Verwaltungsrecht

Zur Auslegung des Begriff des „Selbsttests“ im Sinne von § 18 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 12. BayIfSMV, Erfüllung der Selbsttestverpflcihtung des § 18 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 12. BayIfSMV mittels eines in der Schule unter Aufsicht durchgeführten, beliebigen durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zugelassenen Antigentests zur Eigenanwendung durch Laien mit negativem Testergebnis

Aktenzeichen  AN 18 E 21.00939

Datum:
2.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 13613
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
BayIfSMV § 18 Abs. 4 12.

 

Leitsatz

Tenor

1. Es wird vorläufig festgestellt, dass der Antragsteller die nach § 18 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 der Zwölften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung als Voraussetzung für die Teilnahme am Präsenzunterricht vorgesehene Verpflichtung zur Durchführung eines SARS-CoV-2-Selbsttests in der Schule unter Aufsicht gleichermaßen erfüllen kann, indem er unter schulischer Aufsicht die vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zugelassenen Antigentests zur Eigenanwendung durch Laien (Selbsttests) „AMP Rapid Test SARS-CoV-2 Ag Sputum“ des Herstellers … Labordiagnostik GmbH oder „Coronavirus (2019-nCoV)-Antigenschnelltest – Speichel“ des Herstellers Beijing Hotgen Biotech Co., Ltd mit negativem Testergebnis auf eigene Kosten und unter Eigenbeschaffung des jeweiligen Tests durchführt.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird bis zur Abtrennung des Verfahrens AN 18 E 21.01021 auf 10.000,00 EUR und nach der Abtrennung in dem Verfahren AN 18 E 21.00939 auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Beteiligten streiten im Verfahren der einstweiligen Anordnung um die Auslegung der nach § 18 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 12. BayIfSMV als Voraussetzung für die Teilnahme am Präsenzunterricht vorgesehenen Verpflichtung, zweimal wöchentlich in der Schule unter Aufsicht einen Selbsttest mit negativem Ergebnis vorgenommen zu haben.
Der am …2010 geborene Antragsteller ist Schüler der evangelischen Gesamtschule „…-Schule“ in …, einer staatlich anerkannten Ersatzschule, die in der Trägerschaft der Evangelisch-Lutherischen Gesamtkirchengemeinde … steht. Er besucht die fünfte Klasse des dortigen Gymnasiums.
Gemäß § 18 Abs. 4 12. BayIfSMV in der Fassung der Verordnung zur Änderung der Zwölften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 9. April 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 261) gelten für die Teilnahme am Präsenzunterricht und an den Präsenzphasen des Wechselunterrichts folgende Einschränkungen:
„(4) 1Die Teilnahme am Präsenzunterricht und an Präsenzphasen des Wechselunterrichts sowie an der Notbetreuung und Mittagsbetreuung ist Schülerinnen und Schülern nur erlaubt, wenn sie sich zwei Mal wöchentlich, im Fall des Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 mindestens zwei Mal wöchentlich, nach Maßgabe der Sätze 2 bis 5 einem Test in Bezug auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 unterziehen. 2Hierfür haben die Schülerinnen und Schüler zu Beginn des Schultages über ein schriftliches oder elektronisches negatives Ergebnis eines PCR- oder POC-Antigentests zu verfügen und dieses auf Anforderung vorzuweisen oder müssen in der Schule unter Aufsicht einen Selbsttest mit negativem Ergebnis vorgenommen haben. 3Die dem Testergebnis zu Grunde liegende Testung oder der in der Schule vorgenommene Selbsttest dürfen höchstens 48 Stunden, im Fall des Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 höchstens 24 Stunden vor dem Beginn des jeweiligen Schultags vorgenommen worden sein. […]“
Mit E-Mail vom 11. April 2021 trat der Antragsteller, vertreten durch seine Eltern, erstmals an die Leitung der …-Schule heran und äußerte das Begehren, die fortan gültige Pflicht zur Selbsttestung in der Schule mittels Durchführung des Speichel-/Spucktests „Coronanavirus (2019-nCoV)-Antigentest – Speichel“ des Herstellers Beijing Hotgen Biotech Co., Ltd erfüllen zu dürfen. Er habe aus seinen bisherigen Erfahrungen eine extreme Abneigung gegen bzw. Angst vor der Durchführung von Selbsttests zur nasalen Anwendung wie dem seitens der Schule bereitgestellten Produkt „Clinitest Rapid COVID-19 Antigen Test“ des Herstellers Siemens entwickelt. Man sei bereit, die Anschaffung und Bezahlung der favorisierten Speicheltest selbst zu übernehmen.
Hierauf erwiderte Schulleitung mit E-Mail vom selben Tag, dass Spucktests in … aktuell nicht zugelassen seien. Im Zuge des weiteren Schriftverkehrs mit dem Antragsteller verwies sie diesen in Bezug auf sein Anliegen zunächst an das Schulamt der Stadt … Daraufhin trug der Antragsteller, wiederum vertreten durch die Eltern, sein Anliegen mit E-Mail vom 18. und 24. April 2021 an das Amt für Allgemeinbildende Schulen der Stadt … heran.
Dieses legte – nach Rücksprache mit dem örtlichen Gesundheitsamt sowie dem Ministerialbeauftragten für die Gymnasien in Mittelfranken – mit E-Mail vom 30. April 2021 dar, dass alle Schulen durch das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus mit Schnelltests beliefert würden, wobei in … nasal anzuwendende Antigentests der Hersteller Siemens oder Roche zum Einsatz kämen. Die Schulen seien dabei an die Durchführung der seitens des Ministeriums bereitgestellten Tests gebunden; von den Schülern selbst mitgebrachte Tests einer anderen Art oder Marke seien somit nicht zulässig.
Mit Schreiben vom 2. Mai 2021 wandte sich die Antragstellerseite schließlich an den Ministerialbeauftragten für die Gymnasien in Mittelfranken und bat um Übersendung des zugrundeliegenden Schriftstücks des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, aus dem sich die Ablehnung der ihrerseits favorisierten Erfüllung der Testpflicht mittels eines in der Schule unter Aufsicht durchgeführten Spucktests ergebe. Für den Fall, dass ein solches Dokument nicht vorliegen sollte, werde hierfür eine einzelfallbezogene Zulassung beantragt.
