Verwaltungsrecht

Zulässige, aber unbegründete Anfechtungsklage gegen Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG (Zielstaat Griechenland), Keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung eines in Griechenland anerkannt schutzberechtigten, alleinstehenden, gesunden, arbeitsfähigen und überdurchschnittlich qualifizierten (Sprachkenntnisse) 21-jährigen Mannes im Sinne des Art. 4 GRCh und Art. 3 EMRK bei Rückkehr nach Griechenland.

Aktenzeichen  AN 17 K 19.50329

Datum:
1.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 46733
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2, § 35, § 36
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
RL 2013/32/EU (Verfahrens-RL) Arts. 33 Abs. 2 Buchst. a
RL 2008/115/EG (Rückführungs-RL) Art. 3
GRCh Art. 4
EMRK Art. 3

 

Leitsatz

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
1. Die durch den Kläger mit dem Hauptantrag erhobene Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO ist die statthafte Klageart gegen die Unzulässigkeitsentscheidung in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids und die auf ihr aufbauenden Folgeentscheidungen.
Die Zulässigkeit der Anfechtungsklage ergibt sich aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Zuge der Änderung des Asylverfahrensgesetzes infolge des Inkrafttretens des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I Nr. 39 v. 5.8.2016). Danach ist die Anfechtungsklage gegen Bescheide, die die Unzulässigkeit eines Asylantrags nach § 29 Abs. 1 AsylG feststellen, die allein statthafte Klageart. Hintergrund hierfür ist der Umstand, dass die Asylanträge in diesen Fällen ohne Prüfung der materiell-rechtlichen Anerkennungsvoraussetzungen, also ohne weitere Sachprüfung, abgelehnt werden. Insoweit kommt auch kein eingeschränkter, auf die Durchführung eines Asylverfahrens beschränkter Verpflichtungsantrag oder gar ein Antrag auf ein „Durchentscheiden“ des Gerichts in Betracht (vgl. BVerwG, U.v. 20.5.2020 – 1 C 34.19 – juris Rn. 10, U.v. 1.6.2017 – 1 C 9.17 – NVwZ 2017, 1625 Rn. 15; BayVGH, U.v. 13.10.2016 – 20 B 14.30212 – juris Rn. 20 ff.). Bei einer erfolgreichen Klage führt die isolierte Aufhebung der angefochtenen Regelung nämlich zur weiteren inhaltlichen Prüfung der Asylanträge durch die Beklagte und damit zum erstrebten Rechtsschutzziel. Dabei bleibt es auch nach der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137; zuvor schon angelegt in EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris), der lediglich inhaltliche Vorgaben im Hinblick auf den effektiven Rechtsschutz für international Anerkannte im Sinne des Art. 47 GRCh und Art. 46 Verfahrens-RL macht, aber keine prozessualen oder verfahrensrechtlichen Vorgaben, die dem nationalen Recht überlassen sind.
Neben der Anfechtungsklage zulässig ist auch die hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit dem Hauptantrag, erhobene Verpflichtungsklage auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 AufenthG, weil das Bundesamt deren Voraussetzungen gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG bereits inhaltlich geprüft hat.
2. Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet. Das Bundesamt hat den Asylantrag des Klägers zu Recht als unzulässig gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG abgelehnt.
a) Nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Mitgliedsstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat. Dem Kläger wurde durch Griechenland mit Entscheidung vom 21. August 2018 der Flüchtlingsstatus zuerkannt. Die Norm setzt Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Verfahrens-RL 2013/32/EU in nationales Recht um und ist daher richtlinien- und europarechtskonform auszulegen. Nach Art. 33 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a der Verfahrens-RL dürfen die Mitgliedsstaaten einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig ablehnen, wenn ein anderer Mitgliedsstaat internationalen Schutz gewährt hat. Allerdings hat der Europäische Gerichtshof der Vorschrift im Wege der Auslegung noch ein weiteres, negatives Tatbestandsmerkmal entnommen. Nach der Entscheidung vom 13. November 2019 ist es den Mitgliedsstaaten nämlich nicht möglich von der Befugnis des Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Verfahrens-RL Gebrauch zu machen und einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig abzulehnen, wenn dem Antragsteller bereits von einem anderen Mitgliedsstaat die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, aber die Lebensverhältnisse, die ihn dort als anerkannter Flüchtling erwarten würden, ihn der ernsthaften Gefahr aussetzen würden, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh zu erfahren (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137; s.a. schon EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris). Nach Art. 52 Abs. 3 GRCh ist dabei auch die zu Art. 3 EMRK ergangene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu berücksichtigen.
Eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG hat also in richtlinienkonformer Auslegung zu berücksichtigen, ob dem im anderen Mitgliedsstaat Anerkannten nach einer Rücküberstellung eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht.
Dem steht auch nicht der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens im Unionsrecht entgegen, welcher besagt, dass die Mitgliedsstaaten regelmäßig grundlegende Werte der Union, wie sie etwa in Art. 4 GRCh zum Ausdruck kommen, anerkennen, das sie umsetzende Unionsrecht beachten und auf Ebene des nationalen Rechts einen wirksamen Schutz der in der GRCh anerkannten Grundrechte gewährleisten sowie dies gegenseitig nicht in Frage stellen. Dieser Grundsatz gilt auch im Rahmen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems und gerade bei der Anwendung von Art. 33 Abs. 2 Buchst. a der Verfahrens-RL, in dem er zum Ausdruck kommt (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 80 ff.; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 83 ff.; s.a. Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, Art. 4 GRCh Rn. 3).
Der Grundsatz gegenseitigen Vertrauens gilt jedoch nicht absolut im Sinne einer unwiderlegbaren Vermutung, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Gemeinsame Europäische Asylsystem in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedsstaat stößt, so dass ein ernsthaftes Risiko besteht, dass Personen, die internationalen Schutz beantragen, bei einer Überstellung in diesen Mitgliedsstaat grundrechtswidrig behandelt werden. Dies zu prüfen obliegt den Mitgliedsstaaten einschließlich der nationalen Gerichte (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 83 ff.; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 86 ff.).
Derartige Funktionsstörungen müssen eine besonders hohe Schwelle an Erheblichkeit erreichen und den Antragsteller tatsächlich einer ernsthaften Gefahr aussetzen, im Zielland eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erfahren, was von sämtlichen Umständen des Einzelfalles abhängt (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137 Rn. 36; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C -297/17 u.a. – juris Rn. 89). Nicht ausreichend für das Erreichen dieser Schwelle ist der bloße Umstand, dass die Lebensverhältnisse im Rückführungsstaat nicht den Bestimmungen des Kapitels VII der RL 2011/95/EU (Qualifikations-RL) entsprechen (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137 Rn. 36). Die Schwelle ist jedoch dann erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedsstaates zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befindet, die es ihr nicht erlaubt ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigt oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzt, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137 Rn. 39; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 90). Plakativ formuliert kommt es darauf an, ob der Anerkannte bei zumutbarer Eigeninitiative in der Lage wäre, an „Bett, Brot und Seife“ zu gelangen (VGH BW, B.v. 27.5.2019 – A 4 S 1329/19 – juris Rn. 5). Angesichts dieser strengen Anforderungen überschreitet selbst eine durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichnete Situation nicht die genannte Schwelle, sofern diese nicht mit extremer materieller Not verbunden ist, aufgrund derer sich die betreffende Person in einer solch schwerwiegenden Situation befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann (EuGH, B.v. 13.11.2019 – Hamed, Omar, C-540/17, C-541/17 – NVwZ 2020, 137 Rn. 39; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 91).
Daher kann auch der Umstand, dass international Schutzberechtigte in dem Mitgliedsstaat, der sie anerkannt hat, keine oder im Vergleich zu anderen Mitgliedsstaaten nur in deutlich reduziertem Umfang existenzsichernde Leistungen erhalten, ohne dabei anders als die Angehörigen dieses Mitgliedsstaats behandelt zu werden, nur dann zur Feststellung der Gefahr einer Verletzung des Standards des Art. 4 GRCh führen, wenn die Schutzberechtigten sich aufgrund ihrer besonderen Verletzbarkeit unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not im oben genannten Sinne befänden. Dafür genügt nicht, dass in dem Mitgliedsstaat, in dem ein neuer Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, höhere Sozialleistungen gewährt werden oder die Lebensverhältnisse besser sind als in dem Mitgliedsstaat, der bereits internationalen Schutz gewährt hat (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 93 f.; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 97). Ebenso wenig ist das Fehlen familiärer Solidarität in einem Staat im Vergleich zu einem anderen eine ausreichende Grundlage für die Feststellung extremer materieller Not. Gleiches gilt für Mängel bei der Durchführung von Integrationsprogrammen (EuGH, U.v. 19.3.2019 -Jawo, C-163/17 – juris Rn. 94, 96).
Bei dem so definierten Maßstab ist also weiter zu berücksichtigen, ob es sich bei der betreffenden Person um eine gesunde und arbeitsfähige handelt oder eine Person mit besonderer Verletzbarkeit (sog. Vulnerabilität), die leichter unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in eine Situation extremer materieller Not geraten kann (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 93; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 95; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 29 AsylG Rn. 26). Damit schließt sich der Europäische Gerichtshof der Tarakhel-Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte an (EGMR, U.v. 4.11.2014 – Tarakhel, 29217/12 – NVwZ 2015, 127), die wegen Art. 52 Abs. 3 GRCh auch im Rahmen des Art. 4 GRCh zu berücksichtigen ist.
Für die demnach zu treffende Prognoseentscheidung, ob dem Schutzberechtigten eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh droht, ist eine tatsächliche Gefahr („real risk“) des Eintritts der maßgeblichen Umstände erforderlich, d.h. es muss eine ausreichend reale, nicht nur auf bloße Spekulationen gegründete Gefahr bestehen. Die tatsächliche Gefahr einer Art. 4 GRCh zuwiderlaufenden Behandlung muss insoweit aufgrund aller Umstände des Falles hinreichend sicher und darf nicht hypothetisch sein (OVG RhPf, B.v. 17.3.2020 – 7 A 10903/18.OVG – BeckRS 2020, 5694 Rn. 28 unter Verweis auf VGH BW, U.v. 3.11.2017 – A 11 S 1704/17 – juris Rn. 184 ff. m.w.N. zur Rspr. des EGMR). Es gilt der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Die für eine solche Gefahr sprechenden Umstände müssen ein größeres Gewicht als die dagegensprechenden Tatsachen haben (OVG RhPf, a.a.O.; vgl. VGH BW, a.a.O., juris Rn. 187).
b) Dabei legt das Gericht hinsichtlich der in Griechenland herrschenden Lebensverhältnisse für zurückkehrende, anerkannt Schutzberechtigte folgende Lage zugrunde:
aa) Asylbewerber, die bereits von Griechenland als international Schutzberechtigte anerkannt worden sind, werden im Falle einer Abschiebung dorthin von den zuständigen Polizeidienststellen in Empfang genommen und mit Hilfe eines Dolmetschers umfassend über ihre Rechte aufgeklärt (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 3; anders, aber nur „nach bisheriger Kenntnis“: Stiftung Pro Asyl/RSA, Stellungnahme zur aktuellen Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland, April 2021, S. 5). Die betroffenen Personen erhalten insbesondere Informationen zur nächsten Ausländerbehörde, um dort ihren Aufenthaltstitel verlängern zu können. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels geht jedoch nach jüngeren Berichten mit bürokratischen Hindernissen und zeitlichen Verzögerungen einher. So genügt ein bestandskräftiger Anerkennungsbescheid der griechischen Behörden, mit dem internationaler Schutz zuerkannt wird, für sich genommen nicht, um eine Aufenthaltserlaubnis beantragen zu können. Zusätzlich erforderlich ist ein sogenannter „ADET-Bescheid“, der häufig, aber nicht immer zusammen mit dem Anerkennungsbescheid zugestellt wird. Verfügt der Anerkannte über keinen ADET-Bescheid, muss er ihn beim zuständigen Regionalbüro der Asylbehörde zuerst beantragen und kann erst nach Erhalt beim regional zuständigen Passamt der griechischen Polizei einen Termin zur Ausstellung einer Aufenthaltserlaubnis vereinbaren (Stiftung Pro Asyl/RSA, Stellungnahme zur aktuellen Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland, April 2021, S. 11 ff.). Zwischen der Beantragung und der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vergehen in der Praxis mehrere Monate oder gar ein Jahr (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich [BFA], Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Griechenland, Version 2, 31.5.2021, S. 20; Stiftung Pro Asyl/RSA, Stellungnahme zur aktuellen Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland, April 2021, S. 14 f.; AIDA, Country Report Greece, Update 2020, S. 229 f.). Der Grund für die langen Wartezeiten liegt nach Auskunft der griechischen Polizei in behördlichen Zuständigkeitsverschiebungen im Januar und Juli 2020 und einem damit einhergehenden Bearbeitungsrückstau (Stiftung Pro Asyl/RSA, Stellungnahme zur aktuellen Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland, April 2021, S. 14; AIDA, Country Report Greece, Update 2020, S. 229 f.).
Spezielle staatliche Hilfsangebote für Rückkehrer werden vom griechischen Staat nicht zur Verfügung gestellt (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 8).
Eine funktionierende nationale Integrationspolitik bzw. Integrationsstrategie für anerkannte Flüchtlinge existiert, v.a. aufgrund fehlender Geldmittel, in Griechenland aktuell kaum (Pro Asyl, Update Stellungnahme Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Griechenland vom 30.8.2018, S. 11; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 7 f.). Hinsichtlich allgemeiner staatlicher Kurse zu Sprache sowie Kultur und Geschichte des Landes ist das Bild unklar (für die Existenz kostenloser Kurse: Konrad-Adenauer-Stiftung, Integrationspolitik in Griechenland, Stand Juli 2018, S. 11), wobei aktuellere und insofern vorzugswürdige Erkenntnismittel ein solches Angebot verneinen (Raphaelswerk, Informationen für Geflüchtete, die nach Griechenland rücküberstellt werden, Stand Dezember 2019, S. 12). Allerdings werden Sprach- und Integrationskurse durch NGOs im Rahmen des sog. Helios-Programmes – „Hellenic Support for Beneficiaries of International Protection“ – angeboten, welches jedoch für aus anderen EU-Ländern zurückkehrende anerkannte Schutzberechtigte in aller Regel nicht zugänglich ist (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Griechenland, Version 2, 31.5.2021, S. 21 ff.). Darüber hinaus wird vereinzelt berichtet, dass zivilgesellschaftliche Organisationen, Berufsbildungszentren und Universitäten Sprachkurse anbieten würden und im Speziellen die Athener Stadtverwaltung (ACCORD, Griechenland: Versorgungslage und Unterstützungsleistungen für nach Griechenland zurückkehrende Personen mit internationalem Schutzstatus, Stand 26. August 2021, S. 27). Die Integrationsprogramme sind häufig von der Finanzierung durch die EU abhängig, da auf nationaler und kommunaler Ebene keine nennenswerten Ressourcen zur Verfügung stehen (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 7).
In diese Lücke stoßen jedoch zahlreiche Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die auf verschiedensten Feldern Integrationshilfe leisten und mit denen die griechischen Behörden, insbesondere die lokalen, auch kooperieren (Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Athen, Hilfsorganisationen – Hilfe für Flüchtlinge in Griechenland, Stand Dezember 2019; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Schwerin vom 26.9.2018, S. 2; United States Departement of State [USDOS], Greece 2020 Human Rights Report, S. 15). Die Arbeit der NGOs ist jedoch räumlich vorwiegend auf die Ballungsräume Athen und Thessaloniki konzentriert (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Schwerin vom 26.9.2018, S. 2).
Hinsichtlich des Zugangs zu einer Unterkunft gilt für anerkannte Schutzberechtigte der Grundsatz der Inländergleichbehandlung mit griechischen Staatsangehörigen. Da es in Griechenland kein staatliches Programm für Wohnungszuweisungen an Inländer gibt (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Bayreuth vom 21.8.2020, S. 1), entfällt dies auch für anerkannt Schutzberechtigte. Auch findet keine staatliche Beratung zur Wohnraumsuche statt. Sie sind zur Beschaffung von Wohnraum grundsätzlich auf den freien Markt verwiesen (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 3 und an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 2; Amnesty International, Amnesty Report Griechenland 2020 vom 7.4.2021). Das Anmieten von Wohnungen auf dem freien Markt ist durch das traditionell bevorzugte Vermieten an Familienmitglieder, Bekannte oder Studenten sowie gelegentlich durch Vorurteile gegenüber Flüchtlingen erschwert (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Schwerin vom 26.9.2018, S. 5).
Zurückkehrende anerkannt Schutzberechtigte werden nicht in den Flüchtlingslagern oder staatlichen Unterkünften untergebracht. Zwar leben dort auch anerkannt Schutzberechtigte, jedoch nur solche, die bereits als Asylsuchende dort untergebracht waren; diese können über die Anerkennung hinaus für einen Übergangszeitraum von 30 Tagen dort verbleiben (Deutsche Botschaft Athen, Unterbringung und Sicherung des Existenzminimums anerkannt Schutzberechtigter in Griechenland, Stand Juni 2021, S. 1; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Magdeburg vom 26.11.2020, S. 1 f.). Zurückkehrende anerkannt Schutzberechtigte haben insbesondere keinen Zugang zu einer Unterbringung im Rahmen des EUfinanzierten und durch das UNHCR betriebenen ESTIA-Programms (Emergency Support to Accomodation and Integration System). Der UNHCR stellte – Stand Anfang Januar 2021 – ca. 11.550 Plätze, das griechische Migrationsministerium ca. 16.600 Plätze zur Verfügung (UNHCR, Fact Sheet Greece, Dezember 2020), aber nur für Asylsuchende und für anerkannte Schutzberechtigte in den ersten 30 Tagen nach ihrer Anerkennung (Auskünfte des Auswärtigen Amtes an das VG Magdeburg vom 26.11.2020, S. 1 f., an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 1 f., an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 5 und an das VG Potsdam vom 23.8.2019, S. 2). Das neue Asylgesetz Nr. 4636/2019, das am 1. Januar 2020 in Kraft getreten ist, und eine weitere Gesetzesänderung von März 2020 haben die früheren Bedingungen, die ein Verbleiben in der Flüchtlingsunterkunft für sechs Monate ermöglicht haben, verschärft (Auskünfte des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2 und an das VG Magdeburg vom 26.11.2020, S. 1 f.). Seit Juni 2020 wird die Verpflichtung zum Auszug, von der ca. 11.500 Personen betroffen sind, auch umgesetzt (Deutsche Botschaft Athen, Unterbringung und Sicherung des Existenzminimums anerkannt Schutzberechtigter in Griechenland, Stand Juni 2021, S. 1). Allerdings kann die Zahl der Personen, die die Unterkünfte für Asylbewerber tatsächlich verlassen mussten, nicht sicher eingeschätzt werden (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Magdeburg vom 26.11.2020, S. 2). Zwangsräumungen scheinen jedenfalls nur bei Personen ohne besonderen Schutzbedarf, wie allein reisenden Männern, durchgeführt zu werden (Deutsche Botschaft Athen a.a.O S. 2).
Das Programm „Hellenic Integration Support for Beneficiaries of International Protection“ (Helios II-Programm), ein von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in Abstimmung mit dem griechischen Migrationsministerium entwickeltes und durch die EU finanziertes Integrationsprogramm, sieht zwar 5.000 Wohnungsplätze für anerkannte Schutzberechtigte vor. Die Wohnungsangebote werden dabei von NGOs und Entwicklungsgesellschaften griechischer Kommunen als Kooperationspartner der IOM zur Verfügung gestellt und von den Schutzberechtigten, unter Zahlung einer Wohnungsbeihilfe an sie, angemietet (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Potsdam vom 23.8.2019, S. 2 f.). Die Höhe der Zahlungen pro Monat liegt zwischen 162 Euro für Alleinstehende und 630 Euro für Familien ab sechs Personen für mindestens sechs und höchstens 12 Monate, zusätzlich gibt es einen Startzuschuss zur Zahlung der Mietkaution und zur Deckung der ersten Anschaffungskosten, der nach Haushaltsgröße differenziert zwischen 301 Euro für einen Einpersonenhaushalt und 1060 Euro für einen Haushalt mit sechs oder mehr Personen liegt. Das Programm richtet sich aber nur an international Schutzberechtigte, die nach dem 1. Januar 2018 anerkannt wurden, die im Zeitpunkt der Unterrichtung über ihre Anerkennung in einer Flüchtlingsunterkunft, einem Empfangs- und Identifikationszentrum (RIC), einem Hotel des IOM FILOXENIA-Projekts oder in einer Wohnung des ESTIA-Programmes untergebracht waren und sich innerhalb von 12 Monaten nach Zuerkennung des Schutzstatus angemeldet haben (Deutsche Botschaft Athen, Unterbringung und Sicherung des Existenzminimums anerkannt Schutzberechtigter in Griechenland, Stand Juni 2021, S. 4). Ob Rückkehrern aus dem Ausland diese Möglichkeit offensteht, ist unklar, einen solchen Fall hat es bislang jedenfalls noch nicht gegeben (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Schleswig vom 15.10.2020, S. 3). Seit September 2020 kann über das Helios – Programm auch eine zweimonatige Unterkunft von Anerkannten in Hotels sichergestellt werden. Diese Maßnahme lief jedoch regulär Ende 2020 aus und wurde einmal bis Februar 2021 verlängert. Anfang März 2021 hat Griechenland bei der EU-Kommission einen Antrag auf Weiterfinanzierung gestellt (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Griechenland, Version 2, 31.5.2021, S. 21). Zusätzlich sollen Notfallkapazitäten in einem Lager in Athen zur Verfügung gestellt werden (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Magdeburg vom 26.11.2020, S. 3). Neueren Quellen nach läuft das Helios II-Programm zunächst bis Juni 2021 (Stiftung Pro Asyl/RSA, Stellungnahme zur aktuellen Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland, April 2021, S. 7; ACCORD, Griechenland: Versorgungslage und Unterstützungsleistungen für nach Griechenland zurückkehrende Personen mit internationalem Schutzstatus, Stand 26. August 2021, S. 17: August 2021).
Während einerseits berichtet wird, dass NGOs wie etwa Caritas gemischte Wohnprojekte anbieten (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Griechenland, Version 2, 31.5.2021, S. 24), sind anderen Quellen zufolge, abgesehen von HELIOS, derzeit keine weiteren Programme von NGOs bekannt, die international Schutzberechtigten beim Zugang zu Wohnraum unterstützen (ACCORD, Griechenland: Versorgungslage und Unterstützungsleistungen für (nach Griechenland zurückkehrende) Personen mit internationalem Schutzstatus, 26.8.2021, S. 18; Stiftung Pro Asyl/RSA, Stellungnahme zur aktuellen Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland, April 2021, S. 10 – gestützt auf Mitteilungen der Organisationen Greek Council for Refugees, SolidarityNow, Arsis und PRAKSIS, dass sie derzeit keinen Wohnraum oder Wohnunterstützung außerhalb des HELIOS-Programms anbieten).
Eine Unterbringung in Obdachlosenunterkünften für anerkannt Schutzberechtigte ist grundsätzlich möglich. Allerdings sind die Kapazitäten in den kommunalen und durch NGOs betriebenen Unterkünften, etwa in Athen, knapp bemessen und oft chronisch überlastet (AIDA, Country Report Greece, Update 2020, S. 247; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 3). Die Wartelisten sind entsprechend lang und teils stellen die Unterkünfte weitere Anforderungen an die Interessenten, wie etwa Griechisch- oder Englischkenntnisse und psychische Gesundheit. Ein Rechtsanspruch auf Obdachlosenunterbringung besteht nicht (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Schleswig vom 15.10.2020). Im Hinblick auf die begrenzten Kapazitäten bewerben sich viele Schutzberechtigte erst gar nicht für einen Platz in einer dieser Herbergen. Im Ergebnis bleiben viele anerkannt Schutzberechtigte, die selbst nicht über hinreichende finanzielle Mittel für das Anmieten privaten Wohnraums verfügen oder nicht am Helios II-Programm teilnehmen können, obdachlos oder wohnen in verlassenen Häusern oder überfüllten Wohnungen (Pro Asyl, Stellungnahme Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Griechenland vom 30.8.2018, S. 5 ff.). Obdachlosigkeit ist unter Flüchtlingen dennoch und nach wie vor kein augenscheinliches Massenphänomen, was wohl auf landsmannschaftliche Strukturen und Vernetzung untereinander zurückzuführen ist. Zudem bringt die Polizei obdachlose Anerkannte teils wieder in staatlichen Flüchtlingseinrichtungen unter. Auch von Migranten besetzte Häuser werden durch die Polizei immer wieder geräumt und deren Bewohner in Flüchtlingsunterkünfte auf dem Festland verteilt (Deutsche Botschaft Athen, Unterbringung und Sicherung des Existenzminimums anerkannt Schutzberechtigter in Griechenland, Stand Juni 2021, S. 2 f.; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 3). Allerdings deuten jüngere Berichte auch an, dass durchaus anerkannte Flüchtlinge auf öffentlichen Straßen und Plätzen in Athen schlafen (Wölfl, „Anerkannte Flüchtlinge auf griechischem Festland obdachlos“, Der Standard, 22.1.2021).
Wohnungsbezogene Sozialleistungen, die das Anmieten einer eigenen Wohnung unterstützen könnten, gibt es seit dem 1. Januar 2019 mit dem neu eingeführten sozialen Wohngeld, dessen Höhe maximal 70,00 EUR für eine Einzelperson und maximal 210,00 EUR für einen Mehrpersonenhaushalt beträgt (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2). Für besonders Vulnerable können zur Vermeidung von Obdachlosigkeit Mietsubventionierungen gezahlt werden (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Schleswig vom 15.10.2020, S. 2). Das soziale Wohngeld bzw. die Mietsubventionierung setzen allerdings einen legalen Voraufenthalt in Griechenland von mindestens fünf Jahren voraus (Auskünfte des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2 und an das VG Schleswig vom 15.10.2020, S. 2), wobei bei international Schutzberechtigten die Aufenthaltsdauer ab Asylantragstellung angerechnet wird (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Bayreuth vom 21.8.2020, S. 1). Auch ist der legale Voraufenthalt von fünf Jahren durch fristgerecht eingereichte Steuererklärungen für die einzelnen Jahre nachzuweisen (vgl. Stiftung Pro Asyl/RSA, Stellungnahme zur aktuellen Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland, April 2021, S. 19). Die Einzelheiten regeln zahlreiche Erlasse. Der tatsächliche Versorgungsumfang ist unklar (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Schleswig vom 15.10.2020, S. 2).
Zugang zu weiteren Sozialleistungen besteht für anerkannt Schutzberechtigte, die nach Griechenland zurückkehren, auch sonst unter den gleichen Voraussetzungen wie für Inländer. Das im Februar 2017 eingeführte System der Sozialhilfe basiert auf drei Säulen. Die erste Säule sieht ein Sozialgeld in Höhe von 200,00 EUR pro Einzelperson vor, welches sich um 100,00 EUR je weiterer erwachsener Person und um 50,00 EUR je weiterer minderjähriger Person im Haushalt erhöht. Alle Haushaltsmitglieder werden zusammen betrachtet, die maximale Leistung beträgt 900,00 EUR pro Haushalt. Die zweite Säule besteht aus Sachleistungen wie einer prioritären Unterbringung in der Kindertagesstätte, freien Schulmahlzeiten, Teilnahme an Programmen des Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen, aber auch trockenen Grundnahrungsmitteln wie Mehl und Reis, Kleidung und Hygieneartikeln. Alles steht jedoch unter dem Vorbehalt der vorhandenen staatlichen Haushaltsmittel. Die dritte Säule besteht in der Arbeitsvermittlung. Neben zahlreichen Dokumenten zur Registrierung für die genannten Leistungen – unter anderem ein Aufenthaltstitel, ein Nachweis des Aufenthalts (z.B. elektronisch registrierter Mietvertrag, Gas-/Wasser-/Stromrechnungen auf eigenen Namen oder der Nachweis, dass man von einem griechischen Residenten beherbergt wird, u.U. genügt eine Obdachlosenbescheinigung), eine Bankverbindung, die Steuernummer, die Sozialversicherungsnummer, (die Arbeitslosenkarte) und eine Kopie der Steuererklärung für das Vorjahr – wird ein legaler Voraufenthalt in Griechenland von zwei Jahren vorausgesetzt (ACCORD, Griechenland: Versorgungslage und Unterstützungsleistungen für nach Griechenland zurückkehrende Personen mit internationalem Schutzstatus, Stand 26. August 2021, S. 12; Auskünfte des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2 f. und an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 4 ff.). Speziell was die Beantragung der Steuernummer (AFM) und der Sozialversicherungsnummer (AMKA) anbelangt, ist von erheblichen bürokratischen Hürden auszugehen: Die Ausstellung einer Steueridentifikationsnummer setzt einen Wohnsitznachweis voraus und nimmt in etwa zwei Monate in Anspruch (Stiftung Pro Asyl/RSA, Stellungnahme zur aktuellen Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland, April 2021, S. 15 f.; AIDA, Country Report Greece, Update 2020, S. 248 f.; Respond, Working Papers, Integration – Greece Country Report, Stand Juni 2020, S. 25: zusätzlich „residence permit“ erforderlich). Hinsichtlich der Ausstellung der Sozialversicherungsnummer – Social Security Number (AMKA) – wird vereinzelt berichtet, dass diese seit Juli 2019 für nicht-griechische Staatsbürger nicht mehr möglich sei (Respond, Working Papers, Integration – Greece Country Report, Stand Juni 2020, S. 26). Andere Quellen berichten zwar von Schwierigkeiten, nehmen aber keine Unmöglichkeit an (Stiftung Pro Asyl/RSA, Stellungnahme zur aktuellen Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland, April 2021, S. 16 f.; AIDA, Country Report Greece, Update 2020, S. 251 f.). Jedenfalls erfordert die Beantragung einer Sozialversicherungsnummer wiederum u.a. eine gültige Aufenthaltserlaubnis mit den damit verbundenen zeitlichen Verzögerungen (s.o.) sowie die Steueridentifikationsnummer (Stiftung Pro Asyl/RSA a.a.O.). Je nach Ort und zuständiger Behörde schwankt die Ausstellungszeit für die Sozialversicherungsnummer (ACCORD, Griechenland: Versorgunglage und Unterstützungsleistungen für nach Griechenland zurückkehrende Personen mit internationalem Schutzstatus, Stand 26. August 2021, S. 9 f.: schnelle Gewährung bis Anforderung zusätzlicher Unterlagen). Das sogenannte Cash-Card System des UNHCR, welches über eine Scheckkarte Geldleistungen je nach Familiengröße zur Verfügung stellt, steht nur Asylbewerbern, nicht aber anerkannt Schutzberechtigten, die zurückkehren, offen (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2).
