Verwaltungsrecht

Widerruf eines Abschiebungsverbotes eines alleinstehenden arbeitsfähigen männlichen Rückkehrers

Aktenzeichen  Au 5 K 16.31710

Datum:
28.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 73 Abs. 3, § 73c Abs. 2, Abs. 3
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

1 Trotz der schlechten Versorgungslage in Afghanistan muss ein alleinstehender arbeitsfähiger männlicher Rückkehrer nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit damit rechnen, alsbald nach seiner Rückkehr in eine extreme Gefahrenlage zu geraten, die eine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich als unzumutbar erscheinen ließe. (redaktioneller Leitsatz)
2 Für einen jungen gesunden Mann ist es in einer größeren afghanischen Stadt auch abseits der Herkunftsprovinz möglich, das Existenzminimum zu sichern. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Der Einzelrichter (§ 76 Abs. 1 AsylG) konnte über die Klage des Klägers entscheiden, ohne dass ein Vertreter der Beklagten an der mündlichen Verhandlung vom 28. November 2016 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten ausweislich der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Gegenstand des Verfahrens ist das Begehren des Klägers auf Aufhebung des auf § 73c Abs. 2 Asylgesetz – AsylG gestützten Widerrufsbescheides der Beklagten. Dieses Begehren ist begründet, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen für den Widerruf nicht erfüllt sind. Nach § 73c Abs. 2 AsylG setzt der Widerruf eines nach nationalem Recht gewährten Abschiebungsschutzes voraus, dass die Voraussetzungen für das ursprünglich zuerkannte Abschiebungsverbot – hier auf der Grundlage des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG – nachträglich entfallen sind und auch nicht aus anderen Gründen Abschiebungsschutz zu gewähren ist. Dabei sind alle Rechtsgrundlagen für den nationalen Abschiebungsschutz in die Prüfung einzubeziehen.
Nach § 73c Abs. 2 AsylG ist die Entscheidung, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen, zwingend zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen hierfür nicht mehr vorliegen. Aufgrund der in § 73c Abs. 3 AsylG erklärten entsprechenden Anwendung von § 73 Abs. 3 AsylG, ist im Widerrufsfalle auch darüber zu entscheiden, ob die Voraussetzungen für die Gewährung subsidiären Schutzes oder die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen.
Dem erklärten Widerruf nach § 73c Abs. 2 AsylG steht die einjährige Ausschlussfrist des § 49 Abs. 2 Satz 2 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) i. V. m. § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG nicht entgegen. Denn diese Frist findet für das Widerrufsverfahren nach § 73c Abs. 2 AsylG keine Anwendung. Dies ergibt sich aus der Systematik sowie dem Sinn und Zweck der in den §§ 73 bis 73c AsylG getroffenen gesetzlichen Regelungen. § 73c Abs. 2 AsylG, der der Beklagten ohne jede zeitliche Einschränkung den Widerruf der Feststellungen aus § 60 Abs. 5 bzw. 7 AufenthG eröffnet, stellt eine abschließende spezialgesetzliche Regelung dar, die eine Anwendung der Jahresfrist nach § 49 Abs. 2 Satz 2 VwVfG i. V. m. § 48 Abs. 4 VwVfG ausschließt (vgl. HessVGH, U. v. 30.1.2014 – 8 A 119/12.A -, juris Rn. 28). Anders als die Regelung in § 73 Abs. 2a AsylG, sieht § 73c Abs. 2 AsylG keinen zeitlichen Rahmen für den Widerruf vor. Es wäre ein Wertungswiderspruch, wenn die Asyl- und Flüchtlingsanerkennung innerhalb der ersten drei Jahre nach ihrer Unanfechtbarkeit unter leichteren formellen Voraussetzungen, nämlich ohne Beachtung der Jahresfrist, widerrufen werden könnte, als eine Gewährung von sonstigem, nachrangigem Abschiebungsschutz (vgl. HessVGH, U. v. 30.1.2014, a. a. O.). Der Widerruf von auf der Grundlage des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG gewährtem Abschiebungsschutz kann deshalb auch nach Ablauf eines Jahres nach Kenntnis der Beklagten von den Widerrufsgründen in zulässiger Weise erfolgen (OVG NRW, B. v. 15.10.2010 – 13 A 1639/10.A -, juris Rn. 16).
