Verwaltungsrecht

Widerruf einer waffenrechtlichen und sprengstoffrechtlichen Erlaubnis

Aktenzeichen  24 ZB 18.2120

Datum:
11.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 14631
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WaffG § 5 Abs. 2 Nr. 3
GG Art. 12 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Die waffen- und sprengstoffrechtliche Erlaubnis verlangt die niederschwellige Prognose, dass ihr Inhaber weiterhin das Vertrauen verdient, mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umzugehen. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Vertritt jemand Gedanken, die jenen der Reichsbürgerbewegung nahestehen, und leugnet die Existenz und Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland, gilt die Regelunzuverlässigkeitsvermutung. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 16 K 16.2539 2018-08-07 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 73.750 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf verschiedener waffen- und sprengstoffrechtlicher Erlaubnisse.
Das Verwaltungsgericht hat seine entsprechende Klage mit Urteil vom 7. August 2018 abgewiesen. Sämtliche im angefochtenen Bescheid des Beklagten vom 25. November 2016 getroffenen Verfügungen seien rechtmäßig, weil der Kläger im waffenrechtlichen Sinne unzuverlässig geworden sei. Es lägen hinreichend Tatsachen vor, die die Annahme rechtfertigten, dass der Kläger Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden werde, oder aber mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werde. In diesem Zusammenhang sei unerheblich, ob sich der Kläger selbst der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zuordne. Entscheidend sei allein, dass sein Verhalten gegenüber staatlichen und kommunalen Behörden wiederholt und über eine gewisse Zeitdauer ein Muster aufweise, das unter anderem unter deren (der Reichsbürgerbewegung, Anm.) gegen den Staat gerichteten Ideologie bekannt geworden sei und gefördert werde, und das das dem Kläger entgegengebrachte Vertrauen in den sachgemäßen Umgang mit Waffen entscheidungserheblich erschüttere.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzziel weiter. Unter teilweiser Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens macht er insbesondere geltend, an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils bestünden ernstliche Zweifel. Außerdem weise die Rechtssache besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten auf und habe grundsätzliche Bedeutung.
Der Beklagte – Landesanwaltschaft Bayern – ist dem Antrag entgegengetreten und verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und auf die vorgelegten Akten des Beklagten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 VwGO liegen nicht vor.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Der Bescheid des Beklagten vom 25. November 2016, mit dem u.a. der Widerruf der zugunsten des Klägers erteilten, waffen- und sprengstoffrechtlichen Erlaubnisse verfügt wurde, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 VwGO). Der Senat folgt den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils und nimmt gem. § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO darauf Bezug. Lediglich ergänzend ist im Hinblick auf das Zulassungsvorbringen zu bemerken:
Das angefochtene Urteil ist nicht, wie der Kläger meint, aus dem Grund unrichtig, weil er bereits seit vielen Jahren unbeanstandet und straffrei im Waffenhandelsbereich tätig ist und dessen Ergebnis für ihn deshalb auch vor dem Hintergrund des Art. 12 GG eine besondere Härte darstellt. Diesbezüglich hat das Verwaltungsgericht unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zu Recht darauf hingewiesen, dass u.a. im Interesse der inneren Sicherheit und der Notwendigkeit effektiver Gefahrenabwehr bei Beurteilung der Frage, wer Schusswaffen besitzen darf, dem öffentlichen Interesse Vorrang vor dem Interesse Einzelner am Besitz von Waffen eingeräumt werden könne. Anzustellen und ausreichend sei insoweit eine niedrigschwellige Prognose im Hinblick auf die jeweilige waffen- und sprengstoffrechtliche (Un-)Zuverlässigkeit, die sich an dem Zweck des Gesetzes zu orientieren habe, die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz und auch dem Waffenhandel ohnehin verbunden seien, nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienten, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen. Gemessen daran stehe hier auch Art. 12 GG dem Widerruf der Waffenhandelserlaubnis nicht entgegen. Denn die Summe der vom Kläger gezeigten Verhaltensauffälligkeiten rechtfertige vorliegend die Annahme seiner Unzuverlässigkeit im Sinne des Waffengesetzes. Diese Auffassung teilt der erkennende Senat.
Soweit der Kläger darüber hinaus abermals betont, er selbst ordne sich keinesfalls der „Reichsbürgerbewegung“ zu, Äußerungen seinerseits ließen zwar möglicherweise eine gewisse Nähe zu ähnlichen Argumenten aus deren Kreis erkennen, hielten sich aber immer noch im Rahmen zulässiger, abstruser, politischer Auffassungen oder reiner Sympathiebekundungen und rechtfertigten nicht den Schluss, dass ein Ignorieren der waffenrechtlichen Vorschriften oder eine eigenwillige Auslegung zu befürchten und damit die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit zu bejahen wäre, verhilft dies seinem Zulassungsbegehren ebenfalls nicht zum Erfolg. Denn entgegen seiner Ansicht hat das Verwaltungsgericht unter Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalles und insbesondere des individuellen Verhaltens des Klägers mehrere Vorfälle und Verhaltensweisen des Klägers in den Blick genommen, die nach seiner Auffassung in der Summe dessen waffenrechtliche Unzuverlässigkeit belegen (UA S. 8f.). Dagegen ist aus zulassungsrechtlicher Sicht nichts zu erinnern.
Und schließlich hat das Verwaltungsgericht – entgegen der Darstellung des Klägers – auch begründet, weshalb es in der Gesamtschau die Voraussetzungen der Regelunzuverlässigkeitsvermutung gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG (Fassung 2002) als erfüllt ansieht: Der Kläger habe während der letzten 5 Jahre Bestrebungen verfolgt, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind. Er habe in der Sache die Existenz und die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland infrage gestellt, u.a., indem er sich in einem Königreich Bayern lebend wähne und die Regelungen der Staatsangehörigkeit für sich nicht geltend lassen wolle.
2. Weitere Zulassungsgründe hat der Kläger nicht in einer den Anforderungen des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechenden Weise dargelegt. Die Rechtssache weist weder besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) noch die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) auf. Der Sachverhalt ist geklärt und lässt sich ohne weiteres anhand der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften beurteilen. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass eine Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich, bislang höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärt und über den entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist; die Frage muss ferner im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer berufungsgerichtlichen Klärung zugänglich sein und dieser Klärung auch bedürfen (vgl. zum Ganzen: Eyermann VwGO 15. Auflage 2019, § 124 Rn. 35 ff). Hier formuliert der Kläger bereits keine einschlägige Rechts- oder Tatsachenfrage, die in einem Berufungsverfahren geklärt werden könnte oder müsste.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 GKG, § 47 Abs. 1 u. 3 GKG und Nr. 50.2, 50.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung von 2013, abgedruckt bei Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019 und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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