Aktenzeichen S 8 KR 39/20
Leitsatz
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
Eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 SGG kann ergehen. Die Beteiligten wurden angehört, die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf und der Sachverhalt ist geklärt.
Streitgegenständlich ist der Bescheid vom 15.07.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2019. Das Begehren des Klägers ist entgegen dem Wortlaut des gestellten Antrages dahingehend auszulegen, dass er die Fusionsbiopsie mit MRT als Sachleistung begehrt.
Nach § 27 Absatz 1 S. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Zur ärztlichen Behandlung gehören auch notwendige Untersuchungen. Der Behandlungsanspruch unterliegt allerdings den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Die Krankenkassen sind daher nicht bereits dann leistungspflichtig, wenn die streitige Untersuchung/Therapie nach eigener Einschätzung der Versicherten oder der behandelnden Ärzte sinnvoll ist und befürwortet wird. Vielmehr muss die betreffende Untersuchung/Therapie rechtlich von der Leistungspflicht der GKV umfasst sein. Dies ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V nur dann der Fall, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung zu den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch diese Richtlinien wird nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zur Lasten der Krankenkasse erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt (BSG, Urteil vom 07.11.2006, Az.: B 1 KR 24/06 R). Bei der begehrten Fusionsbiopsie mit MRT handelt es sich um eine neue Untersuchungsmethode im Sinne von §§ 92 Abs. 1, 135 SGB V; sie ist bisher nicht Bestandteil des vertragsärztlichen Leistungsspektrums. An einer positiven Empfehlung des G-BA für die begehrte Untersuchung fehlt es vorliegend. Die einschlägige „Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung“ (Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung) enthält weder eine positive noch eine negative Empfehlung zu dieser neuen Untersuchungsmethode.
Ein Kostenübernahmeanspruch des Klägers ergibt sich auch nicht wegen des Vorliegens einer notstandsähnlichen Krankheitssituation unter Berücksichtigung der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Beschluss vom 06.12.2005 (1 BvR 347/98) entschieden, dass es mit den Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Ab. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar ist, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, generell von der Gewährung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Im Sinne dieser Rechtsprechung hat der Gesetzgeber in § 2 Abs. 1a SGB V eine entsprechende gesetzliche Regelung eingefügt. Eine Fallgestaltung, wie sie das BVerfG und die genannte Vorschrift beschreiben, liegt bei dem Kläger nicht vor. Sowohl das BVerfG als auch § 2 Abs. 1a SGB V fordern das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung oder eine zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht. Wie aber der MDK im Gutachten vom 07.10.2019 dargelegt hat, stehen dem Kläger als zugelassene GKV-Leistungen die sonografisch gestützte Prostatastanzbiopsie zur Verfügung. Auch die weitere Vorgabe des BVerfG und des § 2 Abs. 1a SGB V, wonach eine nicht anerkannte Methode als Leistung der GKV erbracht werden kann, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht, erfüllt die Fusionsbiopsie mit MRT nicht. Denn mit ihm ist weder eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung noch spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf verbunden; er dient allein dazu, den Nutzen bzw. die Notwendigkeit einer weiteren Behandlung zu bewerten.
Ein Leistungsanspruch des Klägers ergibt und ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Systemmangels. Danach kann eine Leistungspflicht der Krankenkasse ausnahmsweise dann bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem G-BA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzung nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde (BSG, Urteil vom 04.04.2006, Az.: B 1 KR 12/05 R). Im Fall der Fusionsbiopsie mit MRT besteht ein Systemversagen deshalb nicht, weil sich der G-BA mit Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in Bezug auf Prostataerkrankungen laufend befasst.
Solange der G-BA keine positive Bewertung der Fusionsbiopsie mit MRT gegeben hat, ist dieser Test für Krankheitsbilder wie das des Klägers keine Leistung der GKV und es besteht kein Anspruch auf Übernahme der Kosten zu Lasten der GKV. Selbst wenn andere gesetzliche Krankenkassen im Rahmen besonderer gesetzlicher Ermächtigungen diese Leistung gewähren bzw. die Beklagte die Leistung in der Vergangenheit gewährt hat, begründet dies keinen Anspruch gegenüber der hier beklagten Krankenkasse.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis der Hauptsache.