Verwaltungsrecht

Zweifel an der charakterlichen Eignung eines Einstellungsbewerbers, Anschein fremdenfeindlicher Haltung aufgrund von Tätowierungen, Fehlende Sichtbarkeit der Tätowierungen im Dienst unerheblich

Aktenzeichen  B 5 E 20.1136

Datum:
14.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 49028
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 33 Abs. 2
BeamtStG § 9

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege der einstweiligen Anordnung gegen die Entscheidung des Antragsgegners, aufgrund der bei ihm vorhandenen Tätowierungen sein Bewerbungsverfahren für den Polizeivollzugsdienst in Bayern einzustellen.
1. Der am … geborene Antragsteller bewarb sich unter dem 30.04.2020 für eine Ausbildung als Polizeivollzugsbeamter (2. QE) beim Antragsgegner.
Im Rahmen des Bewerbungsformulars gab er an, dass bei ihm Tätowierungen vorhanden seien. Ausweislich der in den Akten enthaltenen farbigen Ablichtungen trägt der Kläger auf seinem Körper folgende Tätowierungen:
Über die komplette Länge des linken Oberarms bis in die Schulter hineinreichend ist eine Ritterrüstung tätowiert. Auf der linken Rumpfseite findet sich von oben nach unten verlaufend in Lettern die Aufschrift „VINCERE AUT MORI“. Auf dem rechten Oberschenkel vorne befindet sich unmittelbar oberhalb des Knies endend und ebenfalls in Großbuchstaben geschrieben der Schriftzug „MIT ODER GEGEN UNS?“. Dabei ist das „S“ in „UNS“ in Abweichung vom Schriftbild der übrigen Buchstaben nicht mit geschwungenen Bögen, sondern gezackt geschrieben. Auf dem Rücken des Antragstellers findet sich von der linken bis zur rechten Schulter in einem Bogen über den Schultergürtel und unterhalb des Nackenendes verlaufend in ca. 10 cm großen in einer Art altdeutschen Schrift gehaltenen Buchstaben die Formulierung „suum cuique“. Darunter befindet sich das Bild zweier aufeinander losgehender Tiger mit nicht identifizierten Aufschriften in asiatischen Schriftzeichen sowie einer Art Tempel in der Mitte.
Mit Schreiben vom 20.05.2020 teilte das Präsidium der Bayerischen Bereitschaftspolizei für den Antragsgegner dem Antragsteller mit, dass sein Bewerbungsverfahren für den Polizeivollzugsdienst habe eingestellt werden müssen, da er aufgrund der Entscheidung des ärztlichen Dienstes nicht polizeidiensttauglich sei.
Mit Schriftsatz vom 02.06.2020 zeigte sich der Bevollmächtigte für den Antragsteller an und legte Widerspruch gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 20.05.2020 ein.
Mit Schreiben vom 08.07.2020 teilte Antragsgegner dem Bevollmächtigten des Antragstellers mit, dass der ärztliche Dienst der bayerischen Polizei die Angelegenheit noch einmal geprüft und den Antragsteller zur medizinischen Nachprüfung eingeladen habe. Man habe den Antragsteller für tauglich befunden (vgl. E-Mail des ärztlichen Dienstes vom 02.09.2020 an den Antragsgegner). Aufgrund der Untersuchungsergebnisse habe man das Bewerbungsverfahren für den Einstellungstermin März 2021 wieder aufgenommen. Eine abschließende Entscheidung über die Möglichkeit der Einstellung sei bisher noch nicht erfolgt. Unter anderem sei die Beurteilung der Tätowierungen des Antragstellers noch nötig. Außerdem müsse der Antragsteller an der erforderlichen Einstellungsprüfung teilnehmen. Sobald eine abschließende Entscheidung getroffen worden sei, erhalte der Antragsteller Mitteilung.
Mit Bescheid vom 25.08.2020 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, dass man nach Begutachtung seiner Tätowierungen festgestellt habe, dass die Tätowierungen nicht dem Anforderungsprofil für den Polizeivollzugsdienst entsprächen. Das Bewerbungsverfahren werde daher eingestellt. Eine wesentliche Einstellungsvoraussetzung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 der Verordnung über die Fachlaufbahnen Polizei und Verfassungsschutz (FachV-Pol/VS) sei damit nicht erfüllt.
Mit Schreiben vom 18.09.2020 legte der Bevollmächtigte des Antragstellers gegen den Bescheid vom 25.08.2020 Widerspruch ein.
Mit Schreiben vom 06.10.2020 wies das Präsidium der Bayerischen Bereitschaftspolizei den Bevollmächtigten des Klägers darauf hin, dass nach der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration vom 07.04.2020, Az …, Tätowierungen getragen werden dürften, wenn diese inhaltlich nicht gegen die Grundsätze der freiheitlich-demokratischen Grundordnung verstoßen würden sowie keine sexuellen, diskriminierenden, gewaltverherrlichenden o. ä. Motive darstellten. Bei der Prüfung der Tätowierungen des Antragstellers sei man jedoch zu dem Ergebnis gekommen, dass diese die Voraussetzungen der oben genannten Bekanntmachung und somit die wesentliche Einstellungsvoraussetzung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 FachV-Pol/VS nicht erfüllten.
Mit Schriftsatz vom 29.10.2020 führte der Bevollmächtigte des Antragstellers zur Begründung seines Widerspruchs aus, dass der Antragsgegner insbesondere die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verkenne, wonach das Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) insbesondere die wesentlichen Entscheidungen der Verfassungskonkretisierung dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalte. Bei der Beurteilung von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung und der ihr nachfolgenden Ermessensentscheidung dürfe der Dienstherr nur solche Maßstäbe und Gesichtspunkte zugrunde legen, die entweder durch gesetzliche Regelung bestimmt seien, deren weitere Bestimmung durch gesetzliche Regelung eröffnet seien oder die einer gesetzlichen Bestimmung nicht bedürften. Vorliegend fehle es an einer solchen belastbaren rechtlichen Grundlage, den Antragsteller aus dem Bewerbungsverfahren wegen seiner Tätowierungen auszuschließen.
Diese seien außerdem im Kontext der Rechtsordnung nicht zu beanstanden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts könnten Tätowierungen nur dann einen Eignungsmangel begründen, wenn sich aus ihrem Inhalt eine Straftat ergebe oder ihr Inhalt Zweifel an der von § 7 Abs. 1 Nr. 2 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG) geforderten Gewähr des Einstellungsbewerbers begründe, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten. Hierfür seien keine belastbaren Anhaltspunkte ersichtlich. Dem streitgegenständlichen Bescheid sei hierfür auch keine Begründung zu entnehmen. Es sei rechtswidrig, die Tätowierungen ausschließlich zu Lasten des Antragstellers zu interpretieren.
Dem beiliegenden Erläuterungsschreiben des Antragstellers selbst war zum Anlass bzw. Verständnis seiner Tätowierungen zu entnehmen, dass Hintergrund des Textes „VINCERE AUT MORI“ sei, dass er im Alter von sechs Jahren mit Ju Jutsu begonnen und dann sehr lange Kampfsport trainiert habe. Die Tätowierung solle seinen Wunsch zum Ausdruck bringen, im Wettkampf als Gewinner vom Feld zu gehen. Die zwei Tiger seien entstanden, als er in Thailand Muay Thai gekämpft habe. Ein Mönch habe sie ihm dort im Jahr 2015 gestochen. Dort glaube man daran, dass diese Motive die Kämpfenden beschützten. Die dazugehörige Schrift gebe Inhalte des buddhistischen Glaubens wieder. Er habe sich ein halbes Jahr in Thailand aufgehalten, um dort seinem Sport nachzugehen. Den Text auf dem Oberschenkel habe er sich vor Jahren mit einem Kumpel tätowieren lassen. Er habe keinen tiefsinnigen Hintergrund. Er habe eine sehr enge Freundschaft zu diesem besten Freund, was sie gemeinsam mit dieser Tätowierung hätten zum Ausdruck bringen wollen. Der Spruch stelle einzig ein gemeinsames Motiv dar. Die Formulierung „suum cuique“ habe er sich auf den Rücken tätowieren lassen, weil er damit seiner Meinung Ausdruck verleihen wolle, dass jeder sein Schicksal in der Hand halte. Die Tätowierung am Arm schließlich stelle eine Art Rüstung dar. Sie sei ein reines Kunstobjekt. Sämtliche Tätowierungen sollten in keiner Weise Mitmenschen einschüchtern oder verschrecken. Er habe Latein als Sprache gewählt, weil diese für ihn etwas Besonderes habe. Eine Übersetzung ins Deutsche sei prinzipiell unüblich. Die Herkunft der Sprüche führe sehr weit zurück.
2. Mit Schriftsatz vom 29.10.2020, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag, stellte der Antragsteller über seinen Bevollmächtigten einen Antrag im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes und beantragte,
1. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragsteller weiter zum Einstellungsverfahren für die Qualifikationsebene 2 zum Einstellungstermin im März 2021 zuzulassen.
2. Hilfsweise wird beantragt, Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, über die Bewerbung des Antragstellers unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Der streitgegenständliche Bescheid sei offensichtlich rechtswidrig und verletze den Antragsteller in seinen Rechten. Er enthalte bereits keine inhaltliche Begründung. Bei der Frage, ob Tätowierungen die Neutralitätsfunktion der Uniform beeinträchtigen würden, sei maßgeblich auf die allgemeinen gesellschaftlichen Anschauungen abzustellen. Diese bedürften einer stets aktualisierten Prüfung. Darüber hinaus sei eine normative Leitentscheidung durch das Parlament erforderlich, ob von einer hinreichenden Gefährdungslage in Bezug auf Tätowierungen auszugehen sei. Hieran mangle es im vorliegenden Fall. Tätowierungen würden nur dann einen Eignungsmangel begründen, wenn sich aus ihrem Inhalt eine Straftat ergebe oder ihr Inhalt Zweifel an der von § 7 Abs. 1 Nr. 2 BeamtStG geforderten Gewähr des Einstellungsbewerbers begründe, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten. Vorliegend handle es sich um in der Sache harmlose Motive, die von dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Antragstellers gedeckt seien und zudem hinreichend erklärt worden seien. Die Tätowierungen seien zudem beim Tragen der Uniform nicht sichtbar. Der bloße Verweis des Antragsgegners auf § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 FachV-Pol/SV reiche nicht aus, um zu begründen, warum die Tätowierungen einen Eignungsmangel darstellen sollten. Der Antragsgegner überschreite seinen Beurteilungsspielraum. Allein dem Gesetzgeber stehe es zu, über die generelle Zulässigkeit von Tätowierungen im öffentlichen Dienst zu entscheiden. Eine solche Regelung existiere in Bayern jedoch nicht. Ein Anordnungsgrund sei gegeben, weil der Antragsteller mit der angefochtenen Verfügung eine mit seinen Rechten aus Art. 12 und Art. 33 Abs. 2 GG nicht zu vereinbarende Ausbildungsverzögerung in Kauf nehmen müsse. Sollte im vorliegenden Streitverfahren eine Vorwegnahme der Hauptsache gesehen werden, sei diese hinzunehmen, weil effektiver Rechtsschutz anders nicht erreichbar sei.