Der Ministerialbeauftragte für die Gymnasien in Mittelfranken entgegnete mit Schreiben vom 11. Mai 2021, dass die nach § 18 Abs. 4 12. BayIfSMV vorgesehene Durchführung von Selbsttests unter schulischer Aufsicht aus organisatorischen Gründen auf bestimmte Methoden beschränkt sei. Hierzu werde im Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus (KMS II.1-BS4363.0/705) vom 9. April 2021 wie folgt ausgeführt:
„Zum Nachweis eines negativen Testergebnisses stehen folgende Möglichkeiten zur Verfügung:
o Schülerinnen und Schüler können das Testergebnis eines auf eigene Veranlassung bei einem von medizinisch geschultem Personal außerhalb der Schule durchgeführten PCR-Tests oder POC-Antigen-Schnelltests in der Schule vorlegen.
o Schülerinnen und Schüler können an der Schule unter Aufsicht Selbsttests durchführen.
o Zu beachten ist, dass ein zuhause durchgeführter Selbsttest als Nachweis eines negativen Testergebnisses nicht ausreicht.
o Schülerinnen und Schüler, welche an einem Pilotprojekt zur Gurgel-Pool-Testung oder ähnlichen vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) betreuten Projekten teilnehmen, können auch mit der Testung im Rahmen des Pilotprojekts ihrer Testverpflichtung (ggf. zumindest für einzelne zu leistende Testungen) nachkommen. Dies ist jedoch nur im Rahmen einer Ausnahmegenehmigung nach § 28 Abs. 2 der 12. BayIfSMV von den Vorgaben des § 18 Abs. 4 der 12. BayIfSMV möglich und muss vorab von der Kreisverwaltungsbehörde im Einvernehmen mit der zuständigen Regierung genehmigt werden.“
Demnach bestehe die Möglichkeit zur Durchführung eines Gurgeltests nur im Fall der Teilnahme an einem Pilotprojekt.
Mit E-Mail vom 16. Mai 2021 wies der Ministerialbeauftragte ergänzend darauf hin, dass auch die gewünschte Ausnahmeerlaubnis nicht erteilt werden könne, weil die möglichen Testverfahren in dem KMS vom 9. April 2021 abschließend aufgezählt seien. Zur Genehmigung zusätzlicher Verfahren sei die Dienststelle nicht befugt.
Zur Weiterverfolgung seines Rechtsschutzbegehrens hat der Antragsteller am 21. Mai 2021 sowohl gegen den Freistaat Bayern, vertreten durch das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus, als auch gegen die Evangelisch-Lutherische Gesamtkirchengemeinde …, vertreten durch die …-Schule, Klage erhoben (AN 18 K 21.00950) und das Gericht außerdem um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ersucht.
Der Antragsteller trägt vor, er habe extreme Angst vor der Durchführung eines nasalen Schnelltests bzw. Rachenabstrichs und befürchte, es könnten hierdurch Schulangst und psychische Langzeitschäden hervorgerufen werden. Sein Ziel sei es daher, für die Teilnahme am Präsenzunterricht als Alternative zu den nasal durchzuführenden Selbsttests Speicheltests durchzuführen und hierdurch der angeordneten Testpflicht nachzukommen. Die Testpflicht solle hierdurch weder umgangen noch kritisiert werden. Für die Schule bedeute die Durchführung von Speicheltests keinerlei organisatorischen Zusatzaufwand, denn er werde diese selbst beschaffen, bezahlen und in ausreichender Menge in der Originalverpackung an die Schule übergeben, so dass er den Test gemeinsam mit seinen Mitschülern unter Aufsicht durchführen könne. Auch die Vorgehensweise sei im Hinblick auf das Einfüllen der entnommenen Proben in die Testkassette, die Wartezeit bis zur Angabe des Testergebnisses (15 Minuten) sowie dessen Lesbarkeit (ein oder zwei Querstreifen im Fenster der Testkassette) identisch mit den durch die Schule bereitgestellten Schnelltests. Die von ihm vorgesehenen Selbsttests „AMP Rapid Test SARS-CoV-2 Ag Sputum“ des Herstellers … Labordiagnostik GmbH und „Coronavirus (2019-nCoV)-Antigentest – Speichel“ des Herstellers Beijing Hotgen Biotech Co., Ltd seien durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte explizit als Antigen-Tests zur Eigenanwendung durch Laien zum Nachweis von SARS-CoV-2 zugelassen. Nach alledem verfüge er über das erforderliche Feststellunginteresse und Rechtsschutzbedürfnis; die Angelegenheit sei ferner eilbedürftig, denn es sei davon auszugehen, dass ab dem 7. Juni 2021 die fünften Klassen auch in* … wieder Wechsel- bzw. Präsenzunterricht erhalten würden.
Auf richterlichen Hinweis, dass es dem gegen den Freistaat Bayern gerichteten vorläufigen Rechtsschutzantrag an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis mangeln dürfte, hat der Antragsteller erklärt, insoweit nicht mehr an seinem Antrag festzuhalten und diesen (teilweise) zurückzunehmen.
