Verwaltungsrecht

Wiedereinsetzung nach Versäumung der Ausschlussfrist

Aktenzeichen  14 ZB 17.1841

Datum:
2.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BayVBl – 2019, 774
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBG Art. 96 Abs. 3a
BayVwVfG Art. 32 Abs. 5
BayBhV a.F. § 48 Abs. 7
VwGO § 124 Abs. 2, § 124a Abs. 4 S. 4

 

Leitsatz

1. Auf die Ausschlussfrist des Art. 96 Abs. 3a BayBG findet die Wiedereinsetzungsvorschrift des Art. 32 BayVwVfG unmittelbar kraft Gesetzes Anwendung (im Anschluss an BVerwG, U.v. 17.7.1980 – 7 C 101.78 – BVerwGE 60, 297/309). (Rn. 7)
2. Weder Art. 96 Abs. 3a BayBG noch sonstige Vorschriften des bayerischen Beihilferechts schließen eine Wiedereinsetzung im Sinne von Art. 32 Abs. 5 BayVwVfG aus. (Rn. 8 ff.)
3. Ausnahmefälle, in denen sich die Beihilfebehörde ungeachtet des Nichtvorliegens der Wiedereinsetzungsvoraussetzungen des Art. 32 BayVwVfG nicht auf den Ablauf der Ausschlussfrist des Art. 96 Abs. 3a BayBG berufen darf, sind zwar auch im bayerischen Beihilferecht nicht von vornherein ausgeschlossen, aber nur unter engen Voraussetzungen denkbar (im Anschluss an BVerwG U.v. 19.11.2015 – 2 C 48.13 – NVwZ-RR 2016, 467 Rn. 15; U.v. 10.11.2016 – 8 C 11.15 – NVwZ 2017, 876 Rn. 22). (Rn. 29)

Verfahrensgang

AN 1 K 16.1323 2017-05-16 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 844,43 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Soweit Zulassungsgründe i.S.v. § 124 Abs. 2 VwGO ausdrücklich oder sinngemäß geltend gemacht werden, sind sie nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise dargelegt bzw. liegen nicht vor.
1. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
1.1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind anzunehmen, wenn in der Antragsbegründung ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. etwa BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838/839). Schlüssige Gegenargumente in diesem Sinne liegen dann vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546/548). Welche Anforderungen an Umfang und Dichte der Darlegung zu stellen sind, hängt wesentlich von der Intensität ab, mit der die Entscheidung begründet worden ist (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 64 m.w.N.).
1.2. Das Verwaltungsgericht hat die Klage, mit der der Kläger begehrt, den Beklagten zur Beihilfebewilligung zu verpflichten, im angegriffenen Urteil abgewiesen im Hinblick auf die Versäumung der Ausschlussfrist des Art. 96 Abs. 3a BayBG, wobei es die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Art. 32 BayVwVfG) verneinte und die Fristversäumung nicht für unverschuldet hielt. Zwar ergebe sich aus einem ärztlichen Attest für den Kläger eine Vereinsamung mit leicht depressiven Symptomen, wobei viele Alltagstätigkeiten verdrängt und verschoben würden. Es fehle aber neben einer präzisen zeitlichen Einordnung an einer Darlegung, dass Tätigkeiten wie die Beantragung von Beihilfe dem Kläger nicht möglich gewesen wären. In Ermangelung einer solchen ärztlichen Einschätzung müsse das Gericht davon ausgehen, dass dem Kläger die Erledigung derartiger Angelegenheiten auch während der Zeit seiner Beeinträchtigung möglich gewesen sei. Es bestehe eine Obliegenheit des Beihilfeberechtigten, sich über derartige Fristen selbst zu informieren. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger auch bei Einhaltung der erforderlichen Sorgfalt von der Frist keine Kenntnis erlangt hätte, bestünden nicht. Das Fürsorgeprinzip gebiete keine Ausnahmen vom Erfordernis der Einhaltung der Jahresfrist. Anhaltspunkte für eine Unzumutbarkeit oder Unbilligkeit insoweit bestünden im Fall des Klägers nicht.
1.3. Durch das klägerische Vorbringen im Zulassungsverfahren werden die Erwägungen des Verwaltungsgerichts nicht ernstlich in Frage gestellt und keine Gesichtspunkte aufgezeigt, die weiterer Klärung in einem Berufungsverfahren bedürften.
1.3.1. Die klägerische These, das durch die materiell-rechtliche Ausschlussfrist bewirkte Erlöschen des Beihilfeanspruchs schließe die vom Verwaltungsgericht geprüfte Wiedereinsetzung aus, ist jedenfalls für das bayerische Beihilferecht unzutreffend.