Mit Schriftsatz vom 09.11.2020 beantragte das Präsidium der Bayerischen Bereitschaftspolizei für den Antragsgegner:
Der Antrag wird abgelehnt.
Vorliegend fehle es an einem Anordnungsanspruch. Der Antragsteller verfüge nicht über die erforderliche persönliche Eignung für den bayerischen Polizeivollzugsdienst, Art. 33 Abs. 2 GG, § 9 BeamtStG i. V. m. § 5 Abs. 1 FachV-Pol/SV. Bei der Frage der charakterlichen Eignung als Unterfall der persönlichen Eignung im Sinne von § 9 BeamtStG gehe es vor allem um die Frage, ob ein Bewerber bisher ein Verhalten gezeigt habe, das begründete Zweifel an der beamtenrechtlichen Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten gemäß § 34 Satz 3 BeamtStG hervorrufe. Die Ablehnung der Einstellung in den Polizeivollzugsdienst komme bereits dann in Betracht, wenn berechtigte Zweifel im Sinne einer fehlenden Überzeugung von der Eignung des Bewerbers bestünden. An das Verantwortungsbewusstsein, die Integrität, Zuverlässigkeit sowie die charakterliche Stabilität der Bewerber für eine Einstellung in den Polizeivollzugsdienst seien besonders hohe Anforderungen zu stellen. Polizeivollzugsbeamte seien Berufswaffenträger und Repräsentanten des staatlichen Gewaltmonopols. Aufgrund der verfahrensgegenständlichen Tätowierungen habe der Antragsteller in ihm zurechenbarer Weise begründete Zweifel daran geweckt, dass er den Erwartungen des Dienstherrn nach Ernennung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf entsprechen würde. Diese Zweifel gründeten vor allem auf den Tätowierungen „VINCERE AUT MORI“, „MIT ODER GEGEN UNS?“ und „suum cuique“. Die deutsche Übersetzung der letztgenannten Tätowierung „Jedem das Seine“ sei vor allem bekannt als Inschrift am Tor des Konzentrationslagers Buchenwald. Bei der Beurteilung der Tätowierungen komme es nicht maßgeblich auf eine etwaige subjektive Sicht des Trägers an. Entscheidend sei die Wirkung der Tätowierung auf andere. Der Körper werde durch eine Tätowierung bewusst als Kommunikationsmedium eingesetzt. Der Antragsteller erwecke so den bösen Schein, er würde sich mit der verfassungsfeindlichen Ideologie des Nationalsozialismus identifizieren. Dabei komme es nicht darauf an, dass der Schriftzug aufgrund der gewählten Sprache nicht von jedem Bürger sofort verstanden werden würde. Für die Polizei sei es unbedingt zu vermeiden, dass diese mit extremistischen Ansichten oder fundamentalistischen Ideologien in Verbindung gebracht werde. Bereits der bloße Anschein dahingehend bringe die Gefahr einer erheblichen Ansehensschädigung der Polizei mit sich. Auch durch die Tätowierung „VINCERE AUT MORI“, auf Deutsch „siegen oder sterben“, bringe der Antragsteller zum Ausdruck, dass eine Auseinandersetzung folglich nur mit einem lebenden Sieger und einem toten Verlierer enden könne. Eine derart gewaltverherrlichende Grundeinstellung sei mit der Tätigkeit im Polizeivollzugsdienst unvereinbar. Auch die Tätowierung „mit oder gegen uns?“ Lasse auf eine aggressive Grundeinstellung schließen.
Es fehle darüber hinaus an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes, weil der Antragsteller als Begründung für die Dringlichkeit lediglich eine Ausbildungsverzögerung geltend mache. Letztlich würde mit einer begehrten Anordnung nach § 123 VwGO auch die Hauptsache vorweggenommen.
Mit Schriftsatz vom 20.11.2020 erwiderte der Bevollmächtigte des Antragstellers, dass der Antragsgegner die Tätowierungen des Antragstellers einseitig zu dessen Lasten interpretiere.
