Verwaltungsrecht

Zum Verhältnis von Abschiebestopp zu Abschiebungshindernissen

Aktenzeichen  20 ZB 18.30360

Datum:
21.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 3061
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1, § 60a
AsylG § 78 Abs. 3

 

Leitsatz

1 Ist das Verhältnis von faktischem Abschiebestopp (Erlasslage nach § 60a AufenthG) und Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG hinsichtlich des Herkunftslands Irak durch die Rechtsprechung grundsätzlich geklärt, erfordert die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit eine Durchdringung der Materie und eine Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts und das Aufzeigen einer neuen Klärungsbedürftigkeit. (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
2 Auf einen Gehörsverstoß kann sich derjenige nicht berufen, der es versäumt hat, in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht zu den von ihm vorgelegten Urkunden förmliche Beweisanträge (hier: auf Inaugenscheinnahme) zu stellen. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 3 K 17.32551 2017-09-23 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts ist jedenfalls unbegründet, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe schon nicht in einer Weise dargelegt wurden, die den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG genügt, oder nicht vorliegen.
1. Soweit der Kläger grundsätzliche Bedeutung in seinem Zulassungsantrag geltend macht, fehlt es an einer Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG. Dieser verlangt hinsichtlich seiner Darlegung, dass der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert, ausführt, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist, dass er erläutert, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist und schließlich darlegt, weshalb der Frage eine über die einzelfallbezogene Rechtsanwendung hinausgehende Bedeutung zukommt (Happ in Eyermann, VwGO, § 124a Rn. 72). Diesen Anforderungen wird der Zulassungsantrag nicht gerecht, weil er bereits keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung formuliert. Darüber hinaus setzt sich der Kläger in seinem Zulassungsantrag nicht mit der Rechtsprechung des 23. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 10.5.2005 – 23 B 05.30217 – juris, Rn. 30) zum Verhältnis des faktischen Abschiebestopps und der Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG auseinander, wo für das Herkunftsland Irak ausgeführt wird, dass das Bayerische Staatsministerium des Innern und die Konferenz der Länderinnenminister wiederholt festgestellt hätten, dass ein Beginn von zwangsweisen Rückführungen in den Irak nicht möglich sei. Demzufolge sei auch in Bayern die Abschiebung irakischer Staatsangehöriger weiterhin ausgesetzt. Damit liege eine Erlasslage im Sinne des § 60a AufenthG vor, welche dem betroffenen Ausländer derzeit einen wirksamen Schutz vor Abschiebung vermittele, so dass dem Kläger nicht zusätzlich Schutz vor der Durchführung der Abschiebung etwa in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren wäre. Dieses Urteil ist rechtskräftig (vgl. BVerwG, B.v. 1.9.2005 – 1 B 68.05 – juris und v. 22.3.2006 – 1 C 13.05 – im Internet abrufbar unter www.bverwg.de). Die Erlasslage, die der Entscheidung des 23. Senats zugrunde lag, entspricht derjenigen, die heute in Bayern gilt. Die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit einer Rechts- oder Tatsachenfrage erfordert regelmäßig eine Durchdringung der Materie und in diesem Zusammenhang eine Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts, die verdeutlicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts dem Klärungsbedarf nicht gerecht wird (Happ a.a.O., Rn. 72; BVerfG – NVwZ-Beilage 1995, 17; BVerwG NJW 1993, 2825). Aufgrund dieser Rechtsprechung des 23. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist die Rechtsfrage grundsätzlich geklärt. Warum nun eine neue Klärungsbedürftigkeit entstanden sein sollte, geht aus dem Zulassungsantrag nicht hervor. Dementsprechend sind die Darlegungsanforderungen nicht gewahrt.
2. Der weiter geltend gemachte Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 VwGO liegt nicht vor. Der Kläger sieht einen Gehörsverstoß darin, dass das Verwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung vom Kläger vorgelegte Urkunden und einen Videomitschnitt zurückgewiesen habe. Zwar kann eine unterbliebene, aber rechtlich gebotene Sachverhaltsaufklärung im Einzelfall einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör darstellen. Auf einen solchen Verstoß kann sich indessen von vornherein derjenige nicht berufen, der es versäumt hat, sich vor Gericht selbst das rechtliche Gehör zu verschaffen (BVerwG, Beschlüsse vom 4.7.1983 – 9 B 10275.83 -, Buchholz 340 § 3 VwZG Nr. 9, S. 4, und vom 13.1.2000 – 9 B 2.00 -, Buchholz 310 § 133 (n.F.) VwGO Nr. 53, S. 13 f.). Dem im erstinstanzlichen Verfahren anwaltlich vertretenen Kläger stand es offen, im Rahmen der mündlichen Verhandlung förmliche Beweisanträge gerichtet auf Inaugenscheinnahme der von ihm vorgelegten Urkunden zu stellen. Hiervon hat der Kläger jedoch abgesehen. Die nunmehr erhobene Gehörsrüge kann aber nicht dazu dienen, Beweisanträge zu ersetzen, die der Kläger in zumutbarer Weise hätte stellen können, jedoch zu stellen unterlassen hat.
3. Soweit der Kläger noch ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) anführt, so stellen diese im Asylprozess keinen Grund für die Zulassung der Berufung nach § 78 Abs. 3 AsylG dar.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
Mit dieser Entscheidung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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