Der Antragsteller beantragt konkretisierend zuletzt,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, zu genehmigen, dass er in der Schule unter Aufsicht einen durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte als Antigentest zur Eigenanwendung zugelassenen und ihm in der Anwendung vertrauten Selbsttest der Hersteller „Beijing Hotgen Biotech Co.“ in der Variante „Coronavirus (2019-nCoV)-Antigentest-Speichel“ bzw. „… Labordiagnostik GmbH“ in der Variante „AMP Rapid Test SARS-CoV-2 Ag Sputum“ mit negativem Testergebnis durchführt.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie sei bereits nicht passivlegitimiert, weil sie hinsichtlich der im Präsenzunterricht vorgesehenen regelmäßigen und kontinuierlichen Testungen an die Vorgaben des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus gebunden sei. Danach sei vorgesehen, dass die Schulen die entsprechenden Selbsttests über die jeweilige Kreisverwaltungsbehörde erhalten würden. Hierbei würden derzeit Selbsttests dreier Hersteller – der „CLINITEST Rapid COVID-19 Self-Test“ von Siemens, der „SARS-CoV-2 Rapid Antigen Test zur Selbstanwendung“ von Roche sowie die „Rapid SARS-CoV-2 Antigen Test Card“ der T. Service GmbH bzw. von Boson – verteilt. Für sie selbst bestehe daher keinerlei Spielraum oder Handhabe, etwas an diesen ministeriellen Vorgaben zu ändern. Unabhängig davon fehle es dem Antragsteller am Rechtsschutzbedürfnis, denn es stehe diesem frei, das erforderliche negative Testergebnis durch einen PCR- oder POC-Antigen-Schnelltest nachzuweisen, der von medizinisch geschultem Personal durchgeführt worden sei. Insoweit könne der Antragsteller selbstverständlich auch die gewünschte Testart – hier einen sogenannten Spucktest – frei wählen und für eine Teilnahme am Präsenzunterricht einen hierüber von medizinisch geschultem Personal ausgestellten Nachweis vorlegen. Auch könne die ihrerseits verweigerte Zulassung des vom Antragsteller gewünschten Spucktests nicht als unverhältnismäßig angesehen werden. Vielmehr gestalte sich die Situation in den Schulen so, dass der Präsenzunterricht inklusive der Durchführung von Selbsttests für alle Schüler bewerkstelligt werden müsse. Da die Schulen im Hinblick auf den hiermit verbundenen Organisationsaufwand und die sich ständig ändernden Regelungen bereits ausgelastet seien, könne es ihnen nicht zugemutet werden, entsprechend den Wünschen jedes einzelnen Schülers verschiedene Tests anzubieten und durchzuführen. Die antragstellerseits angebotene Anwesenheit eines Elternteils führe hierbei ebenfalls nicht zu Erleichterungen. Abgesehen davon, dass die Schulen in Pandemiezeiten zu einem möglichst geringen Personenaufkommen im Schulgebäude angehalten seien, müsse die Durchführung gleichwohl durch eine Lehrkraft beaufsichtigt bzw. überprüft werden. Schließlich habe sie, die Antragsgegnerin, für eine Gleichbehandlung aller Schüler zu sorgen; wie eine Ausnahme für einen einzelnen Schüler – den hiesigen Antragsteller – gerechtfertigt werden könne, sei vor diesem Hintergrund nicht ersichtlich.
Mit Beschluss vom 31. Mai 2021 hat das Gericht das Verfahren insoweit abgetrennt und unter dem Aktenzeichen AN 18 E 21.01021 eingestellt, als der Antragsteller ursprünglich auch gegenüber dem Freistaat Bayern einstweiligen Rechtsschutz beantragt hatte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.
II.
Das Gericht legt den wörtlich auf eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gerichteten Eilrechtsschutzantrag gemäß § 122 Abs. 1, § 88 VwGO aus als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung mit dem Ziel der (vorläufigen) Feststellung, dass der Antragsteller die nach § 18 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 12. BayIfSMV als Voraussetzung für die Teilnahme am Präsenzunterricht vorgesehene Verpflichtung zur Durchführung eines SARS-CoV-2-Selbsttests in der Schule unter Aufsicht gleichermaßen erfüllen kann, indem er unter schulischer Aufsicht die vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zugelassenen Antigentests zur Eigenanwendung durch Laien „AMP Rapid Test SARS-CoV-2- Ag Sputum“ des Herstellers … Labordiagnostik GmbH oder „Coronavirus (2019-nCoV)-Antigenschnelltest – Speichel“ des Herstellers Beijing Hotgen Biotech Co., Ltd mit negativem Testergebnis auf eigene Kosten und unter Eigenbeschaffung des jeweiligen Tests durchführt.
Der so verstandene, zulässige Antrag hat auch in der Sache Erfolg.
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen (Regelungs-)Anordnung ist zulässig.
a) Er ist insbesondere statthaft. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern, oder aus sonstigen Gründen nötig erscheint.
Ein in diesem Sinne streitiges Rechtsverhältnis besteht auch zwischen den Beteiligten des vorliegenden Verfahrens. Der Antragsteller, der als Schüler in Bezug auf die Möglichkeit zur Teilnahme am Präsenzunterricht sowie an den Präsenzphasen des Wechselunterrichts durch das Testerfordernis des § 18 Abs. 4 12. BayIfSMV betroffen ist, und die Antragsgegnerin als Rechtsträgerin der von ihm besuchten …-Schule streiten um die Auslegung der vorstehend bezeichneten Bestimmung. Im Einzelnen geht es dabei um die Frage, ob der Antragsteller der nach § 18 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 12. BayIfSMV alternativ vorgesehene Verpflichtung, in der Schule unter Aufsicht einen Selbsttest mit negativem Ergebnis vorzunehmen, auch dadurch entsprechen kann, dass er anstelle der von Seiten der …-Schule zu diesem Zweck bereitgestellten nasalen Antigen-Schnelltests „CLINITEST Rapid COVID-19 Self-Test“ des Herstellers Siemens bzw. „SARS-CoV-2 Rapid Antigen Test zur Selbstanwendung“ des Herstellers Roche von ihm selbst beschaffte und finanzierte speichelbasierte Schnelltests „AMP Rapid Test SARS-CoV-2- Ag Sputum“ des Herstellers … Labordiagnostik GmbH oder „Coronavirus (2019-nCoV)-Antigenschnelltest – Speichel“ des Herstellers Beijing Hotgen Biotech Co., Ltd mit negativem Testergebnis durchführt. Hierbei handelt es sich um ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts.
b) Der Antragsteller verfügt ferner über die entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO notwendige Antragsbefugnis.