Die Tätowierung „suum cuique“ sei in lateinischer Sprache verfasst. Diese gehe bis ins 5. Jahrhundert vor Christi zurück. Der konstruierte Bezug zu Konzentrationslagern im Dritten Reich, deren Aufschriften in deutscher Sprache angebracht wurden, sei daher nicht nachvollziehbar. Der Antragsteller könne nicht dafür verantwortlich gemacht werden, wie die SS diesen Spruch interpretiert und verwendet habe. Er verweist zur Begründung dieser Auffassung exemplarisch auf die Erläuterung auf der Internetplattform Wikipedia zur Definition des Ausdrucks „suum cuique“. Daraus ergebe sich, dass die vom Antragsgegner gewählte Deutung keinesfalls zwingend sei. Der Antragsgegner lasse einen tausende Jahre alten Spruch kontextlos genügen, um dem Antragsteller die charakterliche Eignung abzusprechen. Ohnehin könne die lateinische Sprache nur von einem Bruchteil der Bevölkerung überhaupt verstanden werden. Denselben Spruch würden zudem die Feldjäger der Bundeswehr nach wie vor auf ihrem Barett tragen.
Dem Antragsteller wegen des Spruchs „VINCERE AUT MORI“ eine gewaltverherrlichende Grundeinstellung zuzuschreiben, werde weder im BZR noch in der Akte an irgendeiner Stelle durch Tatsachen belegt. Die Interpretation sei reine Spekulation und ergebnisorientiert. Der Antragsteller sei strafrechtlich vollkommen unauffällig. Selbiges gelte für den Spruch „MIT ODER GEGEN UNS?“. Die Größe einer Tätowierung habe daneben rein ästhetische Gründe.
Ein Anordnungsgrund sei überdies gegeben, weil schon nicht gewährleistet sei, dass in der Hauptsache bis zum weiteren Einstellungstermin im September 2021 entschieden sei. Eine Vorwegnahme der Hauptsache liege darin nicht, weil nur auf diese Weise effektiver Rechtsschutz zu erlangen sei.
Der Antragsgegner ergänzte mit Schriftsatz vom 03.12.2020, dass die Argumentation, der Antragsteller könne nicht dafür verantwortlich gemacht werden, wie die SS den Ausspruch „suum cuique“ interpretiert habe, nicht überzeuge. Dafür hätte der Antragsteller die Tätowierung bereits zu einem Zeitpunkt haben müssen, bevor diese Interpretation durch das NS-Regime stattgefunden habe. Auch die Argumentation mit dem fehlenden Eintrag im BZR verfange nicht, da sich daraus der Umkehrschluss ergäbe, dass bei Fehlen eines BZR-Eintrags zwangsläufig immer eine friedliche Grundeinstellung bewiesen sei.
Die Tätowierungen des Antragstellers entsprächen nicht den Anforderungen für den Polizeivollzugsdienst gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 7 FachV-Pol/SV i. V. m. Art. 75 Abs. 2 Satz 2 BayBG und der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Inneren vom 07.02.2000, Nr. IC5-0335.1-0, zum Erscheinungsbild der bayerischen Polizei. Mit dieser Bekanntmachung konkretisiere das Bayerische Staatsministerium des Innern die Anforderungen an das äußere Erscheinungsbild gemäß der Befugnis des Art. 75 Abs. 2 BayBG. Die Bekanntmachung konkretisiere dabei zugleich die beamtenrechtlichen Pflichten gemäß § 33 Abs. 1 Satz 3 und § 34 Satz 3 BeamtStG. Art. 75 Abs. 2 BayBG stelle die mit Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.11.2017 geforderte Leitentscheidung des Parlaments dar und bilde die hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage für entsprechende Bestimmungen der obersten Dienstbehörde. Unter Ziffer 3 der Bekanntmachung heiße es: „Im Dienst – ausgenommen Dienstsport – dürfen Tätowierungen, Brandings, Mandies (durch Henna verursachte Hautverfärbungen) und Ähnliches nicht sichtbar sein. Soweit Tätowierungen getragen werden, dürfen diese inhaltlich nicht gegen die Grundsätze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung verstoßen sowie keine sexuellen, diskriminierenden, gewaltverherrlichenden o. ä. Motive darstellen.“
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird entsprechend § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig, hat aber weder im Haupt- noch im Hilfsantrag Erfolg. Der Antragsgegner hat nach summarischer Prüfung zu Recht das Bewerbungsverfahren des Antragstellers eingestellt.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht, gegebenenfalls bereits vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird. § 123 Abs. 1 VwGO setzt ein besonderes Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) im Interesse der Wahrung des behaupteten Rechts (Anordnungsanspruch) voraus. Beides ist vom Antragsteller glaubhaft zu machen, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO). Maßgebend für die Beurteilung sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Ist die geltend gemachte materielle Rechtsposition grundsätzlich sicherungsfähig, hängt die Bejahung eines Anordnungsanspruchs regelmäßig davon ab, welche Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren bestehen. Die gerichtliche Überprüfung der hier streitgegenständlichen Entscheidung ist im Hauptsacheverfahren grundsätzlich darauf beschränkt, ob der Dienstherr ermessens- und beurteilungsfehlerfrei über den weiteren Fortgang des Bewerbungsverfahrens des Antragstellers entschieden hat. Wird dieses subjektive Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG durch eine fehlerhafte Ermessensentscheidung des Dienstherrn verletzt, folgt daraus, dass der abgelehnte Bewerber eine erneute Entscheidung über die Fortsetzung seines Bewerbungsverfahrens zumindest dann beanspruchen kann, wenn seine Aussichten, beim zweiten Mal in den Vorbereitungsdienst aufgenommen zu werden, offen sind, das heißt wenn seine Einstellung möglich erscheint.
