Verwaltungsrecht

Zuweisung einer anderen Unterkunft

Aktenzeichen  M 24 K 18.5513, M 24 K 18.5539

Datum:
4.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 25279
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 50
GVG § 17 Abs. 1 S. 2
DVAsyl § 5 Abs. 2, § 7 Ab. 3, § 9, § 10
ZustVAuslR § 1 S. 1 Nr. 1
GG Art. 1 Abs. 3, Art. 2 Abs. 1

 

Leitsatz

Der Betrieb von Tierhaltung in einer einem Asylsuchenden zugewiesenen Unterkunft, der einen übergebührlichen Strom- und Wasserverbrauch zur Folge hat und zudem Ursache für Schimmelbefall in den zugewiesenen Räumen ist, stellt eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dar.  (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Verfahren M 24 K 18.5513 und M 24 K 18.5539 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II. Die Klagen werden abgewiesen.
III. Die Kläger haben die Verfahrenskosten zu tragen.
IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die – zuerst erhobene – Klage (Az.: M 24 K 18.5513) ist zulässig, aber unbegründet. Bei der weiteren Klage (Az.: M 24 K 18.5539) liegt wegen Doppelklageerhebung eine unzulässige Klage vor.
1. Das Gericht konnte gemäß § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung über die Klageverfahren entscheiden, weil alle Beteiligten klar, eindeutig und vorbehaltlos (vgl. BVerwG, B.v. 24.4.2013 – 8 B 91/12 – juris Rn. 3) auf mündliche Verhandlung verzichtet haben. Durch die eigene Verzichtserklärung im Verfahren M 24 K 18.5513 hat die Klägerin zu 2 die Klageerhebung in ihrem Namen durch den Kläger zu 1 rückwirkend genehmigt, was mithin die fehlende Vollmachtserteilung an den Kläger zu 1 zur Vornahme der Klageerhebung in ihrem Namen heilte (vgl. BFH, U.v. 1.12.2004 – 11R 17/04).
2. Das Verwaltungsgericht München ist als Gericht der Hauptsache insbesondere örtlich zuständig gemäß § 52 Nr. 2 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Es handelt sich um Streitigkeiten nach dem Asylgesetz (AsylG), weil für die Entscheidung des Rechtsstreits maßgeblich jedenfalls auch § 50 AsylG i.V.m. § 9 DVAsyl ist (vgl. BayVGH, B.v. 9.12.2015 – 21 CS 15.30249 – juris Rn. 2-5). Die Kläger sind im Zeitpunkt der Klageerhebung Asylbewerber, da das Asylverfahren zu diesem Zeitpunkt nicht bestandskräftig abgeschlossen war. Dabei haben die Kläger in dem (für 1. die Bestimmung der örtlichen gerichtlichen Zuständigkeit gemäß § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz – GVG – maßgeblichen) Zeitpunkt des Klageeingangs ihren Aufenthalt im Gerichtsbezirk des Verwaltungsgerichts München zu nehmen (Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung – AGVwGO). Aufgrund des Übertragungsbeschlüsse vom 18. Februar 2019 ist der Einzelrichter zur Entscheidung berufen (§ 76 Abs. 1 AsylG). Die Verfahrensverbindung beruht auf § 93 VwGO.
3. Die – zuerst, am … November 2018 erhobene – Klage (Az.: M 24 K 18.5513) ist zulässig, aber unbegründet.
Die Klagepartei hat ihrem Klagebegehren nach (§ 88 VwGO) eine Anfechtungsklage gegen den streitgegenständlichen Bescheid, eine Umzugsaufforderung, vom 26. Oktober 2018 erhoben. Die Anfechtungsklage ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben worden. Durch Nachholung der Unterschrift auf der Klageschrift innerhalb der offenen Klagefrist ist der ursprüngliche, zur Unzulässigkeit der Klage führende Mangel der Schriftform im Sinn von § 81 Abs. 1 S. 1 VwGO rückwirkend auf den Zeitpunkt der Klageerhebung geheilt worden (Hoppe in Eyermann, VwGO, Kom. 15. Aufl. 2019, § 81 Rn. 3). Die Klage ist jedoch unbegründet, weil der streitgegenständliche Bescheid rechtmäßig ist und die Kläger nicht in ihren Rechten verletzt sind (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