Infolge der seitens der Antragsgegnerin ausgesprochenen Weigerung, durch den Antragsteller unter schulischer Aufsicht durchgeführte Schnelltests „AMP Rapid Test SARS-CoV-2- Ag Sputum“ von … Labordiagnostik GmbH oder „Coronavirus (2019-nCoV)-Antigenschnelltest – Speichel“ von Beijing Hotgen Biotech Co., Ltd mit negativem Ergebnis als hinreichende Erfüllung der nach § 18 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 12. BayIfSMV vorgesehenen Testpflicht anzuerkennen, kann dieser eine mögliche Verletzung seines Grundrechts auf allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) geltend machen. Mit Blick auf den dann drohenden Ausschluss von der Teilnahme am Präsenzunterricht und den Präsenzphasen des Wechselunterrichts besteht zudem die Möglichkeit einer Verletzung des Anspruchs des Antragstellers auf Teilhabe an den tatsächlich vorhandenen Bildungseinrichtungen (vgl. dazu OVG RhPf, B.v. 19.4.2000 – 2 B 10555/00 – juris Rn. 4; OVG Berlin, B.v. 22.2.2002 – 8 SN 164.01 – juris Rn. 5; OVG Hamburg, B.v. 27.7.2005 – 1 Bs 205/05 – juris Rn. 14; Rux, Schulrecht, 6. Aufl. 2018, Rn. 190).
c) Des Weiteren verfügt der Antragsteller über das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.
Mit Blick auf das Verfahren der einstweiligen Anordnung ist hierzu in der Regel erforderlich, dass der Antragsteller sein Anliegen vorab an den gerichtlich in Anspruch genommenen Rechtsträger herangetragen hat (vgl. zu diesem Erfordernis: HessVGH, B.v. 28.6.1989 – 8 Q 2809/88 – juris Rn. 80; OVG LSA, B.v. 20.10.1995 – 4 K 9/95 – juris Rn. 92; OVG NRW, B.v. 30.4.2001 – 13 B 566/01 – juris Rn. 6; VGH BW, B.v. 22.6.2004 – 6 S 19/04 – juris Rn. 2). Dies ist hier der Fall. Der Antragsteller hat sich mit seinem – nunmehr im gerichtlichen Eilverfahren verfolgten – Begehren zuvor mit E-Mail vom 11. April 2021 erfolglos an die Antragsgegnerin gewandt.
Entgegen den Ausführungen der Antragserwiderung kann dem Antragsteller das notwendige Rechtsschutzbedürfnis im Übrigen nicht mit der Begründung abgesprochen werden, es stehe diesem frei, die durch § 18 Abs. 4 12. BayIfSMV angeordnete Testpflicht wahlweise durch die Beibringung von medizinisch geschultem Personal durchgeführter PCR- oder POC-Antigentests mit negativem Ergebnis zu erfüllen, wobei insoweit auch die gewünschte Spucktestvariante zur Anwendung gelangen könne. Dieser Einwand verkennt, dass § 18 Abs. 4 Satz 2 12. BayIfSMV den betroffenen Schülern ausweislich seines Wortlauts ein Wahlrecht an die Hand gibt, ob sie die für die Teilnahme am Präsenzunterricht vorausgesetzte Testpflicht durch die Vorlage eines negativen Ergebnisses eines außerhalb der Schule durchgeführten PCR- oder POC-Antigentests (Alt. 1) oder aber mittels Durchführung eines negativen Selbsttests unter schulischer Aufsicht (Alt. 2) erfüllen. Diese zugunsten der Schüler vorgesehene Wahlfreiheit darf nicht dadurch umgangen werden, dass einem Betroffenen die gerichtliche Klärung etwaiger Unstimmigkeiten in Bezug auf die Modalitäten der Umsetzung der von ihm gewünschten Testmöglichkeit – hier der Durchführung eines negativen Selbsttests unter Aufsicht der Schule nach § 18 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 12. BayIfSMV – unter Verweis auf anderweitig bestehende Testangebote – hier die Vorlage eines negativen Ergebnisses eines außerhalb der Schule durchgeführten PCR- oder POC-Antigentests nach § 18 Abs. 4 Satz 2 Alt. 1 12. BayIfSMV – verwehrt wird. Im Übrigen ist die Testmöglichkeit in der Schule für den Antragsteller mit deutlich geringem Aufwand verbunden, als wenn dieser hierzu – möglichweise mit dem Erfordernis vorheriger Terminabstimmung und unter Umständen nicht unerheblicher Anfahrtswege – externe Testangebote wahrnehmen müsste.
Der Annahme des erforderlichen Rechtsschutzbedürfnisses steht schließlich nicht entgegen, dass die 12. BayIfSMV nach gegenwärtigem Stand mit Ablauf des 6. Juni 2021 außer Kraft treten soll (§ 30 12. BayIfSMV). Vielmehr spricht nach aktueller Sachlage Überwiegendes für eine Verlängerung der Geltungsdauer dieser Verordnung, wie diese bereits mehrfach in der Vergangenheit erfolgt ist. Jedenfalls aber ist mit der Wiederaufnahme einer mit § 18 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 12. BayIfSMV wortlautgleichen Bestimmung in eine etwaige Nachfolgeverordnung zu rechnen. Im Übrigen kann das Rechtsschutzbedürfnis nicht im Hinblick auf eine möglicherweise geänderte Rechtslage entfallen. Vielmehr hat das Gericht die im Zeitpunkt seiner Entscheidung gültige Rechtslage zugrunde zu legen. Etwaige, derart unbestimmte Rechtsänderungen wie im vorliegenden Verfahren haben außer Betracht zu bleiben.
2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erweist sich ferner als in der Sache begründet.
Hierzu hat Antragsteller gemäß § 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2, § 294 ZPO sowohl das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des in Streit stehenden materiellen Anspruchs, als auch eines Anordnungsgrundes, d.h. einer besonderen Dringlichkeit, glaubhaft zu machen. Dabei kann das Gericht – dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend – regelmäßig nur vorläufige Entscheidungen treffen und einem Antragsteller noch nicht in vollem Umfang das gewähren, was er nur in einem Hauptsacheverfahren erstreiten könnte. Im Hinblick auf die Garantie effektiven Rechtsschutzes durch Art. 19 Abs. 4 GG gilt dieses Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache jedoch nicht, wenn die sonst zu erwartenden Nachteile des Antragstellers unzumutbar und in einem Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären sowie ein hoher Wahrscheinlichkeitsgrad für den Erfolg in der Hauptsache spricht, der Antragsteller dort also schon aufgrund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes anzustellenden, bloß summarischen Prüfung des Sachverhalts erkennbar Erfolg haben würde (vgl. BVerwG, B.v. 26.11.2013 – 6 VR 3.13 – juris Rn. 5, 7).
