Verwaltungsrecht

Zur Pfändbarkeit des Zustimmungsrechts des Eigentümers auf Löschung einer Grundschuld

Aktenzeichen  34 Wx 18/16

Datum:
31.8.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
RPfleger – 2017, 84
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 1179a, § 1183, § 1191 Abs. 1, § 1192 Abs. 1, § 1196 Abs. 3
GBO § 27 S. 1
ZPO § 829 Abs. 1, § 835 Abs. 1, § 851 Abs. 1, § 857 Abs. 1

 

Leitsatz

Die Löschung einer Grundschuld bedarf auch dann der Zustimmung des Eigentümers, wenn der Gläubiger neben der Löschungsbewilligung die Zustimmung zur Löschung selbst erklärt, nachdem er das Zustimmungsrecht des Eigentümers gepfändet und überwiesen erhalten hat; das Zustimmungsrecht ist nämlich nicht pfändbar (Abgrenzung zu OLG Dresden vom 25.2.2010, 3 W 81/10, und OLG Saarbrücken vom 7.1.2011, 5 W 280/10). (amtlicher Leitsatz)

Verfahrensgang

AS-663-21 2015-11-30 Bes AGLANDSHUT AG Landshut

Tenor

I.
Die Beschwerde der Beteiligten gegen die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Landshut – Grundbuchamt – vom 30. November 2015 wird zurückgewiesen.
II.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I. Im Grundbuch sind die Eheleute F. als Eigentümer von Grundbesitz zu je ½ eingetragen. In Abteilung III ist unter lfd. Nr. 1 eine Grundschuld ohne Brief eingetragen, die nebst allen Nebenleistungen und den Zinsen gemäß Vermerk vom 25.3.2003 in der Veränderungsspalte 7 seit 26.4.1985 an die B.-Bank abgetreten ist.
Die Beteiligte, Rechtsnachfolgerin der B.-Bank, ist Gläubigerin sechs weiterer, nachrangiger Grundschulden. Sie erwirkte auf der Grundlage einer vollstreckbaren Ausfertigung einer Grundschuldbestellungsurkunde vom 11.11.1999 am 18.9.2015 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, nach dem in Bezug auf das in Abteilung III unter lfd. Nr. 1 des Grundbuchs eingetragene Grundpfandrecht gepfändet wurden:
1. … der angebliche Anspruch der Schuldner an den Drittschuldner auf Rückgewähr …
3. … die gegenwärtige und zukünftig entstehende Eigentümergrundschuld, in die sich die … Grundschuld mit allen Zinsen und Nebenleistungen seit Eintragung der Grundschulden nach vollständiger oder teilweiser Tilgung der Grundschuld ganz oder teilweise verwandelt hat …
4. … der angebliche Anspruch der Schuldner auf Berichtigung des Grundbuchs und Erteilung (Aushändigung) der für diese Grundbuchberichtigung notwendigen Urkunden in grundbuchmäßiger Form.
Gepfändet wird insbesondere das Zustimmungsrecht des Schuldners (Eigentümers) zur Löschung der Grundschuld gemäß § 1183 BGB, § 27 Satz 1, 29 Absatz 1 GBO im Wege der Hilfspfändung. …
Die Beteiligte hat am 29.10.2015 unter Vorlage des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses und einer notariell beglaubigten Löschungsbewilligung beim Grundbuchamt beantragt, die unter lfd. Nr. 1 eingetragene Grundschuld zu löschen. Unter Bezugnahme auf den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 18.9.2015 enthält die Löschungsbewilligung zugleich die Zustimmungserklärung für die Eigentümer.
Mit fristsetzender Zwischenverfügung vom 30.11.2015 hat das Grundbuchamt als Hindernis die fehlende Eigentümerzustimmung nach § 27 GBO aufgeführt, die durch den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nicht ersetzt werde.
Mit Schreiben vom 18.12.2015 wies die Beteilige auf eine ihr günstige Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden vom 25.2.2010 (3 W 81/10 juris = NotBZ 2010, 410) hin, wonach das Recht auf Ausübung der Zustimmung gepfändet werden könne. Das Grundbuchamt hat das Schreiben als Rechtsmittel ausgelegt, mit Beschluss vom 13.1.2016 nicht abgeholfen und die Akten dem Beschwerdesenat zur Entscheidung vorgelegt.
Die Beteiligte hat unter weiteren Darlegungen klargestellt, dass ihr vorangegangenes Schreiben als Beschwerde gewertet werden solle.
II. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Die gegen die Zwischenverfügung des Grundbuchamts (§ 18 Abs. 1 GBO) erhobene Beschwerde ist statthaft (§ 11 Abs. 1 RPflG; § 71 Abs. 1 GBO) und auch im Übrigen zulässig (§ 73 GBO, § 10 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1, § 11 FamFG). Insbesondere ist die Beteiligte beschwerdebefugt. Die Beschwerdeberechtigung setzt voraus, dass dem Beschwerdeführer ein Antragsrecht nach § 13 GBO zusteht (BGH NJW 2005, 1430; FGPrax 1998, 165/166; Hügel/Kramer GBO 3. Aufl. § 71 Rn. 181). Ein solches ergibt sich jedenfalls daraus, dass die Beteiligte sich auf einen zu ihren Gunsten ergangenen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss beruft und damit zumindest schlüssig ihr Antragsrecht darlegt (OLG Frankfurt Rpfleger 1997, 152/153; OLG Saarbrücken vom 7.1.2011, 5 W 280/10 juris Rn. 15; Meikel/Böttcher GBO 11. Aufl. § 13 Rn. 53).
2. Die Beschwerde hat in der Sache jedoch keinen Erfolg, da die materiell-rechtlich (§ 1183 BGB) wie verfahrensrechtlich (§ 27 Satz 1 GBO) erforderliche Zustimmung der Grundstückseigentümer in der Form des § 29 Abs. 1 GBO fehlt.
a) Die Löschung eines Grundpfandrechts setzt neben der Löschungsbewilligung des Berechtigten (§ 19 GBO) die Zustimmung des Eigentümers voraus, § 27 Satz 1 GBO, wenn nicht die Unrichtigkeit des Grundbuchs nachgewiesen ist. Soweit die Beteiligte meint, die Berechtigung zur Zustimmung pfänden und dann anstelle der Eigentümer ausüben zu können, folgt dem der Senat nicht. Denn ein „Recht“ auf Zustimmung des Eigentümers kann nicht durch Pfändung und Überweisung erworben werden.
b) Die Frage ist allerdings umstritten.
aa) Das Oberlandesgericht Dresden (NotBZ 2010, 410; zustimmend Demharter GBO 30. Aufl. § 27 Rn. 12; Meikel/Böttcher GBO 11. Aufl. § 27 Rn. 84 bei FN 189) und das Oberlandesgericht Saarbrücken (Beschluss vom 7.1.2011, 5 W 280/10 juris Rn. 15) halten die Pfändung und Überweisung der Berechtigung, anstelle des Eigentümers das Zustimmungsrecht auszuüben, für zulässig. Den Grundstückseigentümern stehe gegen die Bank als Grundschuldgläubigerin ein schuldrechtlicher Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld zu, der durch Abtretung der Grundschuld an sich oder Dritte (§§ 1154, 1192 Abs. 1 BGB), durch Verzicht (§§ 1168, 1192 Abs. 1 BGB) oder Aufhebung (Löschung) der Grundschuld (§§ 1183, 875 BGB) erfüllt werden könne (BGH NJW 1989, 2536). Ein solcher Anspruch sei als Vermögensgegenstand, der weder der Zwangsvollstreckung in Geldforderungen noch in Forderungen auf Herausgabe von beweglichen oder unbeweglichen Sachen (§§ 846 ff. ZPO) noch in das unbewegliche Vermögen unterliege, gemäß § 857 Abs. 1, § 851 Abs. 1, §§ 829 ff. ZPO pfändbar und könne zur Einziehung überwiesen werden. Aufgrund der Einziehungsbefugnis sei die Gläubigerin zur Vornahme aller Rechtsgeschäfte berechtigt, die dem Zweck dienten, die Leistung des Schuldners herbeizuführen oder zu ersetzen (OLG Saarbrücken vom 7.1.2011 juris Rn. 17 m. w. N.); zugleich sei den Eigentümern aufgrund der Pfändung die Verfügungsbefugnis über die Forderung entzogen. Jedenfalls nach Pfändung des Rechts auf Zustimmung zur Löschung der Grundschuld gemäß § 1183 BGB sei die Gläubigerin im Rahmen der Einziehungsbefugnis anstelle der Eigentümer zur Abgabe der verfahrensrechtlichen Zustimmungserklärung nach § 1183 BGB, § 27 GBO berechtigt.
Der Wirksamkeit von Pfändung und Überweisung des Zustimmungsrechts der Eigentümer stehe nicht entgegen, dass die angestrebte Löschung der Grundschuld dem Grundpfandgläubiger keine unmittelbare Befriedigung verschaffe, sondern nur einen schuldrechtlichen Rückgewähranspruch der Eigentümerin, und zugleich deren “Anwartschaft” auf eine Eigentümergrundschuld untergehen lasse (OLG Dresden NotBZ 2010, 410). Eine Überweisung an Zahlung statt sei naturgemäß schon deshalb ausgeschlossen, weil es dem Rückgewähranspruch – anders als der Grundschuld selbst – an einem Nennwert fehle (OLG Saarbrücken vom 7.1.2011 juris Rn. 22).
bb) Demgegenüber wird aber vertreten, dass die Zustimmung kein selbstständiger Vermögenswert und daher kein „anderes Vermögensrecht“ im Sinne des § 857 Abs. 1 ZPO sei, das versilbert werden und dessen Erlös zur Befriedigung einer Geldforderung dienen könne (Staudinger/Wolfsteiner BGB Bearb. 2015 § 1183 Rn. 13; Brehm in Stein/Jonas ZPO 22. Aufl. § 857 Rn. 72 mit Rn. 3). Allenfalls könne die Zustimmung den Rang und damit den Vermögenswert eines pfändbaren Rechts verbessern. Offen gelassen wird insofern, ob die Pfändung des Anspruchs auf Rückgewähr auch zur Eigentümerzustimmung zur Löschung ermächtigen könne (Staudinger/Wolfsteiner § 1183 Rn. 13).