Es existieren Suppenküchen der NGOs, allerdings ist der Zugang zu Lebensmitteln in der Praxis nur eingeschränkt verfügbar. Einige Suppenküchen nehmen keine neuen Personen auf, andere erfordern eine Anmeldung und verfügen über keine Übersetzungsdienste und wieder andere verlangen eine Steuererklärung, eine registrierte Adresse oder eine Bescheinigung über die Obdachlosigkeit sowie eine Sozialversicherungsnummer (ACCORD, Griechenland: Versorgungslage und Unterstützungsleistungen für nach Griechenland zurückkehrende Personen mit internationalem Schutzstatus, Stand 26. August 2021, S. 20; Stiftung Pro Asyl/RSA, Stellungnahme zur aktuellen Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland, April 2021, S. 11; BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Griechenland, Version 2, 31.5.2021, S. 25). Teilweise existieren kommunale Projekte. Voraussetzungen für den Zugang sind allerdings u.a. das Vorliegen einer Aufenthaltserlaubnis, einer Sozialversicherungs- und Steuernummer (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Griechenland, Version 2, 31.5.2021, S. 25).
Der Zugang zum griechischen Arbeitsmarkt ist für international Schutzberechtigte grundsätzlich gleichermaßen wie für Inländer gegeben. Allerdings sind die Aussichten auf Vermittlung eines Arbeitsplatzes im Allgemeinen als eher schwierig einzuschätzen, da die staatliche Arbeitsverwaltung schon für die griechischen Staatsangehörigen kaum Ressourcen für eine aktive Arbeitsvermittlung hat. Zudem haben sich die allgemeinen Arbeitsmarktbedingungen durch die andauernde Wirtschafts- und Finanzkrise verschlechtert (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Griechenland, Stand 19.3.2020, S. 31), in deren Folge zahlreiche Beschäftigte insbesondere der Dienstleistungsbranche, im Verkauf und in haushaltsnahen Tätigkeiten arbeitslos wurden, wobei Frauen stärker betroffen sind als Männer (Eures, Kurzer Überblick über den Arbeitsmarkt, Stand Juli 2020, S. 1. u. 3). Dazu tritt derzeit noch der wirtschaftliche Einbruch in Folge der Corona-Pandemie mit einer weit überdurchschnittlichen Arbeitslosenquote von 13,0% im September 2021. Für das Jahr 2021 erwartet die Regierung gleichwohl statt eines Zuwachses beim Bruttoinlandsprodukt von 7,5% noch ein Plus von 5,9%. Um den Folgen des Coronabedingten Wirtschaftseinbruchs zu begegnen, stellte der griechische Staat im Jahr 2020 23,9 Milliarden Euro an Hilfen für die Wirtschaft zur Verfügung und plant diese im Jahr 2021 um weitere 7,5 Milliarden Euro zu erhöhen. Trotz der hohen Schuldenquote von 209% des Bruttoinlandsproduktes ist die Finanzierung des griechischen Staates wegen eines Liquiditätspuffers von 30 Milliarden Euro derzeit nicht in Gefahr (Höhler, „Griechenlands Wirtschaft startet durch“ vom 14.9.2021 und „Corona wirft Griechenland weit zurück“ vom 25.12.2020, jeweils Redaktionsnetzwerk Deutschland). Auch sind Anzeichen für eine weitere Erholung der griechischen Wirtschaft erkennbar: Die Einreise nach Griechenland zu touristischen Zwecken ist unter Auflagen wieder möglich und es wird seitens griechischer und ausländischer Investoren vermehrt in Hotel- und Energieprojekte investiert (Germany Trade and Invest [GTAI], Griechenland: Zurück zur Normalität, Stand 28.5.2021). Für das Jahr 2022 wird sodann auch ein weiterer Anstieg des Bruttoinlandsproduktes um 6,2% vorhergesagt. Überdies ist bis zum Jahr 2026 mit Milliardenzahlungen aus dem Corona-Aufbaufonds der EU zu rechnen (Höhler, „Griechenlands Wirtschaft startet durch“ vom 14.9.2021). Rechtmäßig ansässige Drittstaatsangehörige sind allerdings meist im niedrigqualifizierten Bereich und in hochprekären Beschäftigungsverhältnissen oder in der Schattenwirtschaft tätig (Konrad-Adenauer-Stiftung, Integrationspolitik in Griechenland, Stand Juli 2018, S. 9). Erreichbar sind v.a. Hilfsarbeiterjobs, insbesondere in der Landwirtschaft (Deutsche Botschaft Athen, Unterbringung und Sicherung des Existenzminimums anerkannt Schutzberechtigter in Griechenland, Stand Juni 2021, S. 6). Dazu treten regelmäßig die Sprachbarriere (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 7) sowie bürokratische Hürden beim Eintritt in den legalen Arbeitsmarkt wie die Beantragung der Steueridentifikationsnummer (Tax Registration Number – AFM) und der Sozialversicherungsnummer (s.o.). Eine spezielle Förderung zur Arbeitsmarktintegration anerkannter Schutzberechtigter findet außerhalb des Helios II-Programmes derzeit nicht statt (Pro Asyl, Update Stellungnahme Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Griechenland, Stand 30.8.2018, S. 10), jedoch haben einige NGOs Initiativen zur Arbeitsvermittlung gestartet. Für gut ausgebildete Schutzberechtigte besteht im Einzelfall auch die Chance auf Anstellung bei einer solchen Organisation, etwa als Dolmetscher oder Team-Mitarbeiter (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Schwerin vom 26.9.2018, S. 2 ff. und an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 7).
