Verwaltungsrecht

Zwangsgeld gegen Gaststätte wegen Verstoßes gegen Auflage hinsichtlich der Laustärke des Musikangebots

Aktenzeichen  1 ZB 18.765

Datum:
20.12.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 35665
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwZVG Art. 19, Art. 31, Art. 36

 

Leitsatz

Wird in zwangsgeldbewehrten Auflagen zu der erteilten gaststättenrechtlichen Genehmigung und den Baugenehmigungen für eine Schankwirtschaft festgelegt, dass pro Monat maximal zwei vorher angezeigte bzw. genehmigte Vergnügungsveranstaltungen zulässig seien und ansonsten das Musikangebot allenfalls den Charakter von Hintergrundmusik annehmen dürfe, bedarf es für die Feststellung eines Kontrolleurs, dass die Lautstärke der Musik sämtliche übrigen Nebengeräusche (zB Unterhaltungen) übertönte, keiner exakten Lärmmessung.  (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 11 K 17.5651 2018-02-15 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 2.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Mit sofort vollziehbarem Bescheid vom 16. Januar 2013 untersagte die Beklagte der Klägerin, die als Schankwirtschaft genehmigte Gaststätte „M* … Cocktailbar und Lounge“ in der Form einer kerngebietstypischen Vergnügungsstätte zu betreiben und legte in zwangsgeldbewehrten Auflagen zu der erteilten gaststättenrechtlichen Genehmigung und den Baugenehmigungen fest, dass pro Monat maximal zwei vorher angezeigte bzw. genehmigte Vergnügungsveranstaltungen zulässig seien und ansonsten das Musikangebot allenfalls den Charakter von Hintergrundmusik annehmen dürfe. Nach einer am 3. Oktober 2015 in der Zeit von 1.00 – 1.30 Uhr durchgeführten Kontrolle stellte die Beklagte das angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 1000,- € fällig und drohte mit Bescheid vom 7. Oktober 2015 ein erhöhtes Zwangsgeld an. Die erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. In dem Urteil wird ausgeführt, dass der Betrieb der Klägerin zum Zeitpunkt der Kontrolle aufgrund eines Gesamteindrucks tatsächlich in der Form einer kerngebietstypischen Vergnügungsstätte erfolgt sei. Eine präzise Lärmmessung sei für die Feststellung, dass das Musikangebot über Hintergrundmusik hinausgegangen sei, weder erforderlich noch allein entscheidend, da hierdurch nicht belegt werde, welchen Anteil die Musik bzw. die Gespräche an diesem Lärm hätten. Die absoluten Lärmwerte seien für die Annahme, dass ein Betrieb in Form einer kerngebietstypischen Vergnügungsstätte vorliege, nur ein Kriterium unter mehreren. Im Übrigen sei trotz der fehlenden Eichung des Messgeräts anzunehmen, dass eine Lautstärke geherrscht habe, die für Vergnügungsstätten dieser Art typisch sei.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und des Vorliegens eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) sind nicht dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) oder liegen nicht vor.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838). Das ist nicht der Fall.
Soweit die Klägerin geltend macht, dass die vom Gericht für seine Gesamtschau aufgeführten Umstände, die im Zulassungsantrag im Einzelnen wiedergegeben werden, schon grundsätzlich nicht die Annahme rechtfertigen, dass die Klägerin ihren Betrieb zum Zeitpunkt der Gaststättenkontrolle tatsächlich in Form einer kerngebietstypischen Vergnügungsstätte geführt habe, genügt diese bloße Behauptung bereits nicht dem Darlegungserfordernis. Das Gebot der Darlegung erfordert ein Mindestmaß an Substantiierung des klägerischen Vortrags, die Klägerin muss ihre Rechtsauffassung erläutern (vgl. BVerfG, B.v. 8.3.2001 – 1 BvR 1653/99 – NVwZ 2001, 552; B.v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163; BVerwG, B.v. 9.3.1993 – 3 B 105.92 – NJW 1993, 2825). Lediglich der Einwand der Klägerin, dass es für die Lautstärke der Musik nicht maßgeblich auf den subjektiven Eindruck eines Kontrolleurs, sondern auf eine zuverlässige Lärmmessung ankommen müsse, genügt ansatzweise dem Darlegungserfordernis. Das Gericht hat aber zu Recht festgestellt, dass eine präzise Lärmmessung für die Feststellung, dass die Musikdarbietung über bloße Hintergrundmusik hinausgegangen ist, nicht erforderlich ist.