Der mit Bescheid vom 16. August 2016 verfügte Widerruf der Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbotes begegnet keinen rechtlichen Bedenken. § 73c Abs. 2 AsylG verlangt für den Widerruf eines Abschiebungshindernisses eine beachtliche Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse. Durch neue Tatsachen muss sich eine andere Grundlage für die Gefahrenprognose bei dem jeweiligen Abschiebungsverbot ergeben. Maßgeblich zur Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 73c Abs. 2 AsylG ist dabei die Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheides (vgl. BVerwG, B. v. 25.11.2008 – BVerwGE 10 C 46.07 -, Buchholz 451.902 Europäisches Ausländer- und Asylrecht Nr. 24 Rn. 15).
Zu diesem Zeitpunkt liegen die Voraussetzungen für eine Weitergewährung nationalen Abschiebungsschutzes auf der Grundlage des § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht weiter vor.
Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG sind die Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde anordnen, dass die Abschiebung für längstens sechs Monate ausgesetzt wird. Eine solche Abschiebestoppanordnung besteht für die Personengruppe, der der Kläger angehört, nicht.
Das Gericht vermag ein fortgeltendes Abschiebungsverbot für den Kläger nicht zu erkennen.
Es ist weiter der Auffassung, dass die allgemeine Gefahr in Afghanistan sich für den Kläger nicht derart zu einer extremen Gefahr verdichtet hat, dass eine entsprechende Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geboten ist. Die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung hierfür aufgestellten Voraussetzungen sind nicht erfüllt (vgl. BayVGH, B. v. 11.12.2013 – 13A ZB 13.30119 u. a. – juris; VGH Baden-Württemberg, U. v. 27.4.2012 – A 11 S 3079/11 – juris). Wann allgemeine Gefahren von Verfassungswegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer reinen quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssten jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Dies setzt voraus, dass der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann. So besteht eine extreme Gefahrenlage dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen und sicheren Hungertod nach erfolgter Abschiebung ausgeliefert werden würde (vgl. BVerwG, U. v. 29.6.2010 – 10 C 10.09 – BVerwGE 137, 226).
In Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (z. B. B. v. 19.2.2014 – 13A ZB 14.30022 – juris) geht das Gericht davon aus, dass derzeit für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende, alleinstehende, männliche arbeitsfähige afghanische Staatsangehörige, zu denen auch der Kläger zu rechnen ist, in Afghanistan nicht von einer extremen Gefahrenlage auszugehen ist, die zu einem Abschiebungsverbot in entsprechender Anwendung von § 60 Abs. 7 AufenthG führt. Gegen das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes spricht beim Kläger zudem, dass dieser seinem eigenen Vortrag über mehrere Familienangehörige in Afghanistan verfügt, die den Kläger bei einer Rückkehr erneut aufnehmen können. Damit droht dem Kläger keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib und Leben wegen der allgemeinen Versorgungslage in Afghanistan. Zwar gestaltet sich die allgemeine Versorgungslage nach wie vor schwierig. Trotz dieser kritischen Versorgungslage muss nicht jeder Rückkehrer aus Europa generell im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit den Tod oder schwerste Gesundheitsschäden bei einer Rückführung erleiden. In der Gesamtschau der ins Verfahren eingeführten aktuellen Auskünfte ist nicht davon auszugehen, dass jeder Rückkehrer aus Europa generell in unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit den Tod oder schwerste Gesundheitsschäden bei einer Rückführung nach Kabul erleiden müsste (vgl. BayVGH, U. v. 20.1.2012 – 13A B 11.30425 – juris Rn. 32 ff.). Nur für besonders schutzwürdige Rückkehrer wie alte oder behandlungsbedürftig kranke Personen, alleinstehende Frauen mit und ohne Kinder, Familien und Personen, die aufgrund persönlicher Merkmale zusätzlicher Diskriminierung unterliegen oder die über keinen aufnahmebereiten Familienverbund verfügen, lässt sich eine extreme Gefahrenlage begründen. Für alleinstehende, junge und arbeitsfähige Männer aus der Bevölkerungsmehrheit ohne erhebliche gesundheitliche Einschränkungen, besteht die Möglichkeit, sich eine neue Existenz in Kabul oder einer anderen größeren Stadt aufzubauen (st. Rspr.. des BayVGH, beispielsweise U. v. 15.3.2012 – 13a B 11.30439 – juris Rn. 25).