Gemessen daran war der Antrag des Antragstellers abzulehnen.
1. Der Antragsteller kann zwar möglicherweise einen Anordnungsgrund (dazu sogleich unter a), jedoch keinen Anordnungsanspruch (dazu unter b), glaubhaft machen.
a) Ob der Antragsteller einen Anordnungsgrund gemäß § 123 Abs. 1 und Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO glaubhaft gemacht hat, kann dahingestellt bleiben. Es ist zwar fraglich, ob die Hauptsache bis zum vom Antragsteller anvisierten Einstellungstermin März 2021 oder dem Folgetermin im September 2021 entschieden wäre. Diese Fragen können vorliegend jedoch offenbleiben, weil es nach summarischer Prüfung jedenfalls an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs mangelt.
b) Der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch gemäß § 123 Abs. 1 und Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO glaubhaft gemacht, weil die zu seinen Lasten getroffene Entscheidung, ihn nicht zum weiteren Einstellungsverfahren für den Polizeivollzugsdienst zum Einstellungstermin März 2021 zuzulassen, nach summarischer Prüfung seinen aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Bewerbungsverfahrensanspruch nicht verletzt. Der Antragsgegner hat zu Recht die für die Bewerbungsablehnung angeführten Zweifel an der charakterlichen Eignung des Antragstellers aus der Existenz der streitgegenständlichen Tätowierungen hergeleitet und damit im Ergebnis den ihm zustehenden Ermessensspielraum eingehalten.
aa) Art. 33 Abs. 2 GG gewährt jedem Deutschen nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Danach sind öffentliche Ämter nach Maßgabe des Grundsatzes der Bestenauslese zu besetzen. Jeder Bewerber hat damit einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr seine Auswahlentscheidung unter Berücksichtigung des dargelegten Grundsatzes trifft und nur auf Gesichtspunkte stützt, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen (BVerfG, B.v. 26.11.2010 – 2 BvR 2435/10 – NVwZ 2011, 746/747; B.v. 2.10.2007 – 2 BvR 2457/04 – NVwZ 2008, 194). Der Dienstherr ist verpflichtet, seine Entscheidung über die Einstellung eines Bewerbers – und damit auch die Vorfrage, mit welchen Bewerbern er das Einstellungsverfahren betreiben oder fortsetzen möchte – an den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG und den Regelungen in § 9 BeamtStG auszurichten. Danach sind Ernennungen nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ohne Rücksicht auf Geschlecht, Abstammung, Rasse oder ethnische Herkunft, Behinderung, Religion oder Weltanschauung, politische Anschauungen, Herkunft, Beziehungen oder sexuelle Identität vorzunehmen.
Dieser Bewerbungsverfahrensanspruch vermittelt dem Bewerber somit ein grundrechtsgleiches Recht darauf, dass über seinen Antrag auf Zugang zu öffentlichen Ämtern nur nach Maßgabe seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung ermessensfehlerfrei entschieden wird. Weder Art. 33 Abs. 2 GG noch die zu seiner Konkretisierung ergangenen beamtenrechtlichen Vorschriften verschaffen dabei einen Anspruch auf Begründung eines Beamtenverhältnisses.
Mit dem Begriff der „Eignung“ ist ebenso wie mit den Begriffen der Befähigung und fachlichen Leistung ein Beurteilungsspielraum des Dienstherrn eröffnet, der nur einer begrenzten gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle ist insoweit auf die Überprüfung beschränkt, ob die Verwaltung gegen Verfahrensvorschriften verstoßen, anzuwendende Begriffe oder den rechtlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat oder ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeine Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat (vgl. BVerfG, B. v. 20.9.2016 – 2 BvR 2453/15 -, BVerfGE 143, 22 – juris Rn. 18 f.; BVerwG, B. v. 29.1.2013 – 1 WB 60.11 -, NVwZ 2013, 1227 – juris Rn. 34). Der Bewerber kann lediglich verlangen, dass der Dienstherr seine Bewerbung nur aus Gründen zurückweist, die durch den Leistungsgrundsatz oder andere verfassungsmäßige Vorgaben gedeckt sind (vgl. BVerfG, B. v. 16.12.2015 – 2 BvR 1958/13 -, BVerfGE 141, 56 – juris Rn. 31). „Geeignet“ ist nach Art. 33 Abs. 2 GG derjenige, der dem angestrebten Amt in körperlicher, psychischer und charakterlicher Hinsicht gewachsen ist (vgl. BVerwG, U. v. 30.10.2013 – 2 C 16.12 -, ZBR 2014, 162 – juris Rn. 10).
Dabei kommt die Ablehnung der Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf – und als notwendige Vorstufe dessen auch die Frage der Teilnahmeberechtigung am Einstellungsverfahren an sich – nicht nur und erst dann in Betracht, wenn die Einstellungsbehörde festgestellt hat, dass der Bewerber die erforderliche charakterliche Eignung nicht besitzt. Vielmehr genügen auch berechtigte Zweifel an der charakterlichen Eignung des Bewerbers. Solche die Einstellung hindernden berechtigten Zweifel können gegeben sein, wenn Art und Inhalt vorhandenen Körperschmucks auf eine innere Einstellung oder Gesinnung des Bewerbers schließen lassen, die mit den Grundpflichten eines Beamten nicht mehr vereinbar ist, insbesondere der Bewerber nicht die durch § 7 Abs. 1 Nr. 2 BeamtStG geforderte Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten.