1.3.1.1. Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, dass es sich bei der beihilferechtlichen Frist für die Antragstellung zwar um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist handelt (so bereits BVerwG, U.v. 28.6.1965 – VIII C 334.63 – BVerwGE 21, 258/261 zum früheren Beihilferecht), aber ebenso auch, dass Art. 32 BayVwVfG sowohl auf verfahrensrechtliche als auch auf materiell-rechtliche gesetzliche Fristen anzuwenden ist (BVerwG, U.v. 17.7.1980 – 7 C 101.78 – BVerwGE 60, 297/309). Dabei ist zu sehen, dass die Wiedereinsetzungsmöglichkeit nicht etwa aufgrund von Verwaltungsvorschriften eingeräumt worden ist, sondern vielmehr vom Gesetzgeber selbst in Art. 32 Abs. 1 BayVwVfG grundsätzlich vorgegeben ist. Vorbehaltlich der Ausnahmeregelung des Art. 32 Abs. 5 BayVwVfG, der seinerseits auf das jeweilige Fachrecht Bezug nimmt, besteht danach auch bei materiell-rechtlichen Ausschlussfristen im Ausgangspunkt eine Wiedereinsetzungsmöglichkeit. Verwaltungsvorschriften kommt insoweit bloß deklaratorische Wirkung zu, zumal die Wiedereinsetzung gemäß Art. 32 BayVwVfG nicht im Ermessen der Verwaltung steht.
Eine abstrakte Vorschrift, dass auf (materiell-rechtliche) Ausschlussfristen Art. 32 BayVwVfG nicht anwendbar sein sollte, gibt es dabei nicht. Insbesondere ist es nicht so, dass bei jeder Versäumung einer (materiell-rechtlichen) Ausschlussfrist – quasi automatisch – gemäß Art. 32 Abs. 5 BayVwVfG eine Wiedereinsetzung ausgeschlossen wäre. Vielmehr entscheidet der jeweilige Fachgesetzgeber, ob die von ihm festgelegten Ausschlussfristen so weit gehen sollen, dass auch die in Art. 32 BayVwVfG grundsätzlich vorgesehene Möglichkeit, Wiedereinsetzung unter den dort festgeschriebenen gesetzlichen Voraussetzungen zu gewähren, ausgeschlossen sein soll.
Aus dem klägerseits zitierten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. März 1996 – 7 C 28.95 – (BVerwGE 101, 39) ergibt sich nichts anderes. Entgegen der klägerischen Einschätzung beziehen sich die dortigen Ausführungen zum Ausschluss einer Wiedereinsetzung nur auf die seinerzeit allein auszulegende Vorschrift des § 30a des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen – Vermögensgesetz (VermG). Das Bundesverwaltungsgericht leitet dort zunächst her, dass § 30a Abs. 1 Satz 1 VermG eine materielle Ausschlussfrist ist (BVerwG, U.v. 28.3.1996 a.a.O. S. 42 ff.) und kommt zu dem Zwischenergebnis, dass Ansprüche nach § 30a VermG „nach Fristablauf endgültig nicht mehr geltend gemacht werden können“ (BVerwG, U.v. 28.3.1996 a.a.O. S. 43 unten). Soweit sodann (BVerwG, U.v. 28.3.1996 a.a.O. S. 44 oben) festgehalten wird, aus der Rechtsnatur als materielle Ausschlussfrist folge weiter, dass bei unverschuldeter Fristversäumnis eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht möglich sei, bezieht sich dies allein auf das vorangestellte Auslegungsergebnis zu § 30a VermG. Denn die bundesverwaltungsgerichtliche Begründung, wonach die Rechtsfolge des § 32 Abs. 5 VwVfG nicht im Gesetzeswortlaut zum Ausdruck kommen müsse, sondern auch dann eintrete, wenn sich aus Sinn und Zweck der Regelung ergebe, dass ein verspäteter Antragsteller materiell-rechtlich „endgültig seine Anspruchsberechtigung verlieren solle“, enthält explizit den Einschub „- wie im Fall des § 30a VermG“ -, woraus deutlich wird, dass die Aussage zum Ausschluss der Wiedereinsetzungsmöglichkeit nicht abstrakt gemeint ist, sondern an das zuvor zu § 30a VermG gefundene spezielle Auslegungsergebnis anknüpft.
Die Entscheidung, ob eine Wiedereinsetzung i.S.v. § 32 Abs. 5 VwVfG oder Art. 32 Abs. 5 BayVwVfG bei materiell-rechtlichen Ausschlussfristen ausgeschlossen sein soll, ist deshalb nicht in diesen Vorschriften des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts, sondern allein im jeweiligen Fachrecht durch dessen Auslegung zu finden. Infolge dessen trifft diese bundesverwaltungsgerichtliche Entscheidung keinerlei Aussage zu der Frage, ob Art. 96 Abs. 3a BayBG oder sonstigen bayerischen beamtenrechtlichen Vorschriften die Wertung zu entnehmen ist, dass nach einer Fristversäumung der Rechtsverlust derart endgültig sein soll, dass auch eine Wiedereinsetzung ausgeschlossen sein soll. Vielmehr ist im Fall des Art. 96 Abs. 3a BayBG durch Auslegung dieser Norm zu ermitteln, ob die dort vorgesehene Ausschlusswirkung derart weit gehen soll, dass bei Fristversäumung auch eine Wiedereinsetzung i.S.v. Art. 32 Abs. 5 BayVwVfG ausgeschlossen ist.
1.3.1.2. Im Ergebnis ist dem bayerischen Beihilferecht ein derart weitgehender Ausschluss des Instituts der Wiedereinsetzung nicht zu entnehmen.
Hierfür spricht zunächst der Wortlaut des Art. 96 Abs. 3a BayBG, der sich zu einem Ausschluss des gesetzlichen Grundmodells der Wiedereinsetzungsmöglichkeit mit keinem Wort äußert. Auch der Wortlaut des (vorliegend im Hinblick auf das Datum der streitgegenständlichen Rechnungen einschlägigen) § 48 Abs. 7 Satz 1 BayBhV a.F. schließt eine Wiedereinsetzungsmöglichkeit nicht explizit aus (nicht anders auch § 48 Abs. 6 Satz 1 BayBhV in der seit 1.10.2014 gültigen Fassung).
