Verwaltungsrecht

Wiedereinsetzung bei Versäumung der Klagefrist

Aktenzeichen  B 5 K 16.22

Datum:
16.9.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 60, § 74

 

Leitsatz

Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand hinsichtlich der versäumten Klagefrist kommt nur in Betracht, wenn alle zumutbaren Vorkehrungen zur Vermeidung von Fristversäumnissen getroffen werden, wobei auch leichte Fahrlässigkeit schadet. Es ist als fahrlässig anzusehen, wenn ein Sehbehinderter es unterlässt, rechtzeitig Hilfe zu organisieren, um auf behördliche Schreiben reagieren zu können. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Gerichtsbescheid ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO). Die Beteiligten wurden gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört.
2. Das Begehren des Klägers ist im Rahmen des § 88 VwGO als Versagungsgegenklage i. S. d. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO gegen den Bescheid des Landesamtes für Finanzen, Dienststelle Regensburg vom 1. September 2015 auszulegen, soweit darin für vom Kläger geltend gemachte Kosten i. H. v. 2.412,34 € die Gewährung einer Beihilfe abgelehnt wurde.
3. Die so verstandene Klage ist aber bereits unzulässig, da die Klagefrist nicht gewahrt wurde.
a) Die Klage gegen den mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheid vom 1. September 2015 wäre nach § 74 Abs. 1 Satz 2, § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO i. V. m. Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, Satz 3 des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung (AGVwGO) innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheids zu erheben gewesen. Der ablehnende Bescheid des Landesamts für Finanzen wurde mit einfachen Brief versandt, damit trat die Bekanntgabe gemäß Art. 41 Abs. 2 Satz 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post ein, hier also am 4. September 2015. Demzufolge begann die Klagefrist nach § 57 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 222 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. § 187 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) am 5. September 2015 und endete gemäß § 57 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 222 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO i. V. m. § 188 Abs. 2 BGB mit Ablauf des 5. Oktobers 2015. Die Klageerhebung am 12. Januar 2016 ist demnach verfristet.
b) Eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand nach § 60 VwGO kommt nicht in Betracht. Auch wenn das Schreiben des Klägers vom 28. Februar 2016 als Wiedereinsetzungsantrag ausgelegt werden kann, führt dies nicht zum Erfolg. Für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wäre erforderlich gewesen, dass der Kläger ohne Verschulden daran gehindert war, die Klagefrist einzuhalten und innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses entweder einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gestellt oder die Klageerhebung nachgeholt hätte, § 60 Abs. 1 und 2 VwGO. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung ist vom Kläger nach § 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO glaubhaft zu machen. Zu den innerhalb der Antragsfrist vorzutragenden und glaubhaft zu machenden Tatsachen gehört eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe, aus denen sich ergibt, auf welchen konkreten Umständen die Fristversäumnis beruht und auf welche Weise und durch wessen Verschulden es zur Fristversäumnis gekommen ist (Bernau, NJW 2016, 1999/2000; vgl. auch Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl. 2011, § 32, Rn. 51). Eine unverschuldete Fristversäumnis läge nur vor, wenn dem Betroffenen nach den gesamten Umständen kein Vorwurf daraus zu machen ist, dass er die Frist versäumt hat, ihm also die Einhaltung der Frist nicht zumutbar war. Stets müssen alle zumutbaren Vorkehrungen zur Vermeidung von Fristversäumnissen getroffen werden; auch leichte Fahrlässigkeit ist schädlich (Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 30. Ergänzungslieferung Februar 2016, § 60, Rn. 19 f. m. w. N.).
Ein mangelndes Verschulden am Versäumen der Klagefrist kann hier nicht auf die Sehbehinderung des Klägers gestützt werden. Dem Kläger war seine Sehbehinderung bekannt, somit hätte er im Hinblick auf behördliche Schreiben, mit deren Zugang eine Frist in Gang gesetzt wird, Vorsorge treffen können und müssen. Es ist als fahrlässig anzusehen, dass der Kläger es unterlassen hat, rechtzeitig fremde Hilfe zu organisieren.
Auch die vorherige Prüfung durch die private Krankenversicherung stellt keinen hinreichenden Grund für die Versäumung der Klagefrist dar. Es ist schon nicht nachvollziehbar, weshalb eine solche Prüfung nicht schon vor Beantragung der Beihilfe, aber noch innerhalb der Frist des § 48 Abs. 6 Satz 1 der Bayerischen Beihilfeverordnung (BayBhV) von einem Jahr ab Entstehen der Aufwendungen oder der Ausstellung der Rechnung hat erfolgen können.
Aus dem Vortrag des Klägers ergibt sich darüber hinaus auch nicht, dass die Frist von zwei Wochen für die Beantragung der Wiedereinsetzung und Nachholung der versäumten Rechtshandlung ab dem Wegfall des Hindernisses eingehalten wurde.
2. Der Kläger trägt nach § 154 Abs. 1 VwGO als unterlegene Partei die Kosten des Verfahrens. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach § 84 Abs. 2 Nr. 2 VwGO und § 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen diesen Gerichtsbescheid innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth,
Hausanschrift: Friedrichstraße 16, 95444 Bayreuth oder
Postfachanschrift: Postfach 110321, 95422 Bayreuth,
schriftlich beantragen. In dem Antrag ist der angefochtene Gerichtsbescheid zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für die Stellung des Antrags auf Zulassung der Berufung beim Verwaltungsgericht erster Instanz. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in den § 3 und § 5 des Einführungsgesetzes zum Rechtsdienstleistungsgesetz bezeichneten Personen und Organisationen.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Gerichtsbescheids sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist.
Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München oder
Postfachanschrift in München: Postfach 340148, 80098 München,
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach,
einzureichen.
Es wird darauf hingewiesen, dass die Berufung nur zuzulassen ist,
1. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Gerichtsbescheids bestehen,
2. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. wenn der Gerichtsbescheid von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Anstelle der Zulassung der Berufung können die Beteiligten nach § 84 Abs. 2 Nr. 2 VwGO innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth,
Hausanschrift: Friedrichstraße 16, 95444 Bayreuth oder
Postfachanschrift: Postfach 110321, 95422 Bayreuth,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle mündliche Verhandlung beantragen.
Wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt.
Dem Antrag eines Beteiligten sollen jeweils 4 Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 1.688,64 € festgesetzt.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 3 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Mit dem streitgegenständlichen Bescheid wurde bei einem Beihilfesatz des Klägers von 70 v. H. die Gewährung einer Beihilfe für Kosten in Höhe von insgesamt 2.412,34 € abgelehnt.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Streitwertbeschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth,
Hausanschrift: Friedrichstraße 16, 95444 Bayreuth, oder
Postfachanschrift: Postfach 110321, 95422 Bayreuth,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe dieses Beschlusses eingelegt werden. Der Beschwerdeschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.
Die Frist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postfachanschrift in München: Postfach 340148, 80098 München,
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach,
eingeht.


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