Verwaltungsrecht

Zulassung zum ersten klinischen Fachsemester zum Wintersemester 2020/2021

Aktenzeichen  7 CE 21.10051

Datum:
12.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 25079
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
HZV § 52 Abs. 1 S. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

1. Ohne entsprechende Darlegung für eine unrichtige Kapazitätsberechnung kann weder pauschal die Vorlage sämtlicher Verträge mit den außeruniversitären Krankenanstalten verlangt werden noch drängt sich eine solche Ausforschung im Rahmen der Amtsermittlung auf.  (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Gegen die Berechnung der Anzahl der Studienplätze im Studiengang Medizin, 2. Studienabschnitt, auf der Grundlage des nach § 52 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 HZV festgesetzten Werts von 15,5% der Gesamtzahl der tagesbelegten Betten und der sogenannten Mitternachtszählung bestehen keine rechtlichen Bedenken.  (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 1 HV 20.10230 2021-03-15 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin im ersten klinischen Fachsemester an der Universität R. (im Folgenden: UR) nach den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen des Wintersemesters 2020/2021.
Er macht geltend, die UR habe im Studiengang Medizin, 2. Studienabschnitt, die vorhandene Ausbildungskapazität nicht ausgeschöpft.
Das Verwaltungsgericht Regensburg wies seinen Antrag mit Beschluss vom 15. März 2021 mit der Begründung ab, der Antragsteller habe nicht glaubhaft gemacht, dass über die tatsächlich vergebenen Studienplätze hinaus noch weitere Studienplätze im ersten klinischen Fachsemester verfügbar seien.
Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Rechtsschutzziel weiter. Er macht im Wesentlichen geltend, die UR habe ihre Aufnahmekapazität nicht ausgeschöpft. Dies werde sich möglicherweise aus den von der UR vorzulegenden Verträgen mit außeruniversitären Krankenanstalten ergeben. Die Festsetzung des Parameters für die Ermittlung der Gesamtzahl der tagesbelegten Betten von 15,5% in § 52 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HZV sei rechtswidrig, da dieser in den letzten Jahren nicht wissenschaftlich überprüft worden sei. Durch Heranziehung dieses Parameters werde der Zulassungsanspruch des Antragstellers in verfassungswidriger Weise beschnitten.
Der Antragsgegner widersetzt sich der Beschwerde.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Die im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründe, auf die sich die Prüfung durch den Verwaltungsgerichtshof beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), begründet den vom Antragsteller geltend gemachten Anordnungsanspruch nicht. Das Verwaltungsgericht geht zu Recht davon aus, dass die Universität ihre Ausbildungskapazität im ersten klinischen Fachsemester des Studiengangs Medizin, 2. Studienabschnitt, ausgeschöpft hat.
1. Die Ausführungen des Antragstellers werden den Anforderungen an die Begründung einer Beschwerde gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nicht gerecht. Die Beschwerdebegründung erläutert nicht, aus welchen Gründen der angefochtene Beschluss fehlerhaft und daher abzuändern ist. Dass der Antragsteller sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und seine eigene Rechtsauffassung an die des Verwaltungsgerichts setzt, genügt nicht dem Darlegungserfordernis. Seine Ausführungen setzen sich nicht hinreichend mit der Argumentation des Verwaltungsgerichts auseinander, sondern erschöpfen sich lediglich darin, dem vom Verwaltungsgericht argumentativ erzielten Ergebnis ohne vertiefte Begründung schlicht entgegenzutreten.
2. Darüber hinaus geht das Verwaltungsgericht zu Recht davon aus, dass die UR ihre Ausbildungskapazität für das erste klinische Fachsemester im Studiengang Medizin, 2. Studienabschnitt, ausgeschöpft hat. Der Senat folgt den Gründen des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts und nimmt hierauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend ist im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen zu bemerken:
a) Soweit der Antragsteller rügt, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht eine aus Sicht des Antragstellers notwendige Ermittlung des Sachverhalts unterlassen, weil es darauf verzichtet hat, sich von der UR die Verträge mit den außeruniversitären Krankenanstalten vorlegen zu lassen, um die dort verfügbare Bettenkapazität überprüfen zu können, ist dies nicht durchdringend.