Weder aus dem historischen Willen des bayerischen Gesetzgebers noch aus der Regelungssystematik noch aus Sinn und Zweck der Fristvorschriften ergibt sich, dass das gesetzliche Grundmodell der Wiedereinsetzungsmöglichkeit (vgl. Art. 32 Abs. 1 BayVwVfG) ausgeschlossen sein soll.
Art. 96 Abs. 3a BayBG wurde eingeführt durch § 24 Nr. 3 Buchst. b des Gesetzes vom 20. Dezember 2011 (GVBl. S. 689). Die Vorschrift war im seinerzeitigen Gesetzentwurf der Staatsregierung (LT-Drs. 16/9083) noch nicht enthalten, sondern wurde erst im Änderungsantrag vom 13. Oktober 2011 (LT-Drs. 16/9837) vorgeschlagen, dem sich sodann die später Gesetz gewordene Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses vom 1. Dezember 2011 (LT-Drs. 16/10544) anschloss. Die Begründung des Änderungsantrags vom 13. Oktober 2011 führt zu Art. 96 Abs. 3a BayBG Folgendes aus (LT-Drs. 16/9837 S. 2):
„Die Einfügung enthält eine Normierung der bereits bisher in § 48 Abs. 7 BayBhV geregelten und auch vor dem 1. Januar 2007 nach § 17 Abs. 9 BhV-Bund geltenden üblichen Ausschlussfrist von einem Jahr im Gesetz sowie die Klarstellung, dass die Ermächtigungsnorm des Art. 96 Abs. 5 auch die Definition des Zeitpunkts der Beantragung von Beihilfeleistungen unter Einhaltung einer üblichen Ausschlussfrist von einem Jahr bei besonderen Konstellationen umfasst. Durch diese Ausschlussfrist wird weiterhin eine zügige Geltendmachung von Aufwendungen und damit eine ordnungsgemäße und zeitnahe Verwendung öffentlicher Haushaltsmittel sichergestellt.“
Zwar geht aus der zitierten Passage explizit hervor, dass es sich um eine „Ausschlussfrist“ handelt, allerdings ist keine Rede davon, dass bei einer Versäumung der Frist des Art. 96 Abs. 3a BayBG auch eine Wiedereinsetzungsmöglichkeit ausgeschlossen sein soll. Ganz im Gegenteil spricht gerade der dortige Verweis auf die vor dem 1. Januar 2007 nach § 17 Abs. 9 BhV-Bund geltende Regelung für das Gegenteil. Denn es ist zu sehen, dass nach den früheren Beihilfevorschriften gerade auch nach bayerischem Recht bei Fristversäumung Wiedereinsetzung zu gewähren war (vgl. BayVGH, B.v. 7.2.1994 – 3 B 93.45 – juris Rn. 21; B.v. 26.2.2007 – 14 C 06.3407 – juris Rn. 6 f.), wobei das Erfordernis einer ordnungsgemäßen und zeitnahen Verwendung öffentlicher Haushaltsmittel seit je bestand (BayVGH, B.v. 7.2.1994 – 3 B 93.45 – juris Rn. 20 m.w.N.). Auch ist für den Bereich des Bundesbeihilferechts anerkannt, dass trotz Vorliegens einer Ausschlussfrist gleichwohl unter den Voraussetzungen des § 32 VwVfG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich ist (BayVGH, B.v. 12.11.2008 – 14 ZB 08.1595 – juris Rn. 8; B.v. 15.9.2010 – 14 ZB 10.1096 – juris Rn. 5, jeweils zu § 17 Abs. 9 BhV-Bund a.F.; B.v. 20.1.2012 – 14 ZB 11.1379 – juris Rn. 7 zu § 54 Abs. 1 BBhV). Vor dem Hintergrund dieser eindeutigen historischen Auslegung, des Umstands, dass die Möglichkeit der Wiedereinsetzung das gesetzliche Standardmodell ist und dass der Gesetzeswortlaut des Art. 96 Abs. 3a BayBG eine Wiedereinsetzungsmöglichkeit nicht explizit ausschließt, sind keine hinreichenden Gründe systematischer oder teleologischer Art ersichtlich, die Ausschlusswirkung derart weit zu ziehen, dass eine Wiedereinsetzungsmöglichkeit i.S.v. Art. 32 Abs. 5 BayVwVfG ausgeschlossen sein soll.
Im Ergebnis findet deshalb auf die Ausschlussfrist des Art. 96 Abs. 3a BayBG die Wiedereinsetzungsvorschrift des Art. 32 BayVwVfG unmittelbar kraft Gesetzes Anwendung. Weder Art. 96 Abs. 3a BayBG noch sonstige Vorschriften des bayerischen Beihilferechts schließen dabei eine Wiedereinsetzung im Sinne von Art. 32 Abs. 5 BayVwVfG aus.
1.3.1.3. Selbstverständlich ist aber auch im Fall des Art. 96 Abs. 3a BayBG eine Wiedereinsetzung nur zu gewähren, wenn die vom Gesetzgeber in Art. 32 BayVwVfG aufgestellten Voraussetzungen sämtlich erfüllt sind. Das gilt insbesondere hinsichtlich des gesetzlichen Verschuldensmaßstabs des Art. 32 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG, wonach eine Wiedereinsetzung nur zu gewähren ist, wenn die Frist „ohne Verschulden“ versäumt worden ist.
