Verwaltungsrecht

Zulassung zum Praxissemester

Aktenzeichen  M 3 E 18.4788

Datum:
19.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 34591
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SPO-B-WA 4 Abs. 2
APO § 4 Abs. 3
SPO § 4 Abs. 1, Abs. 2
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, Abs. 5, § 123
GKG § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1
VwGO § 67 Abs. 4 S. 4, S. 7, § 154 Abs. 1
RDGEG § 3, § 5

 

Leitsatz

1 Auch wenn der Anordnungsgrund glaubhaft gemacht wurde, d.h. die Dringlichkeit des Begehrens, bereits vor Abschluss eines Hauptsacheverfahrens wenigstens vorläufig zum nächstmöglichen Termin zum praktischen Studiensemester zugelassen zu werden, war der Eilantrag gem. 123 VwGO wegen des fehlenden Anordnungsanspruchs abzulehnen. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2 Zum Praktischen Studiensemester wird nur zugelassen, wer die in § 4 Abs. 1 SPO genannten Pflichtmodule sowie sechs weitere Pflichtmodule erfolgreich abgelegt hat. Erfolgreich abgelegte Wahlpflichtmodule gem. § 4 Abs. 2 SPO sind keine Pflichtmodule und nicht auf diese anzurechnen. (Rn. 19 – 27) (redaktioneller Leitsatz)
3 Gemäß § 4 Abs. 3 S. 1 APO sind alle Module entweder Pflichtmodule, Wahlpflichtmodule oder Wahlmodule. Wahlmodule werden erst mit dem Ablegung der Prüfung zu Wahlpflichtmodulen und werden gem. § Ziffer 2 des Studienplans “wie ein Pflichtmodul behandelt, d.h., es wird im Zeugnis ausgewiesen und fließt in die Prüfungsgesamtnote ein“. Werden von einem Studierenden mehr als die vorgeschriebene Anzahl an Wahlpflichtmodulen gewählt, so werden die überzähligen Wahlpflichtmodule zu Wahlmodulen. Die Endnoten der Wahlpflichtmodule werden im Zeugnis ausgewiesen. Wahlmodule werden demgegenüber nur auf Antrag in das Zeugnis aufgenommen. (Rn. 23 – 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller studiert seit dem Wintersemester 2016/2017 bei der Antragsgegnerin im Bachelorstudiengang Wirtschaftsingenieurwesen Agrarmarketing und Management.
Nachdem er sich beim Praktikantenamt der Antragsgegnerin über die Möglichkeit der Anerkennung von Praktikumsstellen vom 13. August 2018 bis 19. Februar 2019 erkundigt hatte, teilte ihm das Praktikantenamt mit E-Mail vom 17. August 2018 mit, das Prüfungsamt habe mitgeteilt, dass der Antragsteller die Voraussetzungen für den Eintritt ins Praxissemester nicht erfülle. Daher könne weder sein kaufmännisches noch sein landwirtschaftliches Praktikum anerkannt werden.
Dagegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 19. September 2018, eingegangen am 21. September 2018, Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München (…), über die noch nicht entschieden wurde.
Gleichzeitig beantragte er im Wege der einstweiligen Anordnung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München sinngemäß,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Antragsteller das Praktische Studiensemester fortsetzen zu lassen und das Praktikum bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen anzuerkennen.
Zum Eintritt in das Praktische Studiensemester benötige der Studierende die sechs Grundlagen- und Orientierungsprüfungen sowie das Bestehen der Prüfungen in sechs weiteren Pflichtmodulen. Der Kläger habe am Ende des vierten Semesters alle Grundlagen- und Orientierungsprüfungen sowie fünf Pflichtmodule und zwei Wahlpflichtmodule abgelegt. Die Wahlpflichtmodule seien jedoch im Zeugnis nicht als Pflichtmodulnoten ausgewiesen, sondern weiterhin wie Wahlpflichtmodule behandelt. Da jedoch ab dem Zeitpunkt der Wahl zum Antritt der Prüfung ein Wahlpflichtmodul als Pflichtmodul behandelt werde, müsse ein Wahlpflichtmodul auch als Pflichtmodul im Zeugnis ausgewiesen werden. Da alle Pflichtmodule mit 5 EC-Punkten bewertet würden und fast alle Wahlpflichtmodule mit 2,5 EC-Punkten, müsste der Antragsteller mindestens zwei Wahlpflichtmodule erfolgreich abgelegt haben. Da dies der Fall sei, seien die beiden Wahlpflichtmodule mit jeweils 2,5 EC-Punkten = 5 EC-Punkten gleichwertig einem Pflichtmodul mit 5 EC-Punkten.
Der Antragsteller erfülle mit seinen sechs Grundlagenprüfungen und sieben Pflichtmodulen alle Voraussetzungen für den Eintritt in das praktische Studiensemester.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zum Eintritt in das praktische Studiensemester sei gemäß § 4 Abs. 2 der Studien- und Prüfungsordnung für den streitgegenständlichen Bachelorstudiengang vom 5. Juni 2008 mit nachfolgenden Änderungen (SPO-B-WA, im Folgenden: SPO) nur berechtigt, wer die Prüfungsleistungen der in § 4 Abs. 1 SPO genannten Pflichtmodule sowie die Prüfungsleistungen sechs weiterer Pflichtmodule erfolgreich abgelegt habe. Ausweislich des Notenblatts habe der Antragsteller die Prüfungsleistungen der in § 4 Abs. 1 SPO genannten Pflichtmodule bestanden, jedoch nur Prüfungsleistungen fünf weiterer Pflichtmodule erfolgreich abgelegt.
Pflichtmodule seien diejenigen Module, die für alle Studierenden des Studiengangs verbindlich zu absolvieren seien. Auf diese Formulierung nehme auch § 4 Abs. 2 SPO Bezug. Wahlpflichtmodule hingegen seien Module, aus denen der Studierende frei wählen könne. Diese würden in der Anlage zur SPO beispielsweise als allgemeinwissenschaftliche oder fachwissenschaftliche Wahlmodule ausgewiesen. Entgegen der Auffassung des Antragstellers würden Wahlpflichtmodule durch den Antritt eines Studierenden im Hinblick auf die prüfungsrechtliche Zuordnung nicht zu Pflichtmodulen. Vielmehr würden sie lediglich für diesen Studierenden wie ein Pflichtmodul behandelt (§ 4 Abs. 3 der Allgemeinen Prüfungsordnung der Antragsgegnerin in der Fassung vom 2. August 2018).
Die Regelung des § 4 Abs. 2 SPO verfolge den Zweck, ausreichende fachliche Kompetenzen im Pflicht- und damit im Kernbereich des Studiengangs für die erfolgreiche Absolvierung des praktischen Studiensemesters und der nachfolgenden theoretischen Studiensemester sicherzustellen. Aufgrund der bislang nachgewiesenen Leistungen im Studium lägen diese beim Antragsteller jedoch nicht vor. Damit sei letztlich auch das Ausbildungsziel des praktischen Studiensemesters gefährdet.
Der Antragsteller sei seit dem Wintersemester 2016/2017 bei der Antragsgegnerin immatrikuliert. In diesen vier Semestern habe der Antragsteller 60 EC erbracht, die Hälfte der in vier Semestern planmäßig zu absolvierenden Studien- und Prüfungsleistungen in Form von 120 EC.
Mit Schreiben vom 6. November 2018 wiederholt und vertieft der Antragsteller seine vorgebrachten Argumente. Auch der Umkehrschluss bestätige seine Argumentation: bestehe der Studierende die angetretene Prüfung im Wahlpflichtmodul nicht, könne er nach dreimaligem erfolglosem Absolvieren der Prüfung aus dem gesamten Studiengang exmatrikuliert werden. Gerade diese Konsequenz mache besonders deutlich, welche gleichgeordnete Bedeutung dem Wahlpflichtmodul im Verhältnis zum Pflichtmodul zukomme.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der gestellte Antrag nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO hat keinen Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht der Hauptsache auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert würde. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist eine Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn glaubhaft gemacht wird, dass die Regelung nötig erscheint, um den Antragsteller vor bestimmten Nachteilen zu bewahren. Der Antrag ist somit begründet, wenn insbesondere der prozessuale Anspruch auf Sicherung des Hauptsacheanspruchs besteht. Das ist der Fall, wenn der zu sichernde Anspruch des Antragstellers nach den Vorschriften des materiellen Rechts besteht (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO) gemacht wird. Trotzdem gilt auch in Verfahren nach § 123 VwGO der Amtsermittlungsgrundsatz; dieser kann die Anforderungen an die Glaubhaftmachung reduzieren, wenn sich nach den dem Gericht vorliegenden Unterlagen ein Anordnungsanspruch aufdrängt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 14. Auflage, Rn 24 zu § 123).
Für das Vorliegen eines Anordnungsgrunds ist grundsätzlich Voraussetzung, dass dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interessen, aber auch der öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Personen, ein Abwarten der Hauptsacheentscheidung nicht zumutbar ist (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., Rn 26 zu § 123 VwGO).
Hinsichtlich der Frage des Vorliegens eines Anordnungsanspruchs hat das Gericht die widerstreitenden privaten und öffentlichen Interessen der Beteiligten gegeneinander abzuwägen. Für diese Abwägung ist in erster Linie entscheidend, ob die Antragspartei mit einem Erfolg in einem Hauptsacheverfahren rechnen kann. Insbesondere dann, wenn mit einer – sei es auch nur befristeten – Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Hauptsache bereits vorweggenommen würde, muss der Erfolg in der Hauptsache jedoch nicht nur wahrscheinlich sein, sondern bejaht werden können.
Der Antragsteller hat zwar einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, d.h. die Dringlichkeit des Begehrens, bereits vor Abschluss eines Hauptsacheverfahrens wenigstens vorläufig zum nächstmöglichen Termin zum praktischen Studiensemester des Bachelorstudiengangs Wirtschaftsingenieurwesen Agrarmarketing und Management an der Antragsgegnerin zugelassen zu werden.