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Antragsteller hat sowohl das Bestehen eines Anordnungsanspruchs – nämlich eines im Verhältnis zur Antragsgegnerin als Rechtsträgerin der von ihm besuchten …-Schule bestehenden Rechts, die nach § 18 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 12. BayIfSMV vorgesehene Verpflichtung zur Durchführung eines SARS-CoV-2-Selbsttests unter schulischer Aufsicht durch die Vornahme der in der Antragschrift konkret bezeichneten Speicheltests mit negativen Ergebnis erfüllen zu dürfen – als auch das Bestehen eines Anordnungsgrundes im Sinne einer besonderen Eilbedürftigkeit glaubhaft gemacht. Aufgrund der somit gegebenen hohen Erfolgsaussichten der im Hauptsacheverfahren AN 18 K 21.00950 erhobenen Klage und unter Berücksichtigung der sich für den Antragsteller ohne die einstweilige Anordnung ergebenden Nachteile ist in der vorliegenden Fallkonstellation ausnahmsweise eine Vorwegnahme der Hauptsache zuzulassen.
a) Hinsichtlich des durch den Antragsteller verfolgten Rechtsschutzbegehrens ist (alleine) die Antragsgegnerin passivlegitimiert.
Nach dem Rechtsträgerprinzip des § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, welches im Verfahren der einstweiligen Anordnung entsprechend heranzuziehen ist, besteht eine Passivlegitimation desjenigen Rechtsträgers, gegenüber dem das streitige Rechtsverhältnis positiv oder negativ festgestellt werden soll (Schoch/Schneider/Schoch, VwGO, 39. EL Juli 2020, § 123 Rn. 108 unter Bezugnahme auf § 78 Rn. 53). Dies ist hier die Antragsgegnerin als Trägerin der vom Antragsteller besuchten …-Schule, einer staatlich anerkannten Ersatzschule.
Wie bereits dargelegt, steht vorliegend die Auslegung der Bestimmung des § 18 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 12. BayIfSMV und insoweit die Frage in Streit, ob die danach vorgesehene Testmöglichkeit unter Aufsicht der Schule zwingend die Durchführung von der Schule bereitgestellter (hier nasaler) Selbsttests erfordert oder der Antragsteller diese gleichermaßen durch die Vornahme von ihm selbst beschaffter Speicheltests der Hersteller … Labordiagnostik GmbH oder Beijing Hotgen Biotech Co., Ltd erfüllen kann. An dem insoweit maßgeblichen, durch die Bestimmung des § 18 Abs. 4 Satz 2 12. BayIfSMV näher ausgestalteten Rechtsverhältnis ist neben dem Antragsteller die Antragsgegnerin als Rechtsträgerin der Schule beteiligt. Bereits aus dem Wortlaut des § 18 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 12. BayIfSMV („in der Schule unter Aufsicht“) ergibt sich, dass die Durchführung und Beaufsichtigung der danach vorgesehenen Selbsttests von der jeweiligen Schule – hier der vom Antragsteller besuchten …-Schule, einer staatlich anerkannten Ersatzschule in kirchlicher Trägerschaft – wahrzunehmen ist, dieser also der Vollzug der genannten Bestimmung obliegt. Werden derartige öffentlich-rechtliche Befugnisse durch eine staatlich anerkannte Ersatzschule im Sinne des Art. 100 BayEUG wahrgenommen, so wird der Schulträger zum „beliehenen Unternehmer“; in Rechtsstreitigkeiten, die den Vollzug der hoheitlichen Befugnisse durch die Ersatzschule betreffen, ist damit der Träger der Schule passivlegitimiert (ebenso zur Zeugniserteilung nach Art. 100 Abs. 2 Satz 2 BayEUG: BayVGH, B.v. 23.1.1998 – 7 ZB 97.3430 – juris Rn. 5; Lindner/Stahl, Das Schulrecht in Bayern, Stand: Dezember 2015, Art. 100 BayEUG Anm. 10).
Aus dem Einwand der Antragsgegnerin, sie sei in Bezug auf die Umsetzung der nach § 18 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 12. BayIfSMV vorgesehenen Selbsttestungen an die Vorgaben des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus gebunden, ohne dass ihr insoweit ein eigener Handlungsspielraum zukomme, folgt nichts anderes. Insbesondere vermag dieser Umstand an der – für die Frage der Passivlegitimation allein maßgeblichen – Zuständigkeit der Antragsgegnerin für die Durchführung und Beaufsichtigung der von den Schülern in der …-Schule vorgenommenen Selbsttests nichts zu ändern.
b) Dem Antragsteller gelingt zunächst die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs. Bei summarischer Prüfung spricht Überwiegendes dafür, dass es dem Antragsteller vorliegend offensteht, die nach § 18 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 12. BayIfSMV vorgesehene Testpflicht gleichermaßen zu erfüllen, indem er in der Schule unter Aufsicht die derzeit durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nach § 11 Abs. 1 MPG befristet zugelassenen Antigentests zum direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 „AMP Rapid Test SARS-CoV-2 Ag Sputum“ des Herstellers … Labordiagnostik GmbH oder „Coronavirus (2019-nCoV)-Antigenschnelltest – Speichel“ des Herstellers Beijing Hotgen Biotech Co., Ltd mit negativem Testergebnis durchführt.
Die Auslegung des § 18 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 12 BayIfSMV anhand der üblichen Methoden ergibt, dass es den Schülern im Hinblick auf das dort geregelte Selbsttesterfordernis im Ausgangspunkt freisteht, in der Schule unter Aufsicht beliebige vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zugelassene Antigentests zur Selbstanwendung durch Laien (Selbsttests) in Bezug auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 mit negativem Testergebnis durchzuführen (dazu unter Gliederungspunkt aa). Die durch den Antragsteller konkret zur Verwendung vorgesehenen Produkte „AMP Rapid Test SARS-CoV-2 Ag Sputum“ der … Labordiagnostik GmbH oder „Coronavirus (2019-nCoV)-Antigenschnelltest – Speichel“ der Beijing Hotgen Biotech Co., Ltd erfüllen diese Voraussetzungen (dazu unter Gliederungspunkt bb). Besondere Einzelfallumstände, die einer Verwendung der vorstehend bezeichneten Selbsttests durch den Antragsteller in der vorliegenden Fallkonstellation ausnahmsweise entgegenstünden, sind ebenfalls nicht zu ersehen (dazu unter Gliederungspunkt cc).
aa) § 18 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 12. BayIfSMV ist im Hinblick auf seinen Wortlaut, seine Entstehungsgeschichte und die Systematik der Verordnung dahingehend auszulegen, dass es den hiernach zur Durchführung von negativen SARS-CoV-2-Selbsttests verpflichteten Schülern dem Grunde nach freisteht, diese Verpflichtung durch die Vornahme beliebiger, durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zugelassener Antigentests zur Eigenanwendung durch Laien in Bezug auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 zu erfüllen.