Hierbei ist von der Rechtsprechung anerkannt, dass Tätowierungen als eine Form des Körperschmucks, trotz ihrer Zunahme in der Gesamtbevölkerung, Aussagekraft in Bezug auf die Persönlichkeit, insbesondere die innere Einstellung ihres Trägers haben können und je nach gewähltem Motiv einen Mangel der charakterlichen Eignung erkennen lassen können. Dies ist insbesondere bei der Betätigung einer verfassungsfeindlichen Gesinnung durch entsprechend symbolträchtige Tätowierungen der Fall, unabhängig davon, ob sie beim Tragen von Dienstkleidung sichtbar sind oder nicht (vgl. BVerwG, U. v. 17.11.2017 – 2 C 25.17, juris Rn. 27, 50).
Es ist ein legitimes Interesse des Antragsgegners, bereits den Anschein rechtsradikaler, rassistischer oder ausländerfeindlicher Tendenzen in der bayerischen Polizei zu vermeiden. Auch bei Anwärtern für den Polizeivollzugsdienst ist ein absolut korrektes Verhalten gegenüber der Rechtsordnung und im Umgang miteinander unabdingbar, vor allem auch unter Beachtung des Ansehens der Polizei in der Öffentlichkeit (BayVGH, B. v. 12.10.2017, Az.: 6 CS 17.1722 – BeckRS 2017, 131749 Rn. 14).
bb) Gemessen an diesen Grundsätzen ist nach summarischer Prüfung die Entscheidung des Antragsgegners, den Antragsteller aufgrund fehlender charakterlicher Eignung nicht weiter zum Auswahlverfahren für den Einstellungstermin März 2021 zur Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zuzulassen, nicht zu beanstanden.
Daran, dass der Antragsteller in Anbetracht seiner Tätowierungen die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland einzutreten bzw. daran, dass er diesen Eindruck nach außen hin vermittelt, durfte der Antragsgegner berechtigt zweifeln. Er durfte nach summarischer Prüfung vielmehr zu Recht von einer objektiv fremdenfeindlichen bzw. zumindest gewaltverherrlichenden Grundaussage der Tätowierungen in ihrer Gesamtwirkung ausgehen. Auf die Frage, ob ein Bewerber in diesem Zusammenhang bereits – durch einen (noch nicht gelöschten) Eintrag im BZR dokumentiert oder nicht – strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, kommt es dabei nicht an. Rechtlich nicht ausschlaggebend ist des Weiteren, dass der Antragsgegner erst im weiteren Fortgang des Verfahrens eine ausführlichere Begründung für die Ablehnung des Antragstellers geliefert hat, weil er insofern seinem Begründungserfordernis jedenfalls nachträglich nachgekommen ist.
(1) Dieser Wertung steht insbesondere – um diesen Punkt vorweg zu nehmen – die vom Bevollmächtigten des Antragstellers angeführte neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in dem Urteil vom 17.11.2017 (Az.: 2 C 25/17) nicht entgegen.
Darin legte das Bundesverwaltungsgericht dar, dass das Verbot des Tragens bestimmter Tätowierungen in das auch den Beamten durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Persönlichkeitsrecht eingreift. Daher bedarf die Reglementierung zulässiger Tätowierungen im Beamtenverhältnis einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Regelung. Auch im Falle der Verordnungsermächtigung muss dabei schon aus der parlamentarischen Leitentscheidung der Ermächtigung erkennbar und vorhersehbar sein, was dem Bürger gegenüber zulässig sein soll (BVerwG, a.a.O, NJW 2018, 1185, Rn. 33 und 42, beck-online). Aus dieser Formulierung leitet der Antragsteller zu Unrecht ab, dass in der vom Antragsgegner herangezogenen Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration vom 07.04.2020, Aktenzeichen: …, keine diesen Anforderungen gerecht werdende normative Grundlage zur Regelung (un) zulässiger Tätowierungen zu sehen ist. Auf die Frage, ob diese Art. 75 Abs. 2 BayBG konkretisierende Bekanntmachung hinreichend parlamentarisch legitimiert ist, kommt es im vorliegenden Verfahren nämlich nicht an.