3.1. Das Landratsamt Miesbach (Kreisverwaltungsbehörde, Ausländerbehörde) ist für den Erlass des streitgegenständlichen Bescheids gemäß § 9 Abs. 3 Satz 2 DVAsyl i.V.m. § 71 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 1 Satz 1 Nr. 1, § 2 Zuständigkeitsverordnung Ausländerrecht – ZustVAuslR) zuständig.
3.2. Rechtsgrundlage für die Umzugsaufforderung des Beklagten ist § 50 AsylG i.V.m. § 9 DVAsyl in der seit 1. September 2016 geltenden Fassung (GVBl. S. 258ff). Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 DVAsyl kann unter anderem aus Gründen des öffentlichen Interesses eine nach § 1 AsylbLG leistungsberechtigte Person aufgefordert werden, in eine andere Wohnung, in eine andere Unterkunft, in eine Gemeinschaftsunterkunft oder dezentrale Unterkunft innerhalb des Landkreises oder der kreisfreien Gemeinde umzuziehen. Ein öffentliches Interesse an der Umzugsaufforderung besteht nach § 9 Abs. 5 Nr. 1 i.V.m. § 7 Abs. 3 DVAsyl, § 9 Abs. 5 Nr. 3 i.V.m. § 10 DVAsyl aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, insbesondere wenn durch die Belegung der Unterkunft die innere Ordnung oder die internen Betriebsabläufe in nicht unerheblichem Maß beeinträchtigt werden. Belangen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist Rechnung zu tragen und durch die Verteilung und Zuweisung sollen auch die Begehung von Sicherheitsstörungen unterbunden und verhütet werden.
Die Voraussetzungen nach § 9 Abs. 5 Nr. 1 i.V.m. § 7 Abs. 3 DVAsyl, § 9 Abs. 5 Nr. 3 i.V.m. § 10 DVAsyl sind vorliegend erfüllt; der Kläger zu 1 hat unstreitig in der bisherigen Unterkunft entgegen der Hausordnung Tierhaltung in Form Fischen / Fischzucht in Aquarien in der ihm zugewiesenen Unterkunft und im dortigen Keller betrieben. Die Räumlichkeit weisen Schimmelbildung durch die erhöhte Raumfeuchtigkeit auf. Die Kläger verursachten durch die übergebührliche Nutzung entgegen der Hausordnung einen übergebührlichen Stromverbrauch (Aquarienwasser- und Raumtempererierung) und ebenso einen erhöhten Wasserverbrauch. Infolgedessen hinderten die Kläger als Verursacher der Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung das Landratsamt als Unterkunftsgeber auch an einer sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel durch den erhöhten Verbrauch und Kosten der (wiederholt) notwendigen Schimmelbeseitigung. Dadurch hat der Kläger zu 1 die innere Ordnung und die internen Betriebsabläufe in nicht unerheblichem Maß beeinträchtigt.
Aus Anlass von nicht unerheblichen Beeinträchtigungen der inneren Ordnung der Unterkunft oder interner Betriebsabläufe kann eine im Ermessen stehende Umverteilung erfolgen. Angesichts der staatlichen Unterbringungsverpflichtung von Asylbewerbern während der Durchführung des Asylverfahrens in Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften, die bereits grundlegend nicht mit einer Mietwohnsituation vergleichbar ist, stellt eine Umzugsaufforderung bzw. Umverteilung (auch z.B. in der Form der innerbayerischen Umverteilung) als solche nur einen geringfügigen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) dar, zumal ein Asylbewerber keinen Anspruch auf einen bestimmten Aufenthaltsort hat (§ 55 Abs. 1 Satz 2 AsylG).
3.3. Der Bescheid wahrt die in § 9 Abs. 6 DVAsyl genannten Anforderungen, wonach der Haushaltsgemeinschaft der Ehegatten sowie von Eltern und ihren minderjährigen ledigen Kindern oder sonstige humanitäre Gründe von gleichem Gewicht bei der Umzugsaufforderung Rechnung getragen werden soll (§ 9 Abs. 6 DVAsyl), denn die Vorgabe der Wahrung der familiären Haushaltsgemeinschaft von Ehegatten mit ihren minderjährigen ledigen Kindern ist erfüllt und sonstige humanitäre Gründe von gleichem Gewicht, die der Umzugsaufforderung entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich und nicht vorgetragen. Die vorgetragenen Einwände haben bereits nicht diese Gewichtigkeit.