Der Kläger ist volljährig und hat keine gesundheitlichen Einschränkungen im Verfahren geltend gemacht.
Da der Kläger darüber hinaus bereits 25 Jahre alt ist, begegnet es auch keinen rechtlichen Bedenken, dass dieser nach seinen Ausführungen im Verfahren über keinen aufnahmebereiten Familienverbund in Afghanistan bzw. in Kabul verfügt. Ebenfalls bleibt zu berücksichtigen, dass der Kläger in Afghanistan bereits als Näher beruflich tätig gewesen ist. Aufgrund dieser beruflichen Erfahrung ist davon auszugehen, dass der Kläger sein Existenzminimum bei einer Rückkehr nach Afghanistan durchaus sichern kann.
Im Übrigen verweist das Gericht auf mögliche Rückkehr- und Starthilfen für freiwillige Rückkehrer nach Afghanistan nach dem REAG/GARP-Programm. Darüber hinaus werden Leistungen nach dem Reintegrationsprogramm „ERIN“ gewährt (vgl. Auskünfte der Regierung von Schwaben vom 17. August 2016 und des Bundesamtes vom 12. August 2016 an das Verwaltungsgericht Augsburg).
Sonstige gefahrerhöhende Umstände für den Kläger vermag das Gericht nicht zu erkennen. Zwar hat der Kläger vorgetragen, dass er in diversen Internetforen seine Ansichten zur Sachlage in Afghanistan bzw. im Nahen Osten generell kundtue, jedoch hat der Kläger hierfür keinerlei Belege vorgelegt. Sein Vortrag erschöpft sich vielmehr in der bloßen Behauptung, dass er im Internet die fehlende Trennung zwischen Politik und Glauben in Afghanistan kritisiere und sich entsprechend äußere. Der Frage, was ihn bei einer Rückkehr nach Kabul in Afghanistan erwarte, ist der Kläger mehr oder minder ausgewichen. Mangels hinreichender aussagekräftiger Belege über seine exilpolitische Tätigkeit im Internet, vermag das Gericht gefahrerhöhende Umstände für den Kläger bei einer Rückkehr nach Kabul nicht zu erkennen.
Dem Kläger steht aber auch im maßgeblichen Zeitpunkt kein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes auf der Grundlage von § 73c Abs. 3 i. V. m. § 73 Abs. 3 AsylG und § 4 AsylG zu.
Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden geht dabei die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG). nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG gelten dabei die §§ 3c – e AsylG entsprechend. Bei der Prüfung, ob dem Ausländer ein ernsthafter Schaden droht, ist – wie bei der Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft – der asylrechtliche Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anzulegen (BVerwG, U. v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – BVerwGE 136, 377 ff.).
Die Gefahr der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe i. S. d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG hat der Kläger bereits nicht geltend gemacht. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG liegen nicht vor, weil der Kläger jedenfalls auf internen Schutz nach § 3e AsylG zurückgreifen kann.