Für die Feststellung, dass ein angedrohtes Zwangsgeld fällig geworden ist, ist erforderlich, dass die Anordnungen in dem Bescheid vom 16. Januar 2013 vollstreckbar sind (Art. 19 Abs. 1 VwZVG) und die Klägerin die ihr auferlegen Pflichten nicht erfüllt hat (Art. 19 Abs. 2, Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG). Die Rechtmäßigkeit der zwangsgeldbewehrten Auflagen kann mit der Feststellungsklage gegen das fällig gestellte Zwangsgeld nicht angegriffen werden. Diese wurde im Übrigen mit dem rechtskräftigem Urteil des Verwaltungsgerichts vom 19. März 2015 (M 11 K 13.295, vgl. den Beschluss des Senats vom 4.10.2017 – 1 ZB 15.1673) bestätigt. Die Beklagte hat in den Auflagen keine bestimmten Lärmrichtwerte festgesetzt. Das Musikangebot in der Gaststätte darf während der Betriebszeit, außerhalb der angezeigten bzw. genehmigten Vergnügungsveranstaltungen, allenfalls den Charakter von Hintergrundmusik annehmen und hat sich in der Lautstärke den anderen Geräuschen in der Gaststätte, welche durch Unterhaltungen und andere Nebengeräusche entstehen, unterzuordnen (Auflage 2.2). Auf einen Verstoß gegen diese Auflage hat die Behörde die Fälligkeitsmitteilung des Zwangsgeldes gestützt. Für die Feststellung des Kontrolleurs, dass die Lautstärke der Musik sämtliche übrigen Nebengeräusche (z.B. Unterhaltungen) übertönte, bedurfte es daher keiner exakten Lärmmessung. Eine absolute Lärmmessung kann für diese Feststellung wie andere Umstände (Einsatz eines Diskjockeys, der ansonsten in einem bekannten Nachtclub in München auflegt) nur ein bestätigendes Element sein. Die Beurteilung von Lärm ist nicht schon deswegen fehlerhaft, weil sie nicht auf Lärmmessungen beruht, sondern sich auf behördliche Feststellungen und Bewertungen stützt (vgl. BayVGH, B.v. 19.5.2015 – 22 CE 15.612 – juris Rn. 28; B.v. 24.5.2012 – 22 ZB 12.46 – NVwZ-RR 2012, 756; B.v. 29.2.2016 – 10 ZB 15.2168 – juris Rn. 7).
Die Klägerin macht weiter als „Verfahrensmangel“ geltend, dass das Gericht gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung verstoßen habe, als es einerseits eine präzise Lärmmessung nicht für erforderlich gehalten habe und andererseits Lautstärken von 89 dB(A) bzw. 83 dB(A) für eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte als kennzeichnend ansehe und hieraus Folgerungen zum Nachteil der Klägerin ableite. Die Grundsätze der Beweiswürdigung sind grundsätzlich dem sachlichen Recht zuzuordnen, ein Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO stellt nur ausnahmsweise einen Verfahrensfehler dar (vgl. BVerwG, B.v. 30.12.2016 – 9 BN 3.16 – NVwZ-RR 2017, 1037 m.w.N.). Es ist aber unschädlich, dass das vorgebrachte Argument nicht dem zutreffenden Berufungszulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugeordnet ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546). Die Feststellungen des Gerichts sind nicht, wie die Klägerin vorträgt, ungereimt oder widersprüchlich. Das Verwaltungsgericht hat die vorgenommene Messung der Lautstärke mit einem nichtgeeichten Messgerät nur ergänzend („im Übrigen“) gewürdigt und ausgeführt, dass selbst bei Berücksichtigung von Ungenauigkeiten Lärmwerte festgestellt worden seien, die für eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte kennzeichnend seien.
Das Verwaltungsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes mit 2000,- € verhältnismäßig ist. Das Zwangsgeld soll den Pflichtigen effektiv zur Befolgung einer Anordnung anhalten, es soll eine „Beugewirkung“ auf den Pflichtigen ausgeübt werden (vgl. BayVGH, B.v. 19.7.2017 – 10 ZB 16.133 – juris Rn. 12). Art. 31 Abs. 2 Satz 2 VwZVG gibt hierzu als eine Ermessenserwägung vor, dass diese Wirkung vor allem erzielt wird, wenn durch das Zwangsgeld ein wirtschaftlicher Vorteil abgeschöpft wird, der im Fall der Nichterfüllung der Auflagen sonst beim Pflichtigen verbliebe. Damit muss die Behörde bei der Bemessung des Zwangsgeldes jedoch nicht einen Nachweis des wirtschaftlichen Vorteils führen (vgl. BayVGH, B.v. 29.4.2008 – 15 CS 08.455 – juris Rn. 19).
Soweit die Klägerin vorträgt, dass die Rechtssache tatsächlich und rechtlich schwierig sei, da zu klären sei, ob der Betrieb bei der Gaststättenkontrolle tatsächlich als kerngebietstypische Vergnügungsstätte betrieben worden sei und welche Anforderungen an das Vorliegen einer kerngebietstypischen Vergnügungsstätte zu stellen seien, wird weder aufgezeigt, warum diese Fragen tatsächlich und rechtlich schwierig zu beantworten sind noch liegt die angenommene Schwierigkeit vor (vgl. auch den Beschluss des Senats vom 4.10.2017 – 1 ZB 15.1673). Im Übrigen kommt es entscheidungserheblich darauf an, ob die Klägerin gegen eine erlassene Auflage verstoßen hat, in der die Zulässigkeit von Musikdarbietungen näher festgelegt wird.
Den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat die Klägerin bereits nicht ausreichend dargelegt (vgl. zur Darlegungslast BVerwG, B.v. 9.3.1993 – 3 B 105.92 – NJW 1993, 2825). Im Übrigen ist die als grundsätzlich bedeutsam angesehene Frage, unter welchen Voraussetzungen vom tatsächlichen Betrieb einer kerngebietstypischen Vergnügungsstätte auszugehen ist, nicht entscheidungserheblich, da die Beklagte die von der Klägerin zu beachtenden Pflichten in den Auflagen näher festgelegt hat. Hierauf hat auch das Verwaltungsgericht in erster Linie abgestellt.
Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen, da ihr Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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