cc) Der Senat schließt sich der letztgenannten Meinung an. Pfändbar sind nur Rechte und Anwartschaften an Rechten bzw. Sachen, nicht jedoch tatsächliche Verhältnisse, Vermögensinbegriffe oder Handlungsmöglichkeiten. Insbesondere können Einzelbefugnisse, die nur im Rahmen eines bestimmten Rechtsverhältnisses bestehen, nicht selbstständig gepfändet werden, sondern dürfen nur mit der Pfändung des Rechts, zu dem sie gehören, vom Gläubiger ausgeübt werden (Brehm in Stein/Jonas § 857 Rn. 3). Die Pfändung des Anspruchs auf Rückgewähr des Grundpfandrechts berechtigt jedoch nicht auch zur Ausübung des Zustimmungsrechts nach § 1183 BGB, § 27 GBO (offen gelassen im Beschluss des OLG Saarbrücken vom 7.1.2011 juris Rn. 18). Dieses steht nämlich grundsätzlich dem Eigentümer des Grundstücks zu, gehört somit nicht zu dem Recht des Gläubigers aus dem Grundpfandrecht und ist vom Rückgewähranspruch losgelöst, kann folglich von dessen Pfändung nicht erfasst werden.
Der Gesetzgeber hat im Übrigen mit §§ 1179a, 1192 Abs. 1, § 1196 Abs. 3 BGB für nachrangige Grundschuldgläubiger eine Möglichkeit geschaffen, eine vorrangige Eigentümergrundschuld unter bestimmten Voraussetzungen löschen zu lassen. So besteht ein Anspruch gegen den Grundstückseigentümer auf Löschung der Eigentümergrundschuld dann, wenn diese, nachdem die Grundschuld zunächst einem anderen als dem Eigentümer zugestanden hatte, durch Vereinigung mit dem Eigentum in einer Person entstanden ist. Ein Anspruch ist danach ausgeschlossen, wenn die Grundschuld von vorneherein als Eigentümergrundschuld eingetragen und bislang noch nicht abgetreten bzw. die Vereinigung vor Bestellung des begünstigten Rechts im Grundbuch eingetragen war (Palandt/Bassenge BGB 75. Aufl. § 1196 Rn. 8; vgl. BGH NJW 1997, 2597). Würde man neben dem Anspruch aus § 1179a BGB eine Pfändung des Zustimmungsrechts und dessen Überweisung zur Ausübung erlauben, könnten die vom Gesetz aufgestellten Voraussetzungen eines Löschungsanspruchs ausgehebelt werden.
c) Die Pfändung des Zustimmungsrechts nach § 1183 BGB, § 27 GBO geht daher ins Leere und ist nichtig (OLG München – 31. Zivilsenat – vom 19.1.2015, 31 Wx 370/14 = FGPrax 2015, 89).
III. Eine Kostenentscheidung nach § 84 FamFG ist nicht veranlasst, weil die Beteiligte die durch das erfolglose Rechtsmittel angefallenen gerichtlichen Kosten bereits nach dem Gesetz, § 22 Abs. 1 GNotKG, zu tragen hat.
Die Geschäftswertfestsetzung erübrigt sich ebenso, weil der Verfahrenswert durch den Nennbetrag des Grundpfandrechts bestimmt wird (§ 79 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 61 Abs. 1, § 53 Abs. 1 Satz 1 GNotKG). Dies gilt auch dann, wenn es um die Löschung des Rechts geht (Leiss in Fackelmann/Heinemann GNotKG § 53 Rn. 16).
Die Rechtsbeschwerde wird zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 78 Abs. 2 Nr. 2 GBO) zugelassen. Die Beurteilung der Rechtslage durch den Senat weicht von Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte (vgl. OLG Dresden NotBZ 2010, 410; OLG Saarbrücken vom 7.1.2011) ab.
Dazu ergeht folgende Rechtsmittelbelehrung:
Nach § 78 Abs. 3 GBO, § 71 FamFG ist die Rechtsbeschwerde binnen einer Frist von einem Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe dieses Beschlusses durch Einreichung einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht – dies ist der Bundesgerichtshof in 76133 Karlsruhe, Herrenstrasse 45 a, Postanschrift: 76125 Karlsruhe – einzulegen. Die Rechtsbeschwerde muss enthalten:
1. die Bezeichnung des Beschlusses, gegen den die Rechtsbeschwerde gerichtet wird und
2. die Erklärung, dass gegen diesen Beschluss Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
Die Beteiligten müssen sich durch eine(n) bei dem Bundesgerichtshof zugelassene(n) Rechtsanwältin/Rechtsanwalt vertreten lassen (§ 10 Abs. 4 Satz 1 FamFG).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben