Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Leistungen, Versorgung, Arzt, Berufung, Chefarzt, Vereinbarung, Abrechnung, Leistung, Klage, Wahlleistungsvereinbarung, Stellvertretung, Honorararzt, Verhinderung, Zahlung, besondere Qualifikation

Aktenzeichen  23 S 63/21

Datum:
22.2.2022
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 12870
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

5 C 2160/20 2021-03-16 Urt AGREGENSBURG AG Regensburg

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Regensburg vom 16.03.2021 (Az: 5 C 2160/20) abgeändert und neu gefasst wie folgt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits (beide Instanzen) zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 1.732,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Zur Darstellung des Tatbestands wird auf das angefochtene Urteil des Amtsgerichts Regensburg vom 16.03.2021 Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).
Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen das der Klage stattgebende Urteil des Amtsgerichts Regensburg. Die Beklagte ist entgegen dem Amtsgericht Regensburg der Auffassung, dass § 17 Abs. 3 KHEntgG der streitgegenständlichen Wahlleistungsvereinbarung nicht entgegen stehe. In der Entscheidung des BGH vom 16.10.2014 (Az.: III ZR 85/14) sei es um die Frage gegangen, ob eine Abrechnung aus eigenem Recht durch einen Honorararzt erfolgen könne. Eine Vertreterregelung sei dort nicht streitgegenständlich gewesen. Allerdings habe der BGH die gewünschte Stellvertretung ausdrücklich für zulässig erachtet. Es gehe vorliegend nicht um die Delegation auf nicht abrechnungsberechtigte Ärzte, sondern um einen Fall der Stellvertretung. Eine solche sei auch im Kernbereich der ärztlichen Tätigkeit möglich und zulässig und der Stellvertreter müsse auch nicht selbst liquidationsberechtigt sein. Auch auf die Frage einer Verhinderung des Wahlarztes komme es nicht an. Ferner bestehe keine Befürchtung einer unqualifizierten Versorgung des Privatpatienten. Denn der jeweilige Stellvertreter müsse Leistungen oberhalb des Facharztniveaus erbringen und daher ebenso qualifiziert sein wie der liquidationsberechtigte Chefarzt. Aufgrund der allgemeinen Vertragsfreiheit sowie aufgrund des Selbstbestimmungsrechts des Patienten müsse eine gewünschte Stellvertretung zulässig sein.
Die Beklagte beantragt daher,
das Urteil des Amtsgerichts Regensburg vom 16.03.2021 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass das Amtsgericht zu Recht zu dem Ergebnis gekommen sei, dass § 17 Abs. 3 KHEntgG der streitgegenständlichen Wahlleistungsvereinbarung entgegen stehe. Denn eine Stellvertretung setze eine Verhinderung des Wahlarztes voraus, die vorliegend nicht gegeben sei. Auch wenn der BGH im Jahr 2007 (Urteil vom 20.12.2007, Az.: III ZR 144/07) die gewünschte Stellvertretung des Wahlarztes nicht für unzulässig erklärt habe, habe er sie auch nicht für uneingeschränkt zulässig erachtet. Die freie Arztwahl sei auch nicht beeinträchtigt. Ein Patient könne sich seinen Arzt aussuchen, die Frage sei nur, ob ein gesondertes Wahlarzthonorar verlangt werden könne.
Am 25.01.2022 hat das Landgericht eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 25.01.2022 Bezug genommen. Im übrigen wird wegen des Vortrags der Parteien auf die von diesen eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
Die nach §§ 511 ff. ZPO zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg. Denn der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Rückzahlung von 1.732,- Euro gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 BGB zu. Daher ist auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Amtsgerichts Regensburg vom 16.03.2021 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der streitgegenständlichen Vereinbarung der gewünschten Stellvertretung von H. Prof. Dr. M2. durch Fr. Dr. F2. steht § 17 Abs. 3 KHEntgG nicht entgegen, so dass die Leistung des Versicherungsnehmers der Klägerin nicht rechtsgrundlos erfolgt ist und kein Rückzahlungsanspruch nach § 812 Abs. 1 S. 1 BGB besteht.
Die vorliegend entscheidende Frage, ob die Vertretung des Wahlarztes (Chefarztes) durch einen gewünschten Vertreter zulässigerweise vereinbart werden kann, ist umstritten.
Nach einer Auffassung ist eine derartige Vereinbarung unzulässig (AG Oldenburg, Urteil vom 23.08.2017, Az.: 3 C 3059/17; OLG Oldenburg, Beschluss vom 11.12.2017, Az.: 8 S 381/17; AG Lübeck, Urteil vom 16.12.2021, Az.: 26 C 755/21). Hierfür wird das Schutzbedürfnis des Privatpatienten angeführt und auf die Entscheidung des BGH vom 16.10.2014 verwiesen. Darin führt dieser aus, dass § 17 Abs. 3 KHEntgG den Kreis der liquidationsberechtigten Wahlärzte abschließend festlege. Dabei handele es sich um eine dem Schutz des Patienten dienende zwingende preisrechtliche Norm. Zudem wird seitens dieser Auffassung vorgebracht, dass ansonsten eine unzulässige Erweiterung des Kreises der liquidationsberechtigten Ärzte vorliege. Schließlich setze die Stellvertretung eine Verhinderung voraus, die bei der gewünschten Stellvertretung nicht vorliege.