Einschränkend ist zunächst zu berücksichtigen, dass dieser in Bezug genommenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts die Entfernung eines Lebenszeitbeamten aus dem Dienst zugrunde lag, während es sich im Falle des Antragstellers lediglich um einen Bewerber zur Einstellung in den Polizeivollzugsdienst und damit in das Beamtenverhältnis auf Widerruf handelt. Bereits deswegen gilt ein abweichender Maßstab zu dem aus der zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Bei Bewerbern für die Einstellung in das Beamtenverhältnis greift die Ablehnung wegen einer Tätowierung allenfalls mittelbar in das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 GG und den Bewerbungsverfahrensanspruch ein, da keinem Bewerber aufgegeben wird, die Tätowierung zu entfernen und es keinen gesetzlichen Anspruch auf Einstellung in das Beamtenverhältnis gibt. Es entspricht auch der gefestigten verfassungsrechtlichen Rechtsprechung, dass die Ausübung der Grundrechte im Beamtenverhältnis im Lichte der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums gewissen Beschränkungen unterliegen kann. Das Spannungsfeld zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der allgemeinen Handlungsfreiheit einerseits und den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums andererseits ist zwar durch den hierzu berufenen Gesetzgeber zu lösen. Jedoch umfasst der verfassungsrechtlich geprägte Begriff der beamtenrechtlichen Eignung eine Vielzahl unterschiedlicher, dem gesellschaftlichen Wandel unterliegender Merkmale, deren Vorliegen häufig nur bei wertender Betrachtung des konkreten Einzelfalls beurteilt werden kann. Daher darf sich der Gesetzgeber in Bezug auf persönlichkeitsbezogene Eignungsmerkmale auf allgemeine gesetzliche Vorgaben und unbestimmte Rechtsgriffe beschränken (VG Berlin, B. v. 28.8.2018 – 28 L 384/18, BeckRS 2018, 19934 Rn. 12, beck-online). Zudem wäre es verfassungsrechtlich zweifelhaft, ob der Gesetzgeber detaillierte gesetzliche Regelungen zu Tätowierungen im Hinblick auf die Eignung von Beamten aufstellen dürfte, da er seinerseits den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung respektieren müsste. § 9 BeamtStG gebietet es dem Dienstherrn, Einstellungen „nach Eignung“ vorzunehmen. Er muss sich deshalb von der Eignung eines Bewerbers selbst überzeugen und darf nicht sehenden Auges ungeeignete Personen einstellen, nur weil der Ausschlussgrund nicht gesetzlich genau bestimmt ist. Ein abschließender Gesetzeskatalog sämtlicher denkbarer Ausschlussgründe, insbesondere in Bezug auf Tätowierungen, ist hierbei angesichts der Komplexität nicht möglich und die Verwendung unbestimmter Gesetzesbegriffe unvermeidlich (VG Berlin, a.a.O., Rn. 13, m.w.N.).
Zudem stellt auch in dieser Entscheidung das Bundesverwaltungsgericht klar, dass das Tragen einer Tätowierung ungeachtet der o.g. Grundsätze gleichwohl eine Pflichtverletzung darstellt, wenn und soweit diese durch ihren Inhalt gegen andere beamtenrechtliche Pflichten verstößt. Dies ist nicht nur der Fall, wenn sich aus dem Inhalt der Tätowierung eine Straftat ergibt – wie etwa im Falle der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nach § 86 a Abs. 1 Nr. 1 des Strafgesetzbuchs (StGB). Eine Tätowierung begründet vielmehr auch dann ein Dienstvergehen, wenn ihr Inhalt einen Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht des Beamten offenbart. Der Annahme eines Verstoßes gegen die Verfassungstreuepflicht steht nicht entgegen, wenn einzelne Tätowierungen für sich genommen weder strafrechtlich zu beanstanden sind noch einen unmittelbaren Bezug zum Dritten Reich aufweisen. Ebenso wenig ist von Belang, ob das Verbot entsprechender Tätowierungen durch eine wirksame (Verwaltungs-)Vorschrift konkretisiert worden ist. Soweit durch Tätowierungen die Verfassungstreuepflicht berührt ist, betrifft dies ein unmittelbar kraft gesetzlicher Anordnung und Verfassungsrecht geltendes Eignungsmerkmal (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 53-56 ff.).
(2) In Übereinstimmung mit dieser neueren Rechtsprechung ist nach summarischer Prüfung aufgrund der Gesamtwirkung der Tätowierungen des Antragstellers die Feststellung der charakterlichen Ungeeignetheit rechtsfehlerfrei erfolgt.
Dem Antragsteller ist grundsätzlich zuzugeben, dass von den im Einzelnen beschriebenen Tätowierungen jede für sich genommen auch eine Interpretation zulässt, die keinen Bezug zu nationalsozialistischem Gedankengut hat. Dies vermag seinem Antrag jedoch nicht zum Erfolg verhelfen.
Denn gleichwohl sprechen sämtliche Tätowierungen aufgrund des gewaltverherrlichenden Eindrucks, der von ihnen ausgeht, gegen die Annahme, dass der Antragsteller die zur Einstellung in den Polizeivollzugsdienst erforderliche charakterliche Eignung besitzt.
Es ist nach summarischer Prüfung nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner die Tätowierung „VINCERE AUT MORI“ als gewaltverherrlichend einstuft. Die Gegenargumentation des Antragstellers verfängt hingegen nicht. Der Wortlaut – wenngleich er in lateinischer Sprache und damit nicht für jeden Bürger auf Anhieb verständlich – lässt eindeutig nur die beiden Alternativen des Siegens oder des Sterbens in einem Wettstreit zur Wahl. Eine Botschaft, die mit den Anforderungen an die Eigenschaften eines Polizeivollzugsbeamten, nämlich stets besonnen, deeskalierend und schlichtend aufzutreten, nicht in Einklang zu bringen ist.
Diese Wirkung wird durch das auf den Oberarm tätowierte Bild einer Ritterrüstung verstärkt, deren einziger Zweck es war und ist, einen Krieger im Kampf zu schützen. Der verharmlosenden Darstellung des Antragstellers, es handle sich dabei um reinen Körperschmuck, brauchte der Antragsgegner zu Recht nicht zu folgen.
