Verwaltungsrecht

Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens

Aktenzeichen  M 7 K 16.107

Datum:
7.12.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 173
ZPO ZPO § 580 Nr. 7 lit. b, § 582
BayVwZVG BayVwZVG Art. 28 Abs. 1, Art. 18 ff.

 

Leitsatz

1 Aufgrund der Subsidiarität der Restitutionsklage gemäß § 582 ZPO ist im Restitutionsverfahren jedes Angriffs- oder Verteidigungsmittel im Restitutionsverfahren ausgeschlossen, das bei gehöriger Sorgfalt im Vorprozess hätte geltend gemacht werden können. (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein Anspruch auf Erstattung eines beigetriebenen Zwangsgeldes nach Art. 28 Abs. 1 BayVwZVG ist nur gegegeben, wenn zu Unrecht vollstreckt wurde. Dies ist nicht der Fall, wenn der zugrundeliegende Heranziehungsbescheid wirksam erlassen wurde und im Zeitpunkt der Vollstreckung unanfechtbar war sowie die übrigen Vollstreckungsvoraussetzungen nach Art. 18 ff. BayVwZVG vorlagen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage war abzuweisen, da sie unzulässig und im Übrigen auch unbegründet ist.
Die Prozessvoraussetzungen für die Wiederaufnahme des durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens M 7 K 14.125 gemäß den nach § 173 VwGO entsprechend anwendbaren Vorschriften der §§ 578 ff. ZPO sind vorliegend nicht erfüllt.
Die Klage ist bei verständiger Auslegung des Klagebegehrens (§ 88 VwGO) im Hinblick auf § 578 Absatz 1 ZPO, wonach die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Endurteil abgeschlossenen Verfahrens durch Nichtigkeitsklage und durch Restitutionsklage erfolgen kann, als Restitutionsklage nach § 580 ZPO statthaft. Die Begründung des Klägers in seinen Schriftsätzen unter Vorlage einer Auskunft des Amtsgericht München – Grundbuchamt und seine Erklärung in der mündlichen Verhandlung lässt trotz Nichtbeachtung der formellen Voraussetzungen des § 587 ZPO erkennen, dass er eine Restitutionsklage nach § 580 Nummer 7 Buchst. b ZPO erheben möchte.
Der Zulässigkeit der Klage steht aber die Subsidiarität der Restitutionsklage nach § 582 ZPO entgegen (vgl. BayVGH, U. v. 3.12.2008 – 15 B 04.3177 – juris Rn. 24). Nach dieser Vorschrift ist – über den Wortlaut hinaus – jedes Angriffs- oder Verteidigungsmittel im Restitutionsverfahren ausgeschlossen, das bei gehöriger Sorgfalt im Vorprozess hätte geltend gemacht werden können (vgl. Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, ZPO, 73. Auflage 2015, Rn. 2 zu § 582). Der beweisbelastete Kläger hat bereits nicht substantiiert dargetan, dass er ohne Verschulden außer Stande war, die Auskunft des Grundbuchamts in dem früheren Verfahren geltend zu machen. Er trägt lediglich vor, er habe die Auskunft erst nach langem Mahnen erhalten, ohne dass daraus hervor geht, welche Bemühungen er hierzu im Einzelnen unternommen hat.
Weiter ist die Klage auch unbegründet, weil die Voraussetzungen des Restitutionsgrunds im Sinne des § 580 Nummer 7 Buchst. b ZPO nicht erfüllt sind. Nach dieser Vorschrift findet die Restitutionsklage statt, wenn die Partei eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Dies ist dann der Fall, wenn die Urkunde zu einem anderen Beweisergebnis als im Vorprozess führt und das neue Beweisergebnis nach der Rechtsauffassung des Restitutionsgerichts eine für den Kläger günstigere Entscheidung herbeigeführt hätte (BayVGH, B. v. 24.10.2014 – 10 C 13.2182 – juris Rn. 6). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Vorlage einer Bestätigung des Grundbuchamts, dass der Kläger zum Stichtag der Zensuszählung nicht mehr Eigentümer des Objekts in Unterschleißheim gewesen ist, ist für den Ausgang des vorangegangenen Verfahrens ohne Bedeutung (fehlende Kausalität, vgl. BayVGH, U. v. 3.12.2008 – 15 B 04.3177 – juris Rn. 33).
Gemäß Art. 28 Abs. 1 VwZVG ist ein Erstattungsanspruch nämlich nur gegeben, wenn zu Unrecht vollstreckt wurde. Die Vollstreckung erfolgte aber nicht zu Unrecht, da – wie bereits im Urteil vom 26. November 2014 ausgeführt – der zugrundeliegende Heranziehungsbescheid wirksam erlassen wurde und im Zeitpunkt der Vollstreckung unanfechtbar war sowie die übrigen Vollstreckungsvoraussetzungen nach Art. 18 ff. VwZVG vorlagen. Der Kläger war seiner Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Auskunftserteilung im Rahmen des Zensus 2011 nicht nachgekommen, weshalb das angedrohte Zwangsgeld beigetrieben wurde. Darauf, dass er zum Stichtag nicht Eigentümer des Objekts in Unterschleißheim war, kommt es nicht an. Dies betrifft lediglich den Inhalt der von ihm zu machenden Angaben, entbindet ihn aber nicht von seiner Auskunftspflicht. So wird auf dem Vordruck zur Gebäude- und Wohnungszählung für den Zensus 2011 unter Frage 2 abgefragt, ob der Adressat für das Gebäude oder die Wohnung unter der Objektanschrift auskunftspflichtig ist, weil er z. B. dort Eigentümer ist. Für den Fall, dass dies verneint wird, sollen Angaben zum neuen Eigentümer gemacht werden und der Bogen dann zurück an den Absender geschickt werden. Diesen Verpflichtungen ist der Kläger nicht nachgekommen.
Soweit der Kläger anführt, dass in der Niederschrift der mündlichen Verhandlung des vorherigen Verfahrens stehe, dass er nicht alleine mit den Kosten belastet werden dürfe, falls sich herausstelle, dass ihm das Objekt in Unterschleißheim nicht gehöre, kann er daraus für seine Restitutionsklage nichts herleiten. Das Zitat aus der Niederschrift betrifft eine den Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 25. Juli 2014 vom Gericht vorgeschlagene gütliche Beilegung des Rechtsstreits. Darin ist formuliert, dass es das Gericht für denkbar hält, dass für den Fall, dass die Objekte in Unterschleißheim und Benediktbeuern, für die der Kläger zur Auskunft herangezogen wurde, dem Kläger nicht gehören, der Kläger nicht alleine mit dem Zwangsgeld samt Pfändungsgebühren belastet bleibt. Eine dahingehende Rechtspflicht des Beklagten bestand jedoch nicht. Weiter ist der Niederschrift zu entnehmen, dass zu berücksichtigen ist, dass der Kläger versäumt hat, gegen den Heranziehungsbescheid vorzugehen. Der Beklagte wäre im Rahmen der gütlichen Einigung sogar bereit gewesen, dem Kläger ohne weitere Vorlage von Unterlagen über die Eigentumsverhältnisse die Hälfte des von ihm geforderten Betrags zurückzuüberweisen. Für das Wiederaufnahmeverfahren sind diese Vorgänge ohne Bedeutung, da die Ausführungen im Zusammenhang mit einer gütlichen Beilegung des Verfahrens standen, der Kläger aber unter Ablehnung des entgegenkommenden Vorschlags eine gerichtliche Entscheidung verlangt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 322,32 festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG-)
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,– übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.


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