Nach anderer überzeugenderer Ansicht wird eine gewünschte Stellvertretung des Chefarztes durch einen Wahlarzt grundsätzlich und unter engen Voraussetzungen als zulässig angesehen (AG Regensburg, Urteil vom 01.12.2011, Az.: 3 C 3485/10; LG Regensburg, Beschluss vom 30.04.2012, Az.: 2 S 4/12; Clausen, Beck’sche Online-Formulare Medizinrecht, 27. Edition 2021, Stand: 01.05.2021; Bender, Honorararzt und wahlärztliche Leistungen, GesR 2013, 449-453). Diese Meinung führt an, dass der BGH eine gewünschte Stellvertretung als zulässig angesehen habe (BGH Urteil vom 16.10.2004, Az.: III ZR 85/14). Der BGH habe die Möglichkeit des Wahlarztes, sich im Bereich der wahlärztlichen Leistungen vertreten zu lassen mit dem Grundsatz der Vertragsfreiheit begründet. Wenn eine Stellvertretervereinbarung im Wege der Individualvereinbarung geschlossen werde, bestünden gegenüber dem Patienten allerdings besondere Aufklärungspflichten, bei deren Verletzung dem Honoraranspruch des Wahlarztes der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen stehe. Von dieser Meinung wird ferner angeführt, dass eine Verhinderung des Chefarztes für die Stellvertretung nicht entscheidend sei. Zudem würde es den Sinn und Zweck der Wahlleistungsvereinbarung konterkarieren, wenn ein Patient sich nicht von seinem Wunscharzt behandeln lassen könnte, bzw. wenn er darauf keinen Anspruch hätte. § 17 Abs. 3 KHEntgG lege lediglich den Kreis der liquidationsberechtigten Wahlärzte und der hieraus folgenden Wahlarztkette fest, nicht aber die Zulässigkeit von Stellvertreterregelungen.
Wie bereits dargelegt, schließt sich die Kammer der zuletzt genannten Ansicht, nach der eine gewünschte Stellvertretung für eine Vertretung des Wahlarztes (Chefarztes) grundsätzlich zulässig und damit wirksam ist, an. Allerdings sind an eine derartige Vereinbarung strenge Anforderungen zu stellen. Insbesondere muss der Patient hinreichend aufgeklärt werden und zum anderen müssen hinreichende Qualitätsanforderungen an den behandelnden, den den Chefarzt vertretenden Arzt, gestellt werden. Denn erst die herausgehobene ärztliche Qualifikation oder eine besondere Vertrauensbeziehung zu dem Patienten rechtfertigt die Zahlung eines zusätzlichen Entgelts. Es kommt mithin immer auf den Einzelfall an, ob die Vereinbarung einer gewünschten Stellvertretung als wirksam anzusehen ist oder nicht.
Im vorliegenden Einzelfall wurde statt des Chefarztes Prof. Dr. M2. Frau Oberärztin Dr. F2. als gewünschte Stellvertreterin vereinbart. Bei Frau Privatdozentin Dr. F2. handelt es sich nach dem Vortrag der Beklagtenpartei, der von dem Berufungsgericht zugrundezulegen ist, um eine besonders qualifizierte Oberärztin, die seit dem Jahr 2006 jährlich nahezu 200 derartige Eingriffe (EPU) im Haus der Beklagten durchführt. Sie unterstützt die Arbeiten des Kurrikulums der Fortbildungen für Herzschrittmachertherapie und Defibrillatortherapie, ist Dozentin für Themen der Rhythmologie bei den Herz-Kreislauf-Tagen, hat die Elektrophysiologieeinheit am Haus der Beklagten bereits kommissarisch geleitet und auf besagtem Gebiet entsprechend publiziert. Im Hinblick auf diese besonderen Erfahrungen und Kenntnisse der Oberärztin und Privatdozentin Frau Dr. F2. sieht es die Kammer im vorliegenden Einzelfall als zulässig an, dass diese den Chefarzt Herrn Prof. Dr. M2. bei Vereinbarung einer gewünschten Stellvertretung im Rahmen einer Wahlleistungsvereinbarung wirksam vertreten kann. Denn es ist davon auszugehen, dass Frau Dr. F2. über Kenntnisse verfügt, die über dem Facharztniveau liegen. Im Hinblick darauf war es für den Versicherungsnehmer der Klägerin und die Beklagte zulässig, Frau Dr. F2. als Spezialistin auf dem Gebiet der Elektrophysiologie als gewünschte Stellvertreterin des Herrn Prof. Dr. M2. für die Behandlung des Versicherungsnehmers der Klägerin zu vereinbaren. Dieser Vereinbarung steht § 17 Abs. 3 KHEntgG nicht entgegen. Denn aus dieser Vorschrift ergibt sich nicht, dass eine gewünschte Stellvertretung eines Wahlarztes nicht durch einen nicht selbst liquidationsberechtigten Vertreter erfolgen kann.
Auch die Tatsache, dass eine Verhinderung des Herrn Prof. Dr. M2. aus der streitgegenständlichen Regelung nicht hervorgeht, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Denn eine Verhinderung ist nicht Voraussetzung für eine wirksame Vereinbarung einer gewünschten Stellvertretung, sofern die weiteren Voraussetzungen, insbesondere die besondere Qualifikation des Stellvertreters, erfüllt sind.
Nachdem mithin eine wirksame Vereinbarung einer gewünschten Stellvertretung vorliegt, ist ein rechtlicher Grund i.S.d. § 812 I BGB für die Zahlung des Versicherungsnehmers der Klägerin zu bejahen, so dass ein bereicherungsrechtlicher Anspruch der Klägerin ausscheidet.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.


Ähnliche Artikel


Nach oben