Nach § 3e Abs. 1 AsylG i. V. m. § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG wird einem Ausländer subsidiärer Schutz nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen des § 3e Abs. 1 AsylG erfüllt, sind gemäß § 3e Abs. 2 Satz 1 AsylG die im sicheren Teil des Herkunftslandes vorhandenen allgemeinen Gegebenheiten sowie die persönlichen Umstände des Klägers zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung zu berücksichtigen. Dieser Zumutbarkeitsmaßstab geht über das Fehlen einer im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 2 AufenthG beachtlichen existenziellen Notlage hinaus (BVerwG, U. v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 20; U. v. 29.5.2008 – 10 C 11/07 – juris Rn. 35). Die Beurteilung erfordert dabei eine Einzelfallprüfung (vgl. BayVGH, B. v. 11.12.2013 – 13A ZB 13.30185 – juris Rn. 5). Dabei sind die individuellen Besonderheiten wie Sprache, Bildung, persönliche Fähigkeiten, vorangegangene Aufenthalte des Klägers in dem in Betracht kommenden Landesteil, örtliche und familiäre Bindungen, Geschlecht, Alter, ziviler Status, Lebenserfahrung, soziale Einrichtungen, gesundheitliche Versorgung und verfügbares Vermögen zu berücksichtigen. Entscheidend dafür, ob eine inländische Fluchtalternative als zumutbar angesehen werden kann, ist dabei insbesondere auch die Frage, ob an dem verfolgungssicher Ort das wirtschaftliche Existenzminimum des Asylsuchenden gewährleistet ist. Dies in der Regel anzunehmen, wenn der Asylsuchende durch eigene Arbeit oder Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu seinem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen kann. Nicht mehr zumutbar ist die Fluchtalternative demgegenüber dann, wenn der Asylsuchende an dem verfolgungssicheren Ort bei der gebotenen grundsätzlich generalisierenden Betrachtungsweise auf Dauer ein Leben zu erwarten hat, das zu Hunger, Verelendung und schließlich zum Tode führt, oder wenn er dort nichts anderes zu erwarten als ein Dahinvegetieren am Rande des Existenzminimums (vgl. VG Gelsenkirchen, U. v. 22.8.2013 – 5A K 156/11.A – juris Rn. 38).
Gemessen an diesen Grundsätzen geht das Gericht davon aus, dass für den Kläger eine inländische Fluchtalternative besteht.
Das Gericht ist davon überzeugt, dass sich der Kläger in Afghanistan für ihn zumutbar auch außerhalb seiner Heimatstadt an einem Ort niederlassen kann, an dem er verfolgungssicher ist. Für den Kläger als jungen gesunden Mann dürfte es in einer größeren afghanischen Stadt auch abseits seiner Herkunftsprovinz möglich sein, sich ein Existenzminimum zu sichern. Diese Einschätzung entspricht auch der aktuellen Auskunftslage. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes bieten größere Städte aufgrund ihrer Anonymität eher Schutz als kleinere Städte oder Dorfgemeinschaften (Lagebericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Afghanistan vom 19.10.2016, Stand: September 2016 – im Folgenden: Lagebericht – S.18). Eine schützende Anonymität bieten nach Auffassung des Gerichts daher insbesondere die Städte Kabul, Herat oder Kandahar. Dort könnte sich der erwerbsfähige Kläger niederlassen, ohne der ernsthaften Gefahr einer Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt zu sein. Überdies stammt der Kläger selbst aus der größeren Stadt …. Der Kläger ist, soweit ersichtlich, gesund und mit einem Alter von knapp 25 Jahren in der Lage, auf dem hart umkämpften afghanischen Arbeitsmarkt eine Arbeit zu finden, von der er leben kann. Für eine zumutbare Rückkehr in eine größere Stadt in Afghanistan spricht auch, dass der Kläger nach seinem eigenen Vortrag ledig ist und keine Unterhaltspflichten zu erfüllen hat.
Der Kläger hat aber auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes auf der Grundlage von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG, wonach von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen ist, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Die Voraussetzungen hierfür liegen nicht vor, weil dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund der dortigen Situation keinen erheblichen individuellen Gefahren aufgrund willkürlicher Gewalt landesweit drohen. Insoweit folgt das Gericht den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Bescheides (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Nach allem erweist sich die Klage zwar als zulässig, aber unbegründet. Sie war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren unterlegen hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.


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