Der Einwand der Erkrankung des Klägers zu 1 und des Klägers zu 3 und der erforderlichen Arzt- bzw. Therapeutenbesuche als Grund der Unzumutbarkeit des Umzugs greift zudem nicht. Die Behandlungen der Kläger können im 18 km entfernten … fortgeführt werden. … und W* … sind auch über öffentliche Verkehrsanbindung (z.B. BOB via H* …*) verbinden. Zudem können sowohl in W* … und nächster Umgebung auch diesbezügliche Behandlungen fortgesetzt werden.
3.4. Der streitgegenständliche Bescheid leidet auch nicht unter Ermessensfehlern (§ 114 VwGO). Die vorliegende landesinterne Umzugsaufforderung bedarf gemäß § 9 Abs. 4 i.V.m. § 7 Abs. 2 Satz 5 DVAsyl i.V.m. § 50 Abs. 4 Satz 3 AsylG zum einen von vornherein keiner expliziten Begründung. Zudem ist auch nicht ersichtlich, dass der streitgegenständliche Bescheid auf ermessensfehlerhaften Erwägungen beruhen könnte. Die gesetzlichen Grenzen des Ermessens i.S.v. § 114 Satz 1 Alt.1 VwGO werden durch den streitgegenständlichen Bescheid nicht verletzt.
3.4. Dabei sind bei von Amts wegen verfügten landesinternen Umverteilungen und Umzugsaufforderungen vor allem Grundrechte und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als gesetzliche Grenzen des Ermessens bei der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen. Daran ändert auch § 55 Abs. 1 Satz 2 AsylG nichts, wonach ein Asylbewerber keinen Anspruch auf einen bestimmten Aufenthaltsort hat. Denn bei von Amts wegen verfügten landesinternen Umverteilungen und Umzugsaufforderungen als belastende Verwaltungsakte kommen die Grundrechte in ihrer Ausgangsfunktion als Abwehrrechte gegen den Staat (Art. 1 Abs. 3 Grundgesetz – GG) zur Anwendung. Vorliegend ist der Eingriff in Grundrechte allerdings gerechtfertigt.
Der streitgegenständliche Bescheid greift in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) der Kläger ein. Die Intensität dieses Grundrechtseingriffs ist allerdings nicht tiefgreifend; insbesondere weil schon keine innerbayerische Umverteilung vorliegt, sondern nur eine landkreisinterne. Mithin ist eine landesinterne Umverteilung innerhalb Bayerns, erst Recht eine Umzugsaufforderung, von ihrer Grundrechtsrelevanz her nicht ansatzweise vergleichbar mit einer Abschiebung aus dem Bundesgebiet heraus, was bei der Prüfung der Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs von Bedeutung ist.
Der Grundrechtseingriff ist gerechtfertigt. Die vorliegende Umzugsaufforderung verfolgt einen legitimen Zweck.
3.5. Die Anordnung der Vollstreckung durch unmittelbaren Zwang stützt sich auf Art. 38 Abs. 1, 36, 34, 18 Abs. 1 und 19 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG
4. Die – zweite, am … November 2018 erhobene – Klage (Az.: M 24 K 18.5539) gegen den streitgegenständlichen Bescheid vom 26. Oktober 2018 ist unzulässig, weil eine unzulässige Doppelklageerhebung (§ 17 Abs. 1 S. 2 GVG) vorliegt.
Das Verbot doppelter Klagen stellt eine der Wirkungen der Rechtshängigkeit dar; mit dieser will es den Schutz der materiellen Rechtskraft vorverlagern. Das Verbot ist Prozesshindernis. Wegen seines zugleich objektiven Zwecks ist es von Amts wegen zu beachten. Die verbotswidrig erhobene zweite Klage ist als unzulässig abzuweisen (Rennert in Eyermann, VwGO, Kom. 15. Aufl. 2019, § 41 /§§ 17-17b GVG Rn. 11)
5. Die Klagen sind demnach mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 100 ZPO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
6. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff der Zivilprozessordnung (ZPO).


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