Verwaltungsrecht

Willkürverbot beim Erlass einer Beseitigungsverfügung

Aktenzeichen  9 ZB 16.308

Datum:
10.6.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 47824
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 76 S. 1
BauGB § 35

 

Leitsatz

Beim Einschreiten gegen Schwarzbauten darf sich die Bauaufsichtsbehörde auf die Regelung von Einzelfällen beschränken, wenn sie hierfür sachliche Gründe anzuführen vermag. Dem behördlichen Einschreiten können Fälle, in denen noch nicht eingeschritten worden ist, ausnahmsweise dann entgegengehalten werden, wenn es nach der Art des Einschreitens an jedem System fehlt, für diese gewählte Art des zeitlichen Vorgehens keinerlei einleuchtende Gründe sprechen und die Handhabung deshalb als willkürlich angesehen werden muss (vgl. BVerwG BeckRS 2014, 55543 m. w. N.). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

9 K 15.1273 2016-01-27 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I. Der Kläger wendet sich gegen die zwangsgeldbewehrte Anordnung des Landratsamts Weißenburg-Gunzenhausen vom 7. Juli 2015, die ihm aufgibt, einen auf seinem Grundstück im Außenbereich aufgestellten Bauwagen zu beseitigen. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 27. Januar 2016 abgewiesen. Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel des Klägers.
II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Der Kläger beruft sich auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ob solche Zweifel bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was der Kläger innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel nicht.
Das Zulassungsvorbringen beschränkt sich auf Darlegungen zu einem nach Auffassung des Klägers gleichheitswidrigen Vorgehen des Beklagten gegen den Bauwagen des Klägers. Das Verwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt, vom Landratsamt könne nicht verlangt werden, den Landkreis großflächig nach baurechtswidrigen Verstößen abzusuchen. Es sei lediglich verpflichtet, nach Bekanntwerden eines Falles pflichtgemäß die Voraussetzungen für ein Einschreiten zu prüfen. Dies sei in der mündlichen Verhandlung versichert worden. Diese Ausführungen sind nicht zu beanstanden.
Zwar ist das bundesrechtliche Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG bei jeder Ermessensausübung zu beachten. Die Behörde darf daher ihr Ermessen nicht ohne erkennbaren Grund unterschiedlich, systemwidrig oder planlos ausüben. Beim Einschreiten gegen Schwarzbauten darf sich die Bauaufsichtsbehörde aber auf die Regelung von Einzelfällen beschränken, wenn sie hierfür sachliche Gründe anzuführen mag. Dem behördlichen Einschreiten können Fälle, in denen noch nicht eingeschritten worden ist, ausnahmsweise dann entgegengehalten werden, wenn es nach der Art des Einschreitens an jedem System fehlt, für diese gewählte Art des zeitlichen Vorgehens keinerlei einleuchtende Gründe sprechen und die Handhabung deshalb als willkürlich angesehen werden muss (vgl. BVerwG, B. v. 24.7.2014 – 4 B 34.14 – juris Rn. 4 m. w. N.).
Daran gemessen lässt das Zulassungsvorbringen keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass das Landratsamt willkürlich gegen den Bauwagen des Klägers eingeschritten wäre. Insbesondere liegt ein systemwidriges Vorgehen nicht schon dann vor, wenn die Bauaufsichtsbehörde nicht gleichzeitig gegen sämtliche baurechtswidrigen Zustände im Landkreis einschreitet (vgl. BVerwG, B. v. 26.3.2003 – 4 B 19.03 – juris Rn. 8; BVerwG, B. v. 23.11.1998 – 4 B 99.98 – BauR 1999, 734 = juris Rn. 5; jeweils m. w. N.). Eine allgemeingültige zeitliche Grenze für ein unterschiedliches Vorgehen gegen baurechtswidrige Zustände ergibt sich aus dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz nicht (vgl. BVerwG, B. v. 18.4.1996 – 4 B 38.96 – juris Rn. 2). Die im Zulassungsverfahren wiederholte klägerische Behauptung, das Einschreiten gegen den Kläger beruhe ausschließlich darauf, dass der Jagdpächter mehrfach interveniert habe und dieser eine persönliche Animosität gegenüber dem Kläger pflege, setzt sich mit den zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts, es sei grundsätzlich unerheblich, auf welchem Weg das Landratsamt von baurechtswidrigen Zuständen Kenntnis erlange, nicht auseinander. Soweit auch im Zulassungsverfahren auf baurechtswidrige Anlagen Bezug genommen wird, ist nicht ersichtlich, dass das Landratsamt hiergegen nicht vorgehen werde, wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen, wie die Vertreter des Landratsamts dies in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 27. Januar 2016 bekundet haben. Ein willkürliches Vorgehen gegen den Kläger folgt auch nicht daraus, dass das Landratsamt nicht bereits im Lauf des gerichtlichen Verfahrens gegen die vom Kläger genannten Fälle eingeschritten ist, weil es – wie bereits ausgeführt wurde – keine allgemeingültige zeitliche Grenze für ein unterschiedliches Vorgehen gegen baurechtswidrige Zustände gibt. Es ist auch weder offenkundig noch hat die Beklagtenseite eingeräumt, dass sie im Zweifel keine umfassende Sachverhaltsermittlung vornehme.
Von Vorstehendem abgesehen hat der Kläger die Vergleichbarkeit der in Bezug genommenen Baurechtsverstöße (insbesondere die Anlagen auf einem Sportplatz in ca. 800 m Entfernung oder der „Hüttenbereich“ nahe der Bundesstraße in ca. 2 km Entfernung), die schon in keinem räumlichen Zusammenhang mit dem Bauwagen des Klägers stehen, nicht hinreichend dargelegt. Das vom Kläger vermisste Einschreitenskonzept wurde vom Landratsamt bereits im erstinstanzlichen Verfahren erläutert. Nach Bekanntwerden eines baurechtswidrigen Zustands werde geprüft, ob das Vorhaben privilegiert sei. Sei dies nicht der Fall, werde unter Einschaltung der Träger öffentlicher Belange geprüft, ob das Vorhaben öffentliche Belange beeinträchtige (§ 35 Abs. 2 BauGB). Bei einer Beeinträchtigung öffentlicher Belange und fehlender Genehmigungsfähigkeit werde die Beseitigung der Anlage angeordnet. In eben dieser Weise ist das Landratsamt ausweislich der Behördenakte gegen den Bauwagen des Klägers vorgegangen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG. Sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben worden sind.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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