K 16.32648

Datum:
1.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 4493
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3, § 73b

 

Leitsatz

1 Für die Frage des Widerrufs des subsidiären Schutzes kommt es darauf an, ob dem Ausländer heute noch die beachtliche Wahrscheinlichkeit eines ernsthaften Schadens droht. Im Asylrecht liegt eine maßgebliche Änderung des Sach- und Rechtslage vor, wenn nach dem für das rechtskräftige Urteil maßgeblichen Zeitpunkt neue, für die Streitentscheidung erhebliche Tatsachen eingetreten sind, die sich so wesentlich von den früher maßgeblichen Umständen unterscheiden, dass auch unter Berücksichtigung des Zwecks der Rechtskraft eines Urteils eine erneute Sachentscheidung durch die Verwaltung oder durch ein Gericht gerechtfertigt ist. Für den Widerruf reicht eine andere Bewertung der Erkenntnislage oder eine geänderte oder neu gebildete Rechtsprechung nicht aus.  (redaktioneller Leitsatz)
2 Für die Frage des Widerrufs des subsidiären Schutzes kommt es darauf an, ob dem Ausländer heute noch die beachtliche Wahrscheinlichkeit eines ernsthaften Schadens droht. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 17. November 2016 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens haben der Kläger und die Beklagte jeweils zur Hälfte zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der jeweilige Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Ziffern 1 bis 3 des Bescheids vom 17. November 2016 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Ein über die Aufhebung des Widerrufsbescheids hinausgehender, zusätzlicher Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes und hilfsweise auf Feststellung eines Abschiebungsverbots besteht hingegen nicht (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
I.
Der Widerruf des Bescheids vom 16. Januar 2012 (Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids) ist im nach § 77 AsylG streitentscheidenden Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung rechtswidrig.
1. Rechtsgrundlage für den Widerruf ist § 73b Abs. 1, Abs. 2 AsylG.
Zwar wurde dem Kläger mit Bescheid vom 16. Januar 2012 kein subsidiärer Schutz im Sinne des § 4 AsylG n.F. zuerkannt, sondern das Vorliegen eines nationalen Abschiebungsverbots gem. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a.F. festgestellt. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG in der Fassung vom 25. Februar 2008 hat indes folgenden Wortlaut: „Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat ist abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist.“ § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a.F. entspricht damit im Wesentlichen § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG n.F. Das Gericht stützte sein Urteil vom 18. November 2011 zudem auch auf Art. 15 lit. c RL 2004/83/EG, wo es heißt: „Als ernsthafter Schaden gilt: a) die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe oder b) Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung eines Antragstellers im Herkunftsland oder c) eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.“ Auch hieraus wird ersichtlich, dass dem Kläger schon im Jahr 2011 ein Schutzstatus zugesprochen wurde, der § 4 AsylG n.F. entspricht. Hierfür spricht auch die Wertung des § 104 Abs. 9 Satz 1 AufenthG n.F. Ausländer, bei denen das Bundesamt ein Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a.F. festgestellt hat und die – wie bis vor kurzem der Kläger – im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs. 3 AufenthG sind, gelten als subsidiär Schutzberechtigte und erhalten deshalb eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AufenthG. Aus diesem Grund kommt § 73c AsylG als Rechtsgrundlage für den Widerruf nicht in Betracht. § 73c AsylG bezieht sich (nur) auf den sog. komplementären Abschiebungsschutz, d.h. die nicht unionsrechtlich vorgegebenen, sondern rein nationalen Abschiebungsverbote des § 60 V oder VII AufenthG (Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 73c Rn. 2). Rechtsgrundlage für den Widerruf ist mithin § 73b Abs. 1, Abs. 2 AsylG.
2. Der Widerruf ist jedoch materiell rechtswidrig.
Nach § 73b Abs. 1 AsylG ist die Gewährung subsidiären Schutzes zu widerrufen, wenn die Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht mehr bestehen oder sich in einem Maße geändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich ist. Nach. § 73b Abs. 2 AsylG ist zu berücksichtigen, ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass der Ausländer, dem subsidiären Schutz gewährt wurde, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG zu erleiden. Testfrage ist dabei, ob dem Ausländer heute noch die beachtliche Wahrscheinlichkeit eines ernsthaften Schadens droht (Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl. 2016, § 73b AsylG, Rn. 3). Ob eine solche Änderung eingetreten ist, beurteilt sich dabei nicht allein nach dem im Anerkennungsbescheid vom Bundesamt zugrunde gelegten Sachverhalt, sondern nach den damals im Verfolgerstaat tatsächlich herrschenden Verhältnissen. Demgegenüber kommt es nicht darauf an, ob die Zuerkennung rechtswidrig gewährt wurde, weil eine damals tatsächlich vorhandene inländische Fluchtalternative nicht beachtet oder eine Gruppenverfolgung rechtlich unzutreffend angenommen wurde. Eine abweichende Bewertung der Erkenntnislage oder eine geänderte oder neu gebildete Rechtsprechung genügen ebenfalls nicht (BVerwG, U.v. 19.9.2000 – 9 C 12/00 – BverwGE 112, 80 – 92 – juris Rn. 12, 14).