In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, B.v. 31.3.2014 – 1 BvR 345/04 – juris Rn. 21 ff) ist hinreichend geklärt, dass in Fällen wie der Begrenzung von Studienplätzen auf der Grundlage einer Numerus-Clausus-Regelung für das Studium einer bestimmten Fachrichtung, in denen die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes zu einer erheblichen Ausbildungsverzögerung führt, besondere Erfordernisse an die Effektivität des Rechtsschutzes zu stellen sind. Daraus folgt, dass die Gerichte gemäß Art. 19 Abs. 4 GG gehalten sind, die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes jedenfalls dann auf eine eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage zu stützen, wenn diese zu schweren und unzumutbaren Nachteilen führt.
An diesen Anforderungen gemessen, ist der Beschluss des Verwaltungsgerichts nicht zu beanstanden. Der vom Antragsteller geltend gemachte Klärungsbedarf besteht nicht. Die UR hat im verwaltungsgerichtlichen Verfahren schriftsätzlich (v. 7.10.2020, 13.1.2021, 5.2.2021, 17.2.2021, 19.2.2021) umfassend dargelegt, wie sich die Anzahl der tagesbelegten Betten des Universitätsklinikums und der außeruniversitären Krankenanstalten im Einzelnen errechnet. Das Verwaltungsgericht hat sich hiermit ausführlich auseinandergesetzt, die vorgelegten Zahlen auf Plausibilität überprüft und zu den Zahlen der Vorjahre in Bezug gesetzt. Auf ausdrückliche gerichtliche Nachfrage versicherte die UR glaubhaft (Schriftsatz v. 5.2.2021), dass sich aus den vom Antragsteller zur Einsicht gewünschten Verträgen mit den außeruniversitären Krankenanstalten keine Informationen zur Zahl der tagesbelegten Betten ergeben würden. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht dem gefolgt ist, denn ein Gericht darf den tatsächlichen Angaben eines Trägers öffentlicher Verwaltung im Hinblick auf dessen Pflicht zu wahrheitsgemäßem und vollständigem Vortrag grundsätzlich Vertrauen entgegenbringen (vgl. OVG Berlin-Bbg., B.v. 9.1.2019 – OVG 5 NC 2.18 – juris Rn. 16) Der hiergegen vom Antragsteller vorgebrachte Einwand, aus Randnummer 18 der genannten Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg gehe hervor, dass die dortigen Vereinbarungen vollständig zu den Akten gereicht worden seien, geht fehl, da sich die Ausführungen in Randnummer 18 auf Lehrveranstaltungen in außeruniversitären Krankenhäusern beziehen, wohingegen sich Randnummer 16 mit hiervon tatsächlich und rechtlich zu unterscheidenden – und gerade nicht vorgelegten – Vereinbarungen zum Lehraufwand im Praktischen Jahr befasst. Substantiierte Einwände, die dies ernsthaft infrage stellen, hat der Antragsteller nicht vorgetragen, sondern lediglich pauschal behauptet, “dass es durchaus häufig Anlass zu Zweifeln an den Vorträgen der Universitäten” gebe. Zwar verkennt der Senat nicht, dass gerade, wenn der Mangel an überprüfbaren Unterlagen gerügt wird, vor dem Hintergrund des Gebots fairer Verfahrensgestaltung und des effektiven Rechtsschutzes die Grenzen der Substantiierungspflicht zu beachten sind (BVerfG, B.v. 31.3.3004 – 1 BvR 356/04 – juris Rn. 26). Unter Berücksichtigung der gerichtlichen Nachfragen und der dazu vorgelegten Unterlagen der UR wäre vom Antragsteller aber zu erwarten gewesen, zumindest zu benennen, warum sich entgegen der Angaben der UR gleichwohl Rückschlüsse auf die Anzahl der tagesbelegten Betten ergeben können, bzw. aufgrund welcher konkreter Zweifel aus seiner Sicht eine weitere gerichtliche Aufklärung erforderlich ist. Ohne entsprechende Darlegung oder sonstige Anhaltspunkte für eine insoweit unrichtige Kapazitätsberechnung kann jedoch weder pauschal die Vorlage sämtlicher Verträge mit den außeruniversitären Krankenanstalten verlangt werden noch drängt sich eine solche Ausforschung im Rahmen der Amtsermittlung auf (vgl. BayVGH, B.v. 21.5.2013 – 7 CE 13.10024 – juris Rn. 10).