Die Antragspartei hat jedoch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Die Mitteilung des Praktikantenamts der Antragsgegnerin an den Antragsteller vom 17. August 2018 ist aller Voraussicht nach rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten; der Kläger hat keinen Anspruch darauf, zum praktischen Studiensemester zugelassen zu werden (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).
Gemäß § 4 Abs. 2 SPO ist zum Eintritt in das praktische Studiensemester und die dem praktischen Studiensemester nachfolgenden theoretischen Studiensemester nur berechtigt, wer die Prüfungsleistungen der in § 4 Abs. 1 genannten Pflichtmodule sowie die Prüfungsleistungen sechs weiterer Pflichtmodule erfolgreich abgelegt hat. Somit muss der Studierende die Prüfungen der in § 4 Abs. 1 SPO genannten Grundlagen- und Orientierungsprüfungen sowie von sechs weiteren Pflichtmodulen erfolgreich abgelegt haben. Unstreitig hat der Antragsteller ausweislich seiner Notenübersicht jedoch die sechs Grundlagen- und Orientierungsprüfungen sowie Prüfungsleistungen von nur fünf weiteren Pflichtmodulen erfolgreich abgelegt. Damit sind die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 SPO nicht erfüllt.
Dass der Antragsteller darüber hinaus auch Prüfungen von zwei Wahlpflichtmodulen erfolgreich abgelegt hat, verhilft ihm nicht zum Erfolg.
Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 APO sind alle Module entweder Pflichtmodule, Wahlpflichtmodule oder Wahlmodule. Die Module unterscheiden sich gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 APO wie folgt:
„1. Pflichtmodule sind für alle Studierenden des Studiengangs verbindlich.
2. Wahlpflichtmodule werden für die Studierenden alternativ angeboten. Die Studierenden müssen unter ihnen nach Maßgabe der jeweiligen Studien- und Prüfungsordnung eine bestimmte Auswahl treffen. Die Wahl erfolgt durch Prüfungsanmeldung bezogen auf den jeweiligen Prüfungszeitraum; bei Antritt mindestens einer Prüfung des jeweiligen Moduls wird dieses Modul wie ein Pflichtmodul behandelt.“
Was dies bedeutet, ergibt sich, wie der Antragsteller richtig vorträgt, aus Ziffer 2 des Studienplans für den Bachelorstudiengang Wirtschaftsingenieurwesen Agrarmarketing und Management. Danach muss jeder Studierende eine bestimmte Auswahl an Lehrveranstaltungen für die Wahlpflichtmodule treffen. Die Entscheidung, ob ein Modul als Wahlpflicht- oder Wahlmodul gewertet werden soll, wird mit der Anmeldung zur Prüfung getroffen. Mit Ablegung der Prüfung ist die Entscheidung für das Wahlpflichtmodul verbindlich. Ab diesem Zeitpunkt wird gemäß Ziffer 2 des Studienplans „das Modul wie ein Pflichtmodul behandelt, d.h., es wird im Zeugnis ausgewiesen und fließt in die Prüfungsgesamtnote ein“. Werden von einem Studierenden mehr als die vorgeschriebene Anzahl an Wahlpflichtmodulen gewählt, so werden die überzähligen Wahlpflichtmodule zu Wahlmodulen. Die Endnoten der Wahlpflichtmodule werden im Zeugnis ausgewiesen. Wahlmodule werden nur auf Antrag in das Zeugnis aufgenommen.
Daraus erklärt sich, inwiefern Wahlpflichtmodule wie Pflichtmodule behandelt werden. Sie werden im Zeugnis ausgewiesen und fließen in das Prüfungsgesamtergebnis ein. Außerdem wird die Entscheidung für ein bestimmtes Wahlmodul mit der Ablegung einer Prüfung verbindlich; dies wiederum hat zur Folge, dass ein dreimaliges Scheitern in diesem Modul das endgültige Bestehen des Studiengangs zur Folge haben kann. Durch die dargestellte Behandlung wird aber das Wahlpflichtmodul nicht zu dem nach § 4 Abs. 2 SPO für den Eintritt in das praktische Studiensemester geforderte Pflichtmodul, wie sich bereits aus den unterschiedlichen Definitionen in § 4 Abs. 3 Satz 2 APO und der Nebeneinanderstellung in § 4 Abs. 3 Satz 1 APO ergibt.
Sinn der Regelung in § 4 Abs. 2 SPO ist offensichtlich, dass derjenige Studierende, der ins praktische Studiensemester eintritt, neben den in § 4 Abs. 1 SPO genannten Grundlagen- und Orientierungsprüfungen eine möglichst breite theoretische Grundlage aus den für alle Studierenden des Studiengangs verbindlichen Modulen und damit von verpflichtend zu erbringendem Lehrstoff haben soll, um das Praxissemester sowie die daran anschließenden theoretischen Semester sinnvoll durchlaufen zu können.
Der Antrag ist somit aus den dargestellten Gründen mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr.1, 52 Abs. 2 GKG, wobei für das Hauptsacheverfahren von einem Streitwert von 5.000,00 € ausgegangen wird der im vorliegenden Eilverfahren gemäß Ziff. I. 5 Satz 1 des Streitwertkatalogs halbiert wird.


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