Die Rechtskraft eines Urteils, durch das das Bundesamt zur Zuerkennung internationalen Schutzes bzw. zur Feststellung von Abschiebungsverboten verpflichtet wurde, steht einer Widerrufsentscheidung nicht entgegen, wenn sich die zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgebliche Sach- und Rechtslage nachträglich entscheidungserheblich verändert hat (sog. zeitliche Grenze der Rechtskraft; BVerwG, U.v. 22.10.2011 – 10 C 29/10 – BVerwGE 141, 161-171 – juris Rn. 16 f. m.w.N.). Eine maßgebliche Änderung der Sach- und Rechtslage liegt im Asylrecht dann vor, wenn nach dem für das rechtskräftige Urteil maßgeblichen Zeitpunkt neue für die Streitentscheidung erhebliche Tatsachen eingetreten sind, die sich so wesentlich von den früher maßgeblichen Umständen unterscheiden, dass auch unter Berücksichtigung des Zwecks der Rechtskraft eines Urteils eine erneute Sachentscheidung durch die Verwaltung oder ein Gericht gerechtfertigt ist. Die Rechtskraftwirkung und ihre Grenzen bestehen grundsätzlich unabhängig davon, ob das rechtskräftig gewordene Urteil die seinerzeit bestehende Sach- und Rechtslage erschöpfend und zutreffend gewürdigt hat (BVerwG, a.a.O.). Damit entsprechen die Voraussetzungen für eine Beendigung der Rechtskraftwirkung weitgehend denen, die für den Widerruf einer Anerkennungsentscheidung nach §§ 73 ff. AsylG gelten.
Im vorliegenden Fall liegt in Hinblick auf die Frage, ob der Kläger in Afghanistan als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer ernsthaften individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist, keine wesentliche Änderung in tatsächlicher Hinsicht seit dem Jahr 2011 vor.
a) Das Gericht verkennt nicht, dass sowohl die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs als auch des Verwaltungsgerichts Augsburg grundsätzlich davon ausgeht, dass die Opferzahlen in Afghanistan in keiner Provinz die Anforderungen der Rechtsprechung an einen bewaffneten innerstaatlichen Konflikt erfüllen (vgl. BayVGH, B.v. 16.1.2018 – 13a ZB 17.30687 – Rn. 5) und dass ein entsprechend hohes Risiko, im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes (vgl. BVerwG, U. v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – juris) Opfer willkürlicher Gewalt zu werden, nicht gegeben ist. Das Risiko, in Afghanistan durch Anschläge Schaden an Leib oder Leben zu erleiden, liegt nach der diesbezüglichen Rechtsprechung noch weit unterhalb der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Eine Verfolgung allein wegen der Volkszugehörigkeit zu den Hazara wird in der aktuellen Rechtsprechung ebenso abgelehnt wie wegen schiitischer Religionszugehörigkeit (vgl. zu Hazara BayVGH, B.v. 14.9.2017 – 13a ZB 17.30854 – Rn. 6 f.). Des Weiteren ist auch bei einer Verfolgung in der Heimatprovinz Kabul als innerstaatliche Fluchtalternative sowohl wirtschaftlich als auch in Hinblick auf die Sicherheitslage grundsätzlich noch geeignet und zumutbar. Dies gilt jedenfalls für alleinstehende, junge Männer, auch wenn sie nicht auf eine Ausbildung oder auf ein familiäres Netzwerk zurückgreifen können.
Das Urteil vom 18. November 2011 weicht daher von der aktuellen Bewertung der Erkenntnislage durch die überwiegende bayerische Rechtsprechung ab. Indes genügen eine andere Bewertung der Erkenntnislage, eine abweichende Würdigung der Erkenntnislage oder eine geänderte oder neu gebildete Rechtsprechung nicht (BVerwG, U.v. 19.9.2000 – 9 C 12/00 – BverwGE 112, 80 – 92 – juris Rn. 12). Allein eine geänderte Rechtsprechungspraxis kann einen Widerruf daher nicht begründen, erforderlich ist vielmehr – insbesondere in Hinblick auf die Rechtskraft eines Urteils – eine Änderung der Sach- und Rechtslage.
b) Eine wesentlich geänderte Sachlage im Sinne einer erheblichen Verbesserung kann in Bezug auf die Sicherheitslage nicht angenommen werden.