In diese, eine martialische Grundhaltung vermittelnde Gesamtwirkung fügt sich des Weiteren die Tätowierung zweier aufeinander losgehender Tiger ein. Wenngleich diese als ein Symbol der thailändischen Kampfsportart Muay Thai vom Antragsteller gedacht und eine Erinnerung an einen mehrmonatigen Kampfsportaufenthalt des Antragstellers in Thailand sein mag, so unterstreicht auch diese die wenig deeskalierend und besonnen wirkende Ausstrahlung der gesamten „Tätowierungen“ des Antragstellers.
Unbestritten lässt die auf den Schultergürtel tätowierte Formulierung „suum cuique“ bei einem unbefangenen Betrachter einen fremdenfeindlichen Hintergrund vermuten. Einerseits dürfte zwar tatsächlich nur einem Teil der Bevölkerung die deutsche Bedeutung in Verbindung mit deren Verwendung am Tor des ehemaligen Konzentrationslagers Buchenwald bekannt sein. Andererseits hat auch hier der Antragsgegner die Argumentation des Antragstellers zu Recht nicht als überzeugend angesehen. Denn der Teil der Bevölkerung, der der historische Hintergrund bekannt ist, dürfte zweifelsohne eine entsprechende politische Grundhaltung des Antragstellers argwöhnen und selbst bei einem der lateinischen Sprache nicht mächtigen Betrachter des Schriftzugs dürfte die Wahl einer Form von altdeutschen Schriftzeichen Assoziationen mit nationalsozialistischen Organisationen hervorrufen.
Diesen objektiven Eindruck sieht der Antragsgegner in nicht zu beanstandender Weise abgerundet und ergänzt durch den Schriftzug „MIT ODER GEGEN UNS?“. Die Formulierung erweckt den Eindruck einer kompromisslosen Grundeinstellung und legt die Vermutung nahe, dass der Antragsteller seinem Gegenüber schon keine neutrale, jedenfalls aber keine kritische Haltung zubilligt, weil es damit zwangsläufig in gegnerische Haltung zum Antragsteller treten würde.
Auch wenn der Antragsgegner dies in seinen Begründungen nicht erwähnt hat, sei an dieser Stelle noch ergänzend hervorgehoben, dass das einzige „S“, das sich in dieser auf den Oberschenkel des Klägers tätowierten Frage befindet, in einer anderen Schriftart gehalten ist als die übrigen Buchstaben dieses Satzes. Denn während sämtliche sonstigen Buchstaben im Schriftbild einer gängigen Standardschrift mit Rundungen, beispielsweise bei den Buchstaben „D“ oder „G“ gehalten sind, ist einzig das „S“ als sog. Siegrune gestaltet. Damit entspricht es der Schreibweise, wie zu Zeiten des Nationalsozialismus die Abkürzung „SS“ geschrieben wurde.
Durch den Inhalt ebenso wie das Schriftbild der auf dem Körper des Antragstellers befindlichen Tätowierungen hat dieser nach summarischer Prüfung zu Recht bei dem Antragsgegner begründete Zweifel daran geweckt, dass er die charakterliche Eignung für einen Polizeivollzugsbeamten besitzt. Denn damit tut der Antragsteller zumindest eine körperlicher Gewalt nicht abgeneigte, wenn nicht sogar nationalsozialistisch geprägte Einstellung kund, die mit der Verfassungstreuepflicht von Beamten unvereinbar ist.
(3) Schließlich ist nicht maßgeblich, dass die Tätowierungen des Antragstellers im Dienst von der zu tragenden Dienstkleidung – auch im kurzärmeligen Sommerhemd – verdeckt wären. Vielmehr besteht die nicht fernliegende Gefahr, dass die Tätowierungen beispielsweise während des Sports oder anderen Freizeitbetätigungen des Antragstellers sichtbar würden. Da es auch in der Freizeit zu verschiedensten Begegnungen kommt, ist nicht auszuschließen, dass bei einem anschließenden Wiedersehen während der Dienstzeit des Antragstellers einem Bürger die unter der Uniform befindlichen Tätowierungen bekannt wären und bereits dadurch eine Ansehensschädigung der Polizei in der Öffentlichkeit bewirkt würde. Gleiches gilt für den Fall, dass im Freizeitbereich bekannt wird, dass der so tätowierte Antragsteller im Polizeivollzugsdienst tätig ist.
Nach alledem waren sowohl der Haupt- als auch der Hilfsantrag bereits aus diesen Gründen abzulehnen.
(4) Daher kann die Frage offenbleiben, ob tatsächlich eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache in dem Haupt- und Hilfsbegehren des Antragstellers zu sehen wäre. Der Antragsteller begehrt mit seinem Hauptantrag nämlich lediglich die Verpflichtung des Antragsgegners, ihn weiter zum Einstellungsverfahren für die Qualifikationsebene 2 zum Einstellungstermin im März 2021 zuzulassen, nicht hingegen zum Vorbereitungsdienst selbst. Gegenstand des Hilfsantrags ist eine erneute Entscheidung über die Einstellung des Bewerbungsverfahrens, somit ein Minus zum Hauptantrag. Darauf kommt es jedoch nach den obigen Ausführungen nicht mehr an.
2. Der Antragsteller hat als unterlegener Beteiligter die Kosten des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen.
3. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 57).


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