Der Wortlaut des § 18 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 12. BayIfSMV enthält selbst keine näheren Vorgaben hinsichtlich der Art, Beschaffenheit oder Anwendungsform der von den Schülern durchzuführenden Selbsttests; hiernach wird lediglich eine Durchführung „in der Schule“ und „unter Aufsicht“ vorausgesetzt. Auch der Entstehungsgeschichte des § 18 Abs. 4 12. BayIfSMV und insbesondere den hierzu durch das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege nach § 28a Abs. 5 Satz 1 IfSG gegebenen Begründungen können insoweit keine nähren Anforderungen entnommen werden.*Die nach § 18 Abs. 4 12. BayIfSMV für die Teilnahme am Präsenzunterricht und an den Präsenzphasen des Wechselunterrichts vorgesehene Testpflicht wurde erstmals durch die Verordnung zur Änderung der Zwölften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung und der Einreise-Quarantäneverordnung vom 25. März 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 224) – damals noch beschränkt auf Landkreise und kreisfreie Städte mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von mehr als 100 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner – eingeführt. In der zugehörigen Begründung (BayMBl. 2021 Nr. 225, S. 5) wird insoweit lediglich ausgeführt, die Regelung, wonach nur diejenigen Schüler am Präsenzunterricht bzw. an Präsenzphasen des Wechselunterrichts teilnehmen dürfen, die zu Beginn des Schultags über ein schriftliches oder elektronisches negatives Ergebnis eines PCR- oder POC-Antigentests in Bezug auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 verfügen und auf Anforderung der Lehrkraft vorweisen oder in der Schule unter Aufsicht eines Selbsttest mit negativem Ergebnis vorgenommen haben, stelle eine geeignete erforderliche und verhältnismäßige Maßnahme dar.
Mit der Verordnung zur Änderung der Zwölften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 9. April 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 261) wurde diese Testpflicht inzidenzunabhängig auf Schulen in allen bayerischen Landkreisen und kreisfreien Städten ausgeweitet. Hierzu heißt es in der Begründung (BayMBl. 2021 Nr. 225, S. 5 bzw. BayMBl. 2021 Nr. 262, S. 4), die Teilnahme am Präsenzunterricht und an Präsenzphasen des Wechselunterrichts sei für Schüler nach dem neuen § 18 Abs. 4 Satz 1 12. BayIfSMV grundsätzlich nur möglich, wenn sie sich zweimal wöchentlich nach Maßgabe der Sätze 2 bis 5 einem Test in Bezug auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 unterziehen. Dabei würden die Sätze 2 bis 5 inhaltlich den bisher für den Inzidenzwert über 100 geltenden Regelungen entsprechen, die nunmehr für den Präsenzunterricht und die Präsenzphasen des Wechselunterrichts in allen Inzidenzbereichen gelten würden. Somit beschränkt sich insbesondere die zuletzt genannte Begründung im Wesentlichen auf eine bloße Widergabe des Wortlauts der Verordnung, ohne dass dieser weitergehende Anforderungen an die zur Durchführungen unter Aufsicht in der Schule vorzunehmenden Selbsttest entnommen werden könnten.
Einer Gesamtschau der Verordnung kann jedoch entnommen werden, dass es sich bei den nach § 18 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 12. BayIfSMV von den Schülern unter Aufsicht in der Schule vorzunehmenden Selbsttests entsprechend der in § 9 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b 12. BayIfSMV enthaltenen Legaldefinition dieses Begriffs um vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zugelassene Antigentests zur Eigenanwendung durch Laien handeln muss. Zwar regelt die Bestimmung des § 9 Abs. 2 12. BayIfSMV, in welcher die Begrifflichkeit „Selbsttest“ legal definiert wird, lediglich den Besuch von Patienten und Bewohnern der in § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, und 5 12. BayIfSMV genannten Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen. Außer in § 9 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b 12. BayIfSMV findet sich der Begriff des „Selbsttests“ jedoch in zahlreichen weiteren, in der Verordnung hinter dieser Bestimmung positionierten Regelungen wieder, ohne dort jeweils gesondert definiert zu werden. Dies betrifft – neben dem hier relevanten § 18 Abs. 4 12. BayIfSMV – namentlich die § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2, § 12 Abs. 1 Satz 7 Nr. 3 und Abs. 2 Satz 4 Nr. 3, § 23 Abs. 2 Nr. 1, § 25 Abs. 2 sowie § 27 Abs. 1 Nr. 1 12. BayIfSMV. Hieran wird deutlich, dass der Verordnungsgeber in § 9 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b 12. BayIfSMV eine einheitliche und für alle nachfolgenden Bestimmungen gültige Definition der Begrifflichkeit des „Selbsttests“ schaffen wollte, wenngleich es insoweit konsequenter gewesen wäre, diese aus Klarstellungsgründen in den „Allgemeinen Regelungen“ des ersten Teils der Verordnung zu verorten. Für eine Übertragung der Definition des § 9 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b 12. BayIfSMV spricht zudem der Umstand, dass sowohl dieser als auch die ursprüngliche Fassung des § 18 Abs. 4 12. BayIfSMV durch die Änderungsverordnung vom 25. März 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 224) eingeführt wurden. Wäre der Verordnungsgeber in Bezug auf den in beiden Bestimmungen verwendeten Terminus „Selbsttest“ von einem jeweils unterschiedlichen Begriffsverständnis ausgegangen, hätte er dies naheliegender Weise entsprechend klargestellt, was jedoch gerade nicht geschehen ist.