Der Zugang zu medizinischer Versorgung und zum Gesundheitssystem ist für anerkannt Schutzberechtigte grundsätzlich zu den gleichen Bedingungen wie für griechische Staatsangehörige gegeben. Es besteht Zugang zum regulären öffentlichen Gesundheitssystem. Für Medikamente besteht eine Zuzahlungspflicht (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 9). Die Versorgung unterliegt denselben Beschränkungen durch Budgetierung und restriktive Medikamentenausgabe wie für griechische Staatsbürger (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 9). Von der im Grundsatz kostenfreien staatlichen Gesundheitsfürsorge ist auch die Hilfe bei psychischen Erkrankungen umfasst (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Magdeburg vom 26.11.2020, S. 5). Auch beim Zugang zum Gesundheitssystem sind – vergleichbar mit dem Zugang zum legalen Arbeitsmarkt – bürokratische Hindernisse zu überwinden. Insbesondere muss vor Inanspruchnahme des Gesundheitssystems die Sozialversicherungsnummer (AMKA) ausgestellt sein, was mit den bereits beschriebenen Schwierigkeiten und Wartezeiten verbunden ist (s.o. und Stiftung Pro Asyl/RSA, Stellungnahme zur aktuellen Situation von international Schutzberechtigten in Griechenland, April 2021, S. 20; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Magdeburg vom 26.11.2020, S. 5; AIDA, Country Report Greece, Update 2020, S. 251 f.). Eine Notfallversorgung wird jedoch stets und unabhängig vom Rechtsstatus gewährleistet (ACCORD, Griechenland: Versorgungslage und Unterstützungsleistungen für nach Griechenland zurückkehrende Personen mit internationalem Schutzstatus, Stand 26. August 2021, S. 21).
bb) Hinsichtlich der Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 stellt sich die Lage so dar, dass gemäß der Zahlen der Johns Hopkins University vom 29. November 2021 in Griechenland bislang 924.506 Infektionsfälle und 17.959 Todesfälle zu verzeichnen waren, für die letzten 28 Tage ergibt sich eine Fallzahl von 182.336 Infizierten und 2.021 Verstorbenen. Die Fallsterblichkeit beträgt 1,94%. Bis zum 29. November 2021 wurden in Griechenland 14.144.357 Impfdosen verabreicht, in den letzten 28 Tagen 1.502.717. Deutschland im Vergleich weist bislang 5.804.139 Infektionsfälle und 100.960 Todesfälle auf, für die letzten 28 Tage ergibt sich eine Fallzahl von 1.196.181 Infizierten und 5.225 Verstorbenen. Die Fallsterblichkeit beträgt 1,74%. Bislang wurden in Deutschland 121.165.530 Impfdosen verabreicht, in den letzten 28 Tagen 9.769.508.
c) Unter Beachtung des vorstehenden rechtlichen Maßstabes und der tatsächlichen Situation für rückkehrende anerkannte Schutzberechtigte sowie der derzeit noch angespannten wirtschaftlichen Lage auch infolge der Corona-Pandemie ergibt sich in Zusammenschau mit dem Vortrag des Klägers im hier zu betrachtenden Einzelfall nach Überzeugung des Gerichts keine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eintretende Verelendung des Klägers bei einer Rückkehr nach Griechenland. Die Beklagte hat den Asylantrag des Klägers zu Recht als unzulässig gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG abgelehnt. Als Rückkehrperspektive ist von einer alleinigen Rückkehr des zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung 21 Jahre und 11 Monate alten Klägers auszugehen. Zwar befinden sich seine Eltern, …und …, ebenfalls in Deutschland und wurde hinsichtlich ihrer dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen eine Abschiebungsandrohung aus einem Drittstaatenbescheid mit Griechenland als Rückführungsstaat durch das Verwaltungsgericht Ansbach stattgegeben (AN 17 S 19.50334, AN 17 K 19.50335 daraufhin beidseitig für erledigt erklärt und eingestellt). Gleichwohl kann eine gemeinsame Rückkehrperspektive nur für die Kernfamilie, also Eltern plus minderjährige Kinder angenommen werden (vgl. BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 45/18 – NVwZ 2020, 158 Ls. 2, 3, Rn. 15 ff., allerdings für § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz liegt bei einem 21-jährigen (fast 22-jährigen) Kläger grundsätzlich fern. Besondere Umstände, die diesbezüglich eine andere Entscheidung rechtfertigen würden, liegen für den Einzelrichter nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit vor. Soweit der Kläger geltend macht, eine Trennung von seinen Eltern würde gravierende gesundheitlich Folgen für seine an einer Posttraumatischen Belastungsstörung sowie an Depressionen erkrankten Mutter zur Folge haben, ergibt sich aus dem für diese vorgelegten ärztlichen Attest des Dr. med. … vom 11. Juni 2019 schon nicht, dass eine mögliche Überstellung des Klägers nach Griechenland ursächlich für ihre Erkrankung wäre oder diese erheblich verschlimmern würde. Davon abgesehen erscheint dieser Belang bei der Frage der Rückkehrperspektive falsch verortet, sondern müsste ggf. durch die Ausländerbehörde als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis geprüft werden.
Die Lebensverhältnisse von Schutzberechtigten in Griechenland stellen sich nach Auffassung des Einzelrichters, der sich der Kammerrechtsprechung anschließt (etwa VG Ansbach, U.v. 10.7.2020 – AN 17 K 18.50449), nach wie vor nicht schon allgemein für jedweden Personenkreis von Schutzberechtigten als unmenschlich oder erniedrigend im Sinne von Art. 3 EMRK und Art. 4 GRCh dar. Zwar haben international oder subsidiär Schutzberechtigte nach der Ankunft in Griechenland möglicherweise über einen längeren Zeitraum keinen effektiv gesicherten Zugang insbesondere zu Obdach und sanitären Einrichtungen. Zudem ist es für sie teilweise praktisch unmöglich, die Voraussetzungen für den Erhalt des sozialen Solidaritätseinkommens zu erfüllen. Bei dieser Sachlage ist der Zugang zu Sozialleistungen, zum Wohnungs- und Arbeitsmarkt und zu Leistungen zur Sicherung des Lebensbedarfs für eine Übergangszeit nach der Rückkehr nach Griechenland allerdings durch das eigenverantwortliche Handeln des Einzelnen und die Hilfestellung von NGOs geprägt (eine Übersicht der zahlreichen in der Flüchtlingshilfe engagierten Organisationen in Griechenland bietet: Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Athen, Hilfsorganisationen – Hilfe für Flüchtlinge in Griechenland, Stand Dezember 2019).