1.3.2. Soweit klägerseits vorgetragen wird, den Kläger treffe „kein“ Verschulden an der Fristversäumung, erscheint vor diesem Hintergrund die Richtigkeit des angegriffenen verwaltungsgerichtlichen Urteils im Hinblick auf den – wie gezeigt anwendbaren (s.o.) – Art. 32 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG nicht ernstlich zweifelhaft.
1.3.2.1. In der Antragsbegründung wird unter anderem ausgeführt, es sei hier nicht so – wie das Verwaltungsgericht meine -, dass die Unkenntnis des Klägers über die Antragsfrist die Ursache seiner Säumnis gewesen sei, was sein bisheriges Verhalten zeige. Er habe in der Vergangenheit seine Beihilfeanträge immer zeitnah bei oder nach Fälligkeit der Rechnungen gestellt. Er habe die verauslagten Gelder sobald wie möglich zurückerhalten wollen. Deswegen hätten seine Anträge „trotz Unkenntnis von der Jahresfrist“ nie verfristen können. Die in Rede stehende Säumnis sei die erste in seinen 45 Dienstjahren gewesen. Auf Grund des Todes seiner Frau habe sich ein depressives Verhalten eingestellt und deshalb seien die Rechnungen und der erforderliche Erstattungsantrag aus seinem Gesichtsfeld geraten. Der vorgelegten ärztlichen Bescheinigung sei zwar nicht zu entnehmen, dass dies so gewesen sei (der Arzt könne in den Patienten nicht hineinsehen), aber jedenfalls, dass dies so gewesen sein könne. Anders als mit dieser depressiven Phase sei das Verhalten des Klägers im Hinblick auf das bisherige Verhalten nicht zu erklären. Ursache der Fristversäumung sei die depressive Seelenlage des Klägers nach dem Tod seiner Frau gewesen. Selbst eine leicht fahrlässige Verletzung der eigenen Obliegenheiten scheide bei dieser Sachlage aus. Deshalb sei es dem Kläger auch nicht vorwerfbar, dass er keinen Vertreter bestellt habe, der in seiner Sache hätte tätig werden sollen.
Diese Kritik stellt die Begründung des angegriffenen verwaltungsgerichtlichen Urteils nicht in Frage.
Zu sehen ist zunächst, dass die Entscheidungsgründe des angegriffenen verwaltungsgerichtlichen Urteils auf den Aspekt der fehlenden Vertreterbestellung nicht abheben. Die diesbezüglichen Ausführungen gehen insoweit ins Leere und sind schon deshalb nicht geeignet, Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zu wecken.
Soweit in der Antragsbegründung die depressive Seelenlage des Klägers als Ursache der Fristversäumung beschrieben wird, ist klarzustellen, dass auch das Verwaltungsgericht das so gesehen hat, gleichwohl aber die Fristversäumung als „nicht unverschuldet“ erachtete, weil es – neben einer präzisen zeitlichen Einordnung – an einer ärztlichen Darlegung fehle, dass Tätigkeiten wie die Beantragung von Beihilfe dem Kläger nicht möglich gewesen sein sollten (UA S. 16 zweiter Absatz). Dieses verwaltungsgerichtliche Argument wird von der Antragsbegründung nicht entkräftet. Zum einen findet sich auch dort keine präzise zeitliche Einordnung. Zum anderen und unabhängig davon trifft die verwaltungsgerichtliche Aussage zu, dass in dem vom Kläger vorgelegten ärztlichen Attest nicht dargelegt wird, dem Kläger seien Tätigkeiten wie die Beantragung von Beihilfe nicht möglich gewesen. Daran ändert der klägerische Einwand, dass dies so gewesen sein „kann“, ebenso wenig etwas wie der klägerische Hinweis auf einen „Beweis des ersten Anscheins“. Der klägerische Vortrag befasst sich insoweit nicht näher mit der Wertung des Art. 32 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG, wonach der jeweilige Antragsteller die Tatsachen zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags glaubhaft zu machen hat, und ist deshalb nicht geeignet, die verwaltungsgerichtliche Wertung insoweit in Frage zu stellen.
1.3.2.2. Auch der klägerische Einwand, für den Fall, dass grundsätzlich von einem Verschulden des Klägers auszugehen sein sollte, sei erheblich, dass der Dienstherr seine Informationspflicht nach Art. 86 BayBG verletzt habe, wobei die Belehrungsfürsorge geboten hätte, den Hinweis auf die Beihilfeantragsfrist zu wiederholen, weckt insoweit keine Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils.
Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass sich eine allgemeine Pflicht des Dienstherrn, seine Beamten über alle für sie einschlägigen Vorschriften zu belehren, nicht aus der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht ableiten lässt (BVerwG, U.v. 30.1.1997 – 2 C 10.96 – BVerwGE 104, 55/57 f.). Vielmehr besteht insoweit eine Informationsobliegenheit des jeweiligen Beihilfeberechtigten (BayVGH, B.v. 14.6.2016 – 14 ZB 14.1508 – juris Rn. 6 m.w.N.).