Soweit demgegenüber die Ausführungen des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus in dem KMS II.1-BS4363.0/705 vom 9. April 2021 und – dieser Darstellung folgend – auch die Antragsgegnerin davon ausgehen, die Testpflicht des § 18 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 12. BayIfSMV könne im Hinblick auf organisatorische Erwägungen nur erfüllt werden, wenn die Schüler unter schulischer Aufsicht seitens der Schule zu diesem Zweck bereitgestellte Selbsttests eines bestimmten Herstellers mit negativem Ergebnis durchführen, wird darin lediglich das seitens der Schulverwaltung gefundene Verständnis dieser Norm dokumentiert. Hierdurch werden aber weder das Gericht noch der Antragsteller als Normadressat gebunden. Dies gilt umso mehr, als eine derart enge Interpretation des § 18 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 12. BayIfSMV nicht mehr durch die üblichen Auslegungsgrundsätze gedeckt wäre. Im Wege der Auslegung darf der normative Gehalt der auszulegenden Norm nicht grundlegend neu bestimmt oder das damit verbundene Ziel nicht in einem wesentlichen Punkt verfehlt werden (BVerfG, B.v. 22.10.1985 – 1 BvL 44/83 – BVerfGE 71, 81/115). Ebendies aber würde geschehen, wenn man hinsichtlich des in § 18 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 12. BayIfSMV enthaltenen Begriffs des „Selbsttests“ das vom Verordnungsgeber in § 9 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b 12. BayIfSMV dokumentierte (weitere) Verständnis durch die vom Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus gefundene (engere) Interpretation ersetzen wollte.
Ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass Schüler, welche die Testpflicht des § 18 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 12. BayIfSMV durch die Vornahme anderer als der seitens der Schule bereitgestellten, aber vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zugelassener Antigentests zur Eigenanwendung durch Laien erfüllen wollen, hierzu dem Grunde nach auch keiner Ausnahmegenehmigung der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde bedürfen. Die gegenteiligen Ausführungen des Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus und des Ministerialbeauftragten für die Gymnasien in Mittelfranken erweisen sich unter Zugrundelegung der durch das Gericht gefundenen Auslegung des § 18 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 12. BayIfSMV als obsolet.
bb) Bei den vom Antragsteller zur Verwendung vorgesehenen Produkten „AMP Rapid Test SARS-CoV-2 Ag Sputum“ des Herstellers … Labordiagnostik GmbH oder „Coronavirus (2019-nCoV)-Antigenschnelltest – Speichel“ des Herstellers Beijing Hotgen Biotech Co., Ltd handelt es sich jeweils von Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zugelassene Antigentests zur Anwendung durch Laien, die damit der von der 12. BayIfSMV zugrunde gelegten Begriff des „Selbsttests“ unterfallen.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat auf seiner Internetseite eine Auflistung der Antigentests zum direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 veröffentlicht, die vom Hersteller zur Eigenanwendung zweckbestimmt sind und deren erstmaliges Inverkehrbringen es in Deutschland nach § 11 Abs. 1 MPG derzeit befristet zugelassen hat. Hierin sind sowohl der „AMP Rapid Test SARS-CoV-2 Ag Sputum“ des Herstellers … Labordiagnostik GmbH (BfArM-Az.:5640-S-061/21) als auch der „Coronavirus (2019-nCoV)-Antigenschnelltest – Speichel“ des Herstellers Beijing Hotgen Biotech Co., Ltd (BfArM-Az.: 5640-S-080/21) aufgeführt (https://antigentest.bfarm.de/ords/f?p=ANTIGENTESTS-AUF-SARS-COV-2:TESTS-ZUR-EIGENANWENDUNG-DURCH-ECLI:LAIEN:16491735786394:::::& tz=2:00, zuletzt abgerufen am 2.6.2021).
cc) Besondere Umstände, die im konkreten Einzelfall des Antragstellers einer Erfüllung der Testpflicht des § 18 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 12. BayIfSMV durch die Anwendung der Produkte „AMP Rapid Test SARS-CoV-2 Ag Sputum“ der … Labordiagnostik GmbH oder „Coronavirus (2019-nCoV)-Antigenschnelltest – Speichel“ der Beijing Hotgen Biotech Co., Ltd unter schulischer Aufsicht ausnahmsweise entgegenstehen würden, sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist nicht zu erkennen, dass hierdurch das vom Verordnungsgeber mit der Einführung der Testpflicht verfolgte Ziel beeinträchtigt würde, infektiöse Schülerinnen und Schüler frühzeitig zu erkennen, vom Unterrichtsbesuch fernzuhalten und Ansteckungen zu vermeiden (BayMBl. 2021 Nr. 262, S. 5).
Im Hinblick auf die antragstellerseits gegebene Zusage, die vorstehend bezeichneten Speicheltests in ausreichender Menge eigenverantwortlich beschaffen, die hierfür anfallenden Kosten selbst zu tragen und jeweils originalverpackt vorab an die Schule auszuliefern, erscheint eine tatsächliche Verfügbarkeit der betreffenden Produkte zu den seitens der Schule vorgesehenen Testzeitpunkten sowie am hierfür vorgesehenen Ort hinreichend sichergestellt. Mit einer Übergabe der Tests in der zugehörigen Originalverpackung kann zudem die Gefahr etwaiger Manipulationen – wofür hier jedoch ohnehin keinerlei Anhaltspunkte bestehen – praktisch ausgeschlossen werden. Der Antragsteller wird die gewünschten Speicheltests des Weiteren innerhalb des hierfür durch die Schule vorgesehenen Zeitfensters durchführen können. Nach den unwiderlegten Angaben des Antragstellers gleichen sich die von ihm gewünschten Produkte „AMP Rapid Test SARS-CoV-2 Ag Sputum“ der … Labordiagnostik GmbH bzw. „Coronavirus (2019-nCoV)-Antigenschnelltest – Speichel“ der Beijing Hotgen Biotech Co., Ltd einerseits und die seitens der Schule vorgesehenen nasalen Selbsttests „CLINITEST Rapid COVID-19 Self-Test“ von Siemens bzw. „SARS-CoV-2 Rapid Antigen Test zur Selbstanwendung“ von Roche andererseits – abgesehen von der unterschiedlichen Form der Probenentnahme, welche bei ersteren mittels Speichel und bei letzteren mittels Nasenabstrichs erfolgt – in ihrer Anwendungsweise weitestgehend. Hiernach sollen die genannten Produkte allesamt insbesondere über eine jeweils identisch ausgestaltete Testkassette verfügen, so dass insbesondere eine zweifelsfreie Auswertung des jeweiligen Testergebnisses sichergestellt ist. Die durch den Hersteller vorgesehene Wartezeit bis zur Darstellung des endgültigen Testergebnisses beträgt bei allen genannten Produkten jeweils 15 Minuten. Es bestehen im Übrigen keinerlei Anhaltspunkte, wonach der Antragsteller zu einer eigenständigen Durchführung der betreffenden Speicheltests außer Stande wäre.