Im Dreivierteljahresbericht teilt UNAMA mit, dass von Januar bis September 2017 2.640 Zivilisten getötet und 5.379 verletzt worden seien. Insgesamt habe es damit 8.019 Tote und Verletzte gegeben (UNAMA, Quaterly Report 2017, https://…org/sites/default/files/unama_protection_of_civilians_in_armed_conflict_quarterly_report_1_january_to_30_september_2017_-_english.pdf, S. 1, Stand: 2.2.2018). Im selben Zeitraum 2011 habe es 2.508 Tote und 3.561 Verletzte gegeben, insgesamt habe die Opferzahl demnach bei 6.069 Zivilisten gelegen. Mithin ist daher sowohl die Zahl der getöteten als auch die Zahl der verletzten Zivilisten im Vergleich zwischen 2011 und 2017 angestiegen. Eine wesentliche Verbesserung der Sicherheitslage in Afghanistan ist daher nicht ersichtlich.
Selbiges gilt insbesondere für Kabul als maßgebliche inländische Fluchtalternative für den nach seinen Angaben in seiner Heimatprovinz von den Taliban verfolgten Kläger. Für das erste Halbjahr 2017 nennt die UNAMA in ihrem Halbjahresbericht für 2017 (UNAMA, Midyear Report vom Juli 2017, S. 73, https://unama…org/ sites/default/files/protection_of_civilians_in_armed_conflict_midyear_report_2017_july_2017.pdf) folgende Opferzahlen: 1.048 zivile Opfer, darunter 219 getötete und 829 verletzte Zivilisten in der Provinz Kabul im ersten Halbjahr 2017. Demgegenüber berichtete UNAMA für das gesamte Jahr 2011 (https://photos.state.gov/libraries/usnato/562411/PDFs_001/UNAMA%20POC%202011%20Report_Final_Feb%202012.pdf, S. 5, Stand 2.2.2018), dass in Kabul 71 Zivilisten getötet wurden. Auch insoweit ist eine Verbesserung der Sicherheitslage nicht anzunehmen.
c) Eine wesentliche Änderung der Umstände ergibt sich auch nicht aus einer verbesserten wirtschaftlichen Situation Afghanistans und einer daher im Vergleich zu 2011 gestiegenen Aussicht, auch ohne familiäres Netzwerk eine Arbeitsstelle zur Sicherung des Existenzminimums zu erlangen.
Anhaltspunkte für eine wirtschaftliche Erholung Afghanistans fehlen. In Anbetracht des in Vergleich zu 2011 weitgehenden Abzugs ausländischer Streitkräfte als für die Wirtschaft bedeutsamer Auftraggeber und in Anbetracht der massiven Zahl von Rückkehrern aus Pakistan und Iran in den letzten Jahren (Stahlmann, Asylmagazin 2017, 73/75 spricht von über 1 Mio. Rückkehrern allein im Jahr 2016; bestätigt durch Auswärtiges Amt, Lagebeurteilung vom 28.72017, S. 10 f. Nr. 37 f. unter Verweis auf UNHCR: etwa 670.000 Binnenvertriebene im Jahr 2016) spricht nichts dafür, dass sich die Chancen auf dem Arbeitsmarkt, ohne familiäres Netzwerk eine Arbeitsstelle zu finden, seit 2011 wesentlich gebessert haben. Dies bestätigen auch Schlüsselindikatoren: Während sich das Bruttoinlandsprodukt Afghanistans 2009 bis 2012 um durchschnittlich 9,4% im Jahr erhöhte, fiel die Wachstumsrate extrem von noch 14,4% im Jahr 2012 auf 2% 2013. Bis 2016 blieb das BIP unter 2%; eine weitere Absenkung auf Null oder sogar in negative Bereiche wird erwartet (https://www…eu/sites/default/files/publications/EASO-COI-Afghanistan-IPA-August-2017_0.pdf, S. 19, Stand 2.2.2018).
d) Für eine Änderung der Sachlage seit 2011 in Hinblick auf die Verfolgungsdichte zu Lasten der Hazara ergeben sich ebenfalls keine Anhaltspunkte.
e) Auch eine wesentliche Änderung der Rechtslage kann nicht angenommen werden.