b) Der Senat teilt nicht die Rechtsauffassung des Antragstellers, die auf § 52 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 der Verordnung über die Hochschulzulassung an den staatlichen Hochschulen in Bayern – HZV – vom 10. Februar 2020 (GVBl S.87) beruhende Berechnung der patientenbezogenen jährlichen Ausbildungskapazität für den klinischen Teil des Studiengangs Medizin unter Berücksichtigung von 15,5% der tagesbelegten Betten beschneide in verfassungswidriger Weise seinen Zulassungsanspruch und sei daher rechtswidrig, weil dieser Parameter seit Jahrzehnten nicht evaluiert worden sei, auch nicht im Rahmen der Neufassung der Hochschulzulassungsverordnung vom 10. Februar 2020.
Ungeachtet dessen, dass sich das Beschwerdevorbringen insoweit mit keinem Wort mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzt, sondern nur erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und damit – wie ausgeführt – den gesetzlichen Anforderungen an den Inhalt einer Beschwerdebegründung (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO) in keiner Weise gerecht wird, besteht weiterhin kein Anlass, von der Heranziehung des in § 52 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HZV genannten Parameters abzuweichen. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass die Berechnung der Anzahl der Studienplätze im Studiengang Medizin, 2. Studienabschnitt, auf der Grundlage des § 52 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HZV festgesetzten Werts von 15,5% der Gesamtzahl der tagesbelegten Betten und der sogenannten Mitternachtszählung keinen rechtlichen Bedenken begegnet (vgl. BayVGH, B.v. 16.9.2019 – juris Rn. 8 ff.; B.v. 21.8.2018 – 7 CE 18.10002 u.a. – juris Rn. 10 ff. jeweils m.w.N.). Hieran hält der Senat auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens fest. Es ist grundsätzlich Aufgabe des Verordnungsgebers, die Entwicklung der maßgeblichen Faktoren zu beobachten und die Normen gegebenenfalls anzupassen. Dabei kommt ihm eine Einschätzungsprärogative zu. Solange sich nicht aufdrängt, dass die Regelungen und die ihnen zugrundeliegenden Annahmen fehlerhaft oder überholt sind, ist es nicht Aufgabe des Gerichts im kapazitätsrechtlichen Eilverfahren, die einschlägigen Bestimmungen durch andere Vorgaben zu ersetzen. Vorliegend sind weder Anhaltspunkte dafür erkennbar noch substantiiert vorgetragen, die geeignet wären, die erst im Februar 2020 neu gefasste Entscheidung des Verordnungsgebers in § 52 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HZV in Zweifel zu ziehen.
3. Soweit sich der Antragsteller gegen die ihm im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eingeräumten Äußerungsfristen als “allzu kurz” wendet, bleibt offen, ob er damit sinngemäß eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör rügen will. Seine Ausführungen wären jedoch schon nicht hinreichend, um einen Verfahrensmangel in beachtlicher Weise darzulegen (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO). So hätte mindestens aufgezeigt werden müssen, was der Antragsteller zu dem gerichtlichen Schreiben vom 22. Februar 2021 vorgetragen hätte und weshalb dies entscheidungserheblich gewesen wäre (vgl. W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 124a Rn. 57). Im Übrigen ist nicht zu beanstanden, dass das Gericht im Eilverfahren mit Blick auf eine beabsichtigte zeitnahe Entscheidung eher knapp bemessene Äußerungsfristen gesetzt hat. Diese waren unter Berücksichtigung des Umfangs der jeweils zugrundeliegenden Stellungnahmen der UR jeweils angemessen. Allein die mit Schreiben vom 22. Februar 2021 gewährte Frist zur Stellungnahme bis 24. Februar 2021 war zu knapp bemessen, denn wegen des Briefversands war die gesetzte Frist bereits bei Eingang des gerichtlichen Schreibens bei den Bevollmächtigten des Antragstellers abgelaufen. Allerdings ergibt sich hieraus kein relevanter Verfahrensmangel, denn es hätte dem Antragsteller oblegen, hätte er sich gleichwohl hierzu äußern wollen, unverzüglich hierauf hinzuweisen und ein Gesuch auf Fristverlängerung zu stellen. Das Gericht hatte nicht zu erkennen gegeben, dass eine unmittelbare Beschlussfassung bevorstand. Diese erfolgte erst knapp drei Wochen später am 15. März 2021.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 18.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der 2013 aktualisierten Fassung (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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