Vor diesem Hintergrund muss der jeweilige Schutzberechtigte, damit ihm keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung bei einer Rückkehr droht, nach Überzeugung des Einzelrichters grundsätzlich in der Lage sein, sich den schwierigen Bedingungen zu stellen und durch eine hohe Eigeninitiative und unter Inanspruchnahme von Hilfsangeboten selbst für seine Unterbringung und seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Ist davon auszugehen, dass er diese Schwierigkeiten bewältigen kann, fehlt es an der ernsthaften Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung in Griechenland (so auch: VG Cottbus, B.v. 10.2.2020 – 5 L 581/18.A – juris Rn. 40; VG Düsseldorf, B.v. 23.9.2019 – 12 L 1326/19.A – juris Rn. 43; VG Leipzig B.v. 17.2.2020 – 6 L 50/19 – BeckRS 2020, 2228 Rn. 15; anders insbesondere OVG NW, U.v. 21.1.2021 – 11 A 1564/20.A – juris; NdsOVG, U.v. 19.4.2021 – 10 LB 244/20 – juris). Es verstößt demnach grundsätzlich nicht gegen Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK, wenn Schutzberechtigte den eigenen Staatsangehörigen gleichgestellt sind und von ihnen erwartet wird, dass sie selbst für ihre Unterbringung und ihren Lebensunterhalt sorgen. Art. 3 EMRK gewährt grundsätzlich keinen Anspruch auf den Verbleib in einem Mitgliedstaat, um dort weiterhin von medizinischer, sozialer oder anderweitiger Unterstützung oder Leistung zu profitieren. Sofern keine außergewöhnlich zwingenden humanitären Gründe vorliegen, die gegen eine Überstellung sprechen, ist allein die Tatsache, dass sich die wirtschaftlichen und sozialen Lebensverhältnisse nach einer Überstellung erheblich verschlechtern würden, nicht ausreichend, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRCh zu begründen (VG Düsseldorf, B.v. 23.9.2019 – 12 L 1326/19.A – juris Rn. 39). Soweit es die spezifischen Bedürfnisse Schutzberechtigter verlangen, dass ihnen zumindest in einer ersten Übergangsphase ein Mindestmaß an Fürsorge und Unterstützung bei der Integration zukommt, ist zu berücksichtigen, dass grundsätzlich NGOs bei der Integration anerkannter Schutzberechtigter eine wichtige Rolle spielen und diese als Umsetzungspartner der internationalen, von der Europäischen Union finanzierten und vom Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen koordinierten Hilfsprojekte fungieren (VG Cottbus, B.v. 10.2.2020 – 5 L 581/18.A – juris Rn. 23, 25, 36; VG Düsseldorf, B.v. 23.9.2019 – 12 L 1326/19.A – juris Rn. 48 bis 54). Nach Auffassung des Einzelrichters können die Projekte der NGOs in ihrer Gesamtheit das Fehlen eines staatlichen Integrationsplans zumindest in einer Übergangsphase nach Rücküberstellung des anerkannten Flüchtlings, der keine Merkmale besonderer Schutzwürdigkeit aufweist, kompensieren und sicherstellen, dass die elementaren Bedürfnisse von anerkannten Schutzberechtigten für die erste Zeit befriedigt werden können. Sie unterstützen auch bei der Erlangung der sozialen Leistungen des griechischen Staates.
Der Kläger ist als junger, gesunder, alleinstehender und arbeitsfähiger Mann von 21 Jahren nicht durch familiäre Zwänge oder Verpflichtungen eingeschränkt und kann sich vollständig der Alltagsbewältigung und Erwirtschaftung seines Lebensunterhalts widmen. Ebenso spricht er mehrere Sprachen, neben Arabisch, Türkisch und Deutsch auch Englisch, was seine Chancen auf dem griechischen Arbeitsmarkt nicht unerheblich steigert, da insbesondere auch NGOs gut ausgebildete international Schutzberechtigte etwa als Dolmetscher einstellen. Jedenfalls ist davon auszugehen, dass der Kläger angesichts seiner überdurchschnittlichen (Sprach-)Qualifikation leichter Aushilfstätigkeiten wie etwa in der Bau- oder Landwirtschaft finden wird, da er zusätzlich zur eigentlichen Tätigkeit auch als Sprachmittler, etwa für andere ausländische Arbeitskräfte, fungieren kann. Auch im Bereich des Tourismus oder der Gastronomie dürfte der Kläger angesichts dessen deutlich bessere Beschäftigungschancen als der Durchschnitt der anerkannt Schutzberechtigten haben. Eine positive Prognose hinsichtlich der Beschäftigungsaufnahme kann auch aufgrund der sich abzeichnenden Erholung der griechischen Wirtschaft gestellt werden. Es ist bei dem Kläger, der sich trotz seines jungen Alters zahlreiche Sprachen, unter anderem auch das Deutsche aneignete, zu erwarten, dass er in Griechenland die griechische Sprache erlernt und so mittelfristig seine Arbeitsmarktchancen zusätzlich verbessert. Diesbezügliche Kurse sind nach vereinzelten Berichten verfügbar. Hinsichtlich der Probleme bei der Beantragung und Ausstellung einer Aufenthaltserlaubnis (und damit zusammenhängend der Steuer- und Sozialversicherungsnummern) als Zugangsvoraussetzung zum legalen Arbeitsmarkt ist anzumerken, dass die zeitlichen Verzögerungen hauptsächlich auf mehrfachen Kompetenzverschiebung zwischen dem griechischen Migrationsministerium und der griechischen Polizei beruhen, die jedoch seit Juli 2020 abgeschlossen sind. Damit liegt nahe, dass sich der aufgelaufene Rückstau bei der Antragsbearbeitung mittlerweile, ein gutes Jahr später, deutlich abgebaut hat. Im Übrigen ist dem Kläger zunächst auch eine Beschäftigung im informellen Sektor zumutbar. Jedenfalls nach einer Übergangszeit ist bei dem Kläger eine Beschäftigung im legalen Bereich zu erwarten. Der Kläger ist nach Überzeugung des Gerichts fähig für sich, insbesondere auch in der schwierigen Anfangszeit, zu sorgen und sich im Bedarfsfall an die vorhandenen NGOs für eine erste Hilfe vor Ort zu wenden. Außerdem ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger im Bedarfsfall eine Bleibe in einer Obdachlosenunterkunft findet gegenüber einer Personenmehrheit an Schutzberechtigten (Familien) und angesichts seiner Sprachkenntnisse deutlich höher. Zusätzlich ist bei dem Kläger davon auszugehen, dass die in Deutschland lebende Familie ihn zumindest in der Anfangszeit finanziell unterstützen wird. Für eine gewisse finanzielle Leistungsfähigkeit seiner Familie spricht, dass der Kläger jeweils auf dem Luftweg von der Türkei nach Griechenland und von Griechenland in die Niederlande gereist ist.
Dem Einzelrichter ist bewusst, dass er mit der vorstehenden rechtlichen Würdigung von der Rechtsprechung einiger außerbayerischer Oberverwaltungsgerichte abweicht (etwa OVG NW, U.v. 21.1.2021 – 11 A 1564/20.A – juris; NdsOVG, U.v. 19.4.2021 – 10 LB 244/20 – juris; OVG Berlin-Bbg, U.v. 23.11.2021 – OVG 3 B 54.19 – juris), wobei die zugrunde gelegte tatsächliche Lage für nach Griechenland zurückkehrende anerkannt Schutzberechtigte im Wesentlichen identisch geschildert wird. Jedoch besteht zum einen keine präjudizielle Bindung des Verwaltungsgerichtes an die Entscheidungen ihm nicht übergeordneter Oberverwaltungsgerichte/Verwaltungsgerichtshöfe, allenfalls liegt es wegen § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG für ein Verwaltungsgericht nahe, der ihm unmittelbar übergeordneten Instanz zu folgen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hingegen hat zur Frage der Zumutbarkeit einer Rückkehr anerkannter, junger, gesunder, alleinstehender und arbeitsfähiger Männer soweit ersichtlich noch keine Entscheidung gefällt. Zum anderen erscheint dem Einzelrichter angesichts des auch durch den Europäischen Gerichtshof aufgestellten und bereits dargelegten strengen Maßstabs vorzugswürdig, zumindest in der genannten Fallgruppe und im konkreten Fall des Klägers das Element der Eigenverantwortlichkeit und der Eigeninitiative stärker zu betonen und damit nicht von einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung bei einer Rückkehr nach Griechenland als anerkannter Schutzberechtigter auszugehen.