Nichts anderes folgt nach alledem aus dem pauschal gehaltenen Einwand der Antragsgegnerin, es könnte den Schulen, die im Hinblick auf den mit der Testpflicht verbundenen Organisationsaufwand und die sich ständig ändernden Regelungen bereits ausgelastet seien, nicht zugemutet werden, entsprechend den Wünschen jedes einzelnen Schülers verschiedene Tests anzubieten und durchzuführen. Die diesbezüglichen Ausführungen lassen nicht erkennen, welchem organisatorische Mehraufwand sich die …-Schule hierdurch im Einzelnen ausgesetzt sieht und warum dieser auch im konkreten Einzelfall des Antragstellers nicht zumutbar sein soll, zumal sich dieser zur selbständigen Beschaffung, Finanzierung und Auslieferung der betreffenden Speicheltests an die Schule bereiterklärt hat.
Soweit die Antragsgegnerin im Übrigen auf das Erfordernis der Beaufsichtigung durch die anwesende Lehrkraft hinweist, hat das Gericht erhebliche Zweifel, inwieweit sich diese im Fall der Durchführung der von der Schule vorgesehenen nasalen Schnelltests effektiver gestalten soll, als wenn sich der Antragsteller der von ihm gewünschten Speicheltests bedient. Zum einen wird es der Lehrkraft ohnehin kaum möglich sein, alle Schüler einer – selbst in den Präsenzphasen des Wechselunterrichts etwa zehn Personen umfassenden – Klasse lückenlos mit derselben Aufmerksamkeit zu beaufsichtigen. Zum anderen besteht gerade im Einzelfall des Antragstellers, der nach eigenen Angaben eine extreme Abneigung oder gar Angst vor der Entnahme von Nasenabstrichen entwickelt haben will, die Gefahr, dass dieser hierbei, um Schmerzen zu vermeiden, nicht mit der erforderlichen Gründlichkeit vorgehen wird.
Zuletzt verfangen auch die von der Antragsgegnerin geäußerten Gleichheitsbedenken nicht. Denn die Möglichkeit, zur Erfüllung der nach § 18 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 12. BayIfSMV vorgesehenen Testpflicht anstelle der durch die Schule bereitgestellten (nasalen) Selbsttests auf andere vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zugelassene Antigentests zur Anwendung durch Laien zurückzugreifen, steht nach der durch das Gericht gefundenen Auslegung dieser Bestimmung nicht nur dem hiesigen Antragsteller, sondern dem Grunde nach vielmehr allen Schülern offen.
c) Glaubhaft gemacht ist ferner ein Anordnungsgrund im Sinne einer besonderen Eilbedürftigkeit. Denn es ist mit Blick auf die aktuelle Entwicklung des Infektionsgeschehens in … davon auszugehen, dass mit dem Ende der Pfingstferien in Bayern zum 7. Juni 2021 in der vom Antragsteller besuchten fünften Klasse des Gymnasiums der …-Schule eine Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts bzw. des Wechselunterrichts mit Präsenzphasen erfolgen wird. So findet gemäß § 18 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 12. BayIfSMV in Landkreisen und kreisfreien Städten, in denen der Sieben-Tage-Inzidenz – an mindestens fünf aufeinander folgenden Tagen (§ 3 Nr. 2 12. BayIfSMV) – zwischen 50 und 100 liegt, Präsenzunterricht, soweit dabei der Mindestabstand von 1,5 m durchgehend und zuverlässig eingehalten werden kann, oder Wechselunterricht statt. In … ist der Sieben-Tage-Inzidenzwert seit nunmehr 21. Mai 2021 unter der Schwelle von 100 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner gelegen (vgl. …, zuletzt abgerufen am 2.6.2021).
d) Es liegen schließlich die Voraussetzungen für eine Vorwegnahme der Hauptsache vor. Die dem Antragsteller ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung drohende Gefahr unzumutbarer und in einem Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigender Nachteile ergibt sich hier jedenfalls im Hinblick auf den bei (vermeintlicher) Nichterfüllung der Testpflicht des § 18 Abs. 4 12. Bay-IfSMV vorgesehenen Ausschluss vom Präsenzunterricht und von den Präsenzphasen des Wechselunterrichts. Es geht hiermit bereits ab dem ersten Tag eines solches Ausschlusses eine Beeinträchtigung des Rechts des Antragstellers auf Teilhabe an den tatsächlich vorhandenen Bildungseinrichtungen einher (vgl. dazu auch BayMBl. 2021 Nr. 225, S. 5). Es besteht somit die Gefahr, dass die hierdurch bis zum – unter Umständen erst in mehreren Monaten zu erwartenden – Abschluss des Hauptsachverfahrens AN 18 K 21.00950 beim Antragsteller gegebenenfalls entstandenen Ausbildungslücken nicht mehr oder nur mit erheblichem Aufwand beseitigt werden können. Zur Erzielung des durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleisteten effektiven Rechtsschutzes steht somit alleine das gerichtliche Eilverfahren offen. Die daneben notwendigen hohen – schon bei der im Eilverfahren anzustellenden summarischen Prüfung erkennbaren – Erfolgsaussichten in der Sache ergeben sich aus den Ausführungen unter Gliederungspunkt b).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Dabei macht das Gericht von der Möglichkeit Gebrauch, den Streitwert im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes bis zur Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts anzuheben, weil der Antrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache abzielt.


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