Da § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG fast wortgleich § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a.F. entspricht und das Urteil bzw. der Bescheid inhaltlich auf Art. 15 lit. c RL 2004/83/EG beruhen, ist keine wesentliche Änderungen durch die Einfügung des § 4 AsylG eingetreten.
f) Des Weiteren hat sich auch die persönliche Situation des Klägers nicht derart maßgeblich verändert, dass aus diesem Grund eine wesentliche Änderung der Sachlage vorliegt.
Der Kläger war schon bei der Entscheidung des Gerichts von 2011 und bei Erlass des widerrufenen Bescheids 2012 volljährig. Er lebte auch zum damaligen Zeitpunkt nicht in einer Jugendhilfeeinrichtung, erhielt keine Hilfe für junge Volljährige und war nicht erkrankt. Ein Verselbstständigungs- oder Genesungsprozess des Klägers seit 2011 kann daher nicht angenommen werden; der Kläger war vielmehr schon 2011 eigenständig in seiner Lebensführung und gesund. Eine berufliche Fortbildung (beispielsweise eine Ausbildung) hat der Kläger seitdem nicht abgeschlossen. Zwar verfügt der Kläger inzwischen über mehr Arbeitserfahrung und ist älter geworden. Eine wesentliche Änderung in den persönlichen Umständen vermag das Gericht darin jedoch nicht zu sehen. Das Urteil vom 18. November 2011, das dem widerrufenen Bescheid vorausging, stützte sich darüber hinaus bei der Ablehnung Kabuls als inländische Fluchtalternative maßgeblich auf das fehlende familiäre Netzwerk in Kabul. Dieser persönliche Umstand hat sich indes nicht verändert; der Kläger trägt vielmehr unwiderlegbar vor, auch weiterhin keine Verwandten oder sonstigen Kontaktpersonen in Afghanistan zu haben. Dass die Rechtsprechung inzwischen überwiegend für einen alleinstehenden, volljährigen und jungen Mann ein familiäres Netzwerk in Kabul nicht für erforderlich hält, ist insoweit unbeachtlich, da hierin lediglich eine zum Urteil vom 18. November 2011 abweichende rechtliche Bewertung zum Ausdruck kommt (vgl. oben).
II.
Der Widerruf des Bescheids vom 16. Januar 2012 ist damit rechtswidrig und verletzt als belastende Entscheidung den Kläger auch in seinen Rechten.
Da schon der Widerruf des Bescheids vom 16. Januar 2012 rechtswidrig ist, durfte das Bundesamt dementsprechend – in einem zweiten, vom vorherigen Widerruf abhängigen Schritt – auch nicht prüfen, ob die Voraussetzungen der Zuerkennung subsidiären Schutzes oder eines Abschiebungsverbots vorlagen (§ 73b Abs. 4 AsylG i.V.m. § 73 Abs. 3 AsylG). Aus diesem Grund sind auch Ziffer 2 und 3 des Bescheids vom 17. November 2016 aufzuheben.
III.
Während der Bescheid vom 16. Januar 2012 rechtswidrig ist und die Klage hiergegen erfolgreich, ist die Klage im Übrigen mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig.
Der Kläger hat keinen über die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids hinausgehenden Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus oder hilfsweise von Abschiebungsverboten.
Da schon die Voraussetzungen für einen Widerruf nicht vorlagen, durfte das Bundesamt auch nicht prüfen, ob die Voraussetzungen der Zuerkennung subsidiären Schutzes oder eines Abschiebungsverbots vorlagen (§ 73b Abs. 4 AsylG i.V.m. § 73 Abs. 3 AsylG, vgl. oben). Umgekehrt hat der Kläger in diesem Fall auch keinen Anspruch auf (erneute) Prüfung der Zuerkennung des subsidiären Schutzes durch das Bundesamt. Im Übrigen ist der Bescheid des Bundesamts vom 16. Januar 2012 mangels Widerrufs weiterhin bestandskräftig und wirksam. Der Kläger hat daher einen asylrechtlichen Status, der aufenthaltsrechtlich nach § 104 Abs. 9 AufenthG als subsidiärer Schutzstatus gilt. Ein Rechtsschutzinteresse für eine (erneute) Feststellung dieses Status ist mithin nicht gegeben.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Da der Kläger mit einem Antrag erfolgreich war, mit einem weiteren Antrag hingegen unterlag, ist eine Kostentragung je zur Hälfte sachgerecht. Eine Aufhebung der Kosten gegeneinander nach § 155 Abs. 1 Satz 2 VwGO war hingegen nicht geboten, da die Beklagte wegen der Rechtswidrigkeit des Widerrufs in einem Umfang unterliegt, die die alleinige Tragung der Anwaltsvergütung durch den Kläger unbillig erscheinen lässt. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
V.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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