Eine Ausnahme von diesem Grundsatz lässt sich vorliegend entgegen der Antragsbegründung nicht aus dem zitierten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Januar 1997 – 2 C 10.96 – (BVerwGE 104, 55/58 f.) ableiten. Dort hat das Bundesverwaltungsgericht im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG darauf abgestellt, ob ein Beihilfeberechtigter abweichend von einer Verwaltungspraxis, bei der „üblicherweise“ eine Belehrung erfolgt, ohne sachlichen Grund anders behandelt worden ist. Eine derartige andersartige Behandlung des Klägers im Vergleich zu anderen Beihilfeberechtigten durch den Beklagten trägt die Antragsbegründung aber schon nicht substantiiert vor. Vielmehr zielt die Argumentation darauf ab, die Hinweise des Beklagten seien nicht ausreichend gewesen, weil der zeitliche Abstand zur Gegenwart zu groß gewesen sei, weswegen der Beklagte den Hinweis regelmäßig hätte wiederholen müssen, wobei etwa bei der Landeshauptstadt München in jedem Beihilfeantrag auf die Jahresfrist hingewiesen werde. Mit diesem Vortrag wird ein rechtlich relevanter Gleichheitsverstoß nicht schlüssig dargelegt. Denn eine kreisfreie Stadt wie die Landeshauptstadt München ist gerade ein anderer Dienstherr als der Beklagte (vgl. Art. 1 Satz 1 GO i.V.m. Art. 1 Abs. 1 sowie Art. 18 Abs. 1 und 2 BayBG). Dass der Beklagte innerhalb seiner eigenen Verwaltungspraxis den Kläger anders behandelt hätte als andere Beihilfeberechtigte, ist dagegen schon nicht mit hinreichender Deutlichkeit vorgetragen. Aus diesem Grund weckt auch der weitere klägerische Vorwurf, das Verwaltungsgericht hätte prüfen müssen, ob ein Ausnahmefall gegeben sei, im Ergebnis keine Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils.
Entgegen der klägerischen Kritik ergibt sich auch aus dem beamtenrechtlichen Fürsorgegrundsatz (Art. 86 BayBG) nichts anderes. Dabei ist zunächst zu sehen, dass Art. 96 Abs. 3a BayBG und Art. 32 BayVwVfG ihrerseits landesgesetzliche Regelungen gleichen Ranges wie Art. 86 BayBG sind, dass also gerade der Gesetzgeber den Verschuldensmaßstab vorgeschrieben hat. Gründe, aus denen höherrangiges Recht, insbesondere Verfassungsrecht, ein Abweichen von dieser landesgesetzlichen Vorgabe verlangen könnte, sind klägerseits schon nicht hinreichend deutlich dargelegt i.S.v. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO. Derartige Gründe sind auch nicht ersichtlich, insbesondere nicht hinsichtlich des Rechtsstaatsprinzips (vgl. BayVGH, B.v. 7.2.1994 – 3 B 93.45 – juris Rn. 21 f.). Dabei ist auch zu sehen, dass sogar das (vor Inkrafttreten der Verwaltungsverfahrensgesetze) im früheren Beihilferecht vollständige Fehlen einer Wiedereinsetzungsmöglichkeit in die beihilferechtliche Ausschlussfrist vom Bundesverwaltungsgericht im Ergebnis nicht beanstandet worden ist (BVerwG, U.v. 28.6.1965 – VIII C 334.63 – BVerwGE 21, 258/261 f.).
1.3.3. Auch der klägerische Versuch, eine von den gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen des Art. 32 BayVwVfG losgelöste, an Art. 51 Abs. 2 BayVwVfG orientierte Beurteilung der Versäumungsfolgen mit abgestuftem Verschuldensmaßstab herzuleiten, ist nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen verwaltungsgerichtlichen Urteils zu wecken.
1.3.3.1. Zwar sind unter engen Voraussetzungen auch im bayerischen Beihilferecht Ausnahmefälle nicht von vornherein ausgeschlossen, in denen sich die Beihilfebehörde ungeachtet des Nichtvorliegens der Voraussetzungen des – wie gezeigt (s.o.) einschlägigen – Art. 32 BayVwVfG „zudem“ nicht auf den Ablauf der Ausschlussfrist berufen darf (vgl. BVerwG, U.v. 19.11.2015 – 2 C 48.13 – NVwZ-RR 2016, 467 Rn. 15 f. zur sog. Nachsicht im Bereich des Beamtenversorgungsrechts).
1.3.3.2. Grundvoraussetzung hierfür ist im Kontext der Ausschlussfrist des bayerischen Beihilferechts aber, dass die Fristversäumung auf ein staatliches Fehlverhalten bei der Anwendung von Rechtsvorschriften zurückgeht, ohne deren korrekte Beachtung der Betroffene seine Rechte nicht wahren kann (vgl. BVerwG, U.v. 10.11.2016 – 8 C 11.15 – NVwZ 2017, 876 Rn. 22 m.w.N.).
Zusätzlich darf durch Berücksichtigung eines verspäteten Beihilfeantrags auch der Zweck des Art. 96 Abs. 3a BayBG, nämlich weiterhin eine zügige Geltendmachung von Aufwendungen und damit eine ordnungsgemäße und zeitnahe Verwendung öffentlicher Haushaltsmittel sicherzustellen (s.o. 1.3.1.2.), nicht verfehlt werden (vgl. BVerwG, U.v. 10.11.2016 a.a.O. m.w.N.).