3. Der hilfsweise gestellte Verpflichtungsantrag auf Zuerkennung eines nationalen Abschiebungsverbotes hinsichtlich Griechenlands gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG, über den aufgrund der Erfolglosigkeit des Hauptantrages zu entscheiden war, hat keinen Erfolg.
a) Ein Anspruch auf Zuerkennung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK besteht nicht. Es ist der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. Erforderlich aber auch ausreichend ist daher die tatsächliche Gefahr („real risk“) einer unmenschlichen Behandlung (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5.09 – BVerwGE 136, 377 = NVwZ 2011, 51 – juris Rn. 22). Eine solche ist für den Kläger nach Überzeugung des Gerichts nicht gegeben. Auf die obigen Ausführungen unter 2. wird entsprechend verwiesen.
b) Ein Abschiebungsverbot ergibt sich für den Kläger auch nicht aus § 60 Abs. 7 AufenthG.
Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gefahren nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind gemäß § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die einen Ausländer im Zielstaat erwarten – insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage – kann Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beansprucht werden, wenn nämlich der Ausländer bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Die Gefahren müssen dem Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen, er müsste „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert sein und die Gefahren müssten sich alsbald nach der Rückkehr realisieren (vgl. BayVGH, U.v. 8.11.2018 – 13a B 17.31960 – juris Rn. 60 ff.; BVerwG, U.v. 29.9.2011 – 10 C 23.10 – juris Rn. 21 ff.).
Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze und der aktuellen Erkenntnismittel sind die Voraussetzungen aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG im Fall des Klägers nicht gegeben. Insoweit wird auf die Ausführungen 2. verwiesen. Insbesondere sind hinsichtlich allgemeiner Gefahren im Zielstaat die Anforderungen in § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (eine mit hoher Wahrscheinlichkeit drohende Extremgefahr) höher als jene in § 60 Abs. 5 AufenthG (vgl. BVerwG, B.v. 23.8.2018 – 1 B 42.18 – juris Rn. 13), so dass im Lichte des Nichtvorliegens eines Abschiebungsverbots aus Art. 60 Abs. 5 AufenthG erst recht die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung nicht gegeben sind (vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 – A 11 S 316/17 – juris).
Für den gesunden Kläger ergibt sich, auch unter Berücksichtigung der Corona-Pandemie, kein Abschiebungsverbot aus gesundheitlichen Gründen, Art. 60 Abs. 7 Satz 1 – 3 AufenthG.
4. Schließlich begegnet die Abschiebungsandrohung in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheides vom 11. März 2019 im Ergebnis keinen rechtlichen Bedenken.
Die gesetzte einwöchige Frist zur freiwilligen Ausreise entspricht zunächst den Vorgaben der § 35, § 36 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Dies könnte zwar mit Blick auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache „Gnandi“ (U.v. 19.6.2018 – C-181/16 – NVwZ 2018, 1625) zweifelhaft erscheinen, allerdings sprechen nach Ansicht des Einzelrichters zum einen keine erheblichen Gründe für deren Übertragbarkeit auf Drittstaaten-Bescheide nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Denn die RL 2008/115/EG (Rückführungs-RL), auf die sich der Europäische Gerichtshof in der „Gnandi“ – Entscheidung maßgeblich stützt, definiert in deren Art. 3 Nr. 3 eine Rückkehr grundsätzlich als Rückführung in Drittländer, die keine EU-Mitgliedstaaten sind (so VG Würzburg, B.v. 19.12.2019 – W 4 S 19.32094 – BeckRS 2019, 34656 Rn. 27). In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedenfalls wurde die „Gnandi“ – Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs bislang nur für die hier nicht gegebenen Fälle einer inhaltlichen Ablehnung des Asylantrages als (einfach oder offensichtlich) unbegründet verbunden mit einer Abschiebungsandrohung nachvollzogen (BVerwG, U.v. 20.2.2020 – 1 C 22.19 – BeckRS 2020, 12399; BVerwG, U.v. 20.2.2020 – 1 C 1.19 – BeckRS 2020, 8202). Eine Differenzierung zwischen Bescheiden, die einen Asylantrag inhaltlich ablehnen und bloßen Unzulässigkeitsentscheidungen erscheint auch nicht unbillig, da die Eingriffstiefe bei einer angedrohten Abschiebung in den Herkunftsstaat nach inhaltlicher Ablehnung des Asylantrages eine andere ist als bei der bloßen Rückführung gleichsam der Zuständigkeit halber in einen EU-Mitgliedstaat, in dem der Kläger bereits internationalen Schutz genießt (zur Übertragbarkeit der Gnandi-Rechtsprechung wohl anders Pietzsch in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 29. Edition Stand 1.4.2021, § 36 AsylG Rn. 3 ff.).
Zum anderen hat das Bundesamt, selbst wenn man die Argumentation zur fehlenden Übertragbarkeit der Gnandi-Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auf Drittstaatenbescheide ablehnt und eine solche annimmt, durch die Ziffer 5 des Bescheides vom 11. März 2019, mit dem die Vollziehung der Abschiebung ausgesetzt wurde, europarechtskonforme Zustände hergestellt. Selbst eine eventuelle Nichterfüllung der unionsrechtlichen Informationspflicht (Gnandi) führte dann nicht mehr zur Rechtswidrigkeit der Abschiebungsandrohung, weil sie nicht zu deren tatbestandlichen Voraussetzungen gehört, auch sonst nicht in einem Rechtmäßigkeitszusammenhang mit ihr steht und zudem nicht geeignet ist, die Rechtsstellung des Klägers nach Klageerhebung zu beeinträchtigen (vgl. im Einzelnen: BVerwG, U.v. 20.2.2020 – 1 C 1.19 – juris Rn. 34 ff.).
5. Auch unter Berücksichtigung des nunmehr geltenden § 11 Abs. 1 AufenthG, wonach das Ein-reise- und Aufenthaltsverbot nicht mehr aufgrund einer gesetzgeberischen Entscheidung eintritt, sondern es hierfür vielmehr einer behördlichen Entscheidung bedarf (vgl. BVerwG, B.v. 13.7.2017 – 1 VR 3.17 – juris Rn. 71), bestehen keine Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheides. Die nunmehr geforderte Einzelfallentscheidung über die Verhängung eines Einreiseverbots von bestimmter Dauer ist in unionsrechtskonformer Auslegung regelmäßig in einer behördlichen Befristungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 2 AufenthG zu sehen (vgl. BVerwG, B.v. 13.7.2017 – 1 VR 3.17 – juris Rn. 72). Eine solche hat die Beklagte in dem streitgegenständlichen Bescheid wirksam getroffen und in Ausübung des ihr nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG eingeräumten Ermessens eine Befristung auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung vorgesehen. Die Ermessenserwägungen der Beklagten sind im Rahmen der auf den Maßstab des § 114 Satz 1 VwGO beschränkten gerichtlichen Überprüfung nicht zu beanstanden, da es keine zugunsten des Klägers zu berücksichtigende, in Deutschland dauerhaft bleibeberechtigte Kernfamilie gibt.
6. Die Klage ist mit der Kostenfolge der §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichts kosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.


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