1.3.3.3. Vor diesem Hintergrund ist der Umstand, dass das Verwaltungsgericht vorliegend eine derartige Ausnahmekonstellation seiner Prüfung nicht zugrunde gelegt hat, nicht ernstlich zweifelhaft, weil es vorliegend schon an der Grundvoraussetzung eines Fehlverhaltens der Beihilfebehörde fehlt.
Insbesondere weckt der klägerische Einwand, für den Fall, dass grundsätzlich von einem Verschulden des Klägers auszugehen sein sollte, sei erheblich, dass der Dienstherr seine Informationspflicht nach Art. 86 BayBG verletzt habe, wobei die Belehrungsfürsorge geboten hätte, den Hinweis auf die Beihilfeantragsfrist zu wiederholen, auch insoweit keine Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils. Denn – wie gezeigt (s.o. 1.3.2.2.) – oblag es vorliegend dem Kläger, sich über die beihilferechtliche Ausschlussfrist zu informieren und lag kein Fall vor, in dem ausnahmsweise der Beklagte verpflichtet gewesen wäre, den Kläger hierüber zu belehren.
1.3.3.4. Ob der Zweck der beihilferechtlichen Ausschlussfrist, eine zügige Geltendmachung von Aufwendungen und damit eine ordnungsgemäße und zeitnahe Verwendung öffentlicher Haushaltsmittel sicherzustellen (s.o. 1.3.1.2.), verfehlt würde, wenn von der Beihilfebehörde Nachsicht verlangt und ihr untersagt würde, sich auf die gesetzlich vorgesehene Ausschlussfrist zu berufen (s.o. 1.3.3.2.), kann vorliegend offen bleiben, weil – wie gezeigt – schon die Grundvoraussetzung des behördlichen Fehlverhaltens nicht vorliegt (s.o. 1.3.3.3.). Insbesondere muss nicht geklärt werden, inwieweit bei einer derartigen Prüfung die in Art. 96 Abs. 3a BayBG und in Art. 32 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG enthaltene gesetzliche Wertung, dass jegliches Verschulden seitens des Beihilfeberechtigten eine Wiedereinsetzung in die beihilferechtliche Ausschlussfrist ausschließt, für eine restriktive Handhabung des Instituts der Nachsicht dahin spricht, dass eine Nachsicht insoweit nur in Betracht kommt, soweit die Wiedereinsetzung nicht am fehlenden Verschulden, sondern aus anderen Gründen scheitert und die Verwaltung die alleinige Verantwortung für diese anderen Gründe trägt.
1.3.4. Die klägerischen Ausführungen dazu, den Kläger treffe jedenfalls nur ein „geringes“ Verschulden, gehen vor diesem Hintergrund angesichts des verbindlichen gesetzlichen Verschuldensmaßstabs in Art. 32 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG, wonach Wiedereinsetzung nur gewährt wird, wenn die Ausschlussfrist „ohne Verschulden“ versäumt wurde (s.o. 1.3.2.), und der fehlenden Einschlägigkeit des Instituts der Nachsicht (s.o. 1.3.3.) ins Leere und sind schon deswegen nicht geeignet, die angegriffene verwaltungsgerichtliche Entscheidung in Frage zu stellen.
1.3.5. Dass das Verwaltungsgericht bei der Herleitung des Prüfungsmaßstabs auch auf Verwaltungsvorschriften abgestellt hat (UA S. 14 f.), begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils. Denn im Ergebnis ist das Verwaltungsgericht zutreffend von der Anwendbarkeit des Art. 32 BayVwVfG ausgegangen (UA S. 15 Mitte) und hat seine Entscheidung letztlich zutreffend an der Subsumtion gerade dieser Vorschrift ausgerichtet (S. 16 f.). Unabhängig davon wäre der Kläger durch den Rückgriff des Verwaltungsgerichts auf Art. 32 BayVwVfG in keinem Fall beschwert, weil sich – wie gezeigt – das Institut der Wiedereinsetzung einerseits und das Institut der Nachsicht andererseits, abweichend von der klägerischen Auffassung, nicht gegenseitig ausschließen (s.o. 1.3.3.1.).
1.3.6. Soweit klägerseits vorgetragen wird, auf die zweiwöchige Begründungsfrist für den Wiedereinsetzungsantrag komme es nicht an und eine Versäumung dieser Frist sei nicht belegt, ist dies nicht geeignet, die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Argumentation in Frage zu stellen. Denn auf diesen Aspekt stützen sich die Entscheidungsgründe des angegriffenen verwaltungsgerichtlichen Urteils nicht.
2. Entgegen den klägerischen Ausführungen ist die Berufung nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.
2.1. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO erfordert, dass eine Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich, bislang höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist; die Frage muss ferner im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer berufungsgerichtlichen Klärung zugänglich sein und dieser Klärung auch bedürfen (BayVGH, B.v. 28.7.2010 – 14 ZB 09.422 – juris Rn. 8 m.w.N.). Um den auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO (1.) eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, (2.) ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist, (3.) erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist, und (4.) darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (BayVGH, B.v. 7.2.2017 – 14 ZB 16.1867 – juris Rn. 15 m.w.N.).
2.2. Nach Einschätzung der Klägerseite sind die aufgeworfenen Rechtsfragen, ob Beihilfe auch bei geringem Verschulden an der Fristversäumnis zu gewähren ist, ob und in welchem Umfang eine Belehrungspflicht des Staates über die Antragsfrist besteht und wie eine Verletzung der Belehrungspflicht sich auf das eventuelle Verschulden des Beihilfeberechtigten und (ggf. auch oder) auf den anzuwenden Verschuldensmaßstab auswirkt, von grundsätzlicher Bedeutung. Es bestehe für den Dienstherrn ebenso wie für die Beamtenschaft allgemeines Interesse, die Fragen zu klären, ob trotz des geringen Haushaltsinteresses des Staates die Beihilfeberechtigten nur bei unverschuldeter Fristversäumnis noch in den Genuss der Beihilfe kommen können, wie weit die Fürsorgepflicht des Dienstherrn gehe, den Beihilfeberechtigten über die Antragsfrist zu informieren, inwieweit der Beihilfeberechtigte sich insoweit selbst informieren müsse und in welchem Verhältnis diese beiden Verpflichtungen zueinander stünden.
Indes ist wegen keiner dieser klägerseits aufgeworfenen Fragen die Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
Wie gezeigt (s.o. 1.3.1.2.), ging der Wille des historischen Gesetzgebers bei Art. 96 Abs. 3a BayBG dahin, die bisher geltenden Regelungen zur Ausschlussfrist beizubehalten. Weil aber – wie gezeigt (s.o. 1.3.1.2.) – in der bisherigen Judikatur durchgehend auf die Wiedereinsetzungsvorschriften und daher auch auf den gesetzlichen Verschuldensmaßstab in Art. 32 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG zurückgegriffen worden ist, steht fest, ohne dass es insoweit einer weiteren Klärung in einem Berufungsverfahren bedürfte, dass Beihilfeberechtigte bei Versäumung der beihilferechtlichen Ausschlussfrist – abgesehen vom Institut der Nachsichtgewährung, dessen Voraussetzungen hier sichtlich nicht vorliegen (s.o. 1.3.3.) – über das einschlägige Instrument der Wiedereinsetzung und deshalb insoweit nur bei unverschuldeter Fristversäumnis noch in den Genuss der Beihilfe kommen können, während dies bereits bei geringem Verschulden nicht der Fall ist.
Wie gezeigt (s.o. 1.3.2.2., 1.3.3.3.), ist gerichtlich geklärt, dass die Fürsorgepflicht des Dienstherrn keine Belehrung über die Antragsfrist gebietet, sondern dass insoweit vielmehr eine Informationsobliegenheit des Beihilfeberechtigten besteht. Auch betrifft der klägerische Vortrag zu unterschiedlichen Handhabungen nicht die Verwaltungspraxis gerade des Beklagten, sondern diejenige verschiedener Dienstherrn, so dass nicht ersichtlich ist, weshalb die im Zusammenhang mit Unterschieden der Verwaltungspraxis des Beklagten einerseits und der Landeshauptstadt München andererseits aufgeworfenen Fragen vorliegend entscheidungserheblich werden können sollten. Nachdem keine Verletzung von Belehrungspflichten erkennbar ist, stellt sich auch nicht die Frage, wie diese sich auf das Verschulden oder den Verschuldensmaßstab auswirken könnten.
3. Schließlich ist die Berufung auch nicht wegen Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) zuzulassen.
3.1. Divergenz in diesem Sinne liegt vor, wenn das Verwaltungsgericht in Anwendung derselben Vorschrift (vgl. BVerwG, B.v. 28.1.2004 – 6 PB 15.03 – NVwZ 2004, 889/890) mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz oder einem verallgemeinerungsfähigen Tatsachensatz von einem in der Rechtsprechung der in § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO genannten übergeordneten Gerichte aufgestellten Rechts- oder Tatsachensatz oder einer inhaltsgleichen Rechtsvorschrift ausdrücklich oder konkludent abweicht und die Entscheidung darauf beruht (vgl. BayVGH, B.v. 22.8.2017 – 11 ZB 17.30654 – juris Rn. 3 m.w.N.). Zwischen den Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen (vgl. BVerwG, B.v. 27.10.2014 – 2 B 52.14 – juris Rn. 5 m.w.N.; BayVGH, B.v. 10.1.2018 – 10 ZB 17.30394 – juris Rn. 2 m.w.N.). Es genügt nicht, wenn in der angegriffenen Entscheidung ein in der Rechtsprechung der übergeordneten Gerichte aufgestellter Grundsatz lediglich übersehen, übergangen oder in sonstiger Weise nicht richtig angewandt worden ist (BVerwG, B.v. 19.8.1997 – 7 B 261.97 – NJW 1997, 3328 m.w.N.; B.v. 20.7.2016 – 6 B 35.16 – juris Rn. 12 m.w.N.). Deshalb erfordert die Darlegung der Divergenz nicht nur die genaue Benennung des Divergenzgerichts und die zweifelsfreie Angabe seiner Divergenzentscheidung. Darzulegen ist auch, welcher tragende Rechts- oder Tatsachensatz in dem Urteil des Divergenzgerichts enthalten ist und welcher bei der Anwendung derselben Rechtsvorschrift in dem angefochtenen Urteil aufgestellte tragende Rechts- oder Tatsachensatz dazu in Widerspruch steht. Die divergierenden Sätze müssen einander so gegenübergestellt werden, dass die Abweichung erkennbar wird (stRspr., vgl. BVerwG, B.v. 20.12.1995 – 6 B 35.95 – NVwZ-RR 1996, 712/713; B.v. 17.7.2008 – 9 B 15.08 – NVwZ 2008, 1115 Rn. 22 m.w.N.; Happ in Eyermann, VwGO, § 124a Rn. 73 m.w.N.).
3.2. Die Antragsbegründung zitiert in ihrem ersten Divergenzkritikpunkt hinsichtlich der Frage eines Ausschlusses einer Wiedereinsetzung bei Ausschlussfristen aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. März 1996 – 7 C 28.95 – (BVerwGE 101, 39) und kritisiert, das Verwaltungsgericht habe entgegen dieser bundesverwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Rahmen der Fürsorge als Billigkeitsregelung nur die Anwendung des Instituts der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bejaht, weil diese durch Verwaltungsrichtlinien eingeräumt werde, während tatsächlich die gesetzlichen Regelungen den Verwaltungsvorschriften vorgingen. Dass die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts sich auf den Tatbestand des § 30a VermG bezogen habe, sei unmaßgeblich, weil diese Rechtssätze uneingeschränkt für materiell-rechtliche Ausschlussfristen gelten würden, und zwar unabhängig davon, welcher Sachverhalt oder welche Rechtsgrundlage der Entscheidung zugrunde gelegt werde.
Wie gezeigt, bezieht sich die genannte bundesverwaltungsgerichtliche Entscheidung – entgegen dieser klägerischen Einschätzung – nur auf § 30a VermG, wobei gerade nach der bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung § 32 Abs. 1 VwVfG auch auf materiell-rechtliche Fristen Anwendung findet (s.o. 1.3.1.1.) und Art. 32 Abs. 5 BayVwVfG im Fall der Ausschlussfrist des Art. 96 Abs. 3a BayBG nicht einschlägig ist (s.o. 1.3.1.2.). Schon aus diesem Grund ist im vorliegenden beihilferechtlichen Rechtsstreit eine Divergenz gegenüber der genannten bundesverwaltungsgerichtlichen Entscheidung nicht gegeben, wobei sich das Bundesverwaltungsgericht mit der Frage der Bedeutung von Verwaltungsvorschriften nicht befasst hat.
3.3. In ihrem zweiten Divergenzkritikpunkt zitiert die Antragsbegründung aus derselben Entscheidung hinsichtlich der dort dargestellten engen Voraussetzungen, unter denen sich Behörden nicht auf den Ablauf einer Ausschlussfrist berufen dürfen. Das Verwaltungsgericht habe diese Rechtssätze ignoriert. Es habe zwar ausgeführt, dass die Jahresfrist aus haushaltstechnischen Gründen dazu diene, eine baldige Klärung etwa noch bestehender Beihilfeansprüche herbeizuführen. Das Verwaltungsgericht sei jedoch nicht auf den Regelungsbereich, in dem die Ausschlussfrist wirken solle, und die ihr in diesem Zusammenhang zugemessene Funktion eingegangen. Das Verwaltungsgericht hätte prüfen müssen, ob der Beihilfeanspruch trotz Ausschlussfrist im Hinblick auf den beabsichtigten Regelungsbereich „Haushaltsgründe und deren Gewicht“ und die Interessen des Beihilfeberechtigten dennoch als Surrogat zu gewähren sei. Im Ergebnis hätte allenfalls grobes Verschulden der Gewährung der beantragten Beihilfe entgegenstehen können, das im Fall des Klägers aber nicht vorliege.
Damit ist entgegen der klägerischen Ansicht keine Divergenz dargetan. Zunächst beziehen sich auch diese Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts allein auf die Situation bei § 30a VermG. Unabhängig davon bietet – wie gezeigt – Art. 96 Abs. 3a BayBG keinen Anlass, das gesetzliche Standardmodell der Wiedereinsetzung im Bereich der beihilferechtlichen Ausschlussfrist nicht zur Anwendung zu bringen. Schließlich lässt sich dem klägerseits zitierten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nicht unmittelbar etwas hinsichtlich der Anforderungen an das Institut der Nachsicht im Bereich des bayerischen Beihilferechts entnehmen (siehe hierzu 1.3.3.). Vielmehr hält gerade auch dieses Urteil explizit fest, dass sich diese Ausnahmen „nicht allgemeingültig, sondern nur im Einklang mit dem Regelungsbereich, in dem die Ausschlussfrist wirkt, und im Blick auf die ihr dort zugemessene Funktion bestimmen“ lassen (BVerwG, U.v. 28.3.1996 – 7 C 28.95 – BVerwGE 101, 39/45). Deshalb stellen sich die seinerzeit vom Bundesverwaltungsgericht bei § 30a VermG vorgenommenen Überlegungen zu Ausnahmefallgruppen im Bereich der beihilferechtlichen Ausschlussfrist im Hinblick auf den Vorrang des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) von vornherein nicht (s.o. 1.3.1.) und scheidet eine Divergenz auch deswegen aus.
4. Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens trägt der Kläger, der dieses Rechtsmittel vorliegend ohne Erfolg eingelegt hat (§ 154 Abs. 2 VwGO).
Der Streitwert des Berufungszulassungsverfahrens bestimmt sich nach §§ 47, 52 Abs. 3 Satz 1 GKG (mangels anderer Anhaltspunkte wie Vorinstanz).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird die angegriffene